Protokoll der Sitzung vom 01.10.2008

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Wir haben noch gar keine in Hamburg!)

Dieses Kohlekraftwerk ist mit Auflagen genehmigt worden und Herr Kerstan hat eben schon geunkt, dass es durchaus sein könne, dass diese Auflagen irgendwann, wenn sich andere Konstellationen, Sachzwänge oder andere Rechte und Gesetze ergäben, wieder außer Kraft gesetzt würden.

Ich möchte nur einmal darauf hinweisen, dass Vattenfall mehrfach über die Presse angeboten hatte, mit einer Dreiviertel-Kraft zu fahren. Herausgekommen sind jetzt Zweidrittel und alle, die ein bisschen Mathematik und Bruchrechnen können – ich weiß, das geliebte Thema in der Schule –, wissen, dass schlecht verhandelt worden ist. Es wird jetzt mit mehr Last gefahren, als Vattenfall angeboten hatte.

(Heiterkeit bei der CDU und der GAL – Wolf- gang Beuß CDU: Was ist denn das für eine Logik?)

Jetzt zur Durchführbarkeit der Auflagen. Die Auflagen sind so, dass wir über Abflussmengen sprechen, über Temperatur und über Sauerstoffgehalt. Aber in den Papieren von gestern steht keine einzige konkrete Zahl. Das heißt, jedes Mal, wenn sich der Verdacht ergibt, dass die Temperatur in der Elbe steigt oder der Sauerstoffgehalt absinkt, muss die BSU anordnen, dass das Kraftwerk stillgelegt wird. Jeder von uns weiß, dass das nicht

(Michael Neumann)

einfach so über die Bühne geht. Es wird immer darauf hinauslaufen, dass Vattenfall zum Gericht geht und – das ist eben auch schon gesagt worden – es ist noch lange nicht heraus, ob diese Auflagen, die Vattenfall jetzt prüft, akzeptiert werden. Wir stehen nicht am Ende einer langen Diskussion um ein Kohlekraftwerk in Moorburg, wir stehen am Anfang. Es wird ständig Diskussionen darüber geben, es wird ständig Auseinandersetzungen geben und ich glaube noch lange nicht daran, dass diese Auflagen wirklich eingehalten werden und ständig kontrolliert werden können.

Wenn wir uns einmal Wedel anschauen, so haben wir dort ein Kohlekraftwerk mit 400 Megawatt.

(Jörn Frommann CDU: Das liegt bei Ham- burg!)

Dort werden 2 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr in die Luft geblasen. In Moorburg haben wir 1600 Megawatt und es werden bei Volllast 8 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft gejagt. Wir wissen ja noch nicht, ob es reduziert wird, aber bei Volllast wäre es schon viermal so viel. Die GAL hat gestern noch einmal betont, dass sie in Sachen Klimaschutz und Umweltschutz ihre Kernkompetenz behalten wolle und das hat Herr Kerstan eben auch noch einmal gesagt.

Wenn man die Emission von CO2 vervierfacht, meinetwegen auch verdreifacht – wir können uns auch auf diese 250 Tage zurückziehen –, dann möchte ich einmal wissen, wie denn die GAL für Hamburg das Klimaziel erreichen will, nämlich eine CO2-Reduktion um 40 Prozent bis zum Jahre 2020. Es liegen überhaupt keine anderen belastbaren Daten vor, wie diese Koalition CO2 reduzieren will. Es sind alles nur Prüfungen, freiwillige Leistungen

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das stimmt doch alles gar nicht!)

und der Zuschuss für Solarenergie wird auch noch gekürzt, damit es nicht so viele Solarenergieanlagen gibt. Ich sehe ein ganz großes Problem darin, wie die Grünen es überhaupt hinbekommen wollen, dieses Klimaziel auch nur annähernd zu erreichen. Es erinnert mich ein bisschen an den Nachrüstungsbeschluss von Helmut Schmidt: erst aufrüsten, dann abrüsten,

(Michael Neumann SPD: Das war sehr gut!)

hat nicht geklappt, klappt diesmal auch nicht.

Jetzt zum Bedarf. Wir haben jetzt schon im norddeutschen Raum ein Überangebot an Strom. Das Hauptargument für das Kraftwerk in Moorburg war, dass immer gesagt wurde, wir hätten ein Fernwärmenetz und dafür bräuchten wir auf jeden Fall ein Kraftwerk, egal ob Gas oder Kohle. Wir haben jetzt schon achtmal so viel Strom in der Region, als wir eigentlich brauchen.

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Frau Heyenn, das rote Licht bedeutet, dass Sie nur noch einen Satz formulieren können.

– Ich sage auch nur noch einen Satz.

(Ingo Egloff SPD: Bei der roten Lampe müs- sen Sie doch eigentlich reagieren!)

Die GAL hat in dieser Koalition ihre umweltpolitischen Punkte nicht durchbringen können. Sie musste für die Elbvertiefung sein, für die Hafenspange, für die A 26 und jetzt für ein Kohlekraftwerk und das ist traurig.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Senatorin Hajduk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe gestern den Genehmigungsbescheid meiner Behörde zum Kraftwerk Moorburg vorgestellt. Die Inhalte sind eingehend dargelegt worden – einige von Ihnen waren auch persönlich da – und darüber ist heute ausführlich berichtet worden.

Ich will noch einmal kurz die Inhalte skizzieren, möchte dann aber auf die politische Auseinandersetzung hier im Hause eingehen, zumal das Thema Kraftwerk Moorburg in den vergangenen Monaten und auch im Wahlkampf eine sehr zentrale Rolle gespielt hat. Deswegen ist es mir auch wichtig, auf Ihre Argumente einzugehen.

