(Michael Neumann SPD: Dass Sie sich rechtferti- gen müssen, ist auch richtig so, weil Sie die Ver- antwortung dafür tragen!)
Ich kann Ihnen nur sagen: In den Sechziger- und Siebzigerjahren mag der Geschosswohnungsbau der Stand der Dinge gewesen sein, das will ich Ihnen gar nicht vorwerfen. Nur wenn man das dann gemacht hat und hinterher von der gespaltenen Stadt redet, dann muss ich sagen: Das ist wirklich empörend, wie Sie mit dem Thema umgehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr von Frankenberg, ich sehe hier nur einen Abgeordneten, der irgendwie in die Enge getrieben worden ist, aufgrund dessen wild um sich schlägt und die Realität nicht wahrnehmen will.
Wir haben vorhin in der Aktuellen Stunde gehört, dass dieser Senat es durchaus schafft, viele Projekte kurz vor der Wahl "mal eben so" durchzuziehen und in blinden Aktionismus verfällt.
Bei den verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen sieht es ganz anders aus. Im März 2005 gab es den tragischen Fall Jessica. Jetzt - drei Jahre später - rühmt sich der Senat, eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht zu haben. Unmittelbar in der ersten Debatte zu dem Fall Jessica wurden von SPD- und GAL-Fraktion verbindliche Vorsorgeuntersuchungen gefordert. Seitens des Senats passierte gar nichts. Jetzt haben wir die Situation, dass der Senat behauptet, er hätte eine Bundesratsinitiative eingeleitet.
Zunächst einmal wollen wir feststellen, Frau Strasburger, dass Niedersachsen diesen Antrag eingebracht hat und Hamburg lediglich einen Änderungsantrag. Dieser Änderungsantrag hat unter anderem die Klausel, die ich sowieso ablehne, die Untersuchungen sollen erst ab der U 4 verbindlich sein. Über die U 1 brauchen wir nicht zu streiten, die Untersuchung findet im Krankenhaus statt, die sind relativ verbindlich, aber es gibt immer noch Mütter, die bekommen ihre Kinder zu Hause und die sind nicht davon erfasst. Dann haben wir die ganzen Fälle der U 3. Sie betrifft Kinder in einem Alter, in dem sie zu Hause sind und wo man Vernachlässigungen frühzeitig erkennen könnte. Das sieht dieser Senat nicht. Er meint, ab der U 4 wäre eine verbindliche Vorsorgeuntersuchung ausreichend. Drei Jahre haben Sie in schlafender Position verbracht. Ich halte es für ziemlich fahrlässig, erst jetzt zu handeln.
Ihr Argument zieht nicht, wenn Sie von einer Insellösung sprechen. Wir wissen alle, worüber wir reden. Das Saarland hat schon lange eine eigene Gesetzesinitiative.
Eben wurde das Beispiel Norderstedt genannt. Das Beispiel hinkt, Herr von Frankenberg. Schleswig-Holstein ist schon lange dabei und Niedersachsen auch. Das einzige Land, das sich in eine Insellösung begibt, ist Hamburg, weil hier nicht gehandelt wird. Das haben wir diesem Senat zu verdanken.
Frau Senatorin, wer garantiert uns, dass so etwas durchkommt? Wir erleben das häufiger im Bundesrat, da sind die Bundesländer auch nicht immer einer Meinung. Wie lange dauert dieser ganze Prozess? Vielleicht noch einmal ein Jahr. Angesichts der alarmierenden Zahlen, die vom Kompetenzzentrum veröffentlicht worden sind, können wir uns das nicht leisten. Jeder einzelne Fall, der dort erwähnt wurde, ist einer zu viel. Darüber sind wir uns alle einig.
Ich möchte jetzt noch auf zwei Punkte der Drucksache "Hamburg schützt seine Kinder" eingehen. Herr Schüssler hat sehr schön eine Zusammenfassung dieser ganzen Fakten und des Nichthandelns des Senats gebracht. Ich
will das nicht alles wiederholen. Wenn Herr von Frankenberg redet, habe ich sowieso immer das Gefühl, er holt seine alten Reden heraus und kommt mit Kita, und, und, und.
Ich nenne zunächst die Familienhebammen. Sie haben sich gerühmt, in Hamburg 16 Familienhebammen-Stellen eingerichtet zu haben. Ich hoffe, Ihnen allen ist bekannt, dass die Familienhebammen gerade dabei sind, in den Streik zu treten, weil sie finanziell derart schlecht ausgestattet sind, dass sie es nicht mehr verantworten können, ihrer Arbeit nachzukommen. Ich will aus einem Brief des KiFaZ in Barmbek-Süd zitieren:
"Im Namen des Kinder- und Familienzentrums Barmbek-Süd wenden wir uns mit folgendem Anliegen an Sie ("Sie", das sind die politischen Parteien). Das KiFaZ hat große Probleme, den wichtigen Arbeitsbereich Familienhebammen für das Jahr 2008 und vermutlich auch für die folgenden aufrechtzuerhalten."
