Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Ich möchte nur sagen, dass man es sich nicht so einfach machen kann, sondern es muss gründlich untersucht und die Studie muss vernünftig ausgewertet werden. Man kann nicht sagen, das ist eindeutig, denn das stimmt nicht.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Maier.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Noch einmal zu dem Thema: Statistischer Zusammenhang und kausaler Zusammenhang. Darüber gibt es bekanntermaßen Witze. Mir ist gerade der folgende berühmte Witz ins Gedächtnis gekommen: In Indien gäbe es einen statistischen Zusammenhang zwischen Witwenverbrennungen und Curryverbrauch. Es ist erkennbar lächerlich, einen solchen Zusammenhang für einen kausalen zu nehmen. Etwas anderes ist es, wenn man in der Bundesrepublik eine Studie macht, die auf anderen Studien aufsetzt, die einen relativ nahen statistischen Zusammenhang herstellt und einen nicht ganz fern stehenden sachlichen Zusammenhang untersucht.

Die Senatorin hatte sich eben auf die Kommentierung eines Artikels in der "Süddeutschen Zeitung" bezogen. Der Autor macht eine Fortsetzung dieses Arguments, er bezieht sich auf die Bemerkung von Herrn Gabriel, es müsse jetzt weiter untersucht werden. Er fragt, wie stellt sich Herr Gabriel das eigentlich vor? Sollen künftig Föten und Kinder im Abstand von einem, von zwei, bis drei Kilometern vor die Kernkraftwerke gesetzt werden, bis es neue statistische Versuchsreihen gibt, aufgrund derer man die Belastung feststellt? Das ist auf der Grundlage neuer statistischer Untersuchungen, die experimentell vorgehen, gar nicht zu erheben. Sie können, was den unmittelbaren Zusammenhang der Ursachenforschung angeht, empirische Forschung so gut wie gar nicht betreiben. Wir machen im Nachhinein eine Plausibilitätsstudie, die sich statistischer Methoden bedient und auf Grundlage derer wir einen statistischen Zusammenhang erhalten, der Wahrscheinlichkeiten nachlegt. In Bezug auf Todesrisiken sind Wahrscheinlichkeiten ausreichend, um diese Risiken zu beseitigen. Das ist das Thema,

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Mathias Petersen SPD)

vor allen Dingen, wenn Sie in diesen Fragen keine hundertprozentige empirische oder kausale Sicherheit erzielen können. Es ist Quatsch, wenn Herr Gabriel sagt, er wolle das untersuchen.

(Beifall bei der GAL)

Dann bekommt für maximal zwei Minuten der Abgeordnete Dr. Stehr das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Maier, bis zu einem gewissen Punkt kann ich Ihrer Logik folgen. Sie können mit Statistik nur Vermutungen äußern, aber keine Ursachen belegen. Es blieb aber Ihrer Fraktion vorbehalten, hier schon eine Schuldzuweisung vorzunehmen. Das ist unredlich.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der GAL)

Eine Klärung dieser Fragen wird vornehmlich von der Strahlenbiologie und von den Fortschritten in der Genfor

schung zu erwarten sein. Daran müssen wir arbeiten. Gestatten Sie mir ganz kurz die persönliche Beschreibung eines Erlebnisses.

Mich rief mich jemand im Büro an und fragte: Kann 50Hertz-Strahlung von Überlandleitungen Leukämie auslösen? Ich habe geantwortet: Nach allem, was ich weiß, nein.

(Christian Maaß GAL: Das stimmt nicht!)

Der Anrufer hat mir Folgendes gesagt: Ich habe das auch geglaubt, ich bin Elektroingenieur. Ich habe eine Sondererlaubnis beantragt und erhalten, in der Nähe einer Überlandleitung zu bauen. Ich wohne jetzt in dem Haus und habe Leukämie. Was sagen Sie dem?

(Christian Maaß GAL: Ja, das ist statistisch sogar nachweisbar, dazu gibt es eine Studie!)

Es gibt fast nichts ohne Risiko.

(Zurufe von der GAL und Unruhe bei der GAL - Glocke)

Mit Genehmigung des Präsidenten möchte ich aus der Studie zitieren:

"Diese Studie kann keine Aussage darüber machen, durch welche biologischen Risikofaktoren die Beziehung zu erklären ist. Aufgrund des aktuellen strahlenbiologischen und epidemiologischen Wissens ist diese als Ursache nicht interpretierbar."

(Glocke)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist beendet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende der Aktuellen Stunde.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 72, Drs. 18/7479 in der Neufassung, Antrag der CDU-Fraktion: Hamburger Bekenntnis zur Bildungsvielfalt.

[Antrag der Fraktion der CDU: Hamburger Bekenntnis zur Bildungsvielfalt - Drs. 18/7479 (Neufassung) -]

Hierzu liegt Ihnen als Drs. 18/7565 ein Antrag der SPDFraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD: Hamburger Bekenntnis zur besseren Bildung - Drs. 18/7565 -]

Das Wort wird gewünscht? - Der Abgeordnete Heinemann hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich könnte jetzt natürlich relativ lange darüber sprechen, was von führenden Sozialdemokraten in den letzten Monaten und Wochen zum Thema Schulstruktur gesagt wurde. Aber ich erspare Ihnen heute die

ganzen Zitate, denn jeder weiß inzwischen, welchen fulminanten Zickzackkurs die SPD hingelegt hat. Jeder schüttelt nur den Kopf darüber, wenn sich auf dem jüngsten Parteitag Herr Naumann drinnen zum Zwei-SäulenModell bekennt und Frau Boeddinghaus draußen vor der Tür Unterschriften dagegen sammelt.

