Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

Zu den Ausführungen, dass 97 Prozent an den Untersuchungen teilnähmen, sagten Sie, dass sie sich dem nicht entziehen konnten. In der Tat liegt die Teilnahme an den U1- und U2-Untersuchungen bei 97 Prozent, aber wir haben auch bei den anderen Untersuchungen noch Werte von deutlich über 90 Prozent.

(Karin Rogalski-Beeck SPD: Das hat er doch auch gesagt!)

Sie sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen, das muss man auch noch einmal sagen.

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir nehmen den Kinderschutz ernst. Hamburg hat eine Führungsrolle im Kinderschutz und Ihre Debattenanmeldung war in meinen Augen fehlerhaft. Richtig ist, dass Kinder- und Jugendpolitik beim CDU-Senat in guten Händen sind, Populismus gibt es bei der SPD.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Sarrazin.

(Bernd Reinert CDU: Jetzt kommt die europäische Dimension!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr von Frankenberg, Sie haben gesagt, wir waren schon einmal weiter; dem möchte ich mich anschließen. Wir haben uns gemeinsam im Sonderausschuss sehr sachlich mit dem Thema beschäftigt und Schlüsse daraus gezogen. Sie erinnern sich aber auch noch daran, dass es nicht so einfach war, die Ergebnisse des Sonderausschusses dem Senat beizupulen und dass wir die Hilfe der CDU-Abgeordneten brauchten, damit überhaupt etwas dabei herauskommt.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Nein, nicht zum bei- pulen!)

Ich möchte das ausdrücklich nicht gegen Sie wenden, aber wenn der Senat sagt, er habe sofort reagiert, dann ist das nur die halbe Wahrheit, denn in Wirklichkeit hat das Parlament sehr angemessen reagiert.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Interessant ist auch, wenn man sich anguckt, wer damals die wesentlichen Protagonisten waren und was mit diesen in Zukunft passieren wird. Die Senatorin stellt sich wieder einmal hin und macht eine berühmte Geste und sagt etwas in der Art wie mission accomplished, wir haben das alles im Griff, in Hamburg ist alles toll. Das ist leider nicht der Fall, denn wenn wir uns das Ergebnis des Sonderausschusses anschauen, das wir als Messlatte vorgegeben haben, dann sind wir in Hamburg noch nicht weit genug gekommen. Eines der Grundprobleme, das wir gemeinsam identifiziert haben, ist heute noch vorhanden, das wir unter dem Begriff Netzwerk Kindeswohl zusammenfassen, dass Maßnahmen nicht nach Ressort-, Behörden- oder Amtsstubensicht angegangen werden, sondern aus Kindersicht. Das heißt, man muss zu einem Modell kommen, wie es in Magdeburg beispielhaft funktioniert, dass, vom Kind ausgegangen, alle beteiligten Behörden zusammenarbeiten müssen, denn sonst machen sie Fehler, die auch nachprüfbar sind. In den Senatsberichten sind zu diesem Magdeburger Modell Stellungnahmen, die im Wesentlichen darauf hinauslaufen zu sagen, eigentlich ist uns das zu teuer, wir machen ein Hamburger Modell, das sich an ein Suchtpräventionsprojekt anschließt, was damit aber nicht vergleichbar ist. Diese Messlatte ist in Hamburg noch nicht hoch genug.

Der zweite Punkt ist das Fallmanagement. Was bedeutet das? Wir haben - das möchte ich gar nicht schlecht reden - die neu geschaffenen Koordinatoren für den Kinderschutz in den Bezirksämtern. Das schadet sicherlich nichts, das ist auch positiv, aber es ist immer noch nicht sichergestellt, dass sowohl der Fall als auch die Familie ganzheitlich von allen Beteiligten, Organisationen und Behörden betrachtet wird. Wir haben in allen Familien, in denen Kindesvernachlässigung auftritt, den Fall, dass zumindest die Familie oder auch das Kind selber schon in irgendeinem Kontakt mit irgendwelchen Behörden stand. Das heißt, diese Informationen werden immer noch nicht gut genug zusammengeführt, damit gemeinsam etwas daraus folgen kann; dieses Problem haben wir noch nicht abgestellt. In der Senatsmitteilung ist zu diesem Punkt gar nicht schlecht beschrieben, wie das aussehen sollte und dann wird gesagt, wir werden das in Zukunft machen. In den nachfolgenden Mitteilungen erfährt man dazu aber nichts mehr; daran muss weiter gearbeitet werden.

(Beifall bei der GAL)

Es gibt aber ein paar Dinge, wo die Umsetzung fehlt, wie die Vorschläge des Sonderausschusses zur verbesserten Feststellung von Kindesmisshandlungen beispielsweise bei Untersuchungen. Wir haben von einem Modellprojekt aus Berlin gehört - es ist inzwischen schon so lange her, dass man sich kaum noch daran erinnert, das gibt es in Hamburg immer noch nicht -, wo in einer zentralen Stelle für die ganze Stadt die geballte Kompetenz einschließlich der Polizei zusammengefasst wird, auch was strafrechtlich relevante Fragen der Kindesmisshandlungen und Vernachlässigungen angeht. Dieses Modell versuchen jetzt auch die Bezirke zu realisieren, bei denen sicherlich nicht die Kompetenz liegen wird. Beim ASD ist beispielsweise immer noch nicht sichergestellt, dass es dem Bedarf gemäß eine Personalausstattung gibt.

Das alles sind Bereiche, die zeigen, dass Sie hier noch etwas tun müssen, dass Sie sich nicht hier hinstellen können und sagen, die Mission ist erledigt, es ist alles

getan, in Hamburg ist heile Welt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD - Frank-Thorsten Schira CDU: Das tut doch auch keiner!)

