Protokoll der Sitzung vom 21.01.2009

Vielleicht hat er sich eine DVD mit der "Feuerzangenbowle" oder "Kevin allein zu Haus" hereingezogen.

(Beifall bei der SPD)

Jedenfalls bekundet der Erste Bürgermeister, dass er einen Meinungswandel vollzogen habe, aber so ist es nicht bei Ihrem Landesvorsitzenden. Herr Freytag erklärt doch sehr deutlich, dass er hinter dieser Reform überhaupt nicht stehe, sondern nur aus Koalitionsräson, aus machtpolitischen Interessen diesen Weg gegangen sei. Das zeigt doch die Zerrissenheit, die sich in der CDU sehr deutlich abbildet.

(Beifall bei der SPD)

In Wahrheit sind Sie dazu übergegangen, überhaupt nichts mehr zu sagen. Am Anfang wollten Sie für die Langform an den Gymnasien kämpfen. Dann wollten Sie die humanistischen Gymnasien unter eine Form von Artenschutz stellen. Das war Ihnen doch zu peinlich, davon sind Sie abgerückt. Jetzt habe ich mir Ihr Schulpapier angeguckt und da steht eigentlich fast nichts mehr drin.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das wurde in der Schulbehörde redigiert!)

Wahrscheinlich war das die Voraussetzung, um zu einem einstimmigen Beschluss zu kommen, denn sonst wäre es Ihnen nicht gelungen; also ein ziemlich nichtssagendes Papier.

Soweit ich als Außenstehende den Prozess in der CDU beurteilen kann, glaube ich, dass sehr wohl einige durch den Koalitionsvertrag aufgeschreckt waren und große Sorge hatten, dass sie ihr Wort gegenüber den Eltern nicht halten konnten und sich Mühe gegeben haben, das ernst zu nehmen. Wenn man das bewertet, was in den letzten Wochen passiert ist, dann sind Sie als Tiger gestartet und als niedliches Plüschkätzchen auf dem Schreibtisch des Ersten Bürgermeisters gelandet. Das ist das, was die Hamburger CDU den Eltern in Hamburg zu sagen hat und die werden ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen.

(Wolfgang Beuß)

(Beifall bei der SPD)

Nun möchte ich noch einige Worte zur Senatorin sagen, die mit dem Verweis auf den Schulfrieden das irgendwie mit Erstarrung verwechselt. Im Moment passiert eigentlich relativ wenig, was die Qualität von Hamburgs Schulen voranbringt. Sie haben verhindert, dass die Stadtteilschule im Jahr 2009 eingeführt wird, Sie verhindern, dass es zu neuen Ganztagsschulen kommt. Beides sind notwendige Maßnahmen, um den Problemen der großen Zahl der Risikoschüler gerecht zu werden. Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass an der Situation von Hamburgs Förderschulen in dieser Legislaturperiode nichts verändert werden darf. Auch das ist ein Prozess, der dazu beiträgt, dass die schwächeren Schülerinnen und Schüler überhaupt keine Unterstützung bekommen.

Wir diskutieren das Thema heute, weil Sie Ihre Schulreform um ein Jahr verschoben haben. Herr Freistedt hat versucht, mit launigen Worten noch etwas Positives zu finden, aber faktisch sind Sie mit Ihrem Zeitplan gescheitert,

(Wolfgang Beuß CDU: Warten Sie es mal ab!)

weil Ihre Schulbehörde nicht so gearbeitet hat, wie Sie sich das vorgestellt haben und weil Ihnen die öffentliche Kritik um die Ohren fliegt. Das ist der Grund, warum wir heute hier stehen: Stillstand auf allen Ebenen und blumige Reden.

