Protokoll der Sitzung vom 17.09.2008

Sie müssen doch auch gefälligst in das Gesetz schauen, das Sie heute zum zweiten Mal beschließen wollen, Herr Beuß. Deswegen geht es auch um wahrheitsgemäße und ordentliche Argumentation,

(Rolf Harlinghausen CDU: Aber nicht mit verstellter Optik!)

genau um den Diskurs, den Ihr Vorredner, Herr Langhein, eingefordert hat und dazu sind Sie gar nicht fähig.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Wolf- gang Beuß CDU: Sie sind ganz schön un- verschämt, Frau Stapelfeldt!)

Ja, das ist manchmal auch notwendig.

Nachdem die Debatte das letzte Mal gelaufen war, habe ich ein Schreiben von der Diakonie Hamburg zu dem Thema der ausländischen Studierenden erhalten. Da heißt es, dass sie auch mit Sorge beobachteten, dass die Hochschulen im Hinblick auf die Internationalität ihrer Einrichtung sich nur auf den Leistungsindikator konzentrierten. Das Diakonische Werk Hamburg sehe in der Ausbildung der Studierenden aus diesen Regionen außerhalb der Europäischen Union einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung dieser Länder, also auch einen entwicklungspolitischen Beitrag. Daher appellierten sie an die Hochschulen und an die politisch Verantwortlichen, eine gesonderte Regelung für Studierende aus diesen Ländern einzuführen, damit sie auch weiterhin einen bildungspolitischen Zugang in Deutschland hätten.

Das kann man nur nachdrücklich unterstreichen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Deswegen können wir von dieser Stelle aus die Hochschulen, die jetzt in der Verantwortung sind, nur auffordern und bitten, dass sie tatsächlich in ihren Satzungen Regelungen verankern, um die Stundungsmöglichkeiten für diese ausländischen Studierenden auch tatsächlich möglich zu machen.

Die Studiengebühren, die jetzt eingeführt und innerhalb von zwei Wochen zum neuen Winterseme

ster in Kraft gesetzt werden sollen, sind ein völlig falsches Signal. Sie sind sozial ungerecht und grenzen junge Menschen aus einkommensschwachen Familien aus. Vor allen Dingen bürden sie der Stadt einen exzeptionellen Schattenhaushalt auf, um unsere Argumente gegen Studiengebühren noch einmal in aller Kürze zusammenzufassen. Deswegen werden wir sie auch in dieser zweiten Lesung ablehnen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Dr. Gümbel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Stapelfeldt, dass Herr Langhein vorhin keine neuen Argumente geliefert hat, verwundert mich nicht, aber Sie wahrscheinlich noch weniger, denn Sie selber haben auch keine neuen Argumente geliefert.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Dr. Mo- nika Schaal SPD: Das kann man nicht oft genug sagen!)

Sie haben mit sehr großer Emphase Wahrhaftigkeit in der Debatte gefordert. Frau Stapelfeldt, dann schauen Sie doch einfach einmal in den Haushalt hinein.

(Dr. Monika Schaal SPDund Karin Timmer- mann SPD: In welchen Haushalt?)

Es ist doch nicht wahr und wird auch durch Erhebung der Stimmen nicht wahrer zu sagen, wir würden keine Mehrausgaben für Bildung einstellen. Wir haben 165 Millionen Euro mehr für Lehrer, wir haben 123 Millionen Euro zusätzlich für Kindertagesbetreuung, wir haben in dem Bereich Förderung von Wissenschaft und Forschung 47 Millionen Euro zur Stärkung der außeruniversitären Forschung. Wir haben 29 Millionen Euro zusätzlich für die Hamburger Hochschulen und 21 Millionen Euro mehr für die Studentenförderung. Des Weiteren haben wir eine Wissenschaftsstiftung in Arbeit. Uns vorzuwerfen, wir würden kein Geld in die Hand nehmen, um die Bildung voranzubringen, ist einfach lächerlich.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht mehr auf die Tricks eingehen, die wir in der letzten Sitzung erleben mussten. Ich fand es traurig, aber so war es nun einmal.

(Wolfgang Beuß CDU: So sind sie halt!)

Jetzt sind wir in der zweiten Lesung und es wird Sie nicht wundern, wenn ich sage, wenn wir heute die Gesetzesnovellierung zur Studienfinanzierung beschließen, dann ist das einer der ersten messbaren Erfolge unserer Beteiligung am schwarz-grünen Senat. Es war einer weiter Weg,

(Dr. Dorothee Stapelfeldt)

dort hinzukommen. Allein hier im Haus, Frau Stapelfeldt, haben wir viermal dazu debattiert. Dreimal hat der Wissenschaftsausschuss dazu getagt. Die Gesetzesnovellierung war zentrales Thema. Wir haben eine Anhörung gemacht, aus der die Argumente, die uns überzeugt haben, mit in das Ergebnis eingeflossen sind. Wir haben den Studierenden, die sich ehrenamtlich in der universitären Gremienarbeit engagieren, zwei Semester länger zugestanden.

