Protokoll der Sitzung vom 01.10.2008

(Mehmet Yildiz)

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Wer den Antrag annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zum Punkt 25 der Tagesordnung, Antrag der SPD-Fraktion: Qualität der Pflege sichern – Ausbildungsplätze in der Altenpflege fördern – Ausbildungsplatzumlage in der Altenpflege.

[Antrag der Fraktion der SPD: Qualität der Pflege sichern – Ausbildungsplätze in der Altenpflege fördern – Ausbildungsplatzumlage in der Altenpflege – Drs 19/1114 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Sozial- und Gleichstellungsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Kienscherf, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Möller, es wäre schön, wenn wir ein solches Thema im Sozialausschuss diskutieren könnten, denn dorthin werden sehr wenig Drucksachen überwiesen. Bisher weichen der Senat und die Regierungsfraktionen immer der kritischen Debatte aus.

(Antje Möller GAL: Ihr Antrag wird doch überwiesen!)

Es erfüllt uns ein wenig mit Befriedigung, dass das beim Thema Pflege etwas anders ist. Das zeigt also, dass sich das eine oder andere bewegen wird, wenn wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in dem Bereich langfristig und immer wieder Anträge stellen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns in den letzten Monaten diverse Male mit dem Thema Pflege befasst und immer wieder darauf hingewiesen, dass es mit dem Zustand der Pflege nicht gut bestellt ist. Fast routinemäßig hat der Sozialsenator, der leider heute dieser Debatte nicht beiwohnen kann und auch neulich, als der Gesundheitsausschuss getagt hat, schon im Urlaub war, gesagt, es sei wichtig, dass beim Thema Pflege gehandelt wird.

Wir sind der festen Überzeugung, dass hier gehandelt werden muss. Es gibt nach wie vor große Missstände und die SPD-Fraktion fordert Sie und auch die GAL, Frau Möller, auf, kritisch mit uns in einen Diskurs zu treten, damit sich in dieser Stadt endlich etwas an der Pflegesituation ändert. Deswegen haben wir einen Antrag vorgelegt, in dem es darum geht, dass wir uns insbesondere um die Ausbildungssituation in der Pflege kümmern müssen.

Sie alle wissen, dass der Personalbedarf aufgrund der steigenden Zahl von Pflegebedürftigkeit wach

sen wird, wir auf der anderen Seite aber durch Abwerbungstendenzen aus den skandinavischen Ländern einen erheblichen Schwund an Fachkräften haben werden und die Zahl der Auszubildenden insgesamt tendenziell zurückgehen wird. Die Mitglieder des Sozialausschusses – beispielsweise Herr von Frankenberg, der gleich noch sprechen wird, aber auch Frau Gregersen, die neulich mit dem Sozialausschuss eine Bustour durch verschiedene Einrichtungen gestartet hat – haben festgestellt, dass es um die Ausbildung in dieser Stadt nicht gut bestellt ist und es noch eine ganze Menge zu tun gibt.

(Olaf Ohlsen CDU: Packen wir's an!)

Die SPD-Fraktion ist dazu bereit, meine Damen und Herren.

Deswegen schlagen wir Ihnen heute ein Vierpunkteprogramm vor. Es stimmt nicht, dass die Ausbildungszahlen in diesem Bereich gestiegen sind, wie der Sozialsenator es am 18. Juni an dieser Stelle behauptet hat. Herr Wersich hat damals davon gesprochen, man wüsste gar nicht, warum die SPD das überhaupt kritisiere, weil die Zahl im Bereich der Altenpflege von 167 auf 233 – also um rund 40 Prozent – gestiegen sei. Das ist richtig, aber man muss gleichwohl feststellen, dass wir davor ein historisches Tief hatten und dass die Zahlen 2007 deutlich hinter den Zahlen von 2003 und 2002 zurückgeblieben sind. Für uns ist das ein deutlicher Beleg dafür, dass man sich nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen kann, sondern handeln muss. Wir müssen also an die Ausbildungszahlen herangehen und dafür sorgen, dass die Qualität verbessert wird. Wir müssen insbesondere im stationären Bereich, aber auch im ambulanten Bereich für deutlich mehr Ausbildungsplätze sorgen.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Herr Kienscherf, ich muss Sie leider unterbrechen. Ich habe eben schon einmal darauf hingewiesen, dass es nett wäre, wenn es etwas leiser wäre. Ich habe meinen Blick mehr in die Richtung gelenkt, jetzt müsste ich ihn in die andere Richtung lenken. Es geht darum, dass man dem Redner ein bisschen mehr zuhören sollte, dann können sich auch alle anderen an der Debatte beteiligen. – Herr Kienscherf hat wieder das Wort.

(Barbara Ahrons CDU: Es sind wir, die nichts hören!)

– Sie können es nicht verstehen, das ist wieder bezeichnend.

Frau Ahrons, das hat auch ein bisschen mit Mittelstand zu tun. Sie können sich gleich wieder setzen und zuhören.

