[Antrag der Fraktion der SPD: Kinderlärm gehört dazu: Kitas und Kita-Ausbau für Eltern und Kinder sichern – Baunutzungsverordnung (BauNVO) ändern – Drs 19/1902 –]
[Antrag der Fraktionen der CDU und GAL: Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten ermöglichen! – Drs 19/2024 –]
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir uns hier jahrelang immer wieder mit den gleichen Problemen zu beschäftigen haben, liegt nicht daran, dass uns nichts Besseres einfiele, sondern es liegt in vielen Fällen einzig und allein daran, dass dieser Senat nichts dafür tut, die Probleme zu lösen.
Der Zusammenhang Kinder und Lärm hat uns an dieser Stelle vor gut drei Jahren zum ersten Mal beschäftigt, als die Kita "Marienkäfer" aus ihren Räumen vertrieben wurde. Sie von der CDU durften damals noch allein regieren und haben entgegen der Kritik aller Fachleute – einer sitzt jetzt bei Ihnen sogar auf der Senatsbank – versucht, das Problem für die Zukunft dadurch zu lösen, dass Sie einen neuen Paragrafen im Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz beschlossen haben. Der erwies sich dann wenig später als völlig wirkungslos, als es nämlich um einen neuen
Standort für die Kita "Marienkäfer" ging. Um diese Peinlichkeit damals zu vertuschen, hat der Senat eine neue Peinlichkeit hinzugefügt, indem er am neuen Standort eine Lärmschutzwand vor der Kita finanzierte. Ein Kollege hier im Haus fasste den Vorgang damals in einem treffenden Satz zusammen. Er sagte: Sie bekommen es nicht einmal hin, eine stinknormale Kita in einem stinknormalen Wohngebiet zu planen. Wir haben in den vergangenen Monaten gesehen, dass dieser legendäre Satz von Staatsrat Christian Maaß auch heute noch gilt.
Nun hat der Staatsrat neben dem damals wie heute zuständigen Herrn Wersich die Aufgabe, das Problem zu lösen und da sieht es leider auch nicht besser aus als vor drei Jahren. Alle westdeutschen Kommunen haben einen Nachholbedarf in Bezug auf Kindertageseinrichtungen und arbeiten daran, ihn abzuarbeiten. Sie haben in Hamburg eine vergleichsweise gute Versorgung vorgefunden und haben mit Hilfe von Hamburgs Eltern, uns und der GAL das beschlossene Kinderbetreuungsgesetz weiter ausgebaut. Ein nicht unerheblicher Teil des Geldes, das Hamburgs Steuerzahler uns anvertrauen, wird mit unser aller Zustimmung für Hamburgs Kinder verwendet und das ist gut so.
Inzwischen stößt dieser Kita-Ausbau aber überall an Grenzen. Bestehende Einrichtungen sind voll, die Phase der inneren Verdichtung ist vorbei und für Neubauten gibt es teilweise nur schwer Platz, jedenfalls nicht da, wo die Kinder leben und die Plätze gebraucht werden. Über die Kita "Marienkäfer" habe ich schon gesprochen. Sie alle kennen den seit einem halben Jahr ungelösten Fall in Othmarschen in der Reventlowstraße und es gibt inzwischen weitere. Dabei brauchen wir in den nächsten vier Jahren mindestens 5000 neue Kita-Plätze allein im Krippenbereich.
Nun hat bei Ihnen nicht etwa hektische Betriebsamkeit eingesetzt. Als im September die Schließung der Kita Reventlowstraße bekannt wurde, erschien auf dem Elternabend in der Kita der Vertreter des zuständigen Abteilungsleiters der Behörde und erklärte den verunsicherten 40 Elternpaaren, die Behörde könne da nichts machen. In ganz Othmarschen gebe es noch zwei freie Plätze bei Tagesmüttern, ansonsten hätte man einen Vertrag mit dem Kindergarten und nicht mit der Behörde. Das ist zwar formal richtig, Herr Senator, weil hier nun mal das Subsidiaritätsprinzip greift und freie Träger die Kitas betreiben. Das ändert aber nichts daran, dass Sie eine sozialplanerische Verpflichtung haben.
Ich sage es Ihnen noch einmal ausführlich: Gemäß Paragraf 6 Kinderbetreuungsgesetz hat der Senat zu gewährleisten, dass freie Plätze in Tageseinrichtungen in zumutbarer Entfernung zur Wohnung des Kindes vorhanden sind. Stattdessen werden
die Kinder aus Othmarschen seit Monaten in anderen Stadtteilen Altonas auf Kindergärten desselben Trägers verteilt. Es gibt die behördliche Erlaubnis zur Überbelegung der anderen Kitas und jeden Morgen und jeden Nachmittag fahren drei Shuttlebusse von Othmarschen nach Altona-Altstadt. Das ist schon eine gewisse Diskrepanz zwischen Rechtsanspruch und dem Tun des schwarz-grünen Senats.