(Beifall bei der SPD)

Auch vor dem Hintergrund der Entwicklung der Privatschulen, was uns wirklich mit Sorge erfüllt, finde ich Ihre Worte zynisch. Sie haben auch die Untersuchungen gelesen, dass es gerade Ihre Anhänger sind, Frau Senatorin Goetsch, die individuell entscheiden, ihr Kind auf einer Privatschule anzumelden. Das erste Mal hat Hamburg eine grüne Schulsenatorin und die grünen Wählerinnen und Wähler treffen individuell die Entscheidung, sich aus dem öffentlichen Schulsystem zu verabschieden. Ist das etwas, worauf Sie stolz sind oder bringt es Sie vielleicht nicht zum Nachdenken, dass es an Überzeugung mangelt für das, was Sie hier vorschlagen?

(Beifall bei der SPD)

Zeitgleich zur heutigen Debatte gab es auch die Meldung, dass die Eltern der Max-Brauer-Schule für ihre Schule demonstrieren.

(Glocke)

Sie selber haben sich jahrelang mit den Ergebnissen dieser Schule gebrüstet. Eine Schule, die über Hamburg hinaus ein Vorbild für eine Schule für alle ist, wie wir sie uns alle wünschen, wird zerschlagen, wird zerteilt, sie wird geopfert auf dem Altar

dieser schwarz-grünen Koalition. Auch das ist ein Armutszeugnis. – Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Ein Wort, bevor ich fortfahre. Die Geschäftsordnung sieht vor, wenn die Glocke erklingt, den Redefluss zu unterbrechen.

Jetzt rufe ich die Abgeordnete Heitmann auf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich vor einigen Monaten zur Schulreform gesprochen habe, da kam von Ihnen, liebe SPD, der Vorwurf, unsere Senatorin würde völlig überstürzt eine Reform durchziehen und dabei niemanden in dieser Stadt mitnehmen. Ich habe Ihnen damals schon erläutert, dass aus meiner Sicht wohl nie zuvor eine Behörde die Schulen in den Reformprozess so sehr mit einbezogen hat wie diese Senatorin, indem sie Schulentwicklungskonferenzen veranstaltet und sich tagtäglich mit Eltern und Lehrern zusammensetzt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Auch jetzt hat sich wieder gezeigt, dass diese Senatorin auf die Schulen eingeht. Sie bekommen ein Jahr mehr Zeit zur Umsetzung ihrer Reformen, aber all jene Schulen, die es wünschen, dürfen auch schon ab 2010 längeres gemeinsames Lernen bis Klasse 6 umsetzen. Auch wenn Sie das zu suggerieren versuchen, so ist es kein Skandal in irgendeiner Form, wenn die Senatorin auf die Wünsche und Ängste in dieser Stadt eingeht und den Schulen bei der Umsetzung ihrer Reformen Flexibilität zugesteht.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Liebe SPD, es ist ein Skandal, wenn in dieser Stadt rund 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler jedes Jahr ohne Abschluss die Schule verlassen.

(Ingo Egloff SPD: Das finden wir auch!)

Besonders Schüler mit Migrationshintergrund werden heute schon früh aussortiert. Durch das Hinabgereichtwerden in unserem Bildungssystem wird ihnen jegliche Motivation genommen und sie resignieren. Ich möchte, dass das langfristig anders wird.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Wir auch!)

Ich möchte, dass Hamburgs Schülerinnen und Schüler in Zukunft nicht mehr die im Frontalunterricht auswendig gelernten Dinge wiedergeben müssen und dass, wer dabei im Tempo nicht mitkommt und die meisten Fehler macht, nach unten durchgereicht und zum Verlierer abgestempelt wird. Ich möchte, dass Hamburgs Schülerinnen

(Britta Ernst)

und Schüler in Zukunft mit Lust auf Lernen in die Schule gehen und jeder und jede in seinem Tempo lernen und dabei auch Fehler machen kann, denn aus Fehlern lernt man am besten.

(Michael Neumann SPD: Aber nicht bei der Schulreform! – Dr. Andreas Dressel SPD: Nur der Senat nicht!)