(Heiterkeit bei der SPD)

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden)

Es geht um zwei unterschiedliche Bereiche in der Altenpflege. Ich möchte insbesondere den Bereich der ambulanten Pflege vorstellen, in dem wir ein riesiges Problem bei der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen haben, weil die Ausbildungskosten nicht wie im stationären Bereich umgelegt werden können. Dadurch ergibt sich eine Benachteiligung von Betrieben, in denen ausgebildet wird. Die SPD-Fraktion will diese Benachteiligung nicht mehr, wir wollen diese Betriebe stützen. Von daher muss der Senat endlich handeln.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Deswegen greifen wir auf ein Instrument zurück – jetzt wird der eine oder andere Christdemokrat hochschrecken –, das sich Ausbildungsplatzumlage nennt. So etwas gibt es beispielsweise schon im stationären Bereich und wird auch in NordrheinWestfalen und in Thüringen, also in CDU-regierten Ländern, durchgeführt. Dort hat man erkannt, das zu nutzen, was der Bundesgesetzgeber den Ländern an Möglichkeiten eingeräumt hat. Dazu braucht man den Willen und wir fordern Sie auf, entsprechend dafür zu sorgen, dass Hamburg endlich eine Ausbildungsplatzumlage erhält, damit wir im ambulanten Bereich deutlich mehr Ausbildungsplätze bekommen.

(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum DIE LINKE)

Sie alle wissen, dass das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2003 die Zulässigkeit der Ausbildungsplatzumlage festgestellt hat. Wie schon gesagt, haben andere Länder sie eingeführt. Wir wissen, dass Sozialsenator Wersich nach wie vor gegen diese Umlage ist, aber wir glauben, es ist der einzige Weg, um für mehr Ausbildung zu sorgen.

Es geht aber auch darum, dass man insbesondere den Bereich der Umschüler nutzt. Es ist bekannt, dass Menschen, die eine Umschulung abgeschlossen haben und danach in der Altenpflege tätig sind, besonders lange in diesem Beruf arbeiten. Gerade bei jungen Auszubildenden ist das nicht immer der Fall. Das liegt unter anderem daran, dass die Arbeitsbelastung gestiegen ist. Wir müssen allerdings feststellen, dass wir in den letzten Jahren im Bereich der Umschichtung einen dramatischen Einbruch erlitten haben. Wir können heutzutage nur noch 20 Prozent des Ausbildungs- oder Umschulungsvolumens realisieren, das wir vor einigen Jahren hatten. Das ist für uns zu wenig. Wir müssen neue Initiativen ergreifen, es gibt eine ganze Menge Potenzial, das wir nutzen müssen.

Das Letzte, was wir fordern, ist, dass wir in den Bereichen Umschulung, Ausbildung und Ausbildungsverträge mehr Licht ins Dunkle bringen müssen.

Die SPD-Fraktion hat in den letzten Wochen diverse Anfragen zu diesem Thema gestellt. Das eine oder andere Mal hat es uns sehr überrascht, dass

der Senat gar nicht wusste, wie es in diesen Bereichen aussieht. Zum Beispiel müssen Schüler in diesen Ausbildungsberufen Schulgeld bezahlen. Das variiert je nach Einrichtung und Schule zwischen 600 Euro und 2100 Euro im Jahr. Wenn diese Schüler schon Schulgeld zahlen müssen, ist es seitens des Senats angebracht, sich darüber Gedanken zu machen, ob entsprechende Qualität garantiert ist. Hier müssen wir deutlich nachbessern.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Es ist geradezu zynisch zu fragen, inwieweit das Schulgeld, das die Auszubildenden von ihrer Ausbildungsvergütung bezahlen müssen, angemessen ist. Der Senat antwortet, dazu könne und wolle er gar nichts sagen, denn die Partner – auf der einen Seite der Ausbildungsbetrieb und auf der anderen Seite beispielsweise die sechzehnjährige Auszubildende – wüssten letztendlich vor Vertragsabschluss, um welche Gelder es ginge, es gäbe in diesem Land Vertragsfreiheit und – so der Tipp des Senats – man könnte ja auch noch den Rechtsweg beschreiten. Wo lebt dieser Senat eigentlich, wenn er einer sechzehnjährigen Ausbildungswilligen empfiehlt, den Rechtsweg zu beschreiten, wenn es um die Höhe des Schulgeldes geht? So kann man mit Auszubildenden nicht umgehen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich fasse kurz zusammen. Wir werden im Ausschuss darüber beraten. Die Ziele der SPD sind, durch eine Ausbildungsplatzumlage mehr Ausbildungsplätze im ambulanten Bereich zu schaffen, durch eine verstärkte Umschulung mehr Menschen dazu zu bringen, in die Altenpflege zu gehen, und gleichzeitig durch besseres Qualitätsmanagement und Kontrolle der Ausbildung für verbesserte Rahmenbedingungen zu sorgen. Wir sind auf die Diskussion im Sozialausschuss gespannt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort erhält Herr von Frankenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst betonen, dass Hamburg im Bereich der Pflege sehr gut aufgestellt ist. Das ist mir nach den Worten meines Vorredners sehr wichtig, denn danach hatte man einen ganz anderen Eindruck. Auch die Ausbildung für Pflegeberufe befindet sich auf einem sehr hohen Niveau und wir haben wirklich keinen Grund zur Panik, meine Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Nein!)

