Zunächst einmal ist unser Hauptziel – und das sollte es, glaube ich, auch sozialpolitisch sein –, die Integration in das Regelsystem zu erreichen. Das heißt, eine Sozialpolitik, die für alle Betroffenen separate Systeme aufbaut, integriert diese Menschen nicht. Deswegen ist, glaube ich, das Gebot der Stunde die Integration der Obdachlosen in die Mitte unserer Gesellschaft zu stellen. Das bedeutet für die Sozialpolitik auch die Integration von Menschen, die obdachlos sind, in unser in Hamburg wirklich hervorragend ausgebautes gesundheitliches Regelsystem.
Dieses Hauptziel ist dadurch ein ganzes Stück besser geworden – das haben Sie zu Recht angesprochen –, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, dass Obdachlose eben auch den Anspruch auf die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung haben. Wenn sie Hartz IVoder Grundsicherungsempfänger sind, ist das heute zu realisieren. Wir haben in der Anfrage auch sehr detailliert dargelegt, wie wir versuchen, diesen Anspruch zusammen mit der ARGE, der team.arbeit Hamburg und den Sozialämtern auch wirklich umzusetzen, bis hin zu der Frage, wie man dann eine Versicherungskarte an Mann oder Frau bringt. Ich glaube, dort ist eine Menge passiert und es ist mittlerweile eine Menge von Personen auch tatsächlich krankenversichert.
Auch dazu noch ein Wort: Jemand, der hier gar keine Papiere hat und auf der Straße aufgefunden wird, hat einen Anspruch auf gesundheitliche Versorgung und auf eine Finanzierung durch den Sozialhilfeträger. Es gibt nicht die Situation, dass die Leute wie in Amerika sagen, sie könnten nicht zahlen, also würden sie auch gar nicht erst behandelt. Das gibt es in Hamburg nicht und das muss man hier auch einmal sagen.
Wir wissen aber auch, dass dieser Rechtsanspruch auf die Versorgung und auf die Mitgliedschaft nur so viel wert ist, wie Obdachlose auch in der Lage sind, diesen geltend zu machen. Auch hierzu möchte ich Ihnen sagen, dass wir als Sozialbehörde in Zusammenarbeit mit dem Job-Center in der Kaiser-Wilhelm-Straße eine Telefonnummer, eine zentrale Beratungsnummer, eingerichtet haben, wo Ärzte anrufen können, wenn sie in ihrer Praxis Menschen haben, bei denen der Versicherungsstatus unklar ist. Das heißt, auch hier leisten wir eine Hilfe und Unterstützung für die Ärzte sel
Das zweite Handlungsfeld ist aber ganz klar. Wir bekommen nicht alle ins Regelsystem und vor allem nicht sofort. Deshalb haben wir niedrig schwellige Hilfen zur Überwindung dieser Lebenssituation angeboten. Diese sind in der Großen Anfrage ebenfalls sehr detailliert dargestellt. Ich will sie jetzt nicht noch einmal verlesen, da Sie sie alle selber lesen können. Aber, Frau Artus, die Bemerkung sei mir gestattet: Mit Ihrer harschen Kritik üben Sie auch Kritik an den Menschen, die sich in diesen Projekten für die Obdachlosen rund um die Uhr einsetzen. Das haben diese Menschen nicht verdient.
Wir haben Angebote mit öffentlichem aber auch mit viel kirchlichem und privatem Engagement bei mobilen Hilfen, bei Sprechstundenberatung und bei stationären Hilfen. Das jüngste Angebot – das wissen Sie – ist die aufsuchende Arbeit einer Psychiaterin in der Innenstadt für Menschen mit psychischen Störungen. Diese Angebote sind alle niedrig schwellig, unbürokratisch und sie sind alle dort, wo die Menschen sich für gewöhnlich aufhalten.
