Protokoll der Sitzung vom 10.12.2008

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Finanzkrise, die uns in den letzten Monaten sehr umgetrieben hat, droht zu einer schweren Wirtschaftskrise zu werden. Wenn man den Prognosen der Wirtschaftsinstitute Glauben schenken kann, dann ist die Entwicklung eine sehr dramatische und könnte in den nächsten Jahren die schwerste sein nach dem Zweiten Weltkrieg in diesem Lande. Das ist natürlich eine Situation, die Hamburg in besonderer Weise treffen wird, denn unabhängig davon, welche Regierungs

koalition in dieser Stadt regiert, gibt es zwei regelmäßige, durchgehende Trends, die immer Bestand haben, die die Wirtschaft betreffen. Wenn die Weltkonjunktur gut läuft, dann läuft die Hamburger Wirtschaft gut und wesentlich besser als im Rest Deutschlands und wenn die weltweite Konjunktur in die Knie geht, unabhängig davon, wer hier regiert, dann bricht auch die Hamburger Wirtschaft wesentlich stärker und schlimmer ein als im restlichen Bundesgebiet. Wenn man sich diese Situation ansieht, dann lässt das für Hamburg in den nächsten Jahren nichts Gutes befürchten. Das soll jetzt keine unnötige Panikmache sein, stellt aber die Kriterien dar, mit denen Politik auf die Situation zu reagieren hat.

Wir als für Hamburg politisch Verantwortliche – damit meine ich nicht nur die Regierung, sondern auch alle Parteien in dieser Bürgerschaft – müssen natürlich eine angemessene Antwort auf diese Krise finden, die wirklich wirkt. Dazu haben wir die Instrumente in dieser Stadt nicht, das muss man ganz ehrlich sagen. Wir brauchen einen Feuerlöscheinsatz, der dafür sorgt, dass die Finanzknappheit nicht dazu führt, dass die Wirtschaft stark einbricht. Das sind große finanzielle Volumina, die der Hamburger Haushalt nicht hergibt. Alle Wirtschaftsforscher sind sich einig, dass dies ungefähr 2 bis 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts braucht. Das ist eine Summe von 25 bis 50 Milliarden Euro. Wenn man weiß, dass der Hamburger Haushalt 11 Milliarden umfasst, zeigt sich, dass, wenn man dort wirklich einen wirksamen Impuls setzen will, der Bund gefordert ist und natürlich auch nur der Bund die notwendigen Instrumente wie die Steuerhoheit und Ähnliches hat. Die einzige wirklich relevante Steuer, die wir jetzt kurzfristig ändern könnten, wäre die Grunderwerbssteuer.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Haben Sie ja ge- rade! – Vizepräsidentin Nebahat Güclü über- nimmt den Vorsitz.)

Das Argument, warum wir diese um einen Prozentpunkt erhöhen wollten, war, dass sie nur 1 Prozent der Menschen betreffe und darum eigentlich keine relevanten Auswirkungen auf die Wirtschaft habe. Das gilt in dieser Situation natürlich auch umgekehrt. Sie jetzt deutlich zu senken, würde wieder nur 1 Prozent der Menschen dieser Stadt betreffen und auch keine großen Effekte auslösen.

Insofern lassen Sie mich, bevor ich auf die Hamburger Situation zu sprechen komme, noch ein paar Vorbemerkungen zur Situation im Bund machen, denn davon wird es abhängig sein, ob unser Programm, das wir schnüren wollen, auch erfolgreich sein kann. Das wird in wesentlichen Teilen davon abhängen, ob die Bundesvorlage zutreffend sein soll und da muss man sich wirklich Sorgen machen, denn es gibt dort zwei Tendenzen. Die eine Tendenz ist, dass der gleiche Minister, der noch vor vier Monaten gesagt hat, das ganze Problem

(Rüdiger Kruse)

betreffe Deutschland gar nicht, das sei ein reines Problem der Amerikaner, jetzt volltönig sagt, man könne eine solche Krise nicht gegenfinanzieren und darum solle man erst einmal eine ruhige Hand bewahren. Diese Ignoranz und Arroganz, die aus solchen Äußerungen spricht, habe ich bisher nur bei den Bankern kennengelernt, die diese Krise verursacht haben. Das lässt nichts Gutes für die Krisenantwort der Großen Koalition erahnen.

Die andere Antwort ist, dass eine Bundeskanzlerin, die sich vor wenigen Monaten und Jahren als Klimakanzlerin geriert hatte, nun als das wichtigste Argument in der Krisenbewältigung sieht, diese Krise zulasten der Umwelt und des Klimawandels bekämpfen zu wollen. Auch das ist nicht nur eine fahrlässige Haltung, sondern auch eine, die schon fast gemeingefährlich ist, wenn man sieht, welche Auswirkungen sie haben kann.

