Protokoll der Sitzung vom 03.09.2008

Das Wort bekommt Herr Freistedt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Seit fast einer Woche hat die Schule wieder begonnen und Lehrer, Schüler und Eltern

befinden sich in einem Schuljahr, das große Verbesserungen mit sich bringt. Die Koalition von Schwarz-Grün hat ein umfangreiches Paket geschnürt, um unsere Hamburger Schulen zu den erfolgreichsten Schulen in der Bundesrepublik Deutschland zu machen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Frau Senatorin Goetsch hat sich als Präses der Schulbehörde in Briefen direkt an die Eltern gewandt und die Ziele der Reform benannt. Sie hat damit eine Tradition fortgesetzt, die schon bei früheren Koalitionen und Regierungen gewählt wurde; es besteht aber ein Unterschied. Während in der Vergangenheit immer wieder zu Beginn des Schuljahres über mangelnde Lehrerausstattung oder fehlende vergammelte Schulräume öffentlich geklagt wurde,

(Ingo Egloff SPD: Da hat Frau Dinges-Dierig wohl einiges falsch gemacht!)

ist es in diesem Jahr in der Medienwelt und an den Schulen relativ ruhig geblieben. Jetzt zeigt sich, dass beide Schulsenatorinnen in diesem Jahr ihre Hausaufgaben gut gemacht haben und in den letzten Jahren eine deutliche Verbesserung der schulischen Situation eingetreten ist.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Dieser Senat hat seine Aufgaben gemacht und Eltern sowie Schülerinnen und Schüler können mit viel Zuversicht in das Schuljahr 2008 und 2009 hineingehen.

Sie haben es eben von Herrn Gwosdz gehört: GAL und CDU sind sich in Fragen der Schulgestaltung, in Fragen, wie Hamburg Schule macht, einig. Daher steht auch am Anfang dieser Bürgerschaftssitzung ein Thema, über das politisch zwischen Regierung und Opposition gestritten wird, das aber nach unserer Meinung Hamburg künftig zu einem Exzellenzstandort für schulische Bildung in Deutschland macht; dafür geben wir gerne gutes Geld aus.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der GAL)

Der Nachtragshaushalt hat es schon bestätigt und der Doppelhaushalt wird dieses nochmals deutlich unterstreichen. Mit dem Beginn des neuen Schuljahres, so haben wir es noch vor der Sommerpause in diesem Kreise beschlossen, beginnt die erste Phase der verbesserten Lernsituation für die Hamburger Schülerinnen und Schüler: Haupt- und Realschüler lernen gemeinsam. An diesem Punkt zeigen sich auch die besonderen Qualitäten der derzeitigen Koalition. Die Innovationsfreude der GAL und der CDU verbinden sich mit den Erfahrungen der letzten Jahre und dieses führt zu einer Leistungsoffensive an den Schulen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

(Michael Gwosdz)

Wir zwängen den Hamburger Schülerinnen und Schülern kein Modell auf, das sofort alle betrifft. Wir bereiten die Schulen gemeinsam vor, damit sie mit den wichtigen sozialen Institutionen wie REBUS, aber auch mit den Bezirken und den Jugendämtern sorgfältig umgehen können. Hier wird geplant, es gibt keine kopflose Einführung einer Einheitsschule. Mit kleinen Schritten, die uns und Ihnen jetzt vorgestellt wurden, können wir die Situation an den Schulen verbessern und es wird eine Evaluation dazu geben.

In der nächsten Zeit wird sich besonders zeigen, dass es ein lohnenswerter Schritt war, die Hamburger Schulinspektion einzuführen, denn dort erhalten wir Entwicklungsstandsmeldungen, Informationen, Leistungsübersichten, um die heute zu diskutierenden Schulreformmaßnahmen auch politisch begleiten zu können.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Die Zusammenführung von Hauptund Realschulen ist ein wichtiger Schritt, er ist für die Schüler bedeutsam. Eben ist schon darauf hingewiesen worden, dass wir das Konzept des gemeinsamen Lernens bis Klasse 6 erweitern und damit eine gute Leistungsbasis für Gymnasium und Stadtteilschule sichern.

Wenn in der morgigen Ausgabe einer großen Tageszeitung davon gesprochen werden wird, dass in Hamburg eventuell ein humanistisches Gymnasium zum Sterben verurteilt werde, so geschieht das nicht mit der CDU, nicht mit dieser Koalition.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ganz im Gegenteil kann hier humanistisches Gedankengut in der Primarschule eingeführt werden. Dieses wird altersgerecht sein und ich habe keine Sorge, dass wir das gut schaffen.