Das alles haben wir schon und dennoch machen wir nicht Halt, weil klar ist, dass Verbesserungen nötig sind. Ich habe mich ein bisschen erschrocken, als Sie gesagt haben, wir hätten geschrieben, die Optimierung sei ein ständiger Optimierungsprozess. Das haben wir zum Glück nicht geschrieben. Wir haben geschrieben: Die Optimierung ist ein ständiger Prozess. Dazu bekenne ich mich auch, weil wir nicht in der Situation sind, dass wir bei einem sozialen Problem sagen können, wir hätten es geschafft und müssten nichts mehr tun. Sondern wir müssen immer schauen, wie man die Dinge noch besser machen kann. Deswegen haben wir uns auch zusammen mit der GAL im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass wir weiter schauen wollen, wie wir die Ansprüche der obdachlosen Menschen im Regelsystem der Gesundheitsversorgung verwirklichen können aber auch wie wir vor allem niedrig schwellige Hilfen, um in diese Regelsysteme zu kommen, fördern können. Ich will noch einmal sagen: Es ist sozialpolitisch für mich nicht vertretbar, wenn wir quasi ein zweites Gesundheitsversorgungssystem für Menschen, die obdachlos sind, aufbauen. Das ist keine Integration von Menschen in die Mitte der Gesellschaft.
Frau Bekeris, auch mich würde interessieren, wie Sie glauben, dass sich durch die Überweisung der Großen Anfrage an den Ausschuss die Lebenssituation für die Menschen draußen konkret verbessern wird. Vielleicht verraten Sie uns das gleich noch einmal. Das finde ich eine starke Behaup
tung. Wir sind in diesem Prozess, die Versorgung obdachloser Menschen zu verbessern. Aber ich sage auch: Wenn wir wirklich die Lebenssituation der Menschen ernst nehmen, dann wissen wir, dass manche Menschen nicht erreichbar sind oder sehr viel Zeit brauchen, bis sie Hilfe annehmen. Darum müssen wir uns alle gemeinsam kümmern. Ehrlich gesagt erkenne ich hier im Hause überhaupt keinen politischen Dissens, weder in den Ansätzen noch in der Zielrichtung. Ich glaube, wir sollten auch solche Themen nicht dazu nutzen, hier eine künstliche ideologisch aufgeladene Debatte zu führen. Ich glaube, uns alle lässt das Schicksal von Obdachlosen nicht kalt und wir versuchen alle auf allen erdenklichen Wegen diesen Menschen zu helfen.
Erstens, um die Gemeinsamkeiten hervorzuheben: Ich glaube, wir alle sind der Caritas, dem Diakonischen Werk, der Kemenate und vielen anderen Einrichtungen, die sich täglich mit großem Engagement und ungeheurem Einsatz darum bemühen, gerade die Gesundheitsprobleme von Obdachlosen zu mildern und dort hilfreich tätig zu sein, dankbar. Das kann man gar nicht deutlich genug sagen und oft genug wiederholen. Das ist wichtig und unverzichtbar und wir sind froh, dass es diese Einrichtungen gibt.
Zweitens: Der Senator hat recht. Das Entscheidende ist, dass es in der Regel über solche Einrichtungen gelingt, die betroffenen Menschen, Frauen und Männer, in die Regelversorgung zu bekommen. Aber das ist der springende Punkt. Wie bekommen wir das hin? Unbestritten ist, dass die Lösung, dass es endlich wieder die Chance gibt, solche Betroffenen, die lange Zeit quasi aus unserem Versicherungssystem ausgeschlossen waren, wieder hineinzubekommen, eine gute sozialpolitische Leistung der Bundesregierung war. Das nehmen wir auch für uns in Anspruch, dass diese Leistung endlich greift. Wir wissen aber, Herr Senator – das ist doch das Problem –, dass, obwohl diese Voraussetzungen gegeben sind, gerade dieser Personenkreis zu einem ganz großen Prozentsatz, es sind wahrscheinlich mehrere Hundert Menschen in der Stadt, nicht in der Lage sind, die Hürden zu überspringen, die notwendigerweise übersprungen werden müssen, um zu dieser Versicherungsleistung zu kommen und dann auch die Möglichkeiten der Versicherungsleistung angemessen zu nutzen. Das wissen wir. Wir schätzen, 20 Prozent der Betroffenen schaffen das physisch und psychisch nicht und sind aus diesem System ausgeschlossen, obwohl wir es ihnen gerne anbieten würden.
Das wissen wir. Unser Ringen ging die ganze Zeit um die Frage, wie wir auch für diese Menschen etwas tun können.
Es ist der Hintergrund dieser Anfrage gewesen, das mit Ihnen weiter zu erörtern. Ich muss Ihnen sagen, Frau Gregersen, das macht mich dann doch platt, wenn ich mir Folgendes vorstelle: Wenn vor wenigen Monaten die CDU-Alleinregierung der GAL vorgeschlagen hätte, auf eine Debatte im Ausschuss zu verzichten, weil sie das schon bearbeitete, dann hätte ich Sie im Quadrat springen sehen. Und nun schlagen Sie uns vor, wir sollten Ihnen das alles glauben, Sie kümmerten sich schon und es werde gut.