Lassen Sie mich noch eines zur Pendlerpauschale sagen, die jetzt – Herr Neumann, da gebe ich Ihnen recht – wie vieles als Konjunkturprogramm verkauft wird. Eine Pendlerpauschale, die gerade an diejenigen gezahlt wird, die am meisten Benzin verbrauchen, die die längsten Wege zur Arbeit haben, ist mit Sicherheit kein Beitrag zur Konjunkturbekämpfung, sondern eine ungerechte Maßnahme, denn sie benachteiligt Menschen, die in der Stadt mit hohen Kosten leben, subventioniert aber die Menschen, die ins Umland ziehen und dort billiger wohnen. Für Hamburg, das muss man ganz klar sagen, wird das eine Zersiedlungssteuer sein, die die Haushalte dieser Stadt nicht fördert, sondern schädigen wird und auch umweltschädliches Verfahren beschleunigen wird.

(Ingo Egloff SPD: Da haben Sie völlig recht!)

Vor diesem Hintergrund hätte ich mir gewünscht, dass diese Bundesregierung die Konsequenz gezogen hätte, die Pendlerpauschale abzuschaffen und das damit gewonnene Finanzvolumen zu einer wirksamen Bekämpfung der Krise einzusetzen.

(Beifall bei der GAL)

Aber lassen Sie mich zu Hamburg noch die entscheidenden Punkte sagen, denn wir wollen nicht untätig sein. Auch wenn es Sie stören mag, so ist doch schlicht und ergreifend Fakt, dass wir in unserem Haushaltsplan, den wir jetzt vorlegen, in den nächsten beiden Jahren 800 Millionen Euro mehr ausgeben als in der Vergangenheit geplant wurden. Das war nicht in weiser Voraussicht geschehen. Wir wollten die gute Konjunktur nutzen, um in die Zukunft dieser Stadt zu investieren. Aber in der jetzigen Situation führt einfach kein Weg daran vorbei, das ist einfach anzuerkennen. Ich würde mir wünschen, dass Sie es auch einfach so hinnehmen. Wir brüsten uns damit nicht,

(Michael Neumann SPD: Lehrergehälter sind jetzt keine Investitionen mehr!)

dass dieser Haushalt konjunkturstabilisierende und -fördernde Elemente hat durch die Mehrausgaben, nicht in allen Ausgaben, aber in wesentlichen Investitionen.

Wenn Sie das, was Sie eben gesagt haben, ernst meinen, Herr Neumann, dann sollten Sie das nicht kritisieren, sondern dann sollten Sie sich darüber auch freuen.

(Michael Neumann SPD: Verbeamtungen führen nicht zum Wirtschaftsaufschwung!)

Wenn Sie sich jetzt ansehen, in welchen Punkten dieser Haushalt Mehrausgaben vorgesehen hat, dann werden Sie feststellen, dass das die Bereiche sind, die unter anderem der Sachverständigenrat der Bundesregierung als die Punkte angesehen hat, die jetzt ein Konjunkturprogramm fördern müsste. Das sind nämlich Investitionen in Bildung und Forschung, das ist ein großer Teil energetische Sanierung, Verkehrsinfrastruktur und Ähnliches.

(Michael Neumann SPD: Die Investitionen sinken unter 10 Prozent!)

Insofern muss man sagen: Auch wenn wir es so nicht geplant haben, dieser Haushalt passt sehr gut in das konjunkturelle Umfeld, in dem wir uns bewegen.

Aber dabei wollen wir es nicht bewenden lassen. Ich bin mit Ihnen völlig einer Meinung, Herr Neumann, dass es jetzt darum gehen muss, dass diese Stadt das tut, was sie tun kann. Sie kann nicht kurzfristig die Mittel bereitstellen, die dafür sorgen, dass die Krise nicht so tief wird, wie sie vielleicht werden könnte, aber sie kann in einem halben oder dreiviertel Jahr dafür sorgen, wenn die Mittelständler, die im Moment alle noch eine gute Auftragslage haben, Probleme bekommen. Im Moment brechen die Großkonzerne ein und mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung trifft das dann auch den Mittelstand. Wenn Sie im Moment den Mittelstand in dieser Stadt fragen, sagen die meisten doch, sie hätten ungefähr für ein halbes bis dreiviertel Jahr noch Aufträge, ihre Bücher seien voll. Das ist genau der Punkt, an dem Hamburg sinnvoll mit einem Konjunkturprogramm helfen kann, nämlich die dann wegbrechenden Anschlussaufträge durchaus auch durch öffentliche Impulse zu ersetzen.