Nachdem im Oktober 2008 das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigte und die Zulässigkeit einer Kita im geschützten Wohngebiet grundsätzlich infrage gestellt hat, hat der zuständige Bezirksamtsleiter verkündet, man wolle schnell einen neuen Bebauungsplan in dem betroffenen Gebiet machen – so weit, so gut. Diesen Vorschlag der Verwaltung hat die schwarz-grüne Koalition in Altona aber inzwischen abgelehnt. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen hat bekanntgegeben, dass es locker bis April dauern könne, bis man überhaupt einen Aufstellungsbeschluss für einen neuen Bebauungsplan fassen würde; schon wieder eine gewisse Diskrepanz zwischen Wollen und Tun.
All dies spielt sich auf dem Rücken zahlreicher Betroffener ab, der Kinder und der Eltern. Wenn es keine wohnortnahe Kita gibt, dann müssen über Jahre täglich weite Wege in Kauf genommen werden. Das ist Stress, das ist zusätzliches und unnötiges Verkehrsaufkommen, das kostet Nerven und das ist im Grunde eine völlig sinnlose Verschwendung von Lebenszeit.
Die zweiten Betroffenen sind die eben schon genannten Nachbarn. Es ist nicht wirklich ein Vergnügen, in Presse, Funk und Fernsehen als verachtenswerter Kinderfeind dargestellt zu werden, nur weil man sein Lebensumfeld verteidigt. Ebenfalls betroffen sind natürlich die Träger. Wir brauchen sie dringend, weil sie für die Gemeinschaft eine äußerst wichtige Aufgabe übernehmen und der Senat lässt sie in dieser existentiellen Frage weitgehend allein, denn wer soll die 5000 Krippenplätze bauen, die Hamburg in den nächsten Jahren einrichten will, wenn Sie es nicht schaffen, die planerischen Voraussetzungen zu schaffen und den Trägern ein Mindestmaß an Sicherheit zu geben.
Aber Planen und Kita sind offenbar zwei Begriffe, die bei Ihnen in einem Satz nicht so recht zusammenpassen. Sie wissen bis heute nicht einmal, wo in dieser Stadt Kitas gebraucht werden. Vor einem Jahr hatten Sie in der Antwort auf eine Kleine Anfrage immerhin zugegeben, Ihnen seien Nachfrageüberhänge in Altona, Eimsbüttel und der Innen
stadt bekannt. Nachfrageüberhänge bedeutet, dass der Senat irgendwie gemerkt hat, dass KitaPlätze fehlen. Gezielt haben Sie dagegen seitdem nichts getan. Es gibt nach wie vor keine Bedarfsplanung und in Wirklichkeit tun Sie auch weiterhin so, als hätten Sie nichts gemerkt und als gäbe es keine Probleme mit dem Baurecht.
Fast ein halbes Jahr, nachdem die Kita in der Reventlowstraße wieder geschlossen werden musste, nachdem ein halbes Jahr lang täglich 40 Kinder von Othmarschen nach Altona-Altstadt und zurück verbracht werden mussten, teilte der Senat auf meine Kleine Anfrage letzte Woche mit, der zuständigen Behörde lägen derzeit keine Kenntnisse über Eltern vor, die ihre bewilligten Kita-Gutscheine in Othmarschen nicht einlösen könnten. Herzlichen Glückwunsch, Herr Senator. Eine große Hamburger Tageszeitung sucht derzeit Sponsoren für Zeitungsabos für Schulen. Herr Senator, vielleicht reden Sie einmal mit dem Chefredakteur, ob nicht auch ein paar Abos für Behördenmitarbeiter drin sind.
Meine Damen und Herren! Zwischen Kitas und ihren Nachbarn bestehen Interessenkonflikte und die müssen gelöst werden. Die Gerichte lösen sie auf Grundlage der bestehenden Gesetze und die sind zurzeit eher für die Nachbarn und gegen die Kinder. Wir haben Verständnis für die Nachbarn – das haben wir hier alle mehrfach gesagt –, halten aber die Gemeinschaftsaufgabe Kinderbetreuung für wichtiger und deshalb wollen wir die Gesetze ändern. Ich hatte bisher geglaubt, darin seien wir uns einig. Wenn ich allerdings höre, dass die Freie und Hansestadt Hamburg in dem Rechtsstreit in Othmarschen mitgeteilt hat, sie wäre bereit, auch hier für die Errichtung einer Lärmschutzwand die erforderliche Abweichung zu genehmigen, dann bin ich mir da nicht mehr so sicher.
Meine Damen und Herren! Mitte September hatten Sie mit Ihrer schwarz-grünen Mehrheit – übrigens ebenfalls als Zusatzantrag zu unserem Antrag – beschlossen:
"… der Senat wird ersucht, eine Auswertung der jetzigen Rechtslage unter Einbeziehung der in Hamburg erfolgten Urteile vorzulegen."