Wir sind diesen Weg gemeinsam gegangen, wir sind ihn zügig gegangen, sodass sich die Lebenswirklichkeit für 50 000 Studenten und Studentinnen ab dem Wintersemester in dieser Stadt entscheidend verbessert. Wir haben einen guten Kompromiss gefunden, denn wir haben die zentrale Forderung der GAL umgesetzt. Es wird in Hamburg niemand aus finanziellen Gründen von einem Studium abgehalten. Aus den Studien begleitend erhobenen Gebühren haben wir eine Alumni-Abgabe gemacht, also eine Kostenbeteiligung all derer, die erfolgreich an Hamburger Hochschulen studiert haben und nach dem Studienabschluss ihr Geld als Ärzte, Ingenieure, Banker oder Journalisten verdienen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Sie liegen mit ihrem Gehalt in der Regel weit über 30 000 Euro, die wir als Bemessungsgrenze eingeführt haben. Diese Alumni-Abgabe haben wir noch um 25 Prozent gesenkt. Waren bisher 500 Euro pro Semester studienbegleitend fällig, sind künftig nur noch 375 Euro, und das auch erst nach Abschluss des Studiums und dem Erreichen der Einkommensgrenzen, zu entrichten.

Wichtig war uns bei der Reform auch, die finanziellen Handlungsmöglichkeiten der Hochschulen zu erhalten. Trotz der deutlichen Verbesserung für die Studenten verlieren die Hochschulen keine finanziellen Mittel. Sie haben dadurch die Möglichkeit, die Studentinnen und Studenten auch in den kommenden Jahren mittels zusätzlicher Einnahmen – so will es das Hamburger Hochschulgesetz – an der Maßnahme zur Verbesserung der Lehre zu beteiligen.

Ich bitte Sie, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, dass die durchschnittlichen Einstiegsgehälter von Ingenieuren an der Technischen Universität in Harburg nach einem Bachelor-Abschluss bei 49 000 Euro liegen. Vor diesem Hintergrund erscheint uns Grünen eine Kostenbeteiligung in Höhe von 2250 Euro für den Bachelor-Abschluss und 3750 Euro für den Master als eine sozial verträgliche Last. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass alle, die unter einem Bruttoeinkommen von 30 000 Euro bleiben, keinen Cent an die Hochschulen zurückzahlen müssen. Insofern ist für mich das Argument von der Opposition, dass wir hier eine soziale Barriere errichten, nicht stichhaltig. Vielmehr gilt

das Prinzip des Sozialstaates auch hier, starken Schultern mehr aufzubürden als schwachen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Bei Studienabgängern, bei denen sich die Bildungsinvestition nicht rentiert hat, fällt keine Alumni-Abgabe an. Jedoch bei den gut verdienenden Akademikerinnen und Akademikern finden wir es sozial verträglich, wenn sie sich zu einem Teil an ihren Ausbildungskosten beteiligen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn wir über Studiengebühren sprechen, dann ist das keine Frage, die nur auf die Universität alleine reduziert ist, sondern im Zusammenhang mit dem Schulsystem besteht. Es ist auffällig, dass sich die Prinzipien der jeweiligen Schulsysteme der einzelnen Länder bis in die Universität fortsetzen, mal positiv, bei uns leider negativ. Sie stehen im Zusammenhang mit der Berufswahl. Es ist zum Beispiel sehr entscheidend, ob sich junge Leute entscheiden, ein Studium aufzunehmen oder nicht. Das hängt auch mit Studiengebühren zusammen. Es ist entscheidend für die Struktur unserer Gesellschaft, wie hoch der Anteil an Akademikern in Wissenschaft und Wirtschaft ist und – das mag auf den ersten Blick ein bisschen vage erscheinen – es ist auch entscheidend für die Situation im Alter. Die OECD-Studie, von der auch Frau Stapelfeldt gesprochen hat, hat deutlich gemacht, dass Menschen, die einen höchstmöglichen Bildungsabschluss, das heißt einen Hochschulabschluss haben, meistens bis ins hohe Alter beschäftigt sind. Je weiter der Bildungsstandard sinkt, desto höher ist die Erwerbslosigkeit, bevor man das Rentenalter erreicht. Insofern gibt es da durchaus Zusammenhänge.

Jetzt zur letzten Sitzung. Es mag sein, dass es parlamentarisch unüblich war, dass wir quasi in letzter Sekunde die erste und zweite Lesung getrennt haben. Ich habe mich schon beim letzten Mal dafür entschuldigt. Ich tue es gerne noch einmal, aber ich möchte noch einmal sagen, dass von Trick überhaupt nicht die Rede sein kann.