Das wird auch die Aufgabe der Arbeitsgruppe sein, die im Senat jetzt arbeitet und sich im Kern damit beschäftigt, jetzt nicht zusätzliche Ausgaben zu generieren, sondern Ausgaben, die wir im Haushaltsplan für 2009/2010 vorgesehen haben, vorzuziehen. Das wird eine ganze Menge der Punkte durchaus beinhalten können, Herr Neumann, die Sie angesprochen haben. Darum finde ich das auch sinnvoll, wenn wir über solche Punkte reden. Nächste Woche werden im Senat die Eckpunkte wohl schon beraten werden. Wir wollen uns dort

keine Zeit lassen, sondern Gas geben und im Januar einen Beschluss herbeiführen, der dann auch schnell Effekte zeigt. Ich würde mir wünschen, dass wir versuchen, hier gemeinsam in diesem Hause das zu tun, was wir können, und das zu tun, was vernünftig ist. Ich habe in Ihrer Rede viele gute Ansätze gefunden, Herr Neumann. Deshalb wollen wir diesen Antrag auch überweisen. Ich wünsche mir gute Beratungen im nächsten Jahr für ein gutes Konjunkturprogramm. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat Dr. Bischoff.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für meine Fraktion begrüße ich ausdrücklich den Antrag, den die SPD eingebracht hat. Wir werden selbstverständlich der Überweisung an den Ausschuss zustimmen und wir teilen auch die Grundphilosophie, die in der Rede von Herrn Neumann sichtbar geworden ist. Das heißt, es kommt darauf an, sich auf eine relativ schwierige ökonomische Großwetterlage für die nächste Zeit einzustellen. Wenn Herr Kerstan davon ausgeht, dass die Auftragsbücher des Mittelstands noch in Ordnung seien, so möchte ich jedenfalls sagen, dass ich die Bewertung nicht teile. Wir werden, glaube ich, im Verlauf des nächsten Jahres immer wieder gezwungen werden zu bilanzieren, die Situation neu zu bewerten und zu überlegen, was wir in Hamburg konkret machen können.

Insofern möchte ich die Grundüberlegung von Herrn Kerstan doch noch einmal aufgreifen und für die Beratung im Ausschuss ins Zentrum rücken. Wir müssen erst einmal davon ausgehen, dass mit dem Wechsel der US-Administration wirklich etwas komplett Neues gemacht wird, jedenfalls das, was dort schon angedacht ist, ein Investitionsprogramm, das wir bislang in der westlichen Hemisphäre noch nicht gesehen haben. Dieses Programm zusammen mit den enormen Anstrengungen, die in der Volksrepublik China gemacht werden, kann in der Tat den Rahmen für die weltwirtschaftliche Entwicklung verändern. Es ist zwingend notwendig – und da wird man sehen, ob wir gemeinsam unseren politischen Einfluss geltend machen können –, dass wir auch in Europa auf europäischer Ebene zu einer enormen Kraftanstrengung kommen. Das muss dann in einem Konjunkturprogramm auf Bundesebene untersetzt werden.

Anders als in früheren Zeiten ist völlig klar, dass das nur als konzertierte Aktion dieser großen Bewegung laufen kann. Dann ist die spannende Frage, was wir in Hamburg zusätzlich machen können. Das ist jetzt auch bei Herrn Kruse deutlich geworden – ich habe das gestern von Herrn Gedaschko auch in den Haushaltsberatungen gehört

, dass hier eine Grundbereitschaft existiert, dass wir in Hamburg die Anstrengungen bündeln und versuchen, einen kleinen aber wirksamen Impuls im Rahmen dieser Veränderung der ökonomischen Großwetterlage und der Konjunkturprogramme einzubringen. Das wäre sicherlich ein enormer Fortschritt, wenn wir das hinbekommen. Ich will insofern auch ausdrücklich sagen, dass ich – soweit ich das verstanden habe mit diesem Verfahren – sehr konstruktiv finde, dass der Senat nächste Woche Eckpunkte festlegt, damit wir dann im Wirtschaftsausschuss darüber beraten können, was konkret von diesen 800 Vorschlägen, die gerade geprüft werden, übrig bleibt. Herr Neumann, wir werden dann schauen, ob wir ausgehend von Ihren zwölf Punkten, beziehungsweise den Überlegungen, die wir haben, ein gemeinsames Paket schnüren können.