Der CDU und der GAL ist es wichtig, den hohen Standard in Hamburg aufrechtzuerhalten und fort

(Dirk Kienscherf)

zuentwickeln. Ich will noch etwas zu den Zahlen sagen, die Sie genannt haben. Sie sprachen davon, dass es 2006 einen Rückgang bei den Altenpflegeberufen gab. Die Zahlen haben ein bisschen geschwankt, aber man muss immer berücksichtigen, dass es für die Entwicklung Ursachen gibt. In diesem Fall war es so, dass das Altenpflegegesetz auf Bundesebene geändert worden ist. Inzwischen ist der Realschulabschluss Voraussetzung zum Zugang zu diesem Beruf und es ist natürlich klar, dass das Auswirkung auf die Zahlen hat. Insofern muss man immer die Zahlen für sich gewichten. Aber insgesamt ist es sicherlich vernünftig, dass wir Ihren Antrag an den Ausschuss überweisen. Dort haben wir ausgiebig Zeit für die Fachdiskussion. Ich möchte den Schwerpunkt der dortigen Diskussion allerdings etwas anders fassen, als Ihre Worte das eben beschrieben haben. Wir sollten uns darüber Gedanken machen, wie wir in Hamburg in Zukunft genug qualifizierte Fachkräfte für die Pflegeberufe gewinnen, und uns überlegen, wie wir diesen Bereich attraktiv und interessant gestalten können.

Sie haben in Ihrem Vorspann bei den Spiegelstrichaufzählungen durchaus Richtiges aufgeschrieben. Ich will nicht behaupten, dass ich alles teile. Wir müssen die einzelnen Punkte jetzt auch nicht im Detail durchgehen. Wir wollen aber durchaus darüber nachdenken, wie wir den Bereich in Zukunft weiterhin attraktiv gestalten können.

Ich möchte auf Ihren Vorschlag zur Ausbildungskostenumlage eingehen. Es gibt in Paragraf 25 des Altenpflegegesetzes eine Ermächtigung, die das grundsätzlich zulässt. Aber wie es immer bei Gesetzen ist, wenn man den zweiten Satz liest, sieht man schon wieder die Einschränkung. Da steht dann:

"… [kann,] um einen Mangel zu verhindern oder zu beseitigen."

Dieses heißt im Grunde genommen, dass die Länder von der Umlagefinanzierung Gebrauch machen können, wenn sich herausstellt, dass Altenheime beziehungsweise Pflegeeinrichtungen oder ambulante Dienste keine angemessene Zahl von Ausbildungsplätzen für Schülerinnen und Schüler bereitstellen. In dem Sinne ist das gemeint. Das heißt, man kann es dann machen, wenn es nicht genug Plätze gibt. Nach dem was ich gehört habe, haben wir aber nicht zu wenig Plätze, sondern es wird eher so formuliert, dass das Profil derjenigen, die sich bewerben, unter dem Gesichtspunkt des Ausbildungsniveaus nicht auf den Platz passt. Daher wäre das, was Sie als tollen Vorschlag vorgestellt haben, rechtlich problematisch. Ich will keinen Hehl daraus machen, dass ich den Vorschlag auch nicht besonders gut finde. Ich bin der Meinung, dass das, was in Thüringen als Flächenland und in den anderen neuen Ländern durchaus Sinn macht, sich relativ schlecht auf den Stadtstaat Hamburg

übertragen lässt. Grundsätzlich will ich betonen, dass staatliche Eingriffe nur sein müssen, wenn es absolut nicht anders geht. Im Regelfall schadet es eher, als dass es nutzt. Diese Befürchtung habe ich auch bei Ihrem Vorschlag.

Ich möchte kurz etwas zum weiteren Werdegang des Antrags sagen und wie wir uns das vielleicht vorstellen. Ich denke, dass das vielleicht auch auf Ihre Zustimmung trifft. Wir würden den Antrag an den Sozialausschuss überweisen und schlagen vor, eine Expertenanhörung durchzuführen, um uns in dem Thema etwas voranzuarbeiten. Es besteht die Hoffnung und das wäre sehr schön, nach der Auswertung einen gemeinsamen Beschluss hinzubekommen. Insofern bin ich auf eine spannende Ausschussberatung gespannt und freue mich darauf, dort mit Ihnen weiterarbeiten zu können.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort erhält Frau Blömeke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kienscherf, es gefällt mir, dass Sie immer wieder hartnäckig an dem wichtigen Thema Pflege festhalten und es immer wieder anbringen. Es gefällt mir aber nicht, dass Sie bei diesen Debatten ständig und immer wieder Panik schüren, weil Panik an dieser Stelle überhaupt nicht angebracht ist.