Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

Erstaunlicherweise erreicht uns am heutigen Tag ein Antrag von der CDU und von der GAL, der eine ähnliche Überschrift beinhaltet – "Kultur für alle" – und so ein bisschen ein Abklatsch ist im Zusammenhang mit dem, was wir eigentlich gefordert haben, nur um etliches schlechter. Ich weiß nicht, was das für ein parlamentarischer Stil ist, so etwas zu machen. Und er ist nicht nur etwas schlechter, was nicht das Problem wäre, dann könnte man das wunderbar im Ausschuss behandeln, sondern er ist wesentlich schlechter.

(Farid Müller GAL: Das ist subjektiv!)

Ich will Ihnen einmal zwei Sätze nennen von der CDU und der GAL, die sie dort aufgeschrieben haben. Der eine Satz in der Begründung lautet:

"Es ist positiv hervorzuheben, …"

weil wir das vorher nicht gemacht haben –

"… dass die staatlichen Hamburger Museen und Theater eine differenzierte Preisstruktur anbieten, …"

soweit gut, furchtbar wird es jetzt im Nachsatz –

"… die sozial Benachteiligte am Kulturleben der Stadt nicht völlig ausschließt."

Na wunderbar.

Dieser Satz ist doch ein bisschen peinlich.

(Lachen bei der LINKEN)

Das muss man doch in gewisser Weise in sich spüren.

Das Zweite ist das Petitum selber:

"Der Senat wird ersucht, …"

man weiß noch nicht einmal, in welchem Zusammenhang, in welchen Zeiträumen und so weiter –

"… anhand eines Vergleichs der Kulturpolitik vergleichbarer Städte zu berichten, welche Maßnahmen andere Kommunen erfolgreich ergreifen, …"

alles wunderbar –

"… um Kinder und Jugendliche sowie sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten an das kulturelle Leben heranzuführen."

An das kulturelle Leben heranzuführen.

(Lachen bei der LINKEN und bei Wilfried Buss SPD)

Welcher Oberlehrer, welche herablassende arrogante Art ist eigentlich in diesen Sätzen?

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Gerade zu der GAL, die das mit unterschreiben hat, fällt mir nicht so richtig etwas ein. Am Schluss wird es noch schlechter:

"… ein Gesamtkonzept vorzulegen, das geeignet ist, die kulturelle Teilhabe aller Bevölkerungsschichten zu ermöglichen."

Allgemeiner geht es nicht mehr.

Meine Damen und Herren von CDU und GAL, stimmen Sie einfach der Überweisung des besseren Antrags an die Ausschüsse zu, damit wir dementsprechend in der Lage sind, auch eine gute Grundlage zu schaffen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Heinemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Hackbusch, ich finde, DIE LINKE hat sich heute ein wenig auf gefährliches Glatteis begeben, wenn sie ausgerechnet Berlin als Vorbild heranziehen will. In Berlin, wo Sie gemeinsam mit der SPD regieren, hat gerade in dieser Woche ein Gericht festgestellt, dass die Grundschulen aufgrund des in Berlin bestehenden Personalmangels ihren Ausbildungspflichten nicht mehr in ausreichendem Maße nachkommen und Lehrer zunehmend von den Eltern häusliche Nacharbeit fordern müssen. Also ausgerechnet eine Stadt, in der offensichtlich Bildung und auch kulturelles Wissen nur noch an die vermittelt werden kann, die zu Hause ein funktionierendes Elternhaus haben, ist das Vorbild, mit dem Sie heute arbeiten.

(Beifall bei der CDU – Wolfgang Rose SPD: Bleiben Sie beim Thema!)

Aber wir können uns trotzdem gerne einmal gemeinsam auf den Weg machen und uns Ihr Berliner Vorbild näher anschauen. 2005 hat in Berlin der Senat das von Ihnen zitierte Drei-Euro-Kulturticket eingeführt und 2007 wurden dann immerhin auch 11 000 Billigkarten abgegeben. Damit nutzten rund – wenn man sagt, dass es vielleicht auch Mehrfachnutzer gibt – 1 bis 2 Prozent der Anspruchsberechtigten das Drei-Euro-Ticket. Ich muss sagen: Kulturelle Teilhabe für alle stelle ich mir ein bisschen anders vor.

