Protokoll der Sitzung vom 19.11.2008

Ich trage – wie jeder Senator – die Verantwortung für das, was mir als Aufsichtsrat – in welchen Aufsichtsräten auch immer – anvertraut ist. Sie können mir glauben, ich persönlich bin mit dieser Situation alles andere als glücklich.

(Michael Neumann SPD: Ihnen glaube ich gar nichts!)

Ich bin mit Sicherheit nicht der Verursacher der Krise, sondern ich habe sie genauso zu bekämpfen wie wir alle. Sie aber, Herr Neumann, machen den Fehler, dass Sie Ihre Sorge nicht richtig artikulieren. Sie haben nur Häme pur. Das ist keine ehrliche Politik. Sie versündigen sich an den Interessen der Stadt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Liebe Abgeordnete, Sie kennen es aus der letzten Runde des Senats. Jetzt hat jede Fraktion nach Paragraf 22 Absatz 3 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft noch einmal die Chance, einen Wortbeitrag anzumelden. Ich habe jedoch noch Herrn Kerstan als Restanten aus der letzten Runde. Herr Kerstan, Sie haben das Wort.

Keine Angst, ich werde jetzt nicht zehn Minuten reden, auch als Restant nicht. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man muss sich schon sehr über den Verlauf dieser Debatte wundern. Ich fand die Anmeldung der LINKEN richtig, damit wir über das Desaster bei der HSH Nordbank und die Auswirkungen auf die Hamburger Finanzen reden. Es interessiert die Bürgerinnen und Bürger, was jetzt mit Hamburg passiert, mit unseren Kindergärten, Schulen, Hochschulen oder unseren Arbeitsplätzen. Ich muss mich doch sehr wundern, dass dieser Aspekt in al

(Michael Neumann)

len Wortbeiträgen der Opposition mit keinem einzigen Wort erwähnt wird.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Da hilft es auch nicht, Herr Neumann, wenn Sie Ihren letzten Beitrag damit einleiten, es sei nicht so, dass unser einziges Problem sei, dass der Senat Fehler gemacht habe. Da haben Sie vollkommen Recht. Diese Finanz- und Wirtschaftskrise verursacht sehr viele Krisen und Probleme, um die wir uns ernsthaft kümmern müssen. Aber danach reden Sie wieder nur über die Verantwortung des Finanzsenators.

(Michael Neumann SPD: Das ist das, was wir im Parlament bestimmen können!)

Das ist ein Teil der Verantwortung. Es ist aber auch wichtig, darüber zu reden, wie es mit der Politik in dieser Stadt weitergeht. Da Sie im Rahmen dieser Debatte dazu nicht bereit und willens sind, wäre es sinnvoll, diese Debatte abzubrechen und zur Haushaltsdebatte überzugehen, in der wir in voller epischer Breite darüber reden werden, wie die Politik in dieser Stadt weitergehen wird. Den Versuch, eine schwere Finanz- und Wirtschaftskrise einzig und allein dafür zu nutzen, den Finanzsenator anzuschießen, haben Sie nun unternommen. Wir sollten jetzt über die wichtigen Dinge in dieser Stadt reden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Bischoff.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Drei Dinge möchte ich am Ende dieser Debatte festhalten, denn es gibt – da hat Herr von Beust heute Morgen den Aufschlag gemacht – Punkte, auf die wir uns zu bewegen könnten. Das war nicht in Abrede gestellt. Die HSH Nordbank braucht diesen Risikoschirm von 30 Milliarden Euro und sie braucht zwischen 2 und 4 Milliarden Euro Aufstockung des Eigenkapitals. Was auch immer vorher gelaufen sein mag, dies muss unbedingt passieren. Wenn wir sagen – das sollten Sie mitnehmen, Herr Freytag –, dies müsse unbedingt passieren, müssen wir nüchtern einschätzen, dass sich die Lage gemessen an den Monaten davor verschlechtert hat. Wir haben jetzt zusätzliche Risiken aus dem Einbruch des Shippingmarktes. Wenn wir die Bank dort mit diesen neuen Ressourcen aufstellen, können wir das nur nach außen vertreten, wenn wir sicher sind, dass dies wirklich ein Beitrag zur Konsolidierung ist. Die Form, wie wir darüber reden, war nie strittig zwischen Opposition und Regierungsparteien. Das muss man nicht immer in aller Öffentlichkeit tun. Wenn es zu sensibel sein sollte, können wir das sehr wohl auch auf anderer Ebene tun. Der letzte Punkt – diesen hat Herr von Beust heute