All dieses, das möchte ich zum Abschluss sagen, ist eine besondere Leistung dieser Koalition. Wir haben die Hausaufgaben gemacht und freuen uns auf eine angeregte Debatte und bitten, von Neid Abstand zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Rabe.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Schulpolitik, insbesondere in der Darstellung der Koalition, ist viel die Rede von Start, von Aufbruch, von Aufbruchstimmung. Ich räume ein, dass unser Schulsystem einen Aufbruch und eine Aufbruchstimmung braucht. Aber allein die Bereitschaft aufzubrechen und zu starten, macht noch keinen Erfolg.

(Beifall bei der SPD)

Die Bereitschaft, sich auf den Weg zu machen, steht möglicherweise am Anfang großer und guter Veränderungen, aber diese Bereitschaft prägte auch den Start der Titanic. Deswegen kommt es nicht nur auf die Bereitschaft an, sondern auch auf den richtigen Kurs und wir fordern einmal mehr ganz klar von dieser Regierung, endlich die Karten auf den Tisch zu legen und zu sagen, welchen Kurs sie konkret in der Bildungspolitik steuern will.

(Beifall bei der SPD – Viviane Spethmann CDU: Das müssen Sie gerade sagen!)

Statt das zu tun, sprechen Sie in der Öffentlichkeit immer gerne über Ihre Ziele. Diese benannten Ziele finden wir gut und ich stimme Herrn Gwosdz ausdrücklich bei der Darstellung dieser Ziele zu. Die Ziele sind richtig, aber die Ziele teilt das ganze Haus.

(Michael Neumann SPD: Leider nicht das ganze!)

Über die Ziele müssen wir nicht mehr lange reden, es geht um Chancengleichheit in der Bildung und um bessere Bildung. Spannend ist eher die Frage, wie wir diese Ziele erreichen.

(Wilfried Buss SPD: So ist es!)

Diese Frage klammert die Koalition mit Bedacht beständig aus. Einfache Fragen wie beispielsweise, was ist eine Primarschule, werden nicht beantwortet. Eine Primarschule ist – so steht es im Koalitionsvertrag – ein Konglomerat von verschiedenen Schulformen: Langform, Kurzform, Mittelform, mit Gymnasium, ohne Gymnasium und so weiter. Frau Goetsch dagegen sagt, anders als es im Koalitionsvertrag steht, den Schulleitern so ungefähr, verraten sie es nicht der CDU, aber die Primarschule ist immer selbstständig. Das scheint eine theoretische Frage zu sein, aber genau an dieser Frage entscheidet sich, ob unser Schulsystem für mehr Chancengleichheit umgebaut wird oder ob die Chancengleichheit noch weiter zurückgefahren wird. Deswegen sagen wir an dieser Stelle ganz klar, die Ungerechtigkeit, die Zersplitterung unseres Schulsystems muss zusammengeführt werden und wir glauben, Ihre Pläne, die Primarschule zu einer Vielfalt von verschiedenen Schulen aufzuspalten, führen nicht weiter; Finger weg von der weiteren Zersplitterung unseres Schulsystems.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man weiterhin fragt, was ihr denn noch konkret als Kurs anzubieten habt, dann liest man viel Wirres und Halbgares, heute zum Beispiel in der "tageszeitung" folgende grandiose Idee. Die Schulbehörde werde in Zukunft mit einer Art Organisationssteuerung festlegen, dass 70 Prozent der Schüler auf die Stadtteilschule kommen und 30 Prozent auf das Gymnasium; das wird in dieser Behörde von vornherein entschieden. Es ist richtig,

(Marino Freistedt)

dass die Stadtteilschule gestärkt werden muss, aber spannend ist, auf welchem Weg wir das erreichen. Diese großartige Idee, Hamburg in 70 zu 30 aufzuteilen, hat mich doch verblüfft. Warum nicht gleich 15 zu 85, das wäre das Verhältnis zwischen Arbeiterschaft und Bourgeoisie und Adel in der Kaiserzeit und daher scheint diese Idee zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Schritt könnte dann vielleicht folgerichtig sein, dass man sagt, wir teilen das 70 zu 30 in den Schulen auf und das machen wir auch in der Stadt so; Zuzugsbegrenzung für Blankenese oder Lurup, auch dort 70 zu 30. Es ist ein seltsames Gesellschaftsbild, was dahintersteht.

