Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

Ich kann verstehen, Herr Ciftlik, dass Sie trotz allem immer noch irgendwo das Härchen in der Suppe suchen wollen. Trotzdem möchte ich noch einmal deutlich sagen, dass ich mich freue, dass es nach wie vor einen übergreifenden Konsens gibt, dass sich in dieser Frage etwas bewegen muss.

Zu der Kritik, dass alles immer noch als Prüfauftrag formuliert sei: Der Antrag ist sehr differenziert genauso wie der Antrag aus der letzten Legislaturperiode und wenn Sie ihn etwas genauer lesen würden, dann zeigt er im Petitum auch erste Schritte. Aber Sie sehen selber in Ihren eigenen Ausführungen, dass es noch eine ganze Reihe von Punkten gibt, die es zu prüfen gilt. Es ist eben nicht so eindeutig, wie Sie sagen, dass nur das Land Hamburg zuständig sei, sondern es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die auch von der Kultusministerkonferenz noch nicht geklärt worden sind. Es gibt Punkte, bei denen – das hat auch unser Bun

(Senator Dietrich Wersich)

desarbeitsminister deutlich gesagt, wenn Sie ihm bei Ihrer eigenen Veranstaltung zugehört hätten – der Bund zuständig ist.

(Bülent Ciftlik SPD: Das haben Sie nicht ver- standen, das ist etwas ganz anderes!)

Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann kommen Sie nach vorne.

Lassen Sie uns das in Ruhe beraten und genau schauen, wo wir auf Hamburger Ebene etwas machen können. Es hat sich eindeutig gezeigt, dass sich in dieser Frage etwas bewegen muss und wir diese Form der Schätze, die wir brachliegen lassen, nicht mehr länger zulassen können. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Frau Machaczek.

Herr Ciftlik, haben Sie schon etwas von Diskontinuität gehört?

(Günter Frank SPD: Nein!)

Herr Yildiz war auch in der letzten Legislaturperiode nicht dabei. Da haben wir nämlich gesagt, wir werden dieses Thema auf jeden Fall wieder aufnehmen und die CDU war sich sicher, dass sie die Regierung wieder stellen wird. Ich habe damals schon der GAL versprochen, das Thema wieder neu aufzunehmen.

Und das andere ist auch lächerlich. Wir werden im Sozialausschuss das Thema besprechen und andere Ausschüsse einladen, aber der Senat muss diesen Antrag abarbeiten. Das heißt, wir müssen das nicht in jedem Ausschuss machen, sondern wir haben einen federführenden Ausschuss und deswegen ist es absolut lächerlich, wenn Sie sich hier hinstellen und immer nur rummäkeln.

Eine letzte Bemerkung zum Hamburg Welcome Center. Da ist schon eine Richtungsentscheidung gefallen und es wird etwas passieren. Hätten Sie unseren Koalitionsvertrag gelesen, dann wüssten Sie das.

(Bülent Ciftlik SPD: Ja, aha!)

Bleiben Sie entspannt, mäkeln Sie nicht nur rum, sondern unterstützen den Antrag und dann werden wir sehen, was dabei herauskommt. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/1904 in der Neufassung an den Sozial- und Gleichstellungsausschuss zu? – Gegenprobe. –

Enthaltungen? – Damit ist die Drucksache einstimmig überwiesen worden.

Ich rufe Punkt 30 auf, Drucksache 19/1896, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Kultur für alle, kulturelle Teilhabe für alle ermöglichen.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Kultur für alle Kulturelle Teilhabe für alle ermöglichen – Drs 19/1896 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/2046 ein gemeinsamer Antrag der GAL- und der CDU-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktionen der GAL und der CDU: Kultur für alle – Drs 19/2046 –]

Beide Drucksachen möchte die Fraktion DIE LINKE federführend an den Kultur-, Kreativwirtschaftsund Tourismusausschuss und mitberatend an den Sozial- und Gleichstellungsausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? Herr Hackbusch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Opposition wird konkrete produktive Vorschläge präsentieren und nicht nur herummäkeln, sondern vorschlagen, wie diese Stadt besser werden kann. Wir wollen das im Bereich der Kultur genauso machen wie in vielen anderen Bereichen. Die Überschrift, die wir diesem Antrag gegeben haben, lautet: Kultur für alle; Kulturelle Teilhabe für alle Menschen in dieser Stadt ermöglichen. Wir sind der festen Auffassung, dass es Aufgabe und Verpflichtung von Staat und Politik ist, die kulturelle Teilhabe für alle Menschen in dieser Gesellschaft zu ermöglichen, und zwar für alle Institutionen, insbesondere für diejenigen kulturellen Horte in dieser Stadt, die der Stadt gehören und die sie dementsprechend selber organisieren kann und bei denen sie das ermöglichen kann.