auch angesprochen und Herr Freytag hat es bestätigt: Wir kommen nicht darum herum, in der Perspektive für die HSH Nordbank eine andere Anbindung zu finden. Das bedeutet nicht, dass irgendjemand diese Bank und ihre Mitarbeiter in den Schmutz treten wollte. Wenn es nach vorn gehen soll, muss jedoch klar sein, dass diese Bank als Landesbank – wie auch immer sie funktioniert haben mag – keine Zukunft hat. Wir müssen sehen, ob das durch Fusion mit anderen Landesbanken gelöst werden kann, oder – wofür ich immer werbe – wir müssen den Zusammenhang zwischen Landesbank und Sparkassensystem neu aufmachen. Aber darüber kann man ja streiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Tschentscher.

Herr Kerstan, ich gebe Ihnen Recht, dass wir langsam zur Haushaltsdebatte übergehen sollten, aber Herr Freytag war heute ausnahmsweise vom Mikrofon gar nicht mehr wegzubekommen. Wenn er sagt, dass wir beteiligt worden seien, uns aber hinterher beschwert hätten, sage ich ganz klar, dass es einen Termin mit den Fraktionsvorsitzenden gab. Daran hat Herr Neumann nicht teilnehmen können aber ich habe ihn vertreten dürfen. Das war ein wichtiges Gespräch. Sie haben sich konstruktiv am Bundesprogramm beteiligt. Das war richtig. Dazu stehen wir. Das ist nicht der Punkt, wir reden über ein anderes Thema, und zwar über die Frage, wie wir bezogen auf die HSH Nordbank zurechtkommen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Genau!)

Da können Sie die ganzen Ausschusstermine zitieren, in denen das einmal auf der Tagesordnung stand. Vernünftig reden konnte man darüber jedoch nicht. Einmal stand es unter "Verschiedenes", da wurde uns das Wort entzogen. Eine Sitzung später ist der HSH Nordbank-Vorstandsvorsitzende entlassen. Wir wollten auch über die 700 Mitarbeiter sprechen, die entlassen werden sollen, während Vertreter im Aufsichtsrat nur fragen, was mit den Dividenden sei. Wir werden das in der Aktuellen Stunde nicht mehr klären, wer der HSH Nordbank mehr schadet: Die mangelnde Transparenz und das Auftreten unseres Finanzsenators oder die Opposition, die Fragen stellt und findet, dass das klar und offen besprochen werden muss.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Deshalb sind wir auch ein bisschen geknickt,

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

dass Sie einen Antrag, den wir schon im Juli in der Bürgerschaft vorgelegt haben, wo wir nämlich gesagt haben, wir möchten gerne zusammen mit dem Senat über die Frage reden, wie man in solch

(Jens Kerstan)

einer Finanzmarktkrise vorankommt – und wir haben Ihnen einen Antrag aufgeschrieben mit vielen Punkten, vielleicht sind da auch falsche Punkte dabei, das weiß ich gar nicht –,

(Viviane Spethmann CDU: Wahrscheinlich!)

den Sie einmal schlank an den Haushaltsausschuss überwiesen haben. Ich will die Kommentierungen aus den Regierungsfraktionen nicht wiedergeben. Herr Freytag war an einer Stelle wenigstens noch konstruktiv und hat gesagt, darüber reden wir einmal im Unterausschuss weiter. Und da liegt der Antrag bis heute, im Unterausschuss. Wir haben bis heute keinen Termin dafür bekommen und dieser Antrag liegt dort, wo wir über diese Fragen reden wollen, und wird nicht aufgerufen. Das ist eine Art und Weise, über Inhalte und Probleme zu reden, die wir nicht für richtig halten und auch als Opposition nicht ertragen können. Das scheint in Schleswig-Holstein auch gegenüber der Opposition anders zu laufen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Schira.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde, Herr Neumann, Sie haben eine Chance verpasst, mit adäquaten und inhaltlichen Redebeiträgen aufzufallen. Sie sind in Ihren alten Rhythmus gefallen und haben zur Sache nichts beigetragen. Das war im wahrsten Sinne des Wortes Parteiengezänk.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL – Ingo Egloff SPD: Das war ja inhalts- schwer! – Gegenruf von Michael Neumann SPD: Aber das war seine beste Rede bis- her!)