(Beifall bei der CDU)

Mir ist es bei der Frage der Schulstruktur immer um die Sache gegangen.

(Lachen bei der SPD und der GAL)

Die Bildungssenatorin und ich wollten den unübersichtlichen Flickenteppich in der Hamburger Schulstruktur bereinigen, wir wollen die Durchlässigkeit - gerade auch für Spätentwickler - zu höheren Abschlüssen verbessern. Wir wollen daher, dass jede Schule zum Abitur führt, wir wollen weniger Schulformwechsler und Sitzenbleiber und wir wollen dem Elternwillen entsprechen, der seit Jahren in Hamburg ganz klar in Richtung eines zweigliedrigen Schulsystem weist.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollten endlich einen Konsens in der Schulstrukturdiskussion,

(Michael Neumann SPD: So wie Sie agitieren, kriegen Sie keinen Konsens hin!) - noch agitiere ich nicht - damit Schulen und Politik sich auf die Dinge konzentrieren können, die für Bildungsgerechtigkeit und für Bildungserfolg viel wichtiger sind als die Schulstruktur. Wäre es mir nicht um diese wichtigen Ziele gegangen, dann hätte ich bestimmt nicht in der Enquete-Kommission bis in die Nacht hinein gemeinsam mit Frau Ernst und anderen um einen solchen Konsens gerungen. Zunächst war das erfolgreich, wie Sie alle wissen. Ich bin nach wie vor allen sehr dankbar, die an diesem Erfolg mitgewirkt haben, allen voran Professor Lehberger, Herrn Dr. Rößler, Herrn Dr. Wunder und auch Ihnen, Frau Ernst. Es war ein Konsens, den viele damals nicht für möglich gehalten hatten und den viele auch bis zum letzten Moment in Teilen bekämpft haben. Es war aber auch ein Konsens, der in Deutschland für Aufsehen gesorgt hat, der als Durchbruch in einer leidigen und unproduktiven Debatte angesehen wurde. "Hamburg schreibt dieser Tage Bildungsgeschichte" kommentierte "Die Zeit" am 18. Januar und der Herausgeber war damals ein gewisser Michael Naumann. (Wolfgang Beuß CDU: Wer ist das denn?)

Umso enttäuschter war ich persönlich, als die SPD bereits im April - also keinen Monat nach Abschluss der Enquete-Kommission - diesen Konsens in der Bürgerschaft plötzlich aufkündigte. Auch wenn Frau Ernst - ich rechne ihr das hoch an - zur Ehrenrettung ihrer Partei immer wieder tapfer das Gegenteil behauptet: Nein, es lag nicht an unserem Einleitungstext, denn sonst hätte die SPD logischerweise gar keinem Punkt des Petitums zustimmen dürfen. Aber den Punkten drei und vier haben Sie sehr wohl zugestimmt. Abgelehnt haben Sie hingegen die Forderung - ich zitiere -:

"(…) mit den Vorbereitungen zur Einführung eines neuen Schulsystems aus Stadtteilschule und Gymnasium zu beginnen, eine Umsetzung zum 01.08.2009 anzustreben und die Bürgerschaft regelmäßig über den Fortschritt zu informieren."

Das wurde im April von der SPD abgelehnt. Die SPDFraktion hat also im April gezielt gegen die Einführung eines zweigliedrigen Schulsystems aus Stadtteilschule und Gymnasium gestimmt. Den Grund für Ihr Abstimmungsverhalten und die deutlich erkennbare Wut von Herrn Neumann hat die "Hamburger Morgenpost" am nächsten Tag auf den Punkt gebracht. Sie hat geschrieben:

"Noch Ende März stimmten die Sozialdemokraten den Empfehlungen der Enquete-Kommission für ein zweigliedriges Schulsystem aus Stadtteilschule und Gymnasium zu. In der Bürgerschaft jetzt die Rolle rückwärts."

Auf der Fraktionssitzung der SPD am Montag vorher hatten sich anscheinend die Gesamtschulverfechter um Wilfried Buss, Gerhard Lein und Sabine Boeddinghaus durchgesetzt,

(Wolfgang Beuß CDU: Hört, hört! - Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

durchgesetzt - wohlgemerkt - gegen den Fraktionsvorsitzenden, durchgesetzt gegen den damals neuen Landesvorsitzenden, durchgesetzt gegen den damals frisch gekürten Bürgermeisterkandidaten.

(Michael Neumann SPD: Ich glaube, es war ein einstimmiges Abstimmungsverhalten!)

Diese linksideologische Mehrheit in der SPD-Fraktion hatte sich übrigens im April nicht zum ersten Mal durchgesetzt. Es war die gleiche Mehrheit, die schon Frau Ernst abgesetzt und gegen Wilfried Buss ausgetauscht hatte.

(Zuruf von Werner Dobritz SPD - Glocke)