Wichtig ist auf jeden Fall: Ein solches Zusammenwirken der Fraktionen und des Senats wäre die Grundvoraussetzung dafür, dass wir auch andere Akteure in der Stadt ins Boot holen. Das ist nicht immer angesagt, aber in diesem konkreten Fall sollten wir uns schon darum bemühen, dieses Zusammenwirken zustande zu bringen. Wir sollten auch – was Herr Freytag immer wieder betont – die 287 öffentlichen Unternehmen beziehungsweise die Beteiligungen in diesen Prozess versuchen einzubeziehen. Das heißt, es geht eben nicht nur einfach um ein Konjunkturprogramm des Senats, sondern wir sollten darauf hinwirken, dass wir eine möglichst breite Aktion zustande bringen.

Inhaltlich möchte ich an diesem Punkt doch zwei kritische Anmerkungen machen im Hinblick auf die Beratung im Wirtschaftsausschuss. Der eine Punkt ist: Wir sind uns, glaube ich, einig, das wir diese Formel – kein Strohfeuer – nicht brauchen, sondern es geht darum, nachhaltige Infrastrukturprojekte auf den Weg zu bringen und das so weit zu machen, wie man das mit verlässlicher Vorfinanzierung von Investitionen hinbekommen kann. Das heißt, wir wissen – ob das jetzt die Schulen, die Hafeneisenbahn oder andere Projekte sind: Es gibt in Hamburg durchaus vernünftige Projekte, die wir anpacken können und unter den weiteren Bedingungen vielleicht auch vorziehen können. Dass das Ganze konzentriert sein muss auf die mittelständische Wirtschaft, ist, glaube ich, unter uns auch unstrittig. Insofern wird das höchstens im Einzelfall strittig sein. Aber das können wir auf uns zukommen lassen.

Was ich im Unterschied zum SPD-Antrag doch noch einmal stärker herausheben möchte, sind zwei andere Punkte. Meines Erachtens sollten wir auch den Nerv haben, direkt auf den Arbeitsmarkt und die Arbeitsmarktpolitik zuzugehen, das heißt, nicht einfach nur Infrastrukturinvestitionen anzuschieben, sondern auch zu überlegen, wie weit wir im Rahmen von Arbeitsmarktförderung noch einmal bestimmte Veränderungen vornehmen und

(Jens Kerstan)

auch dazu kommen, bestimmte Impulse zu setzen. Dazu müssen wir nicht das gesamte Programm des Arbeitsmarkts durchbuchstabieren, aber es gibt – ich will das jetzt nicht entwickeln – durchaus einzelne Punkte, bei denen man sich verständigen könnte.

Für die Fraktion der LINKEN ist wichtig, dass wir auch im Blick behalten den Aspekt des Kampfs gegen die soziale Spaltung und gegen die Armut. Herr Neumann, Sie haben darauf hingewiesen. Bestimmte Dinge, die dort eine Rolle spielen, müssen nicht nur unbedingt unter dem Aspekt des Konjunkturprogramms gesehen werden. Das will ich ausdrücklich bekräftigen. Aber wir haben Defizite im Kampf gegen die Armut und die soziale Spaltung in dieser Stadt. Wir sind soweit, glaube ich, in diesem Fall wirklich alle Keynesianer, dass wir wissen, dass, wenn wir dort bestimmte Impulse geben, das den größten Multiplikatoreffekt vor Ort hat, das heißt, die Wirtschafts- und Einkommenskreisläufe in den Regionen, also in den Stadtteilen, enorm nach vorne bringen kann. Insofern werbe ich ausdrücklich dafür, dass wir ergänzend zu diesem Bereich der Infrastruktur und der Investitionen eben auch Arbeitsmarkt und Kampf gegen Armut und soziale Spaltung als Faktoren im Blick behalten. Ich fände das insgesamt schön – Sie haben das angedeutet, Herr Neumann –, wenn wir dazu kämen, mittelfristig, weil die Konjunkturkrise nicht in wenigen Monaten vorbei sein wird, Energien bündeln zu können und für Hamburg einen neuen Impuls im Mietwohnungsbau und im sozialen Wohnungsbau setzen zu können, der dann wirklich über Jahre hinweg nachhaltige Effekte für Ökonomie und Konjunktur entfalten könnte. Das würden wir ausdrücklich begrüßen. Ich hoffe jedenfalls, dass das – das ist bislang aus den Reden erkennbar – im Ausschuss fortgesetzt wird und dass wir im Januar schnell spruchreife Entscheidungen präsentieren können. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort hat Senator Gedaschko.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Noch vor wenigen Wochen gab es Wirtschaftsinstitute, die uns prognostizierten, dass wir vielleicht eine Wachstumsdelle haben würden und diese Delle innerhalb relativ kurzer Zeit vorbei gehen würde. Heute können wir feststellen, dass diese Institute von all ihren Vorhersagen eingeholt wurden und sich häufig gar nicht mehr in der Lage sehen, eine Vorausschau für die nächsten zwei, drei Jahre zu machen. Was sie aber alle übereinstimmend jetzt feststellen, ist, dass es um keine Delle mehr geht, sondern um eine ausgewachsene Rezession. In diesem Zusammenhang ist es dann allerdings wenig hilfreich, wenn zum Beispiel von Mitarbeitern der Deutschen