Einmal abgesehen von dieser berühmten Nacht, wo wir darüber schlafen und nachdenken sollten – und ich höre jetzt von allen Seiten, dass keiner dem anderen zuhört und keiner bewegt seine Argumente –, ist in der Zwischenzeit eine Menge passiert. Unter anderem ist die Studie Education at a Glance herausgegeben worden. Man kann doch wohl erwarten, dass der, der sich mit dieser Thematik beschäftigt, da auch mal hineinguckt und dass das auch etwas bewirkt. Frau Stapelfeldt hat darauf hingewiesen, dass man an drei Kriterien

(Dr. Eva Gümbel)

deutlich machen kann, was Studium und Studiengebühren für die Gesellschaft für einen Wert hat. Ganz wichtig ist zum Beispiel der Anteil an Akademikern. Sie sprechen von erfolgreichen Akademikern. Da meinen Sie sicherlich die Studenten, die zu einem Abschluss kommen. Da ist es so, dass OECD-weit, das heißt alle Industrienationen eine Quote von 37 Prozent eines Jahrgangs haben. Wir haben in Deutschland 21 Prozent. Es sind nur noch Slowenien, Griechenland und die Türkei, die weniger junge Menschen zu Akademikern ausbilden als wir. Da kann man nicht so tun, als sei das gar nichts, als sei es ein Fakt, den man abhakt und dann zur Tagesordnung übergeht, sondern daraus muss man Konsequenzen ziehen, wenn man verantwortlich Politik machen will.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE und vereinzelt bei der SPD)

Die Direktorin für das Bildungswesen der OECD, Barbara Ischinger, hat Folgendes gesagt:

"Deutschland wird seinem Bedarf an Spitzenpolitikern nicht mehr gerecht werden können, wenn sich nichts ändert."

Das heißt, wenn wir etwas ändern wollen – und dafür ist Politik da, dass man nicht einfach Tendenzen auf sich zurollen lässt, sondern dass man es gestaltet und dafür sitzen wir wahrscheinlich alle hier, jedenfalls verstehe ich das so –, dann muss man etwas tun. Wir müssen die Quote der jungen Menschen eines Jahrgangs, die einen Hochschulabschluss machen, erhöhen. Das geht natürlich nicht, indem wir Studiengebühren erheben, ob nun sofort oder nachgelagert – ich glaube auch, dass dieses Modell mehr sofort sein wird –, sondern wir müssen sie abschaffen. Nur dadurch können wir die Quote erhöhen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und bei Jens Kerstan GAL)

Das ist ganz deutlich und können Sie überall nachlesen. Aber Sie sind ein bisschen realitätsresistent und nehmen bestimmte Dinge einfach nicht wahr, weil sie nicht in Ihr Weltbild passen. So etwas nennt man übrigens Ideologie.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – La- chen bei der CDU)

Es ist durch mehrere Organisationen belegt worden, dass gerade junge Menschen aus Verhältnissen von sozial benachteiligten Eltern eine große Hemmschwelle haben, in irgendeiner Form mit Studiengebühren zu arbeiten, weil sie es so schon schwer genug hätten, ihr Studium zu finanzieren. Das heißt, wenn wir die Quote erhöhen wollen, müssen wir die Hürden abbauen. Mit Ihrem Gesetzentwurf machen Sie genau das Gegenteil. Die Studiengebühren müssen weg. Sie sind auf dem falschen Weg. Das müssen Sie endlich einmal begreifen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann gibt es einen anderen Trend, an dem man deutlich machen kann, was in der Gesellschaft los ist und wie man sich beim Studium und mit Studiengebühren verhalten sollte und das ist die Zahl derjenigen, die zum ersten Mal ein Studium aufnehmen.

Die OECD hat festgestellt, dass in Deutschland im Gegensatz zu allen anderen Ländern der Trend vorherrscht, dass immer weniger junge Menschen nach dem Abitur ein Studium aufnehmen. Das Studierendenwerk hat das auch herausgefunden, weil immer weniger junge Leute BAföG beantragen. Welche Konsequenz hat das? Erstens geht die Quote runter und zweitens verschiebt sich auf gravierende Art und Weise die Zusammensetzung der Studentenschaft. Wir haben nämlich dann den Punkt, dass immer weniger Jugendliche aus sozial benachteiligten Verhältnissen ein Studium aufnehmen. Als ich 1972 anfing in Hamburg zu studieren, war vom Philosophenturm nur ein einziger Eingang offen. Vor den beiden anderen Eingängen waren Lattenzäune und auf einem großen Schild stand: Dies ist der Eingang für die Arbeiterkinder. Soweit sind wir schon wieder.

Auch um diese Quote zu erhöhen muss es unbedingt weitergehen. Es muss unbedingt erreicht werden, dass die Studiengebühren abgeschafft werden. Wenn Sie sagen, erfolgreiche Akademiker können hinterher ihre Schulden zahlen, sieht es doch so aus, dass auch nachgelagerte Studiengebühren am Ende als Schulden übrig bleiben. Da ist ein Geldbetrag, der bezahlt werden muss und wie Sie das nennen und was Sie mit Ihrer Semantik daraus machen, das ist ziemlich egal. Es ist Geld, das zurückgezahlt werden muss und davor haben insbesondere Familien und junge Menschen aus benachteiligten sozialen Verhältnissen große Hemmungen und machen dann lieber eine Banklehre.