Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Wir haben inzwischen in Deutschland und auch in Hamburg hervorragend ausgebildete Frauen. 54 Prozent der

Abiturientinnen und Abiturienten und 49 Prozent der Studierenden sind Frauen, wenn auch nicht in den Erfolg versprechenden technisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Das ist bei uns schlimmer als in Ägypten, habe ich neulich gerade gelesen, also Länder, von denen man das nicht unbedingt erwarten würde, haben in diesem Bereich deutlich bessere Quoten aufzuweisen. Doch wir leisten uns den Luxus oder, um es besser zu sagen, den volkswirtschaftlichen Unsinn, Frauen nur halbherzig ins Erwerbsleben zu integrieren.

Den nötigen Strukturwandel im Arbeitsmarkt gibt es nach wie vor nicht. Vielmehr müssen Frauen zum einen mit weniger Beteiligung, zum anderen mit weniger Bezahlung als Männer auskommen und können sich gleichzeitig weniger auf den Unterhalt und das bisherige System der bürgerlichen Ehe verlassen, um ein Auskommen in ihrem Leben zu haben.

Wir wissen nun durch diese Große Anfrage, dass das alles auch für Hamburg gilt und dem Senat mangelt es nicht nur an besseren Zahlen - es fehlen an vielen Stellen Zahlen -, sondern es fehlt ihm vor allen Dingen an konkreten Zielen, was er in Bezug auf die geschlechtergerechte Erwerbsbeteiligung erreichen will. Vor allem fehlt es an einer echten umfassenden Strategie, diese Ziele zu erreichen.

Mit dem Integrationskonzept haben Sie sich viel Mühe gemacht, aber wenn man da hineinguckt, fehlt es genau beim Punkt Erwerbsbeteiligung von Frauen. Frauen kommen in diesem Integrationskonzept ausschließlich als Opfer häuslicher Gewalt vor. Das ist der Inhalt, mit dem Sie den Blick auf Frauen richten. Einzelmaßnahmen, bei denen sich der Senat zum Teil noch mit fremden Federn schmückt wie zum Beispiel "Hamburger Familiensiegel" oder der Allianz für Frauen - das ist in der Tat eine Handelskammer-Initiative -, und das Abschöpfen von Mitteln aus dem europäischen Sozialfonds alleine reichen nicht.

Sicher müssen eine Reihe von Themen im Bund bewegt werden wie das Abschaffen des Ehegattensplittings oder der Abbau der Orientierung am männlichen Alleinernährer im sozialen Steuerrecht. Aber auch da könnte der Senat voranschreiten, wenn er wollte, er tut es aber nicht. Vielmehr kommt Hamburg seit 2001 nicht mehr wirklich voran. Erfolgreiche Projekte wurden aus ideologischen Gründen eingestellt. Ich denke da an die BAFF oder an EFA; "Frau und Arbeit e.V." wird es wohl demnächst treffen. Damit wird dann die Hamburger Regionalstelle der bundesweiten Gründerinnenagentur auch noch erledigt.

Hamburg hat einen beträchtlichen Modernisierungsstau, was die Beteiligung von Frauen an Führungspositionen und bei den Selbstständigen angeht. Da ist einiges zu tun, das muss angegangen werden und für Hamburgs Frauen ist zu wünschen, dass das nach dem 24. Februar endlich wieder möglich sein wird.

(Beifall bei der GAL und der SPD - Olaf Ohlsen CDU: Ach, was soll der Quatsch! Das war eine Vorlesestunde! - Gegenruf von Christian Maaß GAL: Ihr seid doch die Obervorleser!)

Das Wort erhält die Abgeordnete Meyer-Kainer.

(Harald Krüger CDU: Putz sie weg!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Dr. Lappe, dies einmal vorweg: Hamburgs Frauen sind sehr gut qualifiziert und auch zu einem großen Teil berufstätig. Die Zahlen haben Sie eben schon genannt, die erspare ich mir jetzt. Hamburg ist damit im Bundesvergleich, aber auch im europäischen Vergleich sehr gut positioniert.

(Beifall bei der CDU)

Die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt und auch die sinkenden Arbeitslosenzahlen, verbunden mit dem Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung für die volle Dauer der Erwerbstätigkeit, schaffen optimale Bedingungen und Voraussetzungen für die Berufstätigkeit von Frauen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in Hamburg gewährleistet. Hamburg ist nicht zuletzt - auch dies sei noch einmal erwähnt - die Hochburg der Unternehmerinnen in Deutschland. Dem Anteil von bundesweit durchschnittlich 28 Prozent weiblicher Selbstständiger stehen in Hamburg 34 Prozent gegenüber.