Bank öffentlich erklärt wird, wir hätten eine Rezession zu erwarten von minus 4 Prozent alleine im nächsten Jahr. Ich glaube, es geht genau darum, dass wir keine Panik schüren, aber auch bitte nichts schönreden. Dafür brauchen wir einen klaren Blick.

Dazu einmal vier Punkte: Als Erstes ist festzustellen, dass das, was jetzt teilweise am Arbeitsmarkt passiert, die Freisetzung von Mitarbeitern, mit der Krise gar nichts zu tun hat. Sondern das sind negative Mitnahmeeffekte von Unternehmen, die sowieso schon vorhatten, ihre Mitarbeiter freizusetzen. Hier spreche ich insbesondere die Versicherungsbranche an, die unter dem Deckmantel der globalen Krise agiert.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der GAL und der SPD)

Andere Krisen waren schon im anrollen und haben auch mit dieser Krise eigentlich nichts zu tun. Ich spreche hier die Schifffahrtskrise an. Wenn wir sehen, dass allein in den nächsten zwei Jahren das Containeraufkommen der Welt durch Schiffszuläufe um 50 Prozent vergrößert wird, dann ist das eine Krise gewesen, die vorhersehbar war, weil es eine massive Überproduktion gibt, ein massives Kapital gab, das in den Schiffssektor hineingelaufen ist und dann zu dieser Überproduktion geführt hat. Wir haben heute Morgen in Hamburg mit den Reedern, den Schiffsbauern und der Zulieferindustrie zusammengesessen und überlegt, wie wir mit dieser Situation umgehen können. Es gibt eigentlich nur eine wirkliche Lösung und die lautet: Alles das, was weltweit in der Pipeline der Werften ist, darf nicht in den nächsten zwei Jahren auf die Meere zurollen, sondern muss in der Zulieferung gestreckt werden. Das hilft den Werften bei der Auslieferung, den Reedern und letztendlich auch allen, die vom Hafen leben.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und bei Horst Becker GAL)

Das setzt voraus, dass wir international agieren und dass wir insbesondere auf Südkorea und China zugehen und dort die Erkenntnisse umsetzen können. Das klingt ein bisschen vermessen, auf der anderen Seite muss man aber wissen, dass 50 Prozent der Schiffe, die geordert werden, aus Hamburg kommen. Insofern hat diese Region auch eine Verantwortung, die wir wahrnehmen wollen.

Das Dritte ist: Die Liquiditätskrise, die dazu geführt hat, dass es eine Wirtschaftskrise gibt, ist noch immer nicht entscheidend behoben. In Deutschland kann man positiv feststellen, dass die Banken sicher sind. Das ist erst einmal fundamental für den Glauben der Menschen an die grundlegenden Dinge. Aber bundesweit sind die Kredite teurer geworden und in einzelnen Branchen ist es extrem schwierig bis unmöglich, Kredite zu bekommen. Aber auch hierbei muss man die Situation differen

(Dr. Joachim Bischoff)

ziert betrachten. In Hamburg haben wir eine Übereinkunft zwischen Senat, Banken und Versicherungen über den Hamburger Weg. Wir haben hier eine andere lokale Situation und die besagt: Es ist für den Mittelstand möglich, in Hamburg Kredite zu bekommen. Wir haben glücklicherweise Institute wie eine Sparkasse oder eine Volksbank, die in der Lage sind, diese Kredite zu gewährleisten. Aber auch ganz eindeutig ist hier das Problem: Sobald es größere finanzielle Engagements sind, ist dann auch das Ende der Fahnenstange erreicht. Hier ist letztendlich auch der Bund gefragt.

Viertens: Die Auswirkungen der Realwirtschaft sind da. Diese Krise frisst sich schneller in die Realwirtschaft hinein, als es jemals vorher der Fall war, und in einer Größe, die es so zuvor auch nicht gegeben hat. Also müssen wir handeln.