Protokoll der Sitzung vom 10.10.2007

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen eines aber auch gleich vorweg: Damit werden nicht alle Probleme gelöst sein, sondern wir werden in einer Großstadt immer Probleme behalten.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Kienscherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Senatorin, natürlich werden wir in einer großen Stadt wie Hamburg immer Probleme haben, aber Sie sind persönlich besonders gefordert, diese Probleme anzugehen. Die Rede, die Sie eben gehalten haben, ist nicht dazu dienlich, sondern Sie wollen dort weitermachen, wo Sie aufgehört haben. Ein Weiter-so nützt keinem dieser 56.000 Kinder.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wir wollen auch gar nicht darum streiten, ob es 56.000 oder 57.000 Kinder sind, die in dieser Stadt aus unserer Sicht nach wie vor von Armut betroffen sind. Entscheidend ist, dass wir vorhin einmal wieder diskutiert haben, dass wir ein Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent haben, dass wir es aber nicht geschafft haben, gleichzeitig von diesen 56.000 Kindern, die in Armut leben, herunterzukommen. Das ist der Skandal, meine Damen und Herren, der sich in dieser Stadt abspielt, und den müssen wir ganz offen diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Frau Senatorin, was mich erschreckt hat und was, glaube ich, jeden Sozialpolitiker erschreckt, ist, dass Sie darüber reden, man müsse Armut ganz neu definieren. Wenn man Ihnen zuhört, dann denkt man, dass für Sie Armut anscheinend nur bedeutet, dass Menschen hungern wie in der Dritten Welt. Für uns Sozialdemokraten bedeutet

Armut aber auch, dass man keine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und keinen Zugang zur Bildung hat. Das ist für uns Armut, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sind wir gefordert, dringend etwas zu tun. Sie sagen selbst, wir müssen differenziert handeln. Dann legen Sie doch erst einmal differenzierte Daten vor. Für uns ist es sehr, sehr wichtig, dass es diese differenzierten Daten gibt. Nur wenn wir wissen, wie sich die Situation in Blankenese, in Horn oder in Billstedt entwickelt hat,

(Michael Neumann SPD: In Hamm!)

können wir Antworten finden. Das wollen Sie nicht, Sie wollen sich über den Wahltag im Februar hinwegretten. Damit schaden Sie den 56.000 Kindern.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen anerkennen und zugeben - als CDUFraktion und als Sozialsenatorin -, dass es falsch war, in den sozialen Brennpunkten die Kita-Versorgung abgebaut und Vorschulgebühren sowie Büchergeld eingeführt zu haben. All das hat den Kindern in dieser Stadt, deren Eltern nicht so viel Geld haben, geschadet. Damit haben Sie die Kinder nicht gefördert, Frau Senatorin, das müssen Sie sich endlich eingestehen.

(Beifall bei der SPD)

Herr von Frankenberg, wir Sozialdemokraten nutzen das nicht als Wahlkampfthema.

(Zurufe von der CDU: Ach, nein?)

Ich glaube nicht, dass die Manager, die befragt worden sind und dieser Senatorin zu Recht eine schlechte Note gegeben haben, Wahlkampf für uns machen. Wir sagen, 56.000 Kinder, die in Armut leben, bedeuten 56.000 vertane Zukunftschancen. Wir müssen erstens darüber reden, wie wir es schaffen können, für eine bessere materielle Ausstattung zu sorgen, und zweitens müssen wir überlegen, wie wir aus diesem Teufelskreis von Armut und Bildungsferne herauskommen. Sie haben bisher relativ wenig dazu gesagt. Es geht darum, dass wir uns im Bereich Kita viel stärker engagieren müssen und gerade die Personen oder Familien, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, in den Fokus unserer Politik bringen und neue Akzente setzen. Das haben Sie versäumt. Wir Sozialdemokraten werden das ab Februar 2008 ändern.

(Beifall bei der SPD)

Ein Weiter-so kann es nicht geben. Wachen Sie endlich auf, Frau Senatorin, machen Sie endlich etwas für die Familien in dieser Stadt. Reden Sie nicht über Kinderheimzulage beziehungsweise über Ihre "komische" Kinderzimmerzulage, die nichts gebracht hat, sondern schauen Sie sich sehr differenziert die Lage der Familien vor Ort an. Schalten Sie sich ein, reden Sie mit der ARGE, mit den Job-Centern, um zu hören, was dort falsch läuft, sprechen Sie mit den Betroffenen. Dann müssen wir alle gemeinsam darum ringen, dass es diesen Kindern endlich besser geht. Wir Sozialdemokraten sind zu dieser Diskussion bereit. Wir fordern Sie auf, endlich mit uns gemeinsam über das Wohl unserer Kinder zu diskutieren. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dietrich.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Herrn Grund und Frau Köncke habe ich noch zugehört, die haben sich auf eine sachliche Ebene herabgelassen.

(Michael Neumann SPD: Bei Frau Schnieber- Jastram nicht, das kann ich verstehen!)

- Nein, ich will jetzt die Replik auf die Oppositionsredner machen, Kollege Neumann.