Eigentlich nicht so schwer, aber vier Monate lang hat Ihr Senat das nicht geschafft. Weiter hieß es in dem Antrag: Der Senat wird ersucht,
"Vorschläge zu verbesserten Regelungen zu erarbeiten, die ein Privilegieren von Kinderlärm gegenüber Gewerbelärm beinhalten
und damit größere Sicherheit für die Planung und den Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen."
Irgendwie scheinen Sie Ihrem eigenen Senat auch nicht mehr so richtig zu trauen, denn Sie fordern mit Ihrem heutigen Zusatzantrag im Prinzip das Gleiche noch einmal. Sie kennen Ihre eigenen Leute besser, aber meinen Sie wirklich, das bringt noch etwas. Dafür, dass Sie ein halbes Jahr lang Zeit hatten und zwei Behörden hinter sich, ist das mehr als dürftig.
Wir legen einen sehr konkreten Antrag vor, der Kitas in reinen Wohngebieten und in besonders geschützten Wohngebieten besserstellen soll. Eine Änderung in der Baunutzungsverordnung kann klarstellen, dass Kitas dort nicht nur ausnahmsweise, sondern regelhaft erlaubt sind. Über die jeweilige Größe wird man sich, wie bisher übrigens auch, im Rahmen des Rücksichtnahmegebots dann unterhalten. Klar ist, dass das nur für die Zukunft greifen kann, also für neue Überplanungen, aber das wäre schon einmal etwas. Vor allem aber würde eine Änderung dort helfen, wo wir noch unsere uralten Hamburger Baustufenpläne haben, denn für die dort zulässigen Nutzungsarten wird die Baunutzungsverordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung herangezogen. Eine Änderung würde also quasi sofort wirken. Das Oberverwaltungsgericht hat dies in seinem Beschluss vom Oktober übrigens noch einmal ausdrücklich bestätigt; das kann jeder nachlesen, Herr Roock. Das ist gewissermaßen der Trick bei der Sache.
Meine Damen und Herren! Für die alten Pläne gilt jeweils die neueste Fassung der Baunutzungsverordnung und die zu ändern würde eine Menge Rechtssicherheit gerade für die Bereiche schaffen, in denen inzwischen wieder mehr Kinder wohnen, aufgrund der alten Baustufenpläne und der jetzt geltenden Baunutzungsverordnung aber keine Kitas zulässig sind. Es wäre schön, wenn Sie sich mit uns gemeinsam in Berlin dafür einsetzen würden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Veit, Sie waren mal wieder so, wie wir Sie kennen. Sie haben viele Probleme angesprochen, aber Sie haben für diese vielen Probleme keine konkreten Lösungen auf den Tisch gelegt.
Wir wenden uns hier einer rechtlich sehr schwierigen und komplizierten Materie zu. Über das Ziel, Kinderlärm zu privilegieren, sind wir uns in diesem Hause einig. Wir sind uns auch darüber einig, alles erdenklich Mögliche für die Kinder in unserer Stadt zu tun, denn sie sind unsere Zukunft.
Allerdings ist die Diskussion um die Benachteiligung von Kindern immer sehr emotional besetzt und da nehme ich mich persönlich auch gar nicht aus. Deshalb sollten wir an sachorientierten Lösungen arbeiten. Dieses Thema eignet sich wirklich nicht für politischen Klamauk.
Ich finde es schade, Frau Veit, dass wir uns im Vorfeld nicht auf einen Interfraktionellen Antrag haben einigen können, ich hatte Sie zwischendurch auch angesprochen. Wir haben mit dem vorliegenden Alternativantrag einen breiteren Ansatz und nicht nur eine Änderung der Baunutzungsverordnung gewählt. Dabei will ich aber noch einmal deutlich hervorheben, Frau Veit, dass eine mögliche Änderung der Baunutzungsverordnung in unserem Ansatz auch enthalten ist. Wir haben in meiner Fraktion schon im letzten Jahr die Änderung der entsprechenden Paragrafen der Baunutzungsverordnung beschlossen, das, was Sie heute vorlegen. Aber wir haben danach diesen Antrag nochmals einer sehr intensiven rechtlichen und politischen Bewertung unterzogen und ich will in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die aufgetauchten Probleme hinweisen. Die Bewertung hat ergeben, dass eine Änderung der Baunutzungsverordnung nur Auswirkungen auf die zukünftigen Bebauungspläne hat; das haben Sie eben auch angesprochen, Frau Veit. Die bereits in Hamburg vorhandenen 970 Bebauungspläne, davon circa 780, die vor 1991 festgestellt worden sind und in denen reine Wohngebiete ausgewiesen wurden, würden davon nicht berührt werden. Und auch, da gibt es wahrscheinlich eine unterschiedliche rechtliche Auffassung, die 17 Baustufenpläne mit besonders geschützter Wohngebietsausweisung wären nicht direkt betroffen.
Es gibt wahrscheinlich unterschiedliche rechtliche Auffassungen, deswegen habe ich vorhin gesagt, wir bewegen uns in einer rechtlich sehr komplizierten Materie.