Protokoll der Sitzung vom 01.10.2008

Als ich Ihre und unsere Äußerungen im Wahlkampf verfolgt habe, bin ich davon ausgegangen, dass wir eine übereinstimmende Einschätzung hatten, nämlich dieses Kohlekraftwerk Moorburg aus klimapolitischen Gründen nicht zu wollen.

(Michael Neumann SPD: Wenn es rechtlich möglich ist!)

Wir führen gerade eine Debatte, wohin diese Entscheidung für den Klimaschutz in dieser Stadt führt. Erstaunlicherweise ist das Wort Klimaschutz in Ihrer Rede oder in der Rede von Herrn Egloff kein einziges Mal gefallen. Das ist nicht das, was

Sie einfordern, nämlich Glaubwürdigkeit in der Politik.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Das liegt daran, dass Frau Hajduk die falschen Passagen zitiert!)

Natürlich waren es nicht die Sozialdemokraten, die dafür gesorgt haben, dass dieses Genehmigungsverfahren so ausgegangen ist. Da haben Sie mich vielleicht falsch verstanden. Aber es musste schon wundern, dass Herr Egloff, der im Wahlkampf die Position vertreten hat, dieses Kraftwerk nicht zu wollen, sondern ein Gaskraftwerk, eine Woche nach der Wahl, als die Koalitionsverhandlungen noch liefen, in einem großen Artikel in "Der Welt" gesagt hat, man müsse sich an Verträge halten, es gäbe einen Genehmigungsanspruch für dieses Kraftwerk.

(Michael Neumann SPD: Damit hat er wohl recht gehabt!)

Aber wenn er damit recht hat, Herr Neumann, wie Sie jetzt dazwischen rufen und was Sie seit der Vorabgenehmigung im November wussten, dann frage ich mich, wie Sie als Partei im Wahlkampf ernsthaft sagen konnten, wir wollen dieses Kraftwerk verhindern. Dann haben Sie im Wahlkampf bewusst nicht die Wahrheit gesagt, Herr Neumann. Das gehört auch dazu, dass Sie Ihrer Argumentation jetzt so folgen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Insofern kann ich bei Ihnen kein Fitzelchen erkennen, dass sich in der Realität etwas geändert hat, dass Sie Ihre Meinung so offenkundig verändert haben, Herr Neumann. Aber ich kann Ihnen deutlich sagen, warum wir Grünen mit unserer Meinung nicht durchgedrungen sind. Es hat sich in der Realität etwas geändert und das kann man relativ einfach nachvollziehen.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz. Es waren nicht nur die GAL-Juristen, die der Mei- nung waren, dass es einen rechtlichen Hebel gibt, dieses Kraftwerk nicht zu genehmigen. Alle Juri- sten der Umweltverbände waren der gleichen Auf- fassung. Eine uns beratende internationale Rechtsanwaltskanzlei hatte diese Einschätzung und in Gesprächen mit der Europäischen Kommis- sion teilten Beamte der Generaldirektion unsere Einschätzung, dass diese Genehmigung mit der Fischtreppe einen Versagensgrund hatte, um die- ses Kraftwerk abzulehnen. Wir sind dort nicht ein- geknickt, auch unser Koalitionspartner hat uns die- ses nicht verwehrt, sondern es ist schlicht und er- greifend etwas passiert, was der Politik in einem Rechtsstreit manchmal passiert. Das Gericht ist dieser Sache nicht gefolgt. Vor diesem Hinter- grund, Herr Neumann, war es für uns nicht mehr möglich, diesen einzigen Hebel, mit dem man die- (Dora Heyenn)

ses Kraftwerk verfolgen könnte, auszuhebeln. Insofern gehen Ihre Verschwörungstheorien, der Koalitionspartner habe der GAL das nicht gegeben, was sie wollte, und sie über den Tisch gezogen, an der Realität vorbei. Herr Neumann, ich weiß, das ist schade für Sie, aber es ist nun einmal leider die Wahrheit.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Da kann Herr von Beust ja beru- higt sein, dass Sie das so sehen, Herr Ker- stan!)

Frau Heyenn, es ist ein frommer Wunsch, wenn Sie sagen, die Politik sollte entscheiden. Natürlich hätten wir dieses Urteil ignorieren können und es wäre auch klar gewesen, dass dann Schadensersatzforderungen in Höhe von 1 Milliarde Euro oder mehr fällig geworden wären. Sie wären die Erste gewesen, die dann gesagt hätte, was bedeutet das für die städtischen Aufgaben in dieser Stadt, für unser Bildungssystem, für unsere innere Sicherheit oder auch für das Sozialsystem, wenn diese Stadt für nichts und wieder nichts eineinhalb Milliarden auf den Tisch legen muss. Damit zeigen Sie, Verantwortung wollen Sie für diese Stadt und was in dieser Stadt passiert nicht übernehmen. Damit machen Sie es sich zu einfach, Frau Heyenn.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Insofern ist es so, dass wir zu der heutigen Zeit eben mit dem Rechtssystem und den Bundesgesetzen, die wir haben, umgehen müssen. Diese haben eine andere Entscheidung nicht zugelassen, ohne großen Schaden für die Stadt Hamburg auszulösen. Ich habe von Herrn Dressel immer gehört, als wir diese Punkte angesprochen haben, das stünde alles in Ihrem Wahlprogramm. Dann würde ich mich fragen, warum der Fraktions- und der Parteivorsitzende der SPD in dieser Debatte Ihr Wahlprogramm und das, was Sie eigentlich den Wählern gesagt haben, mit keinem einzigen Wort erwähnt haben.