Sie werden es nicht glauben, wir haben keine Wortmeldungen mehr zum zweiten Thema der Aktuellen Stunde. Uns verbleiben null Minuten, um das vierte Thema aufzurufen. Deshalb frage ich die anmeldende Fraktion: Wird eine Vertagung der Aussprache auf morgen gewünscht? – Das ist der Fall. Wir werden somit morgen die Aktuelle Stunde mit dem vierten Thema fortsetzen.

Wir kommen zum Punkt 18 a der Tagesordnung, dem Senatsantrag: Haushaltsplan-Entwurf der Freien und Hansestadt Hamburg für die Haushaltsjahre 2009 und 2010 und Finanzplan 2008 bis 2012.

[Senatsantrag:

Haushaltsplan-Entwurf der Freien und Hansestadt Hamburg für die Haushaltsjahre 2009 und 2010 und Finanzplan 2008-2012 – Drs 19/1500 –]

Diese Drucksache ist bereits am 5. November 2008 im Vorwege federführend an den Haushaltsausschuss und mitberatend an die zuständigen Fachausschüsse überwiesen worden. Zur Einbringung des Haushalts spricht zunächst der Senat. Senator Dr. Freytag bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senat bringt heute den Haushaltsplanentwurf 2009/2010 und die mittelfristige Finanzplanung 2008 bis 2012 in die Hamburgische Bürgerschaft ein. Dies ist der erste Haushaltsplanentwurf einer schwarz-grünen Koalition eines deutschen Bundeslands – ein ausgeglichener Haushalt, die Staatsfinanzen sind solide, wir haben Wort gehalten.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Bereits in den letzten Jahren führte ein nachhaltiger und generationengerechter Konsolidierungskurs zu Einsparungen im Umfang von rund 500 Millionen Euro im Jahr.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Der vorliegende Haushaltsplanentwurf führt diese Konsolidierung durch den Verzicht auf Nettoneuverschuldung fort und spiegelt auch die finanzpolitischen Zielsetzungen der Koalition wider. Hamburg finanziert seinen Haushalt aus eigener Kraft und ohne Nettokreditaufnahme. Wir haben die verhängnisvolle Spirale der ständig neuen Kredite gestoppt.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Dem Steuerzahler bleiben auf diese Weise in der Legislaturperiode Zinsen in dreistelliger Millionenhöhe erspart. Wir leben nicht auf Kosten der Folgegenerationen. Hamburg ist bundesweit Vorreiter bei der Modernisierung der öffentlichen Haushalte. Wir erhöhen die Transparenz der Ertrags- und Vermögenslage der Stadt durch die Vorlage einer Konzernbilanz und eines Konzernjahresabschlusses 2007. 3,8 Milliarden Euro Eigenkapital und 798 Millionen Euro Überschuss belegen: Hamburg ist ein finanziell erfolgreicher sozialer Konzern. Der Haushalt kommt direkt im Leben der Menschen an. Wir stärken die familien-, sozial- und bildungspolitischen Rahmenbedingungen. Statt Zinsen für Kredite, für neue Schulden, zahlen wir lieber für Kinderbetreuung und Bildung. In 2009/2010 werden für die Bereiche Kindertagesbetreuung und Lehrerpersonal im Vergleich zum letzten Doppelhaushalt insgesamt 288 Millionen Euro zusätzlicher Ausgaben aufgewandt. Das ist direkte Politik für die Menschen unserer Stadt.

