"[Die] plötzlich ins Spiel gebrachte angebliche Verfassungswidrigkeit des Volksentscheids ist an den Haaren herbeigezogen. […] Das sagt Dressel, der selbst über Direkte Demokratie in Hamburg promoviert hat."
Wenn man dann einer Rezension über eben diese Dissertation glauben kann, werden darin folgende Thesen vertreten: Verfassungsrechtliche Gründe erfordern höhere Hürden für die Direkte Demokratie.
Die Initiatoren von Bürgerbegehren mit finanziellen Folgen sollen hierfür einen Kostendeckungsvorschlag vorlegen. Das Sankt-Florian-Prinzip bei Bürgerbegehren hat ein neues Ventil gefunden.
Herr Dressel, ich wollte, dazu hätten Sie heute etwas gesagt. Diese Frage wollte ich Ihnen nämlich vorhin stellen, aber darauf haben Sie nicht geantwortet. Vielleicht kommen Sie später dazu.
Sie regen sich darüber auf, dass der Bürgermeister sich in seiner Eigenschaft als Spitzenkandidat mit einem Brief an die Hamburgerinnen und Hamburger wendet. Was ist denn dagegen einzuwenden? Wollen Sie etwa Herrn von Beust verbieten, sich zu elementaren politischen Fragen unserer Stadt zu äußern?
Und warum soll das nur für den Bürgermeister gelten? Dann, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, stoppen Sie doch auch Ihren Kandidaten, der durch die Stadt läuft und jedem, ob er es hören will oder nicht, seine Meinung über den Volksentscheid aufdrängt. Aber Sie messen wieder einmal mit zweierlei Maß.
Wir werden nicht nervös, wir haben gute Argumente gegen die Änderungen und wir werden uns nicht davon abhalten lassen, den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt diese Argumente mitzuteilen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Also, Herr Jäger und Herr Bürgermeister, wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die CDU nervös wird, dann haben Sie diesen Beweis gerade geliefert, Herr Bürgermeister.
Sie haben anlässlich eines Volksentscheids das Gespenst der Überdemokratisierung an die Wand gemalt und dazu Demokratievorstellungen von vor 30, 40 Jahren bemüht. Sie haben behauptet, es würden Leute wegen ihrer Herkunft diffamiert werden. Aber Sie sind nicht auf das Sachargument eingegangen. Das Sachargument, das Herr Dressel gebracht hatte, war doch, dass in dieser Kampagne von den besagten Prominenten gesagt wurde, dass die Herrschenden klüger seien als das Volk und dass man deswegen die Direkte Demokratie nicht ausweiten sollte. Das war das Kernargument.
Das ist, ehrlich gesagt, nach meinem Verständnis schon eine ein wenig royalistische Einstellung zur Machtausübung. Das ist nicht das, was wir unter Demokratie verstehen.
Das Volk ist eben nicht so dumm, wie Sie sich das vorstellen. Es geht doch darum, dass wir etwas Neues machen wollen. Das gestehe ich Ihnen insofern zu. Es ist nicht mehr die Situation wie vor 30 oder 40 Jahren, sondern es geht uns doch darum - im Übrigen ging uns das bis vor Kurzem eigentlich noch gemeinsam in diesem Parlament darum -, eine neue Demokratie, eine partizipative Demokratie, eine Kultur der Beteiligung zu schaffen, gerade weil wir doch sehen, dass wir eben nicht mehr im Parteienspektrum alles abdecken können, sondern dass wir an den Rändern auch ganz besorgniserre
gende Abdriftungserscheinungen zur Kenntnis nehmen. Deswegen haben wir Demokraten gesagt, dass wir auch, um diese Tendenzen der Radikalisierung in der Demokratie abzufangen, partizipative und plebiszitäre Elemente einführen wollen. Und jetzt kommen Sie daher und sagen, das sei undemokratisch. Da verlassen Sie einen demokratischen Konsens, den wir in diesem Haus einmal gehabt haben. Ich finde es ziemlich schade, dass Sie davon abweichen, Herr Bürgermeister.
Dann noch zu dem Aspekt des Versands der Unterlagen: Da haben Sie uns vorgeworfen, wir würden Unwahrheiten verbreiten.
(Kai Voet van Vormizeele und Harald Krüger, bei- de CDU: Das stimmt ja auch! - Gegenruf von Dr. Andreas Dressel SPD: Wer verbreitet hier Unwahrheiten?)