(Michael Neumann SPD: Das muss Sie wirk- lich treffen!)

Das zur Glaubwürdigkeit in der Politik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort hat dann Frau Dr. Schaal.

(Frank Schira CDU: Sagen Sie auch noch was zu Kirchenglocken?)

– Zu Kirchenglocken können Sie ja etwas sagen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch der eingeschränkte Betrieb eines Kohlekraftwerks, Herr Kerstan, drückt auf die Klimaschutzziele des

Senats und rückt sie in weite Ferne. Daran ändert auch der Einbau einer Kohlendioxid-Abscheideanlage nichts, denn die kommt frühestens 2020. Das wissen wir. Das wussten wir auch schon vor der Wahl. Ich erinnere mich daran, dass wir gemeinsam kritisiert haben, dass uns der Bürgermeister vor der Wahl bereits mit dieser Nummer verkohlt hat und die Hamburgerinnen und Hamburger auch. Jetzt will er offensichtlich damit nichts mehr zu tun haben. Jetzt schickt er seine Fachsenatorin und den Staatsrat vor und lässt sich mit diesem für ihn unangenehmen Thema abeschern. Wir haben hier oft genug beklagt, dass es keinen Wettbewerb auf dem Strom- und Energiemarkt gibt und dass nur zusätzliche Anbieter den Wettbewerb in Gang bringen können. Stadtwerke können der Hecht im Karpfenteich sein und darum hat die SPD vor der Wahl gesagt, dass sie Stadtwerke haben will. Wir haben das im Juli noch einmal auf unserem Parteitag bekräftigt.

(Antje Möller GAL: Das freut uns!)

Es ist auch eine gute Idee, Frau Hajduk, die "Hamburg Wasser" als öffentliches Unternehmen in ein solches Konstrukt mit einzubeziehen. Es ist aber wenig überzeugend, wenn dieses Projekt, das einen sehr langen Vorlauf benötigt, bei "Hamburg Wasser" abgeladen wird. Wir brauchen mehr Transparenz und vor allen Dingen sichtbare politische Verantwortung in der Energiepolitik. Darum hätten wir in der SPD erwartet, dass der Bürgermeister ein Konzept für die Stadtwerke mit Zielen und Zeithorizonten, aber vor allen Dingen auch mit einem Finanzierungsplan wenigstens selbst ankündigt, um ihn dann von seiner Behörde ausarbeiten zu lassen

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

und um eine öffentliche Debatte darüber in Gang zu setzten. Herr Bürgermeister, Sie waren sich doch auch nicht zu schade, die vorgezogene Baugenehmigung für Vattenfall mit großem Pomp durchzuwinken. Wenn es hier um so neue Ansätze geht, hört man nichts dergleichen. Da tauchen Sie einfach ab. Welches Gewicht hat das denn, wenn das Dinge sind, die frühestens in der nächsten Legislaturperiode überhaupt auf die Schiene kommen? Ein Gewicht bekäme der Plan, wenn sich der Bürgermeister hierfür engagiert hätte, auch gerade, weil es ein sehr langfristiges Vorhaben ist. Der Senat will weitere Fernwärmeerzeugung neu ausschreiben. Prima, aber wenn Vattenfall das Nachsehen hätte, wäre Moorburg schlagartig nicht mehr effizient zu Betreiben. Jetzt hat die Behörde für die Vorbereitung einer solchen Ausschreibung keine Zeit, wie wir im Ausschuss erfahren haben. Aber auch hier gilt: Wenn der Bürgermeister es damit Ernst gemeint hätte, hätte er jetzt mit Vattenfall darüber geredet und das Unternehmen informiert und nicht erst 2014, wenn die Konzessionsverträge mit Vattenfall als Nachfolger von HEW auslau

(Jens Kerstan)

fen. Dann ist dieser Senat nämlich längst nicht mehr im Amt. Wer weiß, ob der Bürgermeister und die GAL noch dabei sind.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Frank Schira CDU: Aber Sie sind dabei!)

In Wirklichkeit ist es doch so, dass dieser schwarzgrüne Senat hier Tatsachen geschaffen hat, um den Umstieg ins Solarzeitalter zu vereiteln. Der Bürgermeister hat nämlich bereits drei Wochen vor der Wahl die Konzession für die Gasleitung erneut an E.ON vergeben, obwohl der Vertrag erst im nächsten Jahr fällig wird. Eine Übernahme des Netzes durch die Stadt ist darum auch erst 2014 möglich. Das alles ist wenig vertrauenerweckend. Herr Bürgermeister, Sie haben hier wirklich eine Chance vertan. – Vielen Dank.