Wir wissen dennoch, dass es auch Schattenseiten gibt. Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als Männer, Arbeiterinnen im produzierenden Gewerbe rund 23 Prozent, Angestellte im produzierenden Gewerbe 26 Prozent. Die Zahlen geben uns aber immer nur Anhaltspunkte, weil uns Daten von wirklich gleichwertigen Tätigkeiten nicht vorliegen. Wir wissen also nicht ganz genau, ob die konkret ausgeführten Tätigkeiten wirklich vergleichbar sind. Wir wissen aber, dass Tätigkeiten, die Frauen ausüben, generell schlechter bezahlt werden und dass Frauenkarrieren häufiger unterbrochen sind und Einkommenseinbußen sich oft ein Leben lang fortsetzen.

Was können wir tun? Wir können Frauen immer wieder ermutigen, gezielter berufliche Wege zu gehen. Wir können sie auch ermuntern, sich für andere Berufsbilder, zum Beispiel die technischen Berufe, zu interessieren, und wir können und müssen dafür sorgen, dass sowohl Frauen als auch Männer, die sich vorübergehend ganz der Familie widmen möchten, ohne Einbußen in den Beruf zurückkehren können.

(Beifall bei der CDU)

Ich persönlich freue mich sehr, dass es meiner Fraktion gelungen ist, durch die Koordinierungsstellen den Berufsrückkehrerinnen den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern. Mit einer Vermittlungsquote von über 40 Prozent und einer engen Zusammenarbeit mit Unternehmen leisten die Koordinierungsstellen eine hervorragende Arbeit.

(Beifall bei der CDU)

Ziel muss es darüber hinaus auch sein, mehr Frauen - das sagten Sie eben auch, Frau Dr. Lappe - in Führungspositionen zu verankern. Wie wir der Großen Anfrage entnehmen können, liegt der Frauenanteil in Führungspositionen in der hamburgischen Verwaltung bei 29 Prozent, in der Justizbehörde, der Behörde für Wissenschaft und Forschung, der Sozial- und der Bildungsbehörde bei über 40 Prozent

(Dr. Willfried Maier GAL: Deutlich höher als in der CDU-Fraktion!)

und bei den öffentlichen Unternehmen mit Beteiligung der Hansestadt bei 23,8 Prozent. Diese Zahlen sind gut, aber sicherlich noch ausbaufähig. Ich würde mir wünschen, Frauen in Führungspositionen noch mehr zu unterstützen

und alle Konzepte und Maßnahmen, die Frauen hierzu benötigen, zu begleiten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wenn wir über die Erwerbstätigkeit von Frauen sprechen, dürfen wir nicht verkennen, dass es auch Gruppierungen von Frauen gibt, die nur in einem ganz gewissen Maße erwerbstätig sind, obwohl sie sich auch das andere wünschen, zum Beispiel die alleinerziehenden Frauen, die teilweise unter einem hohen sozialen Druck stehen. Aber auch die Migrantinnen mit fehlender oder nicht mehr anerkannter Qualifikation sind dem Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt häufig nur schwer gewachsen.

Ziel soll es daher sein, diese Frauen verstärkt zu qualifizieren, um sie für den Arbeitsmarkt fit zu machen.

(Doris Mandel SPD: Ja, dann tut das doch mal!)

Frau Mandel, noch einmal zurück zur Großen Anfrage, die wir immer noch diskutieren. Sie zeigt vor allem eines: Der Senat fördert die Erwerbstätigkeit von Frauen in einem erheblichen Maße und mit sehr guten Ergebnissen. Meine Fraktion und ich haben uns dieses Thema sehr zu eigen gemacht und auch neue Ideen und frischen Wind in die Debatte um die Erwerbstätigkeit von Frauen gebracht. Frauen sind und bleiben eine wichtige Zielgruppe auf dem Arbeitsmarkt. Ich wehre mich allerdings dagegen, Frau Dr. Lappe, Frauen generell als Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt zu sehen; das wird der Realität keineswegs gerecht.

Man muss immer wieder sehen, dass Frauen häufig viel flexibler und lernbereiter als Männer sind. Dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, sehe ich dabei nicht so sehr als Nachteil, sofern es eine bewusste Entscheidung der Frauen ist. Es muss allerdings möglich sein, bei Bedarf wieder auf eine Vollzeitstelle zu wechseln und gegebenenfalls Führungspositionen im Jobsharingverfahren zu besetzen; hier müssen auch die Unternehmen bedeutend flexibler werden.

(Beifall bei der CDU)

Die Politik kann hier Vermittler sein und Diskussionen anregen, wie sie es mit der Allianz für Familien und vielen anderen interessanten Netzwerkeinrichtungen bereits sehr erfolgreich umgesetzt hat. Ich persönlich kann nur sagen, was wir gemeinsam in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben, ist gut und genau der richtige Weg und ich bin mir sicher, dass die Frauen in Hamburg dieses genau so sehen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dräger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn es nicht so traurig wäre, Frau Meyer-Kainer, dann hätte das eben eine gewisse Komik gehabt.