Aber Herr Kienscherf, mit Verlaub, das war wieder ein typischer Kienscherf, nur reine, billige Polemik und rhetorische Plattitüden.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe mir ein paar Sätze aufgeschrieben. Sie haben immer wieder die Zahl 56.000 erwähnt, die auch der Kollege Grund vorher noch einmal nannte, und vor allen Dingen die Differenz von 9.000, eine hohe Zahl, absolut. Das hat auch niemand verneint, weder der Kollege von Frankenberg noch die Senatorin. Wir sind uns alle der Verantwortung bewusst, dass diese Zahl viel zu hoch ist. Ich werde Ihnen auch gleich sagen, mit welchen Maßnahmen wir in den letzten vier, fünf Jahren sukzessive versucht haben, dieser Zahl zu begegnen. Auf die statistischen Dinge möchte ich gar nicht eingehen. Sowohl Herr Grund und Frau Köncke als auch der Kollege Kienscherf haben lediglich die ganze Sache beschrieben. Sie haben immer Berichte eingefordert, Sie wollten klein kartelliert sehen, wie sich Hamburg in diesem Bereich entwickelt. Das brauchen wir alles gar nicht.

(Dirk Kienscherf SPD: Nein?)

- Nein, Herr Kienscherf, das brauchen wir nicht. Wenn Sie vor Ort Politik machen würden - insbesondere im Kinder- und Jugendhilfebereich -, dann wüssten Sie genau, wo die Leute in Ihrem Bezirk und in Ihrem Stadtteil Probleme haben und wo es Schwierigkeiten gibt. Sie brauchen keine Berichte und kein Zahlenmaterial, sondern sie brauchen Maßnahmen.

(Beifall bei der CDU)

Sie kündigen an, ab 25. Februar würde alles anders werden, weil Sie eventuell in die Regierung kommen.

(Beifall bei der SPD und bei Gudrun Köncke und Dr. Till Steffen, beide GAL)

Wovon träumen Sie eigentlich nachts? Glauben Sie, die Leute haben vergessen, dass Sie 44 Jahre die Verantwortung in dieser Stadt gehabt haben? Glauben Sie, die Leute haben vergessen, dass Sie im Wesentlichen die Agenda 2010 mit auf den Weg gebracht haben? Glauben Sie, die Leute würden nicht wissen, dass es im Rot-Rot regierten Berlin oder im Rot geführten Senat in Bremen noch viel schlimmer ist als in Hamburg? In den Großstädten ist es ein gesellschaftliches Problem, Herr Egloff. Es ist ein großstädtisches Phänomen und Sie wissen, die Ursachen sind in vier Dingen begründet: Erstens eine hohe Erwerbslosigkeit, zweitens Kinderreichtum, drittens Migrationshintergrund und viertens - das ist mit Sicherheit auch ein Problem - nimmt die Gesellschaft dieses Phänomen so nicht wahr.

Ich will Ihnen gern aus dem Jahresbericht 2006 des Zukunftsrats Hamburg zitieren:

"Der Kampf gegen die Armut in Hamburg war in den letzten zwölf Jahren erfolglos."

- Also auch schon unter den SPD-Senaten. -

"[Es gibt eine] fortschreitende soziale Aufspaltung Hamburgs in arme und reiche Stadtteile."

Das hat jemand geschrieben, der Ihnen eher nahe steht, der deutlich gesagt hat, dass Sie es nicht gepackt haben, in den letzten Jahren etwas für Familien, Kinder und Jugendliche in Hamburg zu tun. Unser Senat hingegen hat Maßnahmen ergriffen. Ich will eine große Zahl hervorheben, das ist die Kindertagesbetreuung.

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Herr Kienscherf, dieser Senat gibt 150 Millionen Euro mehr aus, als der Bund dies fordert. Das sind weitergehende Rechtsansprüche. Frau Strasburger hat es vorhin in einer anderen Debatte erläutert. Wir sind es gewesen, die in einem westdeutschen Bundesland, in einer westdeutschen Großstadt den Rechtsanspruch auf fünf Stunden Kindertagesbetreuung mit einem Mittagessen erfüllt haben. Die Finanzausstattung der Kindertagesbetreuung belief sich in 2002 noch auf 296 Millionen Euro, heute beträgt sie 377 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung von 81 Millionen Euro für 71.000 Kinder, die jetzt im System betreut werden. Früher waren es knapp 50.000 Kinder. Das ist ein großer Erfolg, der sich sehen lassen kann.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Maßnahmen sind zum Beispiel die Absenkung der Klassenfrequenzen in Stadtteilen mit besonderen Problemlagen sowie die gebührenfreie, verpflichtende Vorschule,

(Ingo Egloff SPD: Nachdem Sie die Klassenfre- quenzen erst einmal erhöht hatten!)

insbesondere für diejenigen, die eine besondere Sprachförderung benötigen. Die Senatorin hat eben noch drei andere Bereiche genannt.

Im Dezember 2004 - Herr Kollege Egloff, wenn Sie es in Ihrer Freizeit so wie ich machen würden, dann wüssten Sie es - haben wir eine spürbare Erhöhung der staatlichen Zuschüsse bei Familienfreizeiten und Jugendferienfreizeiten in Höhe von 10 Euro pro Tag und Kind auf bis zu 200 Euro vorgenommen. Das haben nicht Sie gemacht, sondern wir.

(Beifall bei der CDU)