Aber ich will noch einen anderen Punkt ansprechen. Die Idee, die Stadtteilschule zu stärken, ist richtig, aber welche Instrumente setzen wir dafür ein. Der normale Vorschlag könnte doch sein, in der Schulpolitik Kräfte zur Veränderung zu wecken, die Eigenverantwortlichkeit der Schulen zu wecken und auch auf die Selbstverantwortung von Eltern und Schülern zu setzen. Ihre Schulpolitik scheint sich dagegen aus dem angestaubten Arsenal der Planwirtschaft zu bedienen, dem Prinzip, der große Bruder, die Behörde, steuert das schon. Das alles ist prima einfach, keine Schule muss mehr um Schüler kämpfen, keine Eltern nerven die Bürokraten, es wird alles vorher festgelegt: 30 Prozent auf das Gymnasium und der Rest in die Stadtteilschule. Das prima Ergebnis solcher Steuerungsideen haben wir vor 1989 jenseits von Lüneburg bewundern können. Natürlich braucht die Stadtteilschule viele Schüler, aber das erreicht man, indem man auf Qualität setzt, indem man diese Schule stärkt, indem man dort besseren Unterricht anbietet, indem man mehr Lehrer einsetzt und insgesamt ein besseres Schulangebot macht. Es wundert mich nicht, dass gerade diese Idee, die Stadtteilschule attraktiv zu machen, von Ihrer Regierung offensichtlich nicht aufgegriffen wird.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss. Es gibt viel zu tun, fangen Sie endlich damit an. Statt immer nur über Ihre Ziele zu reden, sollten Sie über den Kurs reden.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! "Hamburg macht Schule! Start für längeres gemeinsames Lernen", so ist der Schulstart von GAL und CDU gerade über den grünen Klee gelobt worden. Für die LINKE stellt es sich durchaus so dar, dass von der Senatorin einiges auf den Weg gebracht wurde; das geben wir auch gerne zu und akzeptieren es auch.

(Wolfgang Beuß CDU: Hört, hört!)

Vor der Sommerpause haben wir darüber diskutiert und einstimmige Beschlüsse gefasst; darauf hat Herr Rabe hingewiesen. Die Neueinstellung von Lehrkräften, die Einrichtung von vier Ganztagsschulen, die Fortführung des Schulversuchs Kompetenzmessung und die Abschaffung der isolierten Hauptschule hat unsere Zustimmung gefunden. Jetzt kommt das Aber: Es ist nur ein Anfang, denn bei dieser ganzen Euphorie wird vergessen – das habe ich leider auch im umfangreichen Anhang der Presseerklärung der Behörde vom 26. August vermisst –, dass wir noch Hauptschulen haben. Wir haben jetzt noch Klassen H 8 und H 9 und möchten natürlich gerne wissen, wie viele Hauptschulklassen wir eigentlich zurzeit haben. Ganz wichtig wäre es, sich um diese Hauptschüler zu kümmern. Darauf haben wir schon ein paarmal hingewiesen und wir haben eigentlich auch die Zusage. Eines geht aber nicht: Man kann nicht neben den integrierten HR-Klassen diese Hauptschulklassen einfach unbemerkt von der Öffentlichkeit auslaufen lassen, weil die Schülerinnen und Schüler, die in diesen Klassen sind, verdammt schlechte Chancen haben und da muss man etwas tun. Wir brauchen besondere flankierende Maßnahmen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Britta Ernst SPD)

Wir haben schon einmal auf den doppelten Abiturjahrgang hingewiesen und in der Anlage zur Presseerklärung ist auch ein Absatz zum Thema berufliche Bildung enthalten. Zugegeben, das ist neu in der Behörde, da muss sich wahrscheinlich erst eingearbeitet werden, aber wir vermissen trotzdem das Problembewusstsein, und zwar für die Altbewerber und die schwer in Ausbildung zu vermittelnden Jugendlichen.

Ich will einmal zitieren, was in diesem Bericht steht.

"Die gezielte Förderung von begabten und beruflich orientierten Jugendlichen – insbesondere aus bildungsfernen Schichten – soll durch den Erwerb der Fachhochschulreife im Rahmen einer dualen Ausbildung erreicht werden.