Wir verlangen von Ihnen – und ich glaube, Herr Senator, das ist auch völlig in Ordnung –, dass wir mit Ihnen gemeinsam darüber reden, was die richtigen Wege sind. Wir können dazu etwas beitragen. Wir haben Ihnen gesagt, in Nordrhein-Westfalen gebe es Lösungsansätze, die es zu diskutieren lohnt. Dann lassen Sie uns doch diskutieren, Frau Fischer. Liebe Lydia Fischer, warum sagen Sie, sie wollten mit uns diskutieren, lehnen aber gleichzeitig ab, dass das Thema in den Ausschuss kommt. Das ist nicht in Ordnung.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/601 an den Sozial- und Gleichstellungsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen?
Damit ist die Überweisung der Drucksache 19/ 601 an den Sozial- und Gleichstellungsausschuss abgelehnt.
Dann kommen wir zum Punkt 53 der Tagesordnung, dem Antrag der GAL-Fraktion: Spiel- und Freizeitflächen für Jung und Alt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst nur noch einmal ein paar Worte für alle, die mich jetzt erstaunt anschauen. Ja, ich habe ein blaues Auge. Das ist richtig. Und das ist nicht etwa, weil ich mich falsch geschminkt habe oder so etwas, und es kommt auch nicht von unseren Haushaltsberatungen, obwohl es dort vielleicht manchmal etwas heftig herging. Ich habe mich auch nicht geprügelt, es kommt schlicht und ergreifend von einem Sturz beim Wasserskilaufen. So viel zur Aufklärung dieses Auges, sonst hätten Sie überhaupt nicht mehr auf meinen Inhalt geachtet, sondern immer nur auf meine Augen. Das hätte ich in normalen Zeiten noch etwas schöner gefunden.
Jetzt kommen wir doch einmal zum Thema. Da möchte ich Ihnen erst einmal einen kleinen Ausblick geben. Der Umbruch kommt langsam aber er ist gewaltig. Welchen Umbruch meine ich? Ich meine, dass im Jahr 2050 jeder zweite weibliche oder männliche Bundesbürger älter als 60 Jahre sein wird. Der Anteil der alten Menschen an der Gesamtbevölkerung steigt und es rücken wenig Junge nach. Sie kennen vielleicht die Alterspyramide, früher in Form einer wunderschönen Tanne, heute eine ausgefranste Pappel, weil eben die Relationen nicht mehr stimmen.
Deutschland wird alt, darüber müssen wir nicht erschrecken. Aber auch Hamburg wird dabei keine Ausnahme sein. Dieser demografische Wandel ist sicherlich eine der größten Herausforderungen, die wir in der Politik und auch in der Gesellschaft haben, denn unter dem demografischen Wandel muss auch die Stadtentwicklung neu gedacht werden. Dazu gehört auch die Gestaltung des öffentlichen Raums. Unser Antrag auf Bewegungsräume für Jung und Alt leistet einen Beitrag, um auf die immer älter werdende Gesellschaft zu reagieren. Zugegeben: Es gibt noch andere Reformvorhaben, die eine weitaus größere Bedeutung haben, zum Beispiel alles, was mit dem Thema Pflege und Betreuung von alten Menschen zusammenhängt. Nicht zuletzt hat uns gerade der Fall des Rentners, der in der Wohnanlage gestorben ist, sehr bewegt. Das sind natürlich gewaltige Themen, die angegangen werden müssen.
Doch unser politisches Ziel muss es auch sein, dass wir den Zeitpunkt der Pflege möglichst lange hinauszögern und nach hinten verschieben. Dazu gehört der Erhalt von körperlicher und geistiger Vitalität. Bewegung trägt bewiesenermaßen dazu bei, dass dem geistigen Abbau entgegengewirkt wird.
