Protokoll der Sitzung vom 01.10.2008

Ich weiß auch, dass wir als CDU seinerzeit die vermeintlichen Vorteile einer Privatisierung öffentlicher Versorgungsunternehmen gepriesen haben. Aber die Welt hat sich verändert und ein stures Festhalten an einer wie auch immer gearteten reinen Lehre darf es heute nicht mehr geben; die Welt hat sich weiter entwickelt. Deshalb müssen wir in vielen Lebensbereichen umdenken und vor allen Dingen – da fordere ich auch die Sozialdemokraten auf – neu nachdenken.

(Dr. Monika Schaal SPD: Wir haben schon nachgedacht! – Ingo Egloff SPD: Denken Sie mal über Atomstrom nach!)

Das gilt für die Energiemärkte, das gilt aber auch für die allgemeine Sensibilität in Fragen des Umweltschutzes.

Wir leben in einer unsicheren Welt. Das sehen wir deutlich an der Finanzkrise, die über uns gekommen ist. Wir müssen die soziale Marktwirtschaft wieder so interpretieren und leben, dass die Menschen sich sicher fühlen. Die Menschen haben eine tiefe Sehnsucht nach Stabilität und verlässlichen Verhältnissen. Wir müssen die Ängste nicht nur ernst nehmen, sondern auch entsprechend handeln.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Dazu muss der Staat auch seine ordnungspolitischen Verpflichtungen erfüllen. Wir wurden gewählt, um Verantwortung zu übernehmen. Die Menschen erwarten von uns zum Beispiel die Bereitstellung einer Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen. Unser Ziel ist ambitioniert und es gibt nichts umsonst, das wissen wir auch. Aber wir müssen den Mut finden, eingefahrene Denk- und Handlungspfade zu verlassen.

CDU und GAL haben sich im Koalitionsvertrag zu einer objektiven Prüfung des Bauantrags verpflichtet. Es wurde durch die intensive Prüfung keine politische, sondern eine rein sachliche und fachliche Entscheidung vorbereitet. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt hat den Antrag anhand der bundesweit geltenden Rechtslage geprüft. So war es vereinbart und so wurde es gemacht.

(Dr. Monika Schaal SPD: Amen!)

Als wir im April den Koalitionsvertrag unterschrieben haben, wusste keiner von den beiden Partnern, weder wir von der CDU noch unsere Kollegen von der GAL, ob Moorburg gebaut werden kann oder nicht. Die Entscheidung ist jetzt da, die Genehmigung ist erteilt,

(Jens Kerstan)

(Ingo Egloff SPD: Weihnachten kommt ge- nauso überraschend!)

die Auflagen zum Schutz der Umwelt sind Bestandteil dieser Genehmigung. Vattenfall kann das Kraftwerk so bauen, wie es Frau Hajduk gestern erläutert hat. So wird die Elbe nicht über Gebühr belastet und wir sichern damit langfristig die Energieversorgung Hamburgs.

Die CDU-Fraktion – das sage ich hier ganz ausdrücklich – hat Respekt vor Ihrer Entscheidung, Frau Senatorin Hajduk.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir stehen zu dieser Entscheidung mit den enthaltenen Auflagen. Wir hielten und halten als CDUFraktion den Bau von Moorburg für notwendig. Wir stehen aber auch für uns selbst und vor allen Dingen für die nachfolgende Generation in der Verpflichtung zum Erhalt der Schöpfung. Das Ergebnis der Prüfung zeigt einen guten Weg. Es ist nicht der Erfolg oder Misserfolg des einen oder anderen Koalitionspartners. Es ist die Umsetzung unserer Koalitionsvereinbarung. Wir haben keinen Grund, die gestrige Entscheidung zu bedauern, aber – das sage ich ausdrücklich – wir haben auch keinen Grund zum Jubeln. Es ist nicht populär, den Bau eines Kraftwerks zu genehmigen. Dieses Kraftwerk, so wie es jetzt genehmigt ist, erfüllt die rechtlichen Anforderungen. Deshalb erhält Vattenfall die Baugenehmigung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Neumann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kerstan hat von einer bitteren Niederlage der GAL gesprochen und damit hat er sicherlich recht. Auch Frau Hajduk sagte gestern, dass ihr die Entscheidung schwer gefallen sei. Das glaube ich ihr besonders deshalb, weil man weiß, wie sich der Koalitionspartner der Grünen über diese Entscheidung ins Fäustchen lacht.