Ich denke, es ist unbestritten – auch in der wissenschaftlichen Diskussion, wahrscheinlich auch hier im Haus –, dass es Barrieren gibt für die Kulturstätten in dieser Stadt. Im Besonderen gibt es diese Barrieren bei den wichtigen Museen und Theatern. Die Untersuchungen sagen, dass 50 Prozent der Stadt und mehr dort nie hingehen, 40 Prozent und mehr ganz selten hingehen und dass die sogenannten richtigen Nutzer, die Vielnutzer, etwas über 5 Prozent sind. Dabei nutzen Ältere dieses Angebot um einiges häufiger als Jüngere und es gibt auch eine kräftige soziale Selektion, die alleine schon aufgrund der hohen Eintrittspreise auf der Hand liegt.

(Nebahat Güclü)

(Vizepräsidentin Nebahat Güclü übernimmt den Vorsitz.)

Das – vielleicht sehen wir das einvernehmlich – ist schlecht für die Kultur. Die Kultur hat – das haben wir gemeinsam diskutiert, zum Beispiel auch in den Ausschusssitzungen – häufig eine wichtige Aufgabe als Klammer in dieser Gesellschaft und ist ein Hort von gesellschaftlicher Auseinandersetzung. Das kann sie natürlich unter diesen Bedingungen nur unzureichend erfüllen, damit werden alle Kulturbeflissenen sicherlich übereinstimmen. Sie droht damit sich loszulösen von der Mehrheit der Gesellschaft und ein hoch subventionierter, durchaus hoch künstlerischer Bereich zu werden, in dem sich aber eine eher bestätigende Elitärkultur darstellt und nicht eine Kultur, die sich wirklich mit den Themen und Fragen dieser Gesellschaft auseinandersetzt. Ich halte das für eine wichtige Auseinandersetzung, die man führen muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube – das ist das Zweite –, dass diese Barriere schlecht für die Gesellschaft ist, weil die kulturelle Auseinandersetzung – einvernehmlich auch zwischen allen Parteien diskutiert – wichtig ist für ihren Zustand und für ihre Entwicklung. Zu solchen wichtigen Fragen wie der Organisation von Integration und Diskussion von verschiedenen kulturellen Gruppen in dieser Gesellschaft, fällt einem kaum eine Phantasie ein, zu der nicht Kultur auch einen wichtigen Beitrag liefern muss. Ohne Kultur wird es nicht gehen.

Das Dritte, was ich feststellen möchte, ist: Es ist auch sozial äußerst ungerecht, wenn diese Barrieren existieren, während viele Menschen gerne an dieser Kultur teilnehmen wollen, aber aufgrund der hohen Eintrittspreise daran gehindert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir möchten mit dem vorliegenden Antrag das Thema auf die Tagesordnung setzen und eine grundsätzliche Diskussion über Veränderungen anregen.

(Wilfried Buss SPD: Richtig!)

Dafür haben wir einige konkrete Beispiele und Möglichkeiten angegeben, die ich ausführen will. Das eine ist, dass wir eine umfassende Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung erwarten. Wir haben den Eindruck gewonnen – auch durch die Diskussionen und durch das, was wir in den letzten Jahren praktisch in der kulturellen Diskussion und den Berichterstattungen mitbekommen haben –, dass diese Fragestellung in den Diskussionen äußerst unterbelichtet ist. Die Fragestellung und Diskussion mit den Theatern, inwieweit sie sozial neue Kreise einschließen und einnehmen können, hat bisher kaum stattgefunden. Ich denke, wir brauchen dafür Anregungen. Es ist eine wichtige

Aufgabe dieser Stadt und dieses Senats, sich darum zu kümmern.

Zweitens erwarten wir Verbesserungen durch einige Aktionen, die wir gesehen haben in anderen Städten. Eine dieser Aktionen wäre – zum Beispiel auch angeregt durch die Enquete-Kommission, Kultur für Deutschland einvernehmlich zwischen allen Parteien geregelt – zum Beispiel die Idee, dass es einzelne freie Tage gibt in den Museen, an denen zumindest kein Eintritt bezahlt werden muss und zumindest die Sammlungen umsonst angeschaut werden können.

Städte wie London, Paris und Stockholm haben damit herausragende und gute Ergebnisse erzielt und haben festgestellt, dass es völlig neue Kreise und viel mehr Menschen gibt, die dann dort hingehen. Es gibt Städteführer, die Städte anführen, wo so etwas möglich ist. Hamburg wird dabei nicht aufgezählt. Es gibt gegenwärtig einen Versuch in Köln, so etwas durchzuführen, und wir sind gespannt, die Erfahrungen, die damit gemacht worden sind, im Sozialausschuss und im Kulturausschuss betrachten zu können.

