Protokoll der Sitzung vom 03.09.2008

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich bin dem Finanzsenator auch dankbar, dass er bei den Verhandlungen die Ausfallsumme, die durch die nachgelagerten Studiengebühren entsteht und voraussichtlich 2,5 Millionen Euro pro Jahr betragen wird, im Interesse des Wohls und der Sicherheit der Studenten in Kauf genommen hat. Insgesamt hätten die Einnahmen aus den Studiengebühren nach dem alten Modell 38,1 Millionen Euro gebracht. Die Differenz ist nicht schön, aber der Kompromiss ist in der Sache vernünftig und belastet die Studenten längst nicht so, wie das möglicherweise mit dem vergangenen Modell der Fall gewesen wäre. Die durchschnittliche Studienlänge beträgt zehn Semester und das ergibt pro Student eine Summe in Höhe von 3750 Euro und die kann in Ratenzahlungen abgetragen werden. Ich denke, wer ein Mindesteinkommen von 30 000 Euro hat, dem tut es nicht so weh, dass er das nicht an den Staat zurückzahlen könnte.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Nun wird immer behauptet, bei der WK werde durch diese Reform ein neuer Schattenhaushalt eingerichtet. Ich sage dazu, die politische Entscheidung für nachgelagert erhobene Studiengebühren ist eine vernünftige Entscheidung gewesen. Das Volumen der gestundeten Gebühren wird bei rund 250 Millionen Euro liegen. Die Kosten dafür sind deshalb überschaubar und vor allen Dingen auch politisch so gewollt.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Der Tilgungsplan ist aufgrund der Zahlungsverpflichtungen der Studierenden bereits vorhanden und gesetzlich abgesichert. Die zu erwartenden Ausfälle sind überschaubar. Die Rückzahlungen können nur dem vorherbestimmten Zweck zugeführt werden und nicht im allgemeinen Haushalt irgendwo untergebuddelt werden; das finde ich ganz wichtig und wesentlich.

Gestatten Sie mir noch einen Hinweis im Hinblick auf die sogenannte soziale Gerechtigkeit, die die Opposition so gern bemüht. Die berufstätigen Akademiker, die eine Hochschulausbildung beendet haben, profitieren alle finanziell und statusmäßig von der Ausbildung, die sie an einer Hamburger Hochschule erhalten haben. Es ist nach meiner

Überzeugung deshalb nur gerecht, wenn sie sich auch an den Kosten dieser Ausbildung anteilig beteiligen,

(Beifall bei der CDU)

natürlich erst dann, wenn sie im Beruf eine bestimmte Einkommensgrenze erreicht haben. Wer hier von sozialer Ungerechtigkeit spricht, der möge mir doch bitte einmal erklären, warum ein angehender Tischlermeister bei seiner Fortbildung zum Meister und für die Meisterprüfung selbst in Hamburg knapp 10 000 Euro hinblättern muss. Wer nachschauen möchte, ob die Summe auch stimmt, kann das auf der Homepage der Hamburger Tischlerinnung tun. Ein berufstätiger Akademiker sollte – das muss einmal gesagt werden – deshalb auch an einem solchen Betrag, den er vom Staat erhält, ein wenig finanziell beteiligt werden.

Um es noch einmal den Damen und Herren von der SPD und den LINKEN klarzumachen: Nicht der Student im ersten Semester wird zur Kasse gebeten, sondern berufstätige, verdienende Akademiker, die dank ihres Studiums ein entsprechendes Einkommen erzielen und das ist nur fair und gerecht.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ein letztes Wort zur Opposition. Dass Sie heute die zweite Lesung verweigern und uns das erst auf den letzten 20 Metern mitteilen, ist typisch für Ihr fantasieloses oppositionelles Gehabe.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Mit dieser Entscheidung, die zweite Lesung heute zu verweigern, entpuppen Sie sich wieder einmal mehr als diejenigen, die meilenweit davon entfernt sind, in dieser Stadt Verantwortung zu übernehmen. Wir schaffen es Gott sei Dank auch ohne Sie, ein ordentliches Gesetz auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat Frau Dr. Stapelfeldt.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Beuß, wir halten es nicht für ein ordentliches Gesetz, sondern für ein falsches Gesetz, das unsozial ist, und deswegen müssen Sie uns schon gestatten, dass wir das, was wir an parlamentarischen Möglichkeiten haben, auch ausnutzen; das werden wir heute tun.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Als die schwarz-grüne Koalition vor vier Monaten gegründet wurde, war von Aufbruch für die Stadt, von Modernisierung, von einer besonders dichten emotionalen Atmosphäre zwischen den Koalitionspartnern die Rede und natürlich von dem Signal, das von Hamburg auf andere Länder und auf den