Der Inhalt der Genehmigung bedeutet, dass wir nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz die Genehmigung nicht versagen, allerdings versehen mit Auflagen mit Blick auf die Erfordernis, mit CCS nachzurüsten, sofern diese Technologie in Zukunft zur Verfügung steht, aber auch mit Blick auf die Filterung von Stickoxiden strengere Maßstäbe anlegen.

In einem zweiten Bereich, dem der wasserrechtlichen Erlaubnis, haben wir wegen der erheblichen ökologischen Auswirkungen auf die Elbe strenge, aber eben aus ökologischen Gründen auch notwendige Auflagen zum Betrieb des Kraftwerks erteilt. Es wird den Betrieb dieses Kraftwerks einschränken, aber die Maßgaben, nach denen ich zu urteilen hatte, sehen natürlich auch den Rahmen vor, der die Sicherheit oder den Schutz der Elbe betrifft, und der war hier maßgeblich. Das hat sich nicht nur ausgedrückt in den Aspekten, was die Erwärmung oder den Sauerstoffgehalt der Elbe angeht, sondern auch, was die Kühlwasserentnahmemenge angeht.

(Dora Heyenn)

Ich hatte aber eine weitere, schwierigere Abwägung zu treffen, nämlich eine, die ich treffen musste, nachdem sich meine Behörde und ich zu eigen gemacht hatten, dass aus naturschutzrechtlichen Gründen entsprechend der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU dieses Kraftwerk nicht genehmigt werden kann. Diese Auffassung hatten wir uns zu eigen gemacht und auch vorgetragen. Nachdem das Oberverwaltungsgericht in Hamburg in einem Hinweisbeschluss Ende August diese Auffassung, die wir vertreten haben, zurückgewiesen und angekündigt hat, auch bei einem endgültigen Beschluss davon nicht abzuweichen, sofern nicht andere maßgebliche Dinge vorgetragen würden, hatte ich die Abwägung zu treffen, ob und wie wir mit unseren naturschutzrechtlichen Auffassungen, die auch im Rahmen der wasserrechtlichen Erlaubnis abzuwägen waren, umgehen sollten. Ich habe mit Blick auf das erhebliche Entschädigungsrisiko, mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Oberverwaltungsgericht in die Situation zu kommen, sich nicht durchsetzen zu können, entschieden, mich dieser Auffassung, die das Oberverwaltungsgericht deutlich gemacht hat, zu fügen, weil ich es nicht vertretbar finde, ein dermaßen hohes Entschädigungsrisiko für Hamburg einzugehen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das ist in der Tat keine leichte Entscheidung gewesen, weil sie mit Blick auf die klimapolitischen Ziele, die wir als grüne Partei verfolgen, natürlich schwer verständlich zu machen ist. Aber es ist wichtig, auch einmal auszuhalten, dass schwierige Abwägungsprozesse mit der realen Politik verbunden sind und sich nicht einfach hopplahopp darüber hinwegzusetzen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Sie werden verstehen, dass ich vor diesem Hintergrund Ihre Kritik, ihre kritischen Nachfragen und Ihre Argumente wägen möchte. Herr Neumann, wie darf ich Ihren Vorwurf verstehen, dass diese Entscheidung ein typischer schwarz-grüner Minimalkompromiss sei? Sie beschreiben es als Problem, dass es möglich sein könnte, dass Vattenfall gegen die Auflagen klagt. Darf ich das so verstehen, dass Sie es nicht für erforderlich halten, den ökologischen Schutz der Elbe auch im Rahmen einer wasserrechtlichen Erlaubnis durch Auflagen zu gewährleisten? Ist das die Konsequenz, denn die müssen Sie ausführen und auch in Ihrer Fraktion durchsetzen?

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wie darf man Ihre inhaltliche Ernsthaftigkeit in einer solchen Frage bewerten? Sie machen es sich als Oppositionschef wirklich zu einfach, denn Sie wissen, wie schwierig die Frage war.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Was heißt es, wenn Sie sagen, das ist ein Imageschaden für die Stadt,

wenn man bei einer so komplexen Frage nicht auch kritisch unterschiedlich Bewertungskategorien in die Waagschale werfen darf?

(Michael Neumann SPD: Sie haben eine Ko- alition mit jemandem gemacht, der von vorn- herein den Sack zugemacht hat!)

Hören Sie doch einmal zu, ich habe Ihnen auch zugehört. Das müssen Sie jetzt einmal ganz ruhig aushalten.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Sie hätten es gar nicht nötig, sich mit Ihrem Imagevorwurf und der Frage, ob die Hamburger Politik noch verlässlich ist, dahinter zu verstecken, dass Sie Ihre eigene inhaltliche Position zu Kohlekraftwerken heute gar nicht mehr erklären können.

(Michael Neumann SPD: Doch!)

Sie haben nämlich eine äußerst wackelige Position. Das ist leider die Wahrheit.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich glaube auch, dass die Bürgerinnen und Bürger so etwas sehen. Sie und wir haben im Wahlkampf

(Michael Neumann SPD: Nein, da gab es einen Unterschied!)

dafür gekämpft, dass Moorburg nicht verwirklicht werden soll.

(Michael Neumann SPD: … wenn rechtlich möglich! Sie haben gesagt, mit uns nie- mals!)

Dass das ein rechtliches Problem ist, wussten nicht nur Sie, das wussten wir auch.

(Michael Neumann SPD: Wir haben es auch gesagt! – Dr. Andreas Dressel SPD: Das ha- ben Sie im Wahlkampf nicht gesagt!)