(Dr. Peter Tschentscher)

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Mit diesen Zielsetzungen stellen wir die Weichen für stabile Staatsfinanzen, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ökologische Tragfähigkeit, Chancengerechtigkeit und Integration. Die wirtschaftliche Entwicklung Hamburgs der letzten Jahre bildet eine solide Basis für die Zukunft der Stadt. Auf dieser Basis baut der Senat auf, diese Basis werden wir stärken und erweitern. Die Einwohnerzahl Hamburgs ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, wir bewegen uns wieder auf 1,8 Millionen Einwohner zu. Im Zeitraum 2004 bis 2007 stieg die Zahl der Erwerbstätigen in Hamburg im Vergleich zum Schnitt der Bundesländer fast doppelt so stark. Die Zahl der Erwerbstätigen erreichte den höchsten Stand seit 40 Jahren. In Hamburg entstehen bundesweit die meisten zusätzlichen Arbeitsplätze, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg in diesem Jahr um 3,3 Prozent, was klar über dem westdeutschen Durchschnitt von 2,1 Prozent liegt. Für Hamburg bedeutet das konkret 26 000 zusätzliche Arbeitsplätze. Mehr Arbeitsplätze heißt mehr Familien in der Stadt, mehr Arbeitsplätze heißt mehr Wirtschaftswachstum, mehr Arbeitsplätze heißt mehr Steueraufkommen, mehr Steueraufkommen heißt mehr Handlungsspielraum in unserem Haushalt.

Das verfügbare Einkommen der Einwohner in Hamburg stieg 70 Prozent stärker als das im Bundesmittelwert. Hamburg ist das Bundesland mit der größten Wirtschaftsleistung pro Kopf. 2007 konnte die Grenze von 50 000 Euro pro Einwohner überschritten werden. Damit liegt unsere Stadt 70 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts lag im Durchschnitt der letzten drei Jahre bundesweit bei 2 Prozent, in Hamburg lag dieser Wert 20 Prozent höher. Die Steigerungsrate des Bruttoinlandsprodukts hat die gesamtwirtschaftliche Lage Hamburgs geprägt. Ob beim Wirtschaftswachstum, beim Zuwachs an Einwohnerzahlen oder bei den Beschäftigten, Hamburg ist bundesweit an der Spitze.

Hamburgs Erfolg basiert auf einer starken Wirtschaft und einem starken Staat. Public Private Partnership ist bei uns kein Slogan, sondern gelebte Realität. Hamburg ist mit 125 000 privaten Unternehmen ein starker internationaler Wirtschaftsstandort. Aber auch die Stadt und ihre Beteiligungen sind ein bestimmender Erfolgsfaktor für unsere Stadt. Der Konzern Hamburg umfasst die staatliche Kernverwaltung und 390 Tochterorganisationen und Unternehmensbeteiligungen. Mit 89 000 Mitarbeitern ist der Konzern Hamburg mit Abstand der größte Arbeitgeber am Standort. Politische Handlungsfähigkeit setzt finanzielle Handlungsspielräume voraus. Hamburg verschafft sich durch ein erfolgreiches Management seiner Beteiligungen und auch seiner Immobilien diese Spielräume. Andere Länder und Kommunen haben ihr

Tafelsilber verkauft, geradezu ausverkauft. Hamburg hält es aus guten Gründen. Wir haben Hamburg Wasser zu einem Gleichordnungskonzern geschmiedet und damit zum größten öffentlichen Wasserunternehmen Deutschlands entwickelt. SAGA/GWG ist mit 135 000 Wohnungen eines der größten kommunalen Wohnungsunternehmen des Landes. Die Hamburger Hochbahn, um ein weiteres Beispiel zu nennen, ist ein bundesweit erfolgreiches Nahverkehrsunternehmen mit einem vorbildlichen Kostendeckungsgrad. Der Konzern Hamburg bringt Leistungen mit hoher Qualität. Die öffentlichen Unternehmen haben einen bilanziellen Wert von 10 Milliarden Euro und stellen damit einen bedeutenden Teil des Vermögens der Hansestadt dar. Sie investieren jährlich 1 Milliarde Euro, dies kommt zusätzlich zu den Milliardeninvestitionen des Kernhaushalts hinzu.