Das Wort bekommt Herr Hackbusch.

(Frank Schira CDU: Sagt mal was zur Braunkohle im Osten!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Entscheidung für Moorburg ist ein schwarzer Tag für die Klimapolitik in Hamburg.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Was mich daran besonders ärgert, auch an dieser Reaktion, ist die Situation, dass wir alle im Jahre 2007 einen Bürgerschaftswahlkampf erlebt haben, wo ich erstaunt war darüber, dass wir einheitlich zwischen allen Parteien gesagt hatten, wie bedeutend und wichtig der Klimaschutz für die Entwicklung dieser Erde und überhaupt der weiteren Politik sei. Jetzt stellen Sie sich hier hin, sagen "unideologische Entscheidung" und "irgendwie pragmatisch", nach dem Motto: die Hamburger Politik mit der CDU an ihrer Spitze könne leider gar nichts tun. Was ist das für eine Demokratie, die sie den Leuten in dieser Stadt präsentieren? Doch nach dem Motto: Das ist zwar so mit dem Klimaschutz, dass wir eigentlich etwas tun müssten, aber wir können nicht, weil wir das durchorganisieren müssen, was vorher schon alles beschlossen worden ist, und haben keine andere Wahl. Das ist eine Frage von Glaubwürdigkeit in der Politik.

(Robert Heinemann CDU: Hat Frau Hajduk doch recht! – Stephan Müller CDU: Hat die LINKE ein neues Konzept vorgelegt?)

Wie wollen Sie denn den Bürgern gegenüber darstellen, dass Sie letztendlich nichts entwickeln könnten, Sie seien nur so ein kleines, niedliches Parlament irgendwo in Hamburg und haben ansonsten nichts zu tun? Damit werden Sie nicht in der Lage sein, Glaubwürdigkeit zu erlangen. Das ist entsprechend kein Schritt, wie weiter Politik organisiert werden kann. Das betrifft natürlich vor allen

Dingen die GAL. Der Grund, warum die GAL hier überhaupt sitzt, ist, dass sie sich im Wahlkampf hingestellt und gesagt hat, sie wolle das Kohlekraftwerk in Moorburg nicht haben. Das war die zentrale Fragestellung. Man kann jetzt sagen – und das glaube ich durchaus –, dass das keine bösartige Geschichte ist. Wenn es aber nicht bösartig war, war es Dilettantismus.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Dann habt ihr den Wählern gegenüber etwas dargestellt, was nicht möglich ist. Gerade als realpolitisch orientierte Partei – was Sie ja so stolz macht – nicht fähig zu sein, wichtige Politik zu betreiben und Schwerpunkte falsch zu setzen, ist keine Begründung, als ökologische Partei weiterhin existieren zu können. Das Wichtige hierbei ist auch, wenn die GAL als Zweites sagt, das Entscheidende sei für sie, in der Lage zu sein, die Klimapolitik ganz nach vorn zu stellen, warum man dann die Verdoppelung des Kohlendioxid-Ausstoßes gegenüber dem Ausstoß im Straßenverkehr, als politische Aufgabe definiert und das pragmatisch mit organisiert. Wo will man dann noch ökologische Politik als solches machen? Das hat keine Glaubwürdigkeit. Auf die Art und Weise baut die GAL ihre eigene Existenz ab.

Das zweite wichtige Thema, das sie präsentiert haben, war die Frage der Stadtwerke. Das finde ich auch eine sehr spannende Angelegenheit. Im Jahre 2000 saßen wir in dieser Bürgerschaft zusammen und alle Fraktionen bis auf eine kleine Gruppe, die dort hinten saß,

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Aber Hacki war dabei!)

haben mit Begeisterung der Privatisierung der HEW zugestimmt und haben gesagt, der Weg könne nur darüber gehen, dass wir den Haushalt sanierten und in der Lage seien, die Energiepolitik neu zu organisieren. Jetzt wird mal so lapsig nebenbei und unernst – völlig richtig, wie ich finde – gesagt, wir müssten selbst neue Stadtwerke haben. Nehmen Sie sich als Politiker doch einmal ernst. Diskutieren Sie doch einmal solche Fragestellungen. Betreiben Sie doch einmal Selbstkritik, dass Sie damals großen Mist gebaut haben, und wie das eigentlich passieren konnte. Das ist doch die Voraussetzung dafür, überhaupt einmal wieder politisch ernst genommen zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

So hat man nicht das Gefühl, dass hier Politik organisiert wird. Hier wird die Klimapolitik nicht betrieben und auch keine richtige Energiepolitik, sondern irgendwie pragmatisch vor sich hin organisiert. Das ist inakzeptabel. Das hat diese Stadt nicht verdient.

(Dr. Monika Schaal)

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich zu diesem ersten Thema nicht. Dann rufe ich das zweite Thema auf, angemeldet von der SPD-Fraktion:

Elbphilharmonie: Vom Glanzprojekt zum Millionengrab?