Protokoll der Sitzung vom 02.04.2008

- Ja, aber er schreit zu sehr.

Noch einmal: Das Schweigen der …

(Glocke)

Herr Abgeordneter, wir wollen uns doch allesamt ein wenig mäßigen.

(Zuruf: Aber alle bitte, ja?)

- Wer war das?

(Dr. Michael Naumann SPD: Wer war das?)

- Dann fängt der Kollege zunächst einmal damit an.

(Frank Schira CDU: Das tut er eben nicht!)

Das Schweigen der Kaufmannschaft, des Senats und der Handelskammer zu China und Tibet ist politisch nicht angemessen und nicht zu akzeptieren und stellt Hamburg ein schlechtes Zeugnis aus. Das ist die Realität. Ich habe in den letzten Wochen aus Ihren Reihen, aus dem Senat, aus der Kaufmannschaft und von der Handelskammer zu diesem Thema nichts gehört. Zeigen Sie mir andere Beispiele.

(Beifall bei der SPD-Fraktion - Kai Voet van Vor- mizeele CDU: Das ist eine total peinliche Vorstel- lung!)

Die Welt schaut auf China und Tibet. China hat die Chance, der Welt ein anderes Gesicht zu zeigen. Ich würde mir von China ein positives Signal wünschen: Schluss mit der Gewalt in Tibet, Aufnahme eines Dialogs und darüber hinaus das, was der Vorsitzende des Sport

ausschusses im Deutschen Bundestag - ich sehe das, Herr Präsident - sich gewünscht hat, nämlich, wie er sagt, im Vorfeld der Olympischen Spiele die Abschaffung der Todesstrafe oder zumindest ein Aussetzen während der Olympischen Spiele und weiterhin eine Amnestie für politische Gefangene und Entlassung aus dem Arrest.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, das Sehen alleine reicht nicht. Ihre Redezeit ist um.

- Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident.

Das wäre eine Botschaft der Hamburgischen Bürgerschaft, die wir, so denke ich, alle unterstützen können. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Fraktionen SPD und GAL - Kai Voet van Vormizeele CDU: Ein Aussetzen also!)

Frau Abgeordnete, wenn Sie das Wort wünschen, sollten Sie sich vielleicht kurz melden. Dann weiß ich, dass Sie es auch wirklich begehren.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ich bin auf der Liste!)

Das alleine reicht nicht. Sie müssen sich ja nicht zwingend nach der Liste verhalten. - Also, das Wort bekommt die Abgeordnete Schneider. Bitte schön.

B D

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Eine Schwarzweißzeichnung der schrecklichen Ereignisse in Tibet und eine einseitige Parteinahme ist weder angemessen noch hilfreich. Ich möchte deshalb mehr Anstrengung auf eine differenzierte Stellungnahme verwenden als insbesondere mein Vorredner von der GAL. Mit der Bewerbung für die Olympischen Spiele hat die chinesische Regierung - wenn auch immer noch in deutlichen Grenzen - den Kurs der Öffnung verstärkt. Jetzt, kurz vor Beginn der Spiele, richtet sich das Interesse der Weltöffentlichkeit mehr denn je auf die Verhältnisse in China. Angesichts der blutigen Auseinandersetzungen in Tibet stehen die Entwicklungsprozesse in diesem bevölkerungsreichsten Land der Welt auf dem Prüfstand. Das gilt natürlich vor allem für die Regierung und die staatlichen Institutionen. Aber das gilt auch für die Oppositionskräfte - dazu einige Bemerkungen.

Die VR China hat sich aus der Erniedrigung kolonialer Abhängigkeit durch das imperialistische Ausland durch einen langen Krieg befreit. Die Niederschlagung des Boxeraufstands auch durch deutsche Truppen und zum Beispiel die Pardon-wird-nicht-gegeben-Rede von Wilhelm II. sind gut hundert Jahre her.

(Dr. Michael Naumann SPD: Das war ein Bürger- krieg!)

Die nationale Unabhängigkeit und damit verbunden die staatliche Einheit gehören zum Grundkonsens der Volksrepublik, deren Erschütterung unabsehbare Konsequenzen hätte. Die Modernisierung des Landes hat in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte gemacht. Nirgendwo anders ist es auch nur annähernd in dem Ausmaß wie in China gelungen, die extreme Armut zu reduzieren.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Was? - Egbert von Frankenberg CDU: Wo leben Sie?)