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist Blödsinn!)

Wenn Sie gerade davon gesprochen haben, wer Ihnen in den Rücken gefallen sei, Herr Kerstan, dann sollten Sie das einmal in der Koalitionsrunde besprechen; die Sozialdemokraten waren es sicherlich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Durch die gestrige Entscheidung für den Bau des Kohlekraftwerks lässt sich zum einen beschreiben, dass Vattenfall weiterhin über eine Klage nachdenkt. Auf der anderen Seite will auch der BUND klagen, die Handelskammer ist immerhin skeptisch und an der GAL-Basis brodelt es, weil sich die Kol

legen der GAL, in Teilen jedenfalls, von der CDU über den Tisch gezogen fühlen. Im Ergebnis hat das Vertrauen in Politik durch die verschiedenen Winkelzüge und geheimen Nebenabsprachen aus unserer Sicht nachhaltig Schaden genommen und auch das Vertrauen in Zusagen von Senatoren, Bürgermeister und vom Gesamtsenat unserer Stadt an Investoren hat nachhaltig Schaden genommen.

(Beifall bei der SPD)

Allerdings wird die schwarz-grüne Koalition es überleben und deshalb scheint es Ihnen, liebe Kollegen der GAL und der CDU, vielleicht nicht wichtig, dass der Schaden am Image unserer Stadt erheblich war. Uns Sozialdemokraten ist es schon wichtig und wir bedauern ausdrücklich, welche Schmierenkomödie zum Teil um diese Baugenehmigung stattgefunden hat.

(Beifall bei der SPD – Frank Schira CDU: Das fällt auf Sie zurück!)

Ich stelle für die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fest, dass die Idee der eigenen Stadtwerke eine sehr gute ist, auch wenn sie in dieser Situation als Schmiermittel, als Gleitmittel für die GAL-Basis missbraucht wird. Richtig war diese Idee der Stadtwerke auch schon vor der gestrigen Genehmigung und sie war auch richtig, als Herr Gedaschko unsere Initiative für Stadtwerke noch als Wolkenkuckucksheim bezeichnete. Die Gründung von Stadtwerken war auch schon richtig, als Herr Freytag noch seine Behörde unser Regierungsprogramm teuer rechnen ließ und immer wieder über Kosten von mindestens 2 Milliarden Euro für diese Stadtwerke schwadronierte.

Ihre Positionen, Herr von Beust, Herr Freytag, Herr Gedaschko und Herr Schira zeigen aber mal wieder die völlige Beliebigkeit, im Wahlkampf Stadtwerke abzulehnen und wenn es als Schmiermittel für die GAL-Basis reicht, auf einmal ganz engagiert das Hohelied der Stadtwerke zu singen.

(Beifall bei der SPD – Kai Voet van Vormi- zeele CDU: Von Beliebigkeit haben Sie viel Ahnung!)

Dieses Lied der Beliebigkeit hat nicht nur die Strophe der überteuren Stadtwerke, es hat auch die Strophe des Straßenkampfes um jedes einzelne Gymnasium, es hat die Strophe der umkämpften Stadtbahn,

(Viviane Spethmann CDU: Wofür steht die SPD überhaupt?)

es hat die Strophe, dass angeblich "Mehr Demokratie" die Demokratie abschaffen würde und es hat die Strophe, dass Sie mittlerweile die Abschaffung des Elternwillens vertreten. Das alles macht deutlich, dass die CDU völlig beliebig geworden ist in ihren Positionen.