Senioren haben viel Freizeit, theoretisch jedenfalls. Man hört immer wieder von Rentnern, dass sie keine Zeit haben. Die können sie entweder hier in der Bürgerschaft verbringen oder sie können etwas für ihre Gesundheit tun, nämlich sich bewegen. Für die Freizeit und für den Willen gesund zu bleiben, eignen sich die Bewegungsräume im öffentlichen Raum. Es geht dabei nicht um einen Trimmpfad im Stadtpark, sondern es geht vielmehr um das Angebot im eigenen Stadtteil, idealerweise gleich auf der Grünfläche um die Ecke. Hamburg hat dazu schon erste zaghafte Versuche gemacht und es gibt Plätze, an denen man hier und da ein gelenkschonendes Sportgerät findet. Aber dieses Angebot gilt es auszubauen. Vor allen Dingen ist es ganz wichtig, dass es hier nicht nur um Sport geht, sondern es geht auch um Kommunikation. Da können wir einmal einen Blick in unsere südlichen Nachbarländer wagen. Zugegebenerweise ist das Wetter dort etwas besser aber die Franzosen machen es uns vor, wenn sich unter dem Schatten der Platanen die älteren Leute – leider sind es dort meistens Männer – zum täglichen Boulespiel treffen. Es müssen nicht unbedingt Platanen sein. Hier in Hamburg haben wir Linden oder Eichen, die tun es auch. Statt Boule kann man auch Boccia oder Schach spielen oder auch gern Boule noch dazunehmen. Aber wichtig ist, dass wir bei der Planung einen Dreiklang aus Bewegung, Fitness und Kommunikation brauchen.
Noch einmal zu unserem Antrag. Wir fordern ganz speziell auch in der Überschrift nicht nur Bewegungsplätze für Senioren – das wäre etwas diskriminierend, denn wir können ja kein Schild an den Eingang stellen: Erst ab 60 Jahren zugelassen –, sondern für Jung und Alt, weil dort natürlich auch Kinder willkommen sind. Es kann auch einmal sein, dass Großeltern mit ihren Enkelkindern diesen Platz genauso aufsuchen wollen, oder Erwachsene mittleren Alters, die nach der Arbeit die Gelegenheit ergreifen wollen, sich zu recken und zu strecken. Bei der Gelegenheit kann ich nur feststellen, dass solche Bewegungsangebote auch hier im Rathaus sehr angebracht wären. Ich glaube, manche Debatte würde anders verlaufen, die Unruhe wäre nicht so groß, wenn einige von uns einmal aufstehen würden und ihre Schultern spannen oder ihre Beine strecken. Das geht auch im Anzug. Vielleicht wäre das der nächste Schritt.
Klar ist auch, dass wir in unserem Antrag fordern, dass derartige Angebote am besten aufgenommen werden, wenn wir die betreffenden Gruppen mit einbinden, also Senioren, Sport- und Gesundheitsverbände.
Es ist auch so, dass der BSU die Bedeutung dieses Themas bereits bewusst ist, denn es gibt ein Programm "Freiraum und Mobilität für ältere Menschen in Hamburg". Damit haben wir bereits einen Rahmen, der die Grundlage für unsere gewollte Erweiterung ist.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, ob man diese Flächen nun – wie Sie es in Ihrem Zusatzantrag tun – "Mehrgenerationenbewegungsfläche" nennt, oder sie "Spiel- und Freizeitfläche" nennt, wobei dieses keineswegs mit einem Spielplatz zu verwechseln ist, denn das hören die älteren Menschen gar nicht gerne, das wollen wir den Menschen überlassen, die diese Plätze planen. Die Überschrift – Herr Kienscherf, ich weiß nicht, ob der Antrag Ihrer Feder entsprungen ist – ist wirklich das Einzige, was Ihren Antrag von unserem unterscheidet. Ansonsten ist er in den Forderungen nahezu identisch, außer dass Sie in dem einen Punkt noch darauf eingehen, dass die Grünflächen gepflegt werden müssen. Ich denke, darüber können wir noch einmal im Umweltausschuss reden, was für Sie Pflege ist, der kurzgeschorene Rasen oder was auch immer.
Der SPD-Antrag – und damit komme ich gleich zur Abstimmung – wirkt im Ganzen abgeschrieben und weil er nicht nur abgeschrieben wirkt, sondern auch abgeschrieben ist, werden wir ihn ablehnen, denn das Original ist immer besser als die Kopie. Ich denke, unser Antrag ist das Original, das wichtig ist, und mit dem wir einen Beitrag für diese immer älter werdende Gesellschaft leisten. Bewegung hält jung und ich hoffe, dass wir alle bald nach Hause gehen können, damit wir uns auch bewegen können und nicht so schnell altern.