Jetzt kommen Probleme, die ich nicht näher ausführen will, die auch mit der Gesundheitsreform zusammenhängen. Tatsache ist, den KiFaZ fehlt Geld, um die Familienhebammen auszustatten,
Meine Damen und Herren, was nützen uns diese wirklich guten Projekte der Familienhebammen, wenn es wieder einmal nur ein Projekt à la Senatorin Schnieber-Jastram ist, nämlich ein Leitprojekt, genauso wie die Kinder- und Familienzentren. Es gibt in der Stadt zwar 22 Zentren, die vielleicht zweimal drei Stunden geöffnet haben, aber damit können Sie sich nicht rühmen, Frau Senatorin, das ist eine kleine Einheit von dem, was wir eigentlich haben müssten.
Wer Kinderschutz wirklich ernst meint, der investiert Geld gerade in die Familienhebammen. Wir sind uns sogar mit der CDU-Fraktion einig, wie wichtig Familienhebammen als erste Instanz sind, um Vernachlässigungen zu erkennen. Es nützt wenig, wenn Sie dieses Leitmodell einrichten, sich nach außen rühmen und sagen, wir haben 16 Familienhebammen, sie aber nicht arbeiten können und ihnen Vernachlässigungen "durch die Lappen" gehen. Das sind die Kinder, die im Kompetenzzentrum enden. Das darf nicht passieren.
Nun komme ich zu meinem Lieblingsthema. Ich werde aber nur wenig dazu sagen, weil Herr Kienscherf bestimmt noch etwas zu den Allgemeinen Sozialen Diensten sagen möchte.
Ich konnte eben kurz im Pressespiegel lesen, dass Ole von Beust an die Kultusministerkonferenz einen Brandbrief wegen Stundenreduzierung in den Gymnasien geschrieben hat. Ich freue mich, dass Herr von Beust manchmal Brandbriefe schreibt. Wissen Sie, wie viele
Mitarbeiter der Allgemeinen Sozialen Dienste Brandbriefe an unseren Bürgermeister geschrieben und keine Antwort erhalten haben? Und wenn sie eine Antwort bekommen haben, dann hieß es, so wie sie ausgestattet sind, sei es ausreichend. Noch im letzten Jahr - unser neues Jahr ist ja noch gar nicht so alt - gab es aus Bergedorf erneut zwei Überlastungsanzeigen, die den Wortlaut trugen, wir können nicht garantieren, dass wir hier Kinderschutz betreiben können. Diese Überlastungsanzeigen sind an den Bürgermeister gegangen. Es braucht keines deutlicheren Brandbriefbeweises, um zu sehen, dass die Allgemeinen Sozialen Dienste - die erste Stelle des Kinderschutzes - immer noch nicht so ausgestattet sind, dass sie den Kinderschutz wirklich wahrnehmen können. Das müssen wir ändern und dazu hatte die GAL-Fraktion - es liegt schon lange zurück, ich weiß schon gar nicht mehr, wann es war - wiederholt den Antrag gestellt, die Sollstellenzahl zu überprüfen. Im Moment haben wir zum Beispiel in Bergedorf eine Stellenausstattung, die sich auf einen Wert von vor zehn Jahren bezieht, als Bergedorf noch gar nicht die Neubaugebiete hatte. Das ist sträflich. Es werden hier Märchen erzählt, in denen es heißt, wir betreiben Kinderschutz, und dabei sind Sie auf halber Stelle stehen geblieben.
Wenn Senator Freytag und sein gesamter Senat es wirklich ernst meinen - er hatte vorhin gesagt, wenn wir den Schwachen in der Stadt helfen, dann tun wir das auch -, bedarf es noch weiterer Maßnahmen. Sie haben angefangen, etwas zu tun, dann haben Sie sich irgendwann zurückgelehnt und das Resultat sehen wir jetzt. Es müssen doppelte Anstrengungen unternommen werden. Was hier in Sachen Kinderschutz getan wird, ist noch immer nicht ausreichend. Da bedarf es noch weiterer Maßnahmen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage es Ihnen sehr gern noch einmal: Hamburg hat in Sachen Kinderschutz eine bundesweit anerkannte Vorreiterrolle in Deutschland eingenommen.
Ich will Ihnen weiterhin nicht verschweigen, dass ich mich persönlich sehr darüber freue, denn es zeigt sich, dass wir auf dem richtigen Wege sind. Das wird im Übrigen an einer Stelle ganz besonders deutlich bestätigt, Herr Schüssler: Die ständig steigenden Teilnahmequoten an den Vorsorgeuntersuchungen sprechen eine eigene Sprache.
Mit einer weiteren Mär möchte ich bei dieser Gelegenheit aufräumen. Es wird immer wieder betont, die Kinderbetreuungszahlen in den von Ihnen geschaffenen Hamburger Problemgebieten
seien schlecht. Im Gegenteil. Wir haben in all diesen Gebieten steigende Kinderbetreuungszahlen, plus 7 Prozent in all diesen Regionen, bei Kindern mit sozialpäda