Protokoll der Sitzung vom 18.06.2004

[Textzahl 87]

Wer möchte die Textzahl 87 aus der Drucksache 18/200 beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Textzahl 88

[Textzahl 88]

Wer stimmt der Empfehlung in der Textzahl 88 zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Textzahl 89

[Textzahl 89]

Wer möchte die Textzahl 89 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Über die Abschlusszahlen aus der Textzahl 90 stimmen wir später ab.

Ich rufe auf

Einzelplan 4 Behörde für Soziales und Familie

Wer meldet sich zu Wort? – Frau Brinkmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Bürgermeisterin, Ihre vielgepriesene "Wachsende Stadt" ist seit 2002 durch ständig steigende Zahlen von Sozialhilfeempfängern und viel zu geringen Erfolgen bei der Eingliederung Arbeitssuchender in den sozialen Arbeitsmarkt gekennzeichnet. Ein Herauslösen aus der Sozialhilfe ist immer schwieriger geworden, weil bei den bezirklichen Ämtern überproportional Personal eingespart wurde. Bei ihrer Prognose liegt die Sozialsenatorin Schnieber-Jastram – wie schon 2002 und 2003 – völlig daneben. Aktuell sind es heute schon über 10 000 Sozialhilfefälle mehr als in ihrer Prognose im Haushaltsplan-Entwurf 2004. Ist das Ihre neue "Wachsende Stadt", Frau Bürgermeisterin?

(Beifall bei der SPD)

Ihr Lieblingszitat, das Sie immer wieder benutzen,

"Wer Hilfe braucht, bekommt sie auch."

ist nur insoweit richtig, dass Sie allein festsetzen, wer Hilfe in welchem Umfang bekommen soll, ganz gleich, ob der Hilfebereich ausreicht.

(Dirk Kienscherf SPD: Lachnummer!)

Das wurde beispielsweise bei dem Stellenabbau der Beratungseinrichtung für körperbehinderte Menschen in den Bezirken deutlich. Nur auf Druck der SPD-Fraktion konnte verhindert werden, dass einzelne Bezirke ganz ohne solche Beratung blieben.

Noch gravierender ist die Situation bei den Schuldnerberatungsstellen. Fast ein Jahr müssen völlig überschuldete Menschen, die unter großem Druck ihrer Gläubiger stehen, in einigen Bezirken auf eine Beratung warten. Ist das Ihre angemessene Hilfe, Frau Bürgermeisterin?

Oder nehmen wir als weiteres Beispiel die Frauenhäuser. Schon 2002 und 2003 hat der Senat diese Mittel in einem erheblichen Umfang gekürzt, obwohl die Häuser immer über hundert Prozent belegt waren. Wer einmal in einem Frauenhaus gewesen ist und dann behauptet, dass sich die Frauen dort gern länger als notwendig aufhalten, ist einfach zynisch.

(Vizepräsidentin Dr. Verena Lappe übernimmt den Vorsitz. – Beifall bei der SPD und bei der GAL)

Wer ein Frauenhaus mit der Begründung schließt, dass sich durch die Einrichtung einer Interventionsstelle die Kontakte verringern, kennt entweder die Evaluationsberichte aus anderen Großstädten, wie zum Beispiel Wien, nicht oder will sie einfach nicht zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD und bei der GAL)

Es kann doch auch nicht angehen, dass Hilfe für Gewalt erfahrene Frauen von einem Aufenthaltsstatus abhängig gemacht werden soll. Aber zum Glück ist die letzte zynische Forderung an den Zuwendungsbescheid 2004 gebunden. Dieser liegt bisher nicht vor, obwohl das Jahr schon zur Hälfte verstrichen ist.

Unter dem Vorwand der sozialen Gerechtigkeit streichen Sie Leistungen, anstatt die Leistungen gerechter zu gestalten. Hierfür ist das Sozialhilfeticket ein gutes Beispiel. Wäre Ihre Argumentation ehrlich, dass das HVV-Ticket für Sozialhilfeempfänger gegenüber Geringverdienern ungerecht und der Verwaltungsaufwand zu hoch ist, so hätten Sie hier Abhilfe schaffen können, wie die SPDFraktion in ihrem Antrag aufzeigt.

