Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Die Umsetzung der Enquete-Empfehlung und die Bildungspolitik des Senats zielen auch in Zukunft auf die Selbstverantwortung der Schulen, auf neue Unterrichtskonzepte, auf messbare, transparente, bessere Ergebnisse und eine verlässliche und sozial gerechte Schulstruktur. Wir wollen durch gerechte Bildungschancen soziale Benachteiligungen abbauen und zugleich leistungsstarke und lernschwächere Schülerinnen und Schüler gezielt und individuell fordern und fördern.

(Beifall bei der CDU)

Das ist aus meiner Sicht der richtige Weg, den Schüler, Eltern und Lehrer zu Recht von uns einfordern. Wir haben keine Zeit zu verlieren, in Hamburg eine Änderung der Schulstruktur vorzunehmen, aber wir müssen den Prozess sorgfältig gestalten. Die Eltern haben uns in den letzten Jahren ein klares Signal gegeben. Die Schulen brauchen eine sofortige konkrete Perspektive für die Gestaltung ihrer Arbeit mit den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern. Weil wir in den Zielen übereinstimmen - wenn Sie ehrlich sind, Frau Goetsch, Herr Buss und Frau Ernst, werden Sie auch meiner Meinung sein -, appelliere ich heute noch einmal an Sie: Handeln Sie zum Wohle der Hamburger Schülerinnen und Schüler verantwortungsvoll und parteiübergreifend, beleben Sie Ihren guten Willen aus der Zeit der gemeinsamen Beratung in der Enquete-Kommission und stimmen Sie entsprechend dem klaren Ergebnis Ihrer Kommission. - Ich bedanke mich recht herzlich.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Bevor ich Herrn Buss das Wort erteile, möchte ich kurz die Gelegenheit zu einer Begrüßung ergreifen. Als Gäste der heutigen Sitzung der Bürgerschaft begrüße ich im Namen des ganzen Hauses sehr herzlich die Delegation aus Marokko, geleitet durch den Generalsekretär des marokkanischen Finanzministeriums, Monsieur Abdeltif Loundy, und den Botschafter des Königreichs Marokko, seine Exzellenz Rachad Bouhlal. Herzlich willkommen in Hamburg.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun hat Herr Buss das Wort.

(Michael Neumann SPD: Jetzt aber auf Franzö- sisch!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben bereits viel über Krokodilstränen gehört. Gerade hat eine Senatorin geredet, aber da hat der Erste Bürgermeister gar nicht mehr zugehört. Das ist bezeichnend für den Stellenwert dieser Senatorin.

(Bernd Reinert CDU: Er geht lieber bei Ihnen raus! - Beifall und Heiterkeit bei der CDU) - Das kann ich nachvollziehen, aber nicht, dass man seiner eigenen Senatorin nicht zuhört. Ihr Beitrag, Herr Heinemann - "Ich und die Senatorin" -, war entlarvend. (Beifall bei der SPD)

Herr Heinemann, eines wissen wir Sozialdemokraten ganz genau, auch bei Ihnen ist das Zwei-Säulen-System noch lange nicht "durch".

(Zurufe von der CDU)

Sie können so viel beschließen, wie Sie wollen. Herr Heinemann, wir haben erlebt, wie es ist. Erstens gab es entsprechende Umfrageergebnisse - Sie tun nichts dafür, dass es besser wird - und zweitens haben wir Informationen darüber

(Zurufe von der CDU: Hey, hey!) - ist bei euch schon Karneval, oder wie? -, (Bernd Reinert CDU: Nee, bei Ihnen!)

dass das Zwei-Säulen-System bei den CDUAbgeordneten und insbesondere bei Ihrer Basis noch gar nicht richtig angekommen ist. Sie kennen genauso gut wie wir die Vertreterinnen und Vertreter der Schülerunion. Sie haben klar gesagt, dass sie weiterhin das dreigliedrige Schulsystem haben wollen. So sieht es aus.

Bevor ich mich weiter mit Krokodilstränen beschäftige, will ich deutlich machen, dass die Kampagne der CDU - das hat meine Kollegin Ernst schon gesagt - scheinheilig ist.

(Beifall bei der SPD)

In Wirklichkeit unternehmen Sie nichts gegen die Ungerechtigkeit in der Bildung. Es ist Ihnen egal, ob jedes Jahr 12, 11 oder 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen müssen. Das treibt Sie nicht um, aber Sie treiben stattdessen bei der jetzt anstehenden Anmelderunde die Eltern in Scharen in die Hände des Gymnasiums.

(Karen Koop CDU: Oh, das ist gefährlich!)

Das hat auch Frau Koop zu hören bekommen. Es ist die einzige Schulform, auf die man sich zurzeit aufgrund Ihrer Schulpolitik einigermaßen verlassen kann, und weil Sie nichts dagegen tun, um das böse Wort von den "Mercedes-Schulen" auf der einen Seite und den "Fiat-Schulen" auf der anderen Seite aus der Welt zu schaffen. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Willfried Maier GAL)

Wahr ist, Sie stellen das Gymnasium unter Artenschutz, aber wahr ist auch, dass die CDU das Gymnasium tatsächlich verändern will, Herr Böttger. Sie will es nur nicht laut sagen.

(Barbara Ahrons CDU: Wir sagen es doch ganz laut!)

Sie wollen das Sitzenbleiben abschaffen, Sie wollen das Abschulen abschaffen. Sie wollen das aber nach Möglichkeit niemandem vor dem 24. Februar sagen. Das ist die Wahrheit in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD und bei Jörg Lühmann GAL)

Wahr ist, dass Sie die Gymnasien als Instrument für soziale Auslese weiterhin behalten wollen. Auch das ist die Wahrheit dessen, was Sie den Hamburgern in Ihrer Pressemitteilung klar und deutlich auf den Weg gegeben haben. Sie wollen ein Gymnasium, das weiterhin für die "Besseren" da ist, und eine Schule für die restlichen anderen. Das ist Ihr wahres Menschenbild.