Zweifellos ist die Modernisierung an dem Punkt angekommen, an dem Menschenrechte für jedermann, soziale und politische Menschenrechte und politische Rechte für die Opposition nicht nur zur Debatte stehen, sondern unabweisbar aktuell und einzulösen sind. Die staatlichen Institutionen - das gilt auch für Tibet und im aktuellen Konflikt - müssen die Menschenrechte einhalten. Dieser Forderung schließen wir uns uneingeschränkt an. Aber ähnlich, wie die regierende Macht sich der kritischen Weltöffentlichkeit stellen muss, müssen das auch die Oppositionsbewegungen. Was in Tibet in den letzten Wochen genau geschehen ist, wodurch die Ereignisse ausgelöst wurden und welcher Dynamik sie unterlagen, ist bisher nicht genau bekannt.

(Harald Krüger CDU: Wie denn auch? - Viviane Spethmann CDU: Warum wohl?)

- Selbstverständlich, das habe ich gar nicht bestritten.

Unbestritten ist, dass die Modernisierungspolitik nicht nur, aber eben auch in der autonomen Region Tibet zu erheblichen Verwerfungen geführt beziehungsweise diese verschärft hat. Nach wie vor sind große Teile der Tibeter von der Entwicklung ausgeschlossen. Unterdrückung und kulturelle Diskriminierung in vielen Bereichen, im Beschäftigungssektor, bei der Bildung, der Versorgung mit Wohnraum oder der Gesundheitsversorgung, bestimmen in erheblichem Maße die Situation der Tibeter und zählen - das ist unstrittig - zu den auslösenden Faktoren der aktuellen Auseinandersetzung.

Aber auf der anderen Seite müssen sich auch die tibetischen Religionsführer, das tibetische Mönchstum, das die Oppositionsbewegung offensichtlich anführt und - so scheint es - auch die Initiative ergriffen hat, der Frage stellen, welchen Kurs sie bei der Modernisierung, der Beseitigung von Armut und nicht zuletzt der Verwirklichung der Menschenrechte steuern.

(Harald Krüger CDU: Das ist unglaublich!)

Die Weltgesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten keine guten Erfahrungen mit Religionsführern gemacht, die sich als Repräsentanten gesellschaftlicher Opposition in die Politik gedrängt haben. Ich erinnere zum Beispiel an Khomeini. Wir wissen alle, was Nationalismus anrichten kann, der zu Religion überhöht wird beziehungsweise sich religiös aufrüstet.

(Harald Krüger CDU: Mann-O-Mann-O-Mann-O- Mann!)

Über religiöse Offenbarung kann nicht diskutiert werden. Ein Staat, der auf religiöser Offenbarung aufgebaut ist, versperrt sich demokratischen Verfahren der Willensbildung.

(Wolfgang Beuß CDU: Was haben Sie eigentlich für eine Offenbarung? - Harald Krüger CDU: Was haben Sie eigentlich für ein Weltbild?)

Auf einen solchen Abweg können - wie die Geschichte gezeigt hat - auch sozialistische Bewegungen geraten, wenn sie sich als Heilsbewegungen missverstehen.

(Dr. Michael Naumann SPD: Mao! - Glocke)

Man kann sagen, dass in der chinesischen Gesellschaft …

Frau Abgeordnete, haben Sie die Glocke eben vernommen?

Ja, ich komme zum Schluss.

Nein, nein. - Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

- Wenn das nicht von meiner Zeit abgeht.

- Natürlich geht das von Ihrer Zeit ab.

- Nein, dann nicht.

Man kann sagen, dass in der chinesischen Gesellschaft die politische Gesinnung wie ein Bekenntnis gehandhabt wurde und wird. Im Modernisierungsprozess der VR China kommt es darauf an, die Verpflichtung auf ein politisches Bekenntnis zu lösen, um zu einem toleranten Meinungsstreit zum Beispiel unter Wahrung der Meinungsfreiheit zu kommen. Gerade in der Trennung der Politik vom Bekenntnis besteht geschichtlich und analytisch die Grundlage der politischen Menschenrechte.

(Glocke)

Frau Abgeordnete, so ist das mit der Zeit. Sie ist jetzt um.

- Ja, ich komme zum Schluss. D