Deshalb verzeihe ich Ihnen, dass Sie den Fehler gemacht haben, zur Aktuellen Stunde so einen unpassenden Titel zu wählen. Aber vielleicht lernen Sie daraus und sind beim nächsten Mal schlauer.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Schneider.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident, Frau Senatorin! Ihnen, Frau Senatorin, möchte ich zurufen:

"Traut nicht dem Pferde, Trojaner! Was immer es ist, ich fürcht' die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen."

(Harald Krüger CDU: Da sieht man, Bildung zahlt sich aus!)

Sie wissen wahrscheinlich, wie die Sache mit dem Danaergeschenk ausging: Troja fiel. Ich fürchte, das Positionspapier der CDU Hamburg zur Schulstrukturreform, mit dem ich mich hier auseinandersetzen will, ist genau ein solches Danaergeschenk. Weithin wurde dieses Papier dahingehend interpretiert, dass es die massive Kritik aus den Reihen der CDU zum Schweigen bringt und die von Ihnen eingeleitete Schulreform unterstützt. Tatsächlich unterminiert es die Ansätze dieser Reform, bevor sie auch nur annähernd umgesetzt werden konnte.

Zwar trägt die CDU in ihrer Positionsbestimmung zunächst einmal den großen Problemen Rechnung, wenn zum Beispiel die Rede davon ist, dass die soziale Herkunft zu sehr den schulischen Erfolg bestimme, wenn vom hohen Anteil sogenannter Risikoschüler die Rede ist oder von den Brüchen in der Lernentwicklung in der fünften und sechsten Jahrgangsstufe. Das überrascht auf den ersten Blick, ist es doch ein Eingeständnis, dass das herrschende Schulsystem versagt hat, ein Schulsystem, das eine Kultur der Selektion und der Defizitorientierung pflegt und Außenseiter produziert. Aber welche Schlussfolgerung zieht die CDU und wie passt sie mit dem zusammen, was die Schulsenatorin will? Dazu drei Punkte.

Erstens: Unter der Überschrift "Stärkung der Gymnasien" fordert die CDU den grundsätzlichen Erhalt sämtlicher Gymnasialstandorte,

(Wolfgang Beuß CDU: So ist es, Frau Schneider!)

lehnt Oberstufenzentren ab und stellt die Bewahrung der Gymnasien mit besonderem Profil und Tradition in den Mittelpunkt. Dabei legen die Formulierungen des Positionspapiers durchaus nahe, dass die CDU eine Ausnahmeregelung für die humanistischen Gymnasien betreibt.

(Wolfgang Beuß CDU: Wo steht denn das, Frau Schneider?)

Der zweite Knackpunkt der Reform lautet: Wie verhält es sich mit der Primarschule, insbesondere mit den Klassen 5 und 6. Neben möglichen Ausnahmen für die humanistischen Gymnasien wollen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, alles tun, um längeres gemeinsames Lernen zu unterminimieren beziehungsweise zu verhindern. Damit gehen Sie geradewegs auf den Kerngedanken der Primarschule los. Wenn Sie entgegen den Festlegungen in der Koalitionsvereinbarung vom Prinzip des regionalen Anmeldeverbundes abweichen und den Eltern ermöglichen wollen, eine Primarschule mit dem Profil ihrer Wahl, unabhängig vom Wohnort, auszuwählen, dann sind die Folgen absehbar. Die soziale Auslese wird verschärft, denn die sozial Benachteiligten werden sich mehr als zuvor in den Schulen in den benachteiligten Stadtteilen konzentrieren und sie werden dabei einsamer sein.

Drittens: Ganz schlimm wird es bei der CDU bei der Frage der Unterrichtsorganisation an der Primarschule. Zunächst heißt es in dem Papier etwas unbestimmt – Zitat –:

"… dass auf eine äußere Leistungsdifferenzierung nur dort verzichtet wird, wo eine nachweislich mindestens im gleichen Umfang erfolgreiche Binnendifferenzierung sichergestellt ist."