(Beifall bei der SPD)

Wahr ist, Sie betreiben - das haben wir gerade am Dienstag erlebt, Frau Koop - keine Planung für die Stadtteilschule. Die Senatorin beruft alle Schulleitungen ins CCH ein und alle wollen jetzt hören, wie es jetzt mit der Stadtteilschule aussieht. Sie sagt, sie sind jetzt eine selbstständige Schule geworden, nun setzen sie sich in ihren jeweiligen Regionen zusammen und fangen sie an, sich etwas zu überlegen.

(Bernd Reinert CDU: Basisdemokratisch!)

Wie war die Reaktion, Herr Reinert? Ihre Senatorin ist von sämtlichen Schulleitungsmitgliedern der ganzen Stadt ausgelacht worden.

(Beifall bei der SPD - Klaus-Peter Hesse CDU: Der Einzige, über den gelacht wurde, waren Sie!)

Wahr ist, dass Sie den Leuten zweieinhalb Monate nach der Wahl wieder ein Modell "vor den Latz knallen" wollen - die Stadtteilschule -, und sagen, friss Vogel oder stirb. Das ist der schlimmste Fehler, den Sie machen können, denn eine solche Veränderung braucht Akzeptanz in der Elternschaft, das ist das Allerwichtigste.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen haben wir das auch in unseren Antrag geschrieben. Herr Heinemann, es müsste eigentlich klar sein, dass Sie so etwas unterstützen. Wir wollen, dass den Eltern und Schulleitungen vor Ort klar wird, dass es jetzt solche Wege dorthin gibt. Weil jetzt schon die Anmelderunde für Februar 2008 beginnt, müssen Sie jetzt damit anfangen den Leuten zu sagen, wir machen eine Schulaufsicht, wie wir es gefordert haben, die sich regional um diesen Umsetzungsprozess kümmert und dafür zuständig und verantwortlich ist. Wir brauchen unverzüglich einen Zeitplan, der die regionale Schulentwicklung entsprechend vorlegt.

(Robert Heinemann CDU: Hat doch die Senatorin gerade vorgestellt!) - Dann können Sie unserem Antrag auch wunderbar zustimmen. Bislang haben die Eltern und die Lehrer nicht ein Wort darüber gehört. Wir brauchen die notwendigen Planungsgrundlagen - die Senatorin hat gesagt, die kommen irgendwann nach der Wahl - und wir brauchen vor allen Dingen, Herr Heinemann, die regionalen Bildungskonferenzen. (Zuruf von Robert Heinemann CDU) - Ja, aber die müssen Sie jetzt organisieren und nicht sagen, nutzen sie den Freiraum, wie es gerade so kommt. Keiner ist bereit, wieder Lebenszeit zu investieren, wenn nachher alles ganz anders kommt.

Die entscheidende Wahrheit, Herr Heinemann, ist nämlich Folgende: Ihre fehlgeleitete Kampagne soll von den wahren Fehlern und dem Qualitätsverlust ablenken, den das Schulsystem in den letzten sechs Jahren unter Ihrer Regierung erlitten hat. Das ist die Wahrheit für diese Stadt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Sie wollen davon ablenken, dass es im System nach wie vor ungefähr 12 Prozent Abbrecher gibt. Sie wollen davon ablenken, dass die Grundschulen in Hamburg die größten

Klassenfrequenzen in ganz Deutschland haben. Sie wollen davon ablenken, dass es in den Sekundarschulen durchschnittlich 29 und 30 Schüler pro Klasse gibt. Sie wollen davon ablenken, dass es eine Bugwelle unversorgter Schulabgänger gibt, die keine Lehrstelle finden. Inzwischen sind wir bei fast 10.000 Schülerinnen und Schülern des ehemaligen Sekundarsystems angekommen, die keine Lehrstelle finden und sich irgendwo im Berufsschulsystem herumtreiben müssen.

Sie wollen von dem Chaos bei den Lehrerstellen ablenken, Sie wollen ablenken von den Schulbauten. Sie wollen im Prinzip ablenken davon, dass alles das, was Sie in den letzten sechs Jahren überhastet eingeführt haben, nicht erfolgreich gewesen und zum Scheitern verurteilt ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich wiederhole, was meine Kollegin Frau Ernst sehr richtig gesagt hat. Alle zählen inzwischen die Tage, bis es zu Ende ist mit dieser Senatorin und mit Ihrer Regierung, meine Damen und Herren, und wir auch.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Herr Freistedt.

(Michael Neumann SPD: Dann ist die Debatte ja beendet, faktisch!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt verstanden,

(Michael Neumann SPD: Das glaube ich nicht!)

was Herr Buss uns vorwirft. Ich habe aber nicht verstanden, was Herr Buss für die SPD fordert, ich habe nicht verstanden, wie Ihre künftige Schulpolitik aussieht. Dazu haben Sie nichts gesagt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich mir die Ausführungen der Kollegin Goetsch anhöre, dann habe ich den Eindruck, dass hier wieder der Gedanke der "Einheitsschule-Wiederbelebungsoffensive" - Schule bis Klasse 9 -, aufgelegt wird. Das brauchen wir nicht. Um es jetzt klar und deutlich zu sagen, bei dieser Diskussion geht es um die Kinder und Schüler unserer Stadt und nicht um Ideologie.

(Beifall bei der CDU)