Herr Bürgermeister, ich möchte Sie einmal daran erinnern, dass Sie in Ihrem Brief, den Sie als Privatmann 200.000 Hamburgerinnen und Hamburgern geschrieben haben, sinngemäß gesagt haben: "Lesen Sie selbst den Gesetzentwurf. Bilden Sie sich eine Meinung." Jetzt steht in Ihrem Gesetz aber, dass es offenbar ausreicht, wenn der Gesetzentwurf, über den abgestimmt wird, im Amtlichen Anzeiger steht. Sie kennen dieses Gesetz offenbar selbst nicht. Da müssen Sie sich aber doch fragen lassen, was das eigentlich für ein Gesetz ist, das Sie verabschiedet haben und das Sie erstens nicht selber verstehen und das zweitens dazu führt, dass über eine Million Menschen über etwas abstimmen sollen, zu dem sie die Unterlagen gar nicht vorliegen haben. Was ist das bitte für eine Logik? Das hat doch mit Direkter Demokratie nichts zu tun.
Dann werfen Sie uns moralische Überheblichkeit vor. Nun muss ich diesen Vorwurf ein wenig zurückgeben, denn eine Partei, die eine Kampagne auflegt, in der sie sich zur Retterin der Verfassung aufschwingt, ist aus meiner Sicht schon ein wenig überheblich.
Ziemlich unerträglich - finde ich - wird es dann, wenn Sie, Herr Bürgermeister, Unwahrheiten verbreiten über den Vorgang, der sich in Altona beim Bismarckbad abgespielt hat. Sie haben behauptet, die GAL habe sich Seite an Seite mit der CDU über einen Bürgerentscheid hinweggesetzt. Da muss ich Sie einfach nur noch einmal an die historische Wahrheit erinnern - wie das gewesen ist. Es hat eine gemeinsame Auffassung von CDU und GAL in Altona gegeben. Es hat einen Bürgerentscheid gegeben,
den die CDU und die GAL verloren haben. Daraufhin hat die GAL diesen Bürgerentscheid respektiert. Es waren dann Sie mit Ihrem Senat, die diese Entscheidung evoziert und anders entschieden haben. Da unterscheiden wir uns immer noch sehr deutlich, Herr Bürgermeister.
Wenn Sie dann sagen, man dürfe Volksentscheide nicht verbindlich machen, dann muss ich sagen: Ich hätte mir auch gewünscht, dass es eines solchen Volksentscheids, über den wir heute reden, nicht bedurft hätte. Ehrlich
gesagt, hat, glaube ich, auch niemand daran gedacht, dass es einer solchen Regelung tatsächlich einmal bedürfen würde, als in der Verfassung diese neuen Regelungen über Volksentscheide eingeführt wurden. Niemand hat damit gerechnet, dass eine Regierung sich einmal erdreisten würde, sich innerhalb einer Legislaturperiode zweimal über Volksentscheide hinwegzusetzen.
Uns geht es nur darum, die Regeln des politischen Anstands, die Sie verletzt haben, verbindlich zu machen. Es ist schade, dass es erforderlich ist, dass wir hierzu eine Verfassungsänderung brauchen, aber wir brauchen sie. Deswegen sollten die Hamburgerinnen und Hamburger mit "Ja" abstimmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht, um direkt auf den letzten Punkt von Herrn Maaß zu antworten:
Wenn wir schon bei den Fakten bleiben wollen, dann ist Fakt, dass die GAL sich in dieser Frage der Stimme enthalten hat und dass Frau Dr. Lappe gesagt hat, dass es inhaltlich eine richtige Entscheidung war, so wie sie getroffen wurde - das ist Fakt.
Dann, Herr Maaß, haben Sie völlig richtig gesagt, dass dieser Verfassungskonsens, durch den die Volksgesetzgebung in Hamburg eingeführt wurde, im Konsens eingeführt worden ist. Aber wie geht die Argumentation dann weiter? Sie verlassen den Konsens
und werfen uns vor, wir seien undemokratisch. Eine solch absurde Argumentation habe ich wirklich lange nicht mehr gehört.
Wir haben, als wir die Hamburgische Verfassung geändert haben, ganz bewusst die Regelung in die Verfassung aufgenommen, dass ein durch Volksentscheid zustande gekommenes Gesetz nicht innerhalb von zwei Jahren durch einen erneuten Volksentscheid geändert werden kann. Genau das steht in der Verfassung und genau das halten wir für richtig. Das heißt aber auch, dass die letzte Verantwortung nach der Hamburgischen Verfassung weiterhin beim Parlament, bei dieser Bürgerschaft, liegt. Das - das ist meine tiefste Überzeugung - ist auch richtig so.