(Wolfhard Ploog CDU: Warum? - Olaf Ohlsen CDU: Was war denn daran komisch?)

Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen. Sie haben zu Beginn Ihrer Rede sehr vollmundig gesagt, in Hamburg seien Familie und Beruf vereinbar. Bei allen Anstrengungen, die wir auch gemeinsam zum Beispiel beim Kinder

betreuungsgesetz, bei der Frage eines Krippen-, Hort- und Kindergartenplatzes - das ist von den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt durch ein Volksbegehren durchgesetzt worden - gemacht haben,

(Bernd Reinert CDU: Nee, durch Beschluss hier im Hause!)

diesen Satz hier in den Raum zu stellen, zeugt von einer unglaublichen Naivität über die Realität von Frauen in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nur drei Dinge aus dieser Anfrage aufzugreifen, aber ich will Ihnen ein Beispiel geben, warum es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie so weit dann auch nicht her ist.

Gehen Sie von hier einmal 500 bis 600 Meter Richtung Innenstadt und schauen sich an, wie die Verkäuferinnen in dieser Stadt leben und arbeiten. Die haben keine Vollzeitstelle, die haben keine Teilzeitstelle, die haben ein Stundenkonto. Die werden am Morgen, wenn sie Pech haben, und wenn sie Glück haben, am Abend vorher angerufen, wann und wie viele Stunden sie an diesem Tag arbeiten müssen, und dann sagen Sie, in dieser Stadt sei es kein Problem, Familie und Beruf zu vereinbaren. Das sind keine Ausnahmen, inzwischen betrifft das 40 Prozent der Mitarbeiterinnen im Einzelhandel, das betrifft große Gruppen. Ich frage mich, welchen Blick Sie für die Realität haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie wissen überhaupt nicht, unter welchen Bedingungen Frauen in dieser Stadt versuchen, Familie und Beruf zu vereinbaren. Das führt dazu, dass viele Frauen die Rückkehr in den Beruf gar nicht schaffen können, weil in ihrem Beruf diese Vereinbarkeit nicht gegeben ist. Ich hatte mich darauf vorbereitet zu sagen, es gibt eine Menge von guten Ansätzen, die hier beschrieben worden sind, aber wenn Sie in einer Art und Weise hier eine Behauptung in den Raum stellen, die für Tausende von Frauen in dieser Stadt der blanke Zynismus ist, dann bleibt mir dieses Lob im Halse stecken.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Jetzt zu den Zahlen und Punkten, auf die ich noch einmal eingehen wollte. Sie haben eben das Projekt der Koordinierungsstelle gelobt, bei dem es um die Rückkehr in den Beruf geht. Sie sagen, das hätte mit einer vierzigprozentigen Vermittlungsquote dafür gesorgt, dass auch dieses Problem faktisch gelöst wird. Schauen Sie in die Große Anfrage rein. 300 Frauen sind von dieser Maßnahme betroffen gewesen. Die Differenz zwischen den 214.000 Müttern im erwerbsfähigen Alter und den 122.000 aktiv erwerbstätigen Müttern beträgt rund 90.000. Von diesen 90.000 Frauen - ich sage gar nicht, dass alle von denen den Wiedereinstieg in den Beruf wollen, aber ein großer Teil will ihn - haben Sie 300 in dieser Koordinierungsstelle gefördert. Die Koordinierungsstelle ist gut, sie ist richtig und wichtig, aber stellen Sie sich bitte nicht hier hin und sagen, damit seien die Probleme gelöst. Das trifft nicht zu.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Bei dem nächsten Punkt muss ich leider Frau Dr. Lappe einmal korrigieren, und zwar deswegen, weil es nämlich noch schlimmer ist als es hier drin steht. Die Differenz im

Bereich der Angestellten beträgt nicht nur 20, sondern 26 Prozent beim Lohn. Nun gibt es hier einen Senat, der sich sehr viel darauf einbildet und sich bei vielen Punkten in der Lage wähnt, Vereinbarungen mit Unternehmen abzuschließen, wo solche Probleme auf freiwilliger Basis angegangen werden. Bei dieser wirklich zum Himmel schreienden eklatanten Ungerechtigkeit liest man als Fazit bei der Beantwortung dieser Frage: "Im Übrigen hat sich der Senat nicht befasst." Was hindert Sie eigentlich daran? Sie, Herr Uldall, aber auch Frau SchnieberJastram, sind doch sonst immer so schnell dabei, auf die Unternehmen zuzugehen, schnell etwas zu vereinbaren, eine Pressekonferenz zu machen und sich zu feiern. Was hindert Sie daran, zumindest einmal einen ersten symbolischen Schritt zu machen und auf die Unternehmen zuzugehen, um diese Ungerechtigkeit zu verhindern und zu beenden? Nichts hindert Sie daran. Trotzdem tun Sie es nicht, weil Sie offenbar überhaupt kein Interesse daran haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)