(Beifall bei Farid Müller und Andreas Wal- dowsky, beide GAL – Dora Heyenn DIE LIN- KE: Die würden sonst nicht teilnehmen!)

Zudem finde ich es auch nicht gerade eine gleichberechtigte kulturelle Teilhabe, wenn das Angebot wie in Berlin offensichtlich nur für die Vorstellungen gilt, die nicht genügend Vollzahler sehen wollen. Bedürftige bekommen also in Berlin nur die Plätze günstiger, die sonst leer bleiben würden.

(Zurufe von der SPD)

Ich muss sagen: Ich kenne dieses Prinzip von den Billigfliegern. Aber das hat doch nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, sondern das ist das Verramschen von Restplätzen. Ich lobe mir da das ganz andere Angebot in Hamburg. Am Schauspielhaus und am Thalia Theater bekommt man als Student oder als Arbeitsloser für 7,50 Euro oder 8 Euro auch Karten für attraktive Vorstellungen,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Wie stel- len Sie sich das bei Hartz IV vor?)

auch für aktuelle Vorstellungen und für die Vorstellungen, die sonst ausverkauft sind, und man muss eben nicht abends warten. Bis eine Stunde vor Vorstellungsbeginn wartet man da, ich habe so et

was einmal in Wien mitgemacht als Student. Da gibt es nämlich ein ähnliches Prinzip. In Hamburg muss man nicht warten und schauen, ob freundlicherweise noch ein paar Restkarten für einen übrig bleiben, sondern man kann ganz regulär auch als Bedürftiger sich die günstigen Karten besorgen und gleichberechtigt am Kulturleben teilhaben.

Man muss also feststellen, dass das Berliner Drei-Euro-Ticket nicht nur gefloppt ist, weil es keiner richtig nutzt, sondern es war eigentlich gar keine Maßnahme kultureller Barmherzigkeit, sondern es war ein Ramschverkauf von Restkarten. Ich glaube, das kann wirklich kein Vorbild, lieber Herr Hackbusch, für Hamburg sein.

Nun gibt es in Berlin seit drei Wochen etwas Neues, nämlich den Berlinpass. Ob der nun besser ist, wollen wir einmal abwarten. Ich habe den Eindruck, der rot-rote Senat in Berlin geht nicht davon aus, dass er wirklich genutzt wird, denn man hat bisher nicht einen einzigen Euro für irgendwelche Vergünstigungen zur Verfügung gestellt, sondern geht quasi davon aus, dass das von den Institutionen irgendwie selber finanziert wird. Es scheint wiederum nicht davon ausgegangen zu werden, dass es wirklich eine rege Inanspruchnahme durch sozial Bedürftige gibt. Ich glaube von daher, dass Ihr Ansatz schon in Ihrem Antrag …

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sagen Sie doch einmal etwas zu Köln!)

Ich glaube, dass Ihr Ansatz völlig falsch ist. Wir brauchen nicht einfach nur günstige Tickets für Bedürftige. Sonst würden auch nicht über 90 Prozent, wie Sie richtig ausgeführt haben, nicht regelmäßig die kulturellen Institutionen nutzen und sonst würden auch nicht die Stadien mit ihren doch sehr hohen Eintrittspreisen voll sein. Sondern wir brauchen ein Heranführen, oder wie Sie es auch immer formulieren mögen, gerade bildungsferner Schichten an die Kulturinstitutionen unserer Stadt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Dazu gehören sicherlich auch entsprechende Preisstrukturen, aber eben auch weitaus mehr. Ich glaube, gerade hierbei haben dieser Senat und diese Bürgerschaft in den letzten Jahren Erhebliches bewegen können. Schon 2004 hat der Senat das Rahmenkonzept für die Kinder- und Jugendkultur verabschiedet mit zig Projekten, die seitdem gefördert worden sind. Der Eintritt in die Hamburger Museen ist seit 2005 für alle Kinder und Jugendlichen kostenlos. Ich glaube, gerade da sind erhebliche Hemmschwellen beseitigt worden. Die Kunsthalle zum Beispiel kooperiert eng mit 15 Schulen aus sozialen Brennpunkten. Wir haben mit dem Klingenden Museum eine erstklassige Einrichtung, die mit dem Umzug in die Elbphilharmonie sicherlich eine noch größere Breitenwirkung erzeugen wird.