Bund ausstrahlen könnte. Ein Signal in diesem Sinne sollte auch das erste große Gesetzesvorhaben des schwarz-grünen Senats sein, nämlich die Änderung der Studiengebühren, die von Ihnen, Herr Beuß, am gleichen Tag, als der Senat das beschlossen hat – dagegen ist auch nichts einzuwenden – bejubelt worden ist genau mit der Argumentation, die Sie eben gebracht haben. Deswegen wiederhole ich sie nicht noch einmal, aber ich sage Ihnen dazu Folgendes:

Wenn Sie das für alle Menschen, die von dieser Gesellschaft profitieren, umlegen wollten, dann müssten wir zusätzlich zum Steuersystem noch ein anderes System haben, das das an die Gesellschaft zurückgibt, was man erhalten hat. Das heißt doch umgekehrt: Wenn gut ausgebildete Akademiker, Hochschulabsolventen gut verdienen, dann ist es doch im Rahmen des Steuersystems, das wir haben, richtig, dass sie nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden und andere Menschen, die weniger verdienen, ebenfalls nach ihrer Leistungsfähigkeit. Das müssen wir in Deutschland beherzigen, danach müssen Leute besteuert werden, danach muss man das an die Gesellschaft zurückgeben, was man vorher zum Beispiel durch Bildung erhalten hat und nicht auf einem anderen Wege.

(Beifall bei der SPD)

Die GAL hat erklärt, die Hamburger Studierenden würden durch dieses Gesetz entlastet werden

(Jens Kerstan GAL: Sie werden auch entla- stet!)

und es würde eine völlig neue Ausrichtung der Studienfinanzierung geschaffen werden. Was für ein Signal ist es wirklich? Ist es für Hamburg ein Aufbruch in eine moderne, in eine wissensbasierte Gesellschaft? Mitnichten, das ist es natürlich nicht, das haben auch die parlamentarischen Beratungen der letzten Monate gezeigt. Es ist ein unsoziales Gesetz, das die jungen Menschen vom Studieren in Hamburg eher abhalten könnte, denn Studiengebühren sind eine erhebliche finanzielle Belastung und haben eine abschreckende Wirkung auf einkommensschwache Gruppen. Dieses Gesetz erhöht nicht nur die sozialen Barrieren, was wir von Beginn an beklagt haben, sondern es verschärft noch einmal die Bedingungen für Studierende mit kleinen Kindern, mit Behinderungen oder mit chronischen Krankheiten, weil diese nicht wie vorher von den Gebühren gänzlich befreit werden und das ist zumindest eine unbillige Härte. Das Gesetz verschärft die Bedingungen für Tausende von Studierenden aus Ländern außerhalb der Europäischen Union, weil die Stundung ihrer Gebühren völlig in das Belieben der Hochschulen gestellt ist, die dafür keine Kompensation von der Wohnungsbaukreditanstalt erhalten.

Es waren keine hehren Ziele, die zu Veränderungen der Studiengebühren in Hamburg führten, son

(Wolfgang Beuß)

dern ganz banale, normale, taktische Abwägungen, wie uns Frau Senatorin Gundelach im Haushaltsausschuss berichtete. Das will ich gerne einmal zitieren:

"Die Senatsvertreterinnen und -vertreter erklärten hinsichtlich der Höhe der Studiengebühren und deren Absenken von 500 Euro auf 375 Euro, dies sei ein Kompromiss, der zwischen den Koalitionspartnern erzielt worden sei. Insoweit gebe es hierfür keine Rechengrößen, sondern es sei eine Kompromisslösung. Dem grünen Koalitionspartner seien 500 Euro zu viel gewesen und nach Verhandlungen seien sie auf den Betrag von 375 Euro gekommen. Es sei ein ganz einfaches, schlichtes Verfahren und übrigens nicht das erste Mal, auf diese Art und Weise zu solchen Beträgen zu kommen, wenn gemeinsam zwischen Koalitionspartnern etwas vereinbart werde."

So kann es in Koalitionen gehen. Es ist nämlich kein Aufbruch und keine völlige Wendung bei den Studiengebühren, sondern es ist ganz banal, nüchtern, ernüchternd, alltäglich und taktisch abwägend.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig! – Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn [DIE LIN- KE])

Heute versucht die GAL, das neue Studiengebührenmodell als soziale Errungenschaft zu verkaufen. Das wird ihr nicht gelingen, wie sowohl die Reaktionen der Studierenden als auch des Deutschen Studentenwerks in den Anhörungen des Wissenschaftsausschusses gezeigt haben.