Ein weiterer Bereich ist, dass die Straßen- und aufsuchende Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit gestärkt werden muss. Das Eltern-Kind-Zentrum ist nicht in der Form aufsuchend, wie wir es uns vorstellen, dass man auf die Leute in den Kiezen zugeht und versucht, dort Kontakte herzustellen, um an die möglichen Probleme heranzukommen.

Und, das kann ich vielleicht abschließend dazu sagen, was Sie selber an Fehlern in der Organisation des ASD auch in den Drucksachen eingestehen, wird nur dann dauerhaft abstellbar sein, wenn der politische Wille in dieser Stadt endlich umgesetzt wird, dass uns die Kinder es auch wert sind, dass sich Menschen, die in Behörden arbeiten, richtig gut um sie kümmern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Böwer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ein persönliches Wort als alter Jugendpolitiker: Ich hätte es klasse gefunden und sehr begrüßt, wenn Sie, Frau Strasburger und Sie, Frau Bliebenich, zu dem wichtigen Thema hätten sprechen dürfen oder gesprochen hätten.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Was soll das denn heißen!)

Ich weiß, dass Sie das Thema ernst nehmen und finde es schade, dass Sie in der nächsten Legislaturperiode dieses wichtige Thema nicht mehr für Ihre Fraktion wahrnehmen können.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Was ich allerdings nicht in Ordnung finde, Frau Senatorin Schnieber-Jastram, ist die Art und Weise, wie Sie mit dem schrecklichen und dramatischen Tod eines Kindes in Schwerin umgegangen sind, indem Sie den Tod von LeaSophie mit einer politischen Lösung à la CDU und einer politischen Lösung à la SPD in Verbindung gebracht haben.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Sie schmuddeln doch nur rum!)

Ich bin der Meinung, dass es nicht zu einer Jugend- und Sozialsenatorin passt, sich in dieser Art und Weise einem Thema zu stellen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL - Frank-Thorsten Schira CDU: Sie sind unver- schämt! - Bernd Reinert CDU: Sie unterstellen uns hier etwas!)

Herr Reinert, wenn wir uns dem Thema des unsinnigen Tötens und Verhungerns von Kindern durch Eltern stellen, dann haben wir uns insgesamt die Frage zu stellen, ob wir den Mut haben, die ordnungspolitische Frage Elternrecht versus Kindeswohl neu zu beantworten.

(Wolfgang Beuß CDU: Jetzt gibt er den Staats- mann!)

Haben wir den Mut, an dieser Stelle zu erklären, dass wir im Zweifelsfalle eher das Kind aus der Familie herausnehmen, als dass wir es dort verbleiben lassen. Das wäre ein Punkt gewesen, über den es sich auch als Jugend- und Sozialsenatorin zu diskutieren gelohnt hätte.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es geht hier doch nicht um die Frage, ob Sie beim ASD Ihre Personalstellen eingerichtet haben, sondern es geht darum, ob angesichts dieser dramatischen Ereignisse die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Allgemeinen Sozialen Dienste und des Familieninterventionsdienstes das Gefühl haben, dass sich eine Jugend- und Sozialsenatorin nicht hinter ihnen versteckt, sondern vor ihnen steht.

(Bernd Reinert CDU: Natürlich tut sie das!)

Und das, Herr Reinert, heißt ganz konkret: Lassen Sie uns den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sozialen Dienste das Gefühl geben, gegebenenfalls in eine Wohnung auch dann hineinzugehen, wenn es einen Anfangsverdacht von Kindeswohlverletzung gibt.

(Viviane Spethmann CDU: Das tun sie doch!)

Ich habe nicht das Gefühl, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Allgemeinen Sozialen Dienste diese Rückendeckung seitens der Sozialsenatorin haben.

(Karen Koop CDU: Das ist eine Frechheit, was Sie sagen! Diffamierung! - Bernd Reinert CDU: Das ist übelste Mache, was Sie hier betreiben!)

- Nein, Herr Reinert, das ist keine übelste Mache.

Am 29. November dieses Jahres hat das Hamburger Abendblatt von einem Vorfall berichtet, in dem es um sexuellen Missbrauch innerhalb einer dem Wandsbeker Jugendamt bekannten Hamburger Familie geht.

Ein Zwanzigjähriger missbraucht öffentlich seinen achtjährigen Bruder. Es dauert vier Tage nach Antwort des Senats, bis die Kinder aus dieser Familie genommen werden. Am 17. November wird der Fall der Polizei bekannt. Am 19. November meldet die Polizei diesen Fall an das Jugendamt weiter. Erst am 20. November werden die Kinder aus dieser Familie genommen.

(Glocke)

Das geht so nicht. - Danke.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL - Dr. Willfried Maier GAL: Das ist ein Thema der Innenbehörde!)

Die Redezeit der Aktuellen Stunde ist beendet. Das dritte Thema wird auf morgen vertagt, wenn die Anmeldefraktion damit einverstanden ist? - Ich sehe ein Kopfnicken. Dann werden wir morgen die Aktuelle Stunde mit dem dritten Thema fortsetzen.

Wir kommen zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, Drs. 18/7457: Wahl von acht Beisitzenden und deren Stellvertretungen für den Landeswahlausschuss für die Wahl zur Bürgerschaft und Drs. 18/7458: Wahl von acht Beisitzenden und deren Stellvertretungen für den Landeswahlausschuss für die Wahl zu den Bezirksversammlungen.

[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von acht Beisitzenden und deren Stellvertretungen für den Landeswahlausschuss für die Wahl zur Bürgerschaft - Drs. 18/7457 -]