Wir haben uns 2007 mit der Initiative "Lebenswerte Stadt" auch gerade der Stadtteilkultur verstärkt zugewendet, die eine ganz wichtige Rolle hat, was gerade das niedrig schwellige Angebot anbelangt. Wir haben das Netzwerk kulturelle Bildung, um Schulen und Künstler zusammenzubringen. Wir haben den Familienpass, der erhebliche Ermäßigungen gerade für Familien bietet. Wir haben in diesem Jahr das Jahr der Künste mit dem Ziel, die ästhetische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in den Schulen zu stärken. Wir haben ab diesem Sommer in 61 Grundschulen die Initiative "Jedem Kind ein Instrument" – mit 7,4 Millionen Euro gefördert in den nächsten vier Jahren – und wir werden ebenfalls ab diesem Sommer die Kinderkonzerte haben in Stadtteilen wie Wilhelmsburg, Jenfeld, Mümmelmannsberg und Altona, um eben gerade dort vor der Eröffnung der Elbphilharmonie das Thema Musik verstärkt in der Stadt zu verankern.

Es gibt viele weitere Punkte, ich bin mir sicher, dass die Senatorin noch einige aufführen wird. Aber auch die längste Liste kann natürlich nicht bedeuten, dass wir an dieser Stelle fertig wären mit unserer Arbeit. Im Gegenteil: Ich glaube, es muss unsere gemeinsame Aufgabe sein – und da gebe ich Ihnen völlig recht –, alle Bevölkerungsschichten noch mehr für Kultur zu begeistern und ihnen die Teilhabe noch einfacher zu machen. Natürlich lernen wir dabei auch gerne von anderen Städten, wenn sie das anders machen als Berlin. Wir haben von daher einen entsprechenden Antrag formuliert, um den Senat zu bitten, einmal eine solche vergleichende Untersuchung zu machen und uns vorzustellen. Danach diskutieren wir gerne mit Ihnen im Ausschuss darüber. Aber ich denke, wir sollten auf der Grundlage von vernünftigen Informationen arbeiten. Das Beispiel Berlin, das zeigt schon der kurze Überblick, funktioniert eben nicht.

Ein Thema noch, Herr Hackbusch, gerade weil Sie die Untersuchung angeführt haben: Wir müssen nicht nur in der Politik überlegen, wie es uns gelingen kann, bildungsferne Schichten besser an die Kulturinstitutionen heranzuführen. Ich glaube, dass auch bei der Konzeption und bei der Umsetzung von Ausstellungen und Spielplänen stärker diejenigen in den Blick genommen werden müssen, die eben nicht zur kulturellen Bildungselite zählen. Ich erwarte, das sage ich ganz offen, von Kuratoren, Regisseuren und anderen Kulturschaffenden in der Stadt zuweilen einen kritischen Blick auf die eigene Arbeit, ob diese kulturelle Spaltungstendenz in der Gesellschaft nicht eher befördert oder ob sie geeignet ist, zur kulturellen Bildung wirklich breiter Schichten beizutragen.

Das bedeutet natürlich nicht, dass wir kulturelle Arbeit nivellieren wollen und dass sie nivelliert werden darf. Aber ich glaube, dass alle Kulturschaffenden verstärkt Anstrengungen unternehmen müssen, ihre Ideen und Konzepte ganz unterschiedlichen Zielgruppen mit einem ganz unter

schiedlichen Vorwissen verständlich zu machen. Es liegt vor allen noch eine gewaltige Arbeit, damit wir eben über diese 10 Prozent hinaus künftig deutlich mehr Menschen erreichen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat die Abgeordnete Badde.