Wir wollen darauf hinweisen, dass das sicherlich auch im Sinne der Spender ist, von denen viele auch die Sammlungen, zum Beispiel der Kunsthalle, zusammengestellt haben und der Stadt gespendet haben, und sie den wichtigen Anspruch haben, dass möglichst viele Menschen dieser Stadt diese Bilder sehen können, und es dementsprechend im Sinne der Spender ist, wenn wir solche UmsonstTage organisieren.

Das zweite Beispiel ist das Beispiel aus Berlin. Dort wird ein Experiment gemacht mit dem sogenannten Berlinpass, mit dem man in der Lage ist, für 3 Euro diejenigen Plätze in allen Theatern und Opern zu erwerben, die frei geblieben sind bis eine Stunde vor der Vorführung. Also für 3 Euro können diese Plätze abgegeben werden, an diejenigen, die sozial schwach sind. Festzustellen anhand des Besitzes eines Berlinpasses. Das ist ein bisschen analog zu dem, was wir als Sozialpass gegenwärtig auch haben, und könnte in dem Zusammenhang mit entwickelt werden.

Ich finde es auch ein interessantes Experiment, was eigentlich mit Kultur passiert, wenn wir in der Lage sind, damit neue Menschen ansprechen zu können und die Kulturstätten dieser Stadt dementsprechend öffnen zu können. Dieser Berlinpass wird übrigens nicht nur benutzt für Theater und Museen, für die Hochkultur, sondern auch für viele andere Einrichtungen, die man dann nutzen könnte und die für die Teilhabe der sozial Schwachen in dieser Gesellschaft ein wichtiges Moment sein könnten.

Ein letztes Beispiel, das ich anführen möchte, nur als Anregung dazu, ist ein Experiment in den USA in New York. Es ist relativ weit verbreitet:

"pay-as-you-can" – bezahl, was Du kannst. Das ist eine Möglichkeit. Die kleineren Institutionen wie das Norwegerheim oder die Elfen im Park, wenn Sie diese Institution kennen, die damit arbeiten, sammeln im Hut und jeder soll das geben, was er kann. Das Schauspielhaus hat ein solches Experiment schon probiert im Dezember mit der "Marat"-Aufführung, wo man gesagt hat: Bezahl, was Du kannst. Ich fand es ein unheimlich interessantes Experiment. Es gab einige Auseinandersetzungen dazu. Die Verantwortlichen im Schauspielhaus haben mir dargestellt, dass sie das als ein erfolgreiches Experiment bilanziert haben und eine gute Möglichkeit finden, die man weiter ausbauen kann.

Das sind drei Anregungen, die wir geben wollen, die man aber sicherlich noch genauer besprechen sollte. Wir sollten auch überlegen, diese Angebote nicht nur für sozial Schwache, sondern auch für Rentner anzubieten. Dazu gab es Kleine Anfragen, die einige Anregungen geben, dass noch einiges zusätzlich zu machen ist. Das Gleiche betrifft, inwieweit eigentlich die Regelung für Kinder und Jugendliche weiterhin aufrecht erhalten werden kann, die in der Stadt existiert, dass sie gegenwärtig umsonst in die Museen hineinkommen können.

Schwarz-Grün sollte angesichts der Diskussion um die Elbphilharmonie versuchen, sich auch als kulturelle Kraft für alle zu profilieren in dieser Stadt und dementsprechend Anregungen in dieser Richtung gerne aufnehmen und versuchen, das mit uns gemeinsam entwickeln zu können.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Soweit die Überlegungen inhaltlicher Art. Wir haben jetzt eine Situation, in der wir denken, dass es parlamentarisch ordentlich und vernünftig ist, dass wir nicht altklug die Vorschläge machen und das abstimmen, sondern dass wir gemeinsam diese Vorschläge überlegen und im Kulturausschuss darüber diskutieren, was eigentlich die besten Ideen dafür sind. Diese Punkte, die ich genannt habe, waren nur als Anregung im Petitum vorgesehen und wir sollten im Ausschuss darüber – das war unsere Überlegung – diskutieren, was eigentlich die beste Art und Weise wäre, das zu machen. Ich halte diesen Vorschlag insgesamt für den besten Vorschlag.

Erstaunlicherweise erreicht uns am heutigen Tag ein Antrag von der CDU und von der GAL, der eine ähnliche Überschrift beinhaltet – "Kultur für alle" – und