(Frank Schira)

(Beifall bei der SPD – Viviane Spethmann CDU: Das ist die falsche Debatte!)

Das von Ihnen heute gemeinsam angemeldete Thema lautet: Moorburg – Perspektiven der Energiepolitik. Die Perspektive nach dieser Genehmigung vom gestrigen Tage ist, dass erstens das Kohlekraftwerk gebaut wird und zweitens die Auflagen nur eine Zweidrittel-Leistung dieses Kraftwerks ermöglichen. Das macht das Kraftwerk nicht nur unwirtschaftlich, sondern vermutlich auch weniger effizient. Das bedeutet im Ergebnis, dass wir ein sehr großes Kraftwerk in unserer Stadt haben. Es wird ab 2014 dort auch noch Fernwärme produziert, die nach Ihrem Wunsch überhaupt nicht mehr ins Netz eingespeist werden sollte – im Ergebnis also zumindest klimapolitisch ein Schildbürgerstreich.

(Beifall bei der SPD)

Wie konnte es zu diesem Dilemma kommen und wem verdanken wir das? Wir verdanken es in erster Linie der Beliebigkeit des Bürgermeisters Herrn von Beust. Es war sein Fehler, Vattenfall die Verdoppelung der Kraftwerksleistung anzudienen, es war sein Fehler, Vattenfall die Genehmigung zu signalisieren, es war sein Fehler, mit Vattenfall öffentlich Vereinbarungen zum Bau des Kraftwerks zu zelebrieren, es war sein Fehler, in den Koalitionsverhandlungen nicht die Unumkehrbarkeit all dieser Fehlentscheidungen deutlich zu machen und es war sein Fehler, die GAL im Glauben zu lassen, es gebe noch zulässige rechtliche Hebel, um das Kraftwerk zu verhindern. Diese Fehler hätte ein Bürgermeister, dem die Verlässlichkeit von Politik in unserer Stadt Hamburg wichtig ist, ganz gewiss nicht gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Aber, Herr von Beust, so ein Bürgermeister sind Sie nun einmal nicht. Ihnen sind Verlässlichkeit und Vertrauen nicht wichtig, wenn es um Ihr Amt geht. Ihnen geht es um Machterhalt vor Vertrauen und Verlässlichkeit. Ich persönlich würde mich nicht wundern, …

(Wolfgang Beuß CDU: Ihre Zeit ist um! – Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Sehen Sie das rote Licht?

Ja, Frau Präsidentin –, … wenn Sie nach der nächsten Wahl mit der LINKEN koalieren würden, die Schlüsselindustrien verstaatlichten, aus der NATO austräten oder zugunsten von Frau Schneider sogar noch dem Dalai Lama die Freundschaft kündigen würden.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Unser nächster Koalitionspartner!)

– Das glaube ich nicht.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn ein Kohlekraftwerk genehmigt wird, hat das etwas mit Klimaschutz zu tun und im Wahlkampf hat die GAL gesagt, ein Kohlekraftwerk in Moorburg sei ein Klimakiller für Hamburg. Gestern haben wir gehört, dass die Entscheidung für ein Kohlekraftwerk nichts mit Klimaschutzargumenten zu tun hat. Das mag verstehen, wer will. Ich kann das nicht verstehen, das kann man nicht ausklammern.

Wenn mit großem Bedauern davon gesprochen wird, dass die GAL ihr wichtigstes Wahlversprechen nicht halten konnte oder gebrochen hat und es ein schwarzer Tag für Hamburg und den Klimaschutz sei,

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das hat mit Recht zu tun!)

dann muss ich das leider verbessern und sagen, dass uns 40 kohlrabenschwarze Jahre bevorstehen, weil ein Kohlekraftwerk 40 Jahre läuft. Wir haben 40 Jahre damit zu tun, dass wir jetzt ein großes Kohlekraftwerk haben.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Wir haben noch gar keine in Hamburg!)