(Beifall bei der SPD)

Stattdessen verschärfen Sie die Situation für die Sozialhilfeempfänger, die arbeitsfähig sind und fordern eine Mobilität zur Arbeitsaufnahme, die ohne erhebliche Aufwendungen an Fahrgeld nicht möglich ist. Bei jeder Einzelerstattung ist der Verwaltungsaufwand noch viel größer.

Die Verfolgung von Sozialhilfemissbrauch ist eine Selbstverständlichkeit. Anstelle von klaren Analysen und transparenten Zahlen suggeriert die Sozialsenatorin immer wieder, dass durch die völlig berechtigte Verfolgung von Missbrauch große Summen einzusparen sind, die dann in

der angekündigten Höhe nicht annähernd erreicht werden.

Die SPD-Fraktion spricht sich ganz eindeutig und klar für die Bekämpfung und damit für die Verhinderung des Missbrauchs aus. Auch unter früheren Senatoren wurde die Sozialhilfe bei Arbeitsunwilligkeit gekürzt. Natürlich ist von den SPD-geführten Senaten der Datenabgleich anderer Leistungen mit der Sozialhilfe eingeleitet worden, aber nach dem Datenschutz war das damals nur begrenzt möglich. Diese Abgleiche finden wir natürlich richtig und kritisieren sie auch nicht. Was wir kritisieren, ist, dass diesem Senat das richtige Augenmaß fehlt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die ständige Stigmatisierung der Sozialhilfeempfänger muss aufhören. Die Verallgemeinerung nach der Verfehlung Einzelner muss endlich ein Ende haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zu den Anträgen der CDU-Fraktion brauche ich nichts zu sagen, weil es außer der Selbstverständlichkeit "Hinz & Kunzt" keine Anträge gibt.

Zusammengefasst kann man sagen, dass sich in dieser Stadt eine soziale Kälte einschleicht, die nur noch das Ziel der Einsparung hat.

(Michael Neumann SPD: Die wird gewollt!)

Es brechen Strukturen sozialer und gemeinnütziger Einrichtungen weg, die nur schwer wieder aufgebaut werden können. Wer wirklich Hilfe braucht, bekommt sie von dieser Sozialsenatorin noch lange nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Schira.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Brinkmann, der Bürgermeister hat vorgestern im Rahmen der Generaldebatte darüber gesprochen, wie es ist, wenn man Opfer seiner eigenen Selbstempörung wird. Sie haben durch Ihren Redebeitrag ein gutes Beispiel dafür abgeliefert.

(Beifall bei der CDU)

Ehrlich, denke ich, wäre es auch gewesen, Frau Brinkmann, wenn Sie einige Worte zur katastrophalen Wirtschaftspolitik der rotgrünen Bundesregierung gesagt hätten, die sich unmittelbar auch auf den Sozialetat in dieser Stadt auswirkt.

(Beifall bei der CDU – Dr. Martin Schäfer SPD: Oh! Das war die Umdrehung der einhundertdrei- undachtzigsten Leier!)

Ich weiß, Herr Dr. Schäfer, das tut vielleicht weh, aber es muss immer wieder gesagt werden. Vielleicht begreifen Sie dann auch einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen guter Wirtschafts- und Sozialpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Hamburg muss in diesen und auch in den folgenden Haushalten ungeheure Einsparungen bewältigen. Davon kann natürlich kein Einzelplan ausgenommen werden, auch nicht der Sozialetat. Die genauen Zahlen, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir in den letzten Tagen schon mehrfach genannt und sie sind auch diskutiert

worden. Ich muss sie hier nicht wiederholen, ebenso nicht die Hauptursachen für die gewaltigen Einnahmeausfälle, die nun einmal in der verheerenden Wirtschafts- und Arbeitspolitik von Rotgrün in Berlin liegen.

(Doris Mandel SPD: Das seid Ihr doch! – Zuruf von Antje Möller GAL)