(Jörn Frommann CDU: Die Platte hatten Sie schon mal!)

Auch wenn der schwarz-grüne Senat nun meint, mit dem gefundenen Kompromiss die unterschiedlichen Positionen pro und kontra Studiengebühren, die seit ihrer Einführung leidenschaftlich diskutiert werden, aufgelöst zu haben, kann ich nur sagen, dass dies ein Irrtum ist. Es ist gar nichts aufgelöst und vor allen Dingen sind sie kein Beitrag zur Chancengerechtigkeit in der Hochschulbildung. Die Studiengebühren sind nicht das richtige Signal für eine wissensbasierte Gesellschaft. Sie sind ungerecht, unsozial, teuer in der Verwaltung und führen zu einem exzeptionellen Schattenhaushalt, der die Stadt langfristig belastet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden politisch darauf hinwirken, dass es uns nach dieser Legislaturperiode gelingen wird, mit anderen veränderten politischen Mehrheiten die Studiengebühren wieder abzuschaffen. Aber das würde bedeuten, dass wir schon im Jahre 2012 144 Millionen Euro an Schulden bei der Wohnungsbaukreditanstalt abzutragen hätten, bevor wir überhaupt zu ei

ner neuen Prioritätensetzung im Wissenschaftsetat kommen könnten.

(Wolfgang Beuß CDU: Sie kommen ja gar nicht an!)

Noch einmal vielen Dank an das Verhandlungsgeschick der Koalitionspartner für solch eine Lösung.

Wenn wir verantwortlich für Hamburg handeln wollen und wenn wir die Stadt zur Wissensmetropole machen wollen, dann müssen wir für Bildung dramatisch mehr tun und die Barrieren abbauen. Kluge Köpfe sind das wichtigste Kapital der Zukunft und da gibt es leider erschreckende Erkenntnisse über Deutschlands Bildung im europäischen Vergleich.

Im Jahre 2005 hatten 22 Prozent der Deutschen zwischen 24 und 25 Jahren einen Hochschulabschluss, die Hälfte der Quote Norwegens oder Irlands und weit hinter Spanien, Frankreich oder Finnland. Im gleichen Jahr hatten 26 Prozent der Deutschen zwischen 45 und 54 Jahren einen Hochschulabschluss. Wenn dies nicht nur eine Momentaufnahme war, sondern die Entwicklung so weiterginge, würde das bedeuten, dass die Hochschulabsolventenquote sinken würde und die jüngere Generation tendenziell nicht besser qualifiziert wäre als ihre Eltern. Eine solche Entwicklung darf mit Studiengebühren nicht befördert und auch nicht zugelassen werden.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Es gibt eine Befragung aus dem Jahr 2006 vom Hochschulinformationssystem, das ebenfalls eine alarmierende Entwicklung aufzeigt. Immer mehr Abiturienten, selbst die mit Spitzennoten, verzichten aus finanziellen Gründen auf ein Hochschulstudium. 81 Prozent der Einserabiturienten aus Akademikerfamilien nehmen demnach ein Studium auf, aber nur 68 Prozent der gleich leistungsstarken Gruppe aus Nichtakademikerfamilien.

Für Hamburg kann unsere Strategie nur sein, wir brauchen mehr Bildung in Schulen und Hochschulen, wir brauchen keine Barrieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der GAL, es gibt im Übrigen keine öffentliche Rückendeckung für die Studiengebühren in dieser Stadt. Sie gehören abgeschafft und dafür werden wir uns einsetzen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Gümbel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Stapelfeldt, wenn Sie hier sagen, dass Sie alles ausnutzen, was parlamentarisch möglich ist, weil Ihnen das Gesetz nicht passt, dann ging das in dem Fall ein

(Dr. Dorothee Stapelfeldt)

bisschen zu weit. Sie haben gestern zugestimmt und heute, nachdem die Sitzung schon begonnen hatte, haben Sie en passant mitgeteilt, dass Sie einer zweiten Lesung nicht zustimmen werden.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Jörn Frommann CDU: Scheinheilig!)

Frau Stapelfeldt, ich finde das so unglaublich, das ist eine solche Trickserei – Herr Beuß hat schon gesagt, dass wir das selbstverständlich hinbekommen –, was Sie da gemacht haben, geht zulasten der Studierenden und das wissen Sie. Da zeigt sich, dass Ihnen die Studenten egal sind und das finde ich ein starkes Stück.