Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

- Das tun Sie doch nicht, wenn Sie hier von einer Debatte zulasten der Opfer sprechen. Was Sie eben gesagt haben, ist unverschämt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wo ist die öffentliche Auseinandersetzung der CDU mit diesem Thema? Die Polizei hat richtig reagiert, sie hat die Person nicht schützen können. Man muss sich zusammensetzen und darüber diskutieren, was passiert ist. Es ist das Mindeste, dass im Innenausschuss dargestellt wird, wie der genaue Ablauf war, welche Möglichkeiten das Gesetz gegeben hat, welche genutzt wurden und welche zusätzlich nötig sind. Das muss man erwarten und nicht eine solche Diskussion, wie Sie sie hier führen.

Natürlich hat die Novellierung des SOG in diesem Fall die Kompetenzen der Polizei erweitert. Selbstverständlich kann nach Paragraf 3 auch schon bei bevorstehender Gefahr - ich weiß nicht, ob Sie das anders sehen, Herr Dr. Dressel - eingreifen. Ihre Formulierung wäre "gegenwärtige Gefahr", das heißt, man sollte erst dann eingreifen, wenn die Person schon vor der Tür steht. Darüber müssen wir diskutieren. Sind das feine Unterschiede, ist das eine Debatte unter Juristen oder haben wir politisch tatsächlich etwas dazu beitragen und vor allem den Opfern etwas mitzugeben? Das ist die eine Frage.

Die andere Frage betrifft die Ingewahrsamnahme.

Nach unserer Einschätzung kann man jetzt schon den Paragrafen 13 Absatz 2 dafür nehmen, nämlich dann, wenn Straftaten abzusehen sind, um die Ingewahrsamnahme durchzuführen. Auch das muss man klären. Warum hat die Polizei es nicht getan? In welchen Fällen tut sie es? Und warum tut sie es manchmal nicht? Das ist Bestandteil des Teils B des SPD-Antrags. Wann bekommen wir Antworten darauf, wenn nicht in einer Innenausschusssitzung? Von daher kann ich nur noch einmal an Sie appellieren, sich Ihre Entscheidung zu überlegen. Wenn Sie diese Fragen nicht beantworten wollen, dann müssen wir gleich die öffentliche Diskussion darüber führen, und Sie sehen bei diesem Thema im Moment nicht besonders gut aus.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Spethmann, wir sind

beide Mitglieder des Weißen Rings, einer über alle Fraktionsgrenzen hinweg anerkannten Opferschutzorganisation, und setzen uns - das nehme ich Ihnen persönlich auch ab - für diese Belange in unseren politischen Funktionen ein. Gerade vor diesem Hintergrund finde ich es unangemessen, wie Sie mit diesen Fragestellungen umgehen. Man kann selbstverständlich zu der Frage der Gesetzesnovellierung geteilter Ansicht sein, aber man kann nicht geteilter Ansicht darüber sein, dass wir uns von der Innenbehörde im Ausschuss zu der Ziffer 2 des Antrags, zu der Frage, was die Polizei unternimmt, welche Möglichkeiten und Grenzen gibt, Bericht erstatten lassen. Darüber kann es in diesem Hause keine zwei Meinungen geben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir sind auf Bundesebene durchaus im Einvernehmen miteinander Schritte gegangen. Darauf hatte meine Kollegin Frau Mandel auch schon hingewiesen. Das Gewaltschutzgesetz wurde mit Zustimmung der CDU im Bundestag verabschiedet, wir haben jetzt den Paragrafen 238 des Strafgesetzbuches. Da muss man sich fragen - das ist der Punkt, an dem wir ansetzen -, ob das an der Stelle landesrechtlich so flankiert ist, dass es auch in allen Fällen, um die es geht, vernünftig greift. Das Gewaltschutzgesetz setzt darauf, dass das Opfer erst einmal etwas tun muss, das Opfer muss zum Gericht gehen, das Opfer muss sich kümmern - so steht es in Ihrem Flyer zum Thema Stalking -, es muss Beweise sammeln und dann gibt es irgendwann eine Anordnung. Das ist eine ganze Menge, was wir dem Opfer an der Stelle zumuten. Das ist Punkt 1.

Punkt 2: Es gibt eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz. Was passiert, wenn sich der Täter - so war es im Falle der jungen Frau - der Anordnung widersetzt? Welche Möglichkeiten gibt es hier für den Staat, für die Polizei? Klar, es ist eine Straftat nach dem Gewaltschutzgesetz, man kann zum Beispiel eine Anzeige aufgeben. Auch da muss natürlich erst etwas passieren. Unsere Überlegung ist aber, ob wir nicht auch nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz im Polizeigesetz das Näherungsverbot, das Kontaktverbot wollen. Das ist ja nicht irgendeine spinnerte Oppositionsidee, sondern dieses geschieht in einem anderen Bundesland. Das ist etwas anderes - das wissen Sie auch, weil Sie sich in dem Bereich auskennen - als die Wegweisung, die sich auf den häuslichen Zusammenhang bezieht, und auch das Betretungsverbot bezieht sich auf die Wohnung von Täter und Opfer, wenn sie zusammenleben. Das heißt, in den Fällen von Stalking, bei denen es um Expartnerschaften geht und Täter und Opfer gar nicht zusammengewohnt haben, müssen wir diese Lücke schließen, wo es ein Näherungsverbot und ein Kontaktverbot gibt. Das gibt es nach dem Gewaltschutzgesetz, aber nicht nach dem hamburgischen Polizeirecht. Darum geht es uns an der Stelle. Sie wissen ganz genau, wenn wir es im Polizeirecht verankern, dann haben wir bei entsprechenden Anhaltspunkten, die darauf hinweisen, dass verstoßen wird, die Möglichkeit, dann auch eine Ingewahrsamnahme anzuordnen. Die hilft natürlich auch nicht ewig, das ist klar, sondern es gibt die Grenzen des Paragrafen 13 im Hamburgischen SOG, aber das ist ein Warnschuss, der an der Stelle gegeben wird. Man kann den potenziellen Täter vor einer Eskalationssituation für eine gewisse Zeit aus dem Verkehr ziehen. Genau das hätte in diesem Falle auch dem Opfer helfen können und deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

An der Stelle nenne ich einige Zahlen. Wir haben gestern durchaus emotional und hitzig über das Thema Jugendgewalt und Innere Sicherheit diskutiert. Wir haben aber als weitere Bereiche, bei denen sich die Gewaltentwicklung in den letzten Jahren massiv gezeigt hat, innerfamiliäre Gewalt, häusliche Gewalt, Gewalt gegen Frauen. Das zeigen die uns vorliegenden Opferzahlen. Ich hatte gestern von insgesamt 20 Prozent Zunahme bei den Opfern seit 2001 gesprochen. Wenn man sich die Zahlen geschlechtermäßig anguckt, dann sind in der Zeit von 2001 bis 2006 18 Prozent mehr Männer Opfer geworden, aber 23 Prozent mehr Frauen. Das heißt, die Gewaltentwicklung in dieser Stadt geht erheblich, und zwar überdurchschnittlich, zulasten von Frauen. Genau deshalb wird es weiter Politik der SPD-Fraktion sein, dass unser Landesrecht immer auf der Höhe der Zeit sein muss. So war es immer unter der SPD. Wir haben es vor 2001 auch auf den Weg gebracht. Wir wollen, dass das weiterhin so bleibt und deshalb sollten Ihnen diese Zahlen Anlass zur Sorge geben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wir haben weitere Zahlen. Wir haben abgefragt, wie sich die Wegweisung entwickelt hat. 2002 gab es 961 Wegweisungen, im Jahre 2006 sind wir bei 828 Wegweisungen und Betretungsverboten angekommen. Die Zahlen sind also - mit leichter Schwankung - rückläufig, obwohl es eine Dunkelfeldaufhellung gegeben hat und obwohl es seitdem das Gewaltschutzgesetz gibt.

(Antje Möller GAL: Zunahme der Opfer!)

- Ja, die Zahlen müssten eigentlich weiter nach oben gehen. Trotzdem bleibt die Zahl der Wegweisungen und Betretungsverbote gleich.

Schöpfen wir wirklich alle Möglichkeiten aus? Genau deshalb wollen wir mit Ihnen - wir können das nicht coram publico in allen Einzelten machen - die Diskussion im Innenausschuss suchen, ob die Möglichkeiten ausgeschöpft sind oder nicht. Wir wollen das nicht parteipolitisch diskutieren, sondern im Sinne der Opfer. Dieser Diskussion sollten Sie sich als Mitglied des Weißen Rings - ich betone es noch einmal - ernsthaft widmen und deshalb in Ruhe im Innenausschuss miteinander sprechen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen zum Beispiel auch wissen, wie sich die Strafbarkeit im Bereich Stalking entwickelt. Wir hatten die Zahlen abgefragt. Im ersten Halbjahr gab es 84 Strafverfahren mit dem neuen Straftatbestand Stalking. Wie hat sich das entwickelt, wie ist das Anzeigeverhalten in dem Bereich? Das sind alles Fragen, die die Stadt und viele Frauen in dieser Stadt angehen. Wir wollen das Thema weiter mit Ihnen behandeln und auch alle Punkte des Berichtsersuchens; das hatte Frau Möller angesprochen. Es gibt viele Fragen: Was machen sie bei Gefährdeanalysen? Wird das gemacht? Mit welchem Ergebnis? Was passiert an der Stelle? Wenn Sie wirklich so viel Interesse am Opferschutz haben, wie Sie uns erzählen - Sie wollen uns immer weismachen, dass Sie die Opferschutzpartei sind -, dann müssen Sie mit uns darüber sprechen. Überweisen Sie deshalb diesen Antrag an den Innenausschuss, stellen Sie sich dort der Diskussion und weichen Sie der Diskussion nicht aus. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Spethmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren! Herr Dressel, dass Sie einmal eine Sache nicht parteipolitisch sehen, würde mich sehr wundern. Ich glaube, Sie sehen sie nur parteipolitisch.

(Beifall bei der CDU)

Sie sind der Meinung, es müsse darüber diskutiert werden. Ich erinnere mich an diverse Ausschüsse in den letzten Jahren. Wir hatten ausführliche SOG-Beratungen, wir hatten im Sozialausschuss und im Rechtsausschuss - in verschiedenen Zusammenhängen, mit sehr vielen Drucksachen - ausführliche Beratungen zum Thema Opferschutz. Dass es im letzten halben Jahr außergewöhnliche Neuerungen gegeben haben soll, muss ich bezweifeln. Das ist noch einmal die Bestätigung, die ich hier anführen möchte: Was Sie hier machen, ist parteipolitisch, ist Wahlkampftaktik, und nichts weiter. Das ist das, was ich Ihnen vorgehalten habe, sie machen das zulasten der Opfer.

(Beifall bei der CDU - Doris Mandel SPD: Das ist doch Unsinn, wenn Sie die Bundesgesetzgebung nicht mitbekommen haben, ist das nicht unser Problem!)

Noch einmal zu dem Thema, dass wir in diesem Bereich steigende Opferzahlen haben. Wir können feststellen, dass es in den letzten Jahren zu einem erhöhten Anzeigeverhalten gekommen ist, weil Frauen sich mehr trauen und sie es nicht mehr akzeptieren, dass ein Mann sie schlägt. Deswegen können Sie nicht sagen, wir haben ein steigendes Feld, sondern Sie müssen es differenzierter beurteilen. Sie wiederholen eine Diskussion schlichtweg nur, um die Öffentlichkeit mit hineinzuziehen, aber nichts weiter.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch einmal den Fall, den Sie hier anführen, zitieren. Die Frau, die von dem Stalker überfallen worden ist, hat den Stalker am Montag vor der Tat angezeigt. Die Polizei hat ihn mit zur Wache genommen. Am nächsten Morgen kam es zu der bekannten Tat. Der Stalker war aber in den letzten drei Jahren zuvor nie wegen Gewalttätigkeiten aufgefallen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Er hatte sich aber den Anordnungen widersetzt!)

Spielen wir nun die von Ihnen beantragte Gesetzesänderung durch, wenn es sie schon gegeben hätte: Es hätte das Kontakt- und Näherungsverbot gegeben. Hierdurch hätte es für ein paar Stunden eine Ingewahrsamnahme gegeben. Aber was wäre dann passiert? Ein Richter hätte ihn freigelassen, weil keine Haftgründe vorliegen. Herr Dressel, wir leben in einem Rechtsstaat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben doch eine vierzehntägige Ingewahrsamnahme vorgesehen!)

- Herr Dressel, wenn keine Haftgründe vorliegen, dann sind Sie doch derjenige, der am lautesten schreit, wenn jemand in Haft bleibt.

Hier ist der Beweis für Aktionismus pur gegeben und nichts weiter.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Frau Spethmann, ich verstehe nicht, dass Sie uns Aktionismus vorwerfen. Wir haben einen aktuellen Fall.

(Wilfried Buss SPD: Richtig!)

Wir haben Zahlen, die man statistisch erklären kann. Wir wollen sie aber gern vom Innensenator aufgrund seiner Erfahrungen erklärt bekommen. Wir wollen die Missverständnisse, die sich möglicherweise durch diese Zahlen ergeben, gern vom Tisch haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Seine Präsidialabtei- lung hat ihm keine Rede aufgeschrieben!)

Was ist der Grund dafür, dass Sie diese Überweisung an den Innenausschuss nicht wollen?

(Zurufe von Dr. Andreas Dressel SPD)

- Herr Dr. Dressel, jetzt lassen Sie mir doch einmal das Wort.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

- Ja, das freut Sie, das denke ich mir.

Ich möchte von Ihnen qualitativ gern etwas mehr hören. Sie haben kein Problem damit, den Änderungsantrag für das SOG abzulehnen, aber es könnte doch eine inhaltliche Befassung mit dem Thema geben. Sie können auch den Sozialausschuss nehmen, wenn Sie wollen, in ihm ist vor ungefähr zwei Jahren darüber geredet worden. Irgendwo muss doch Raum sein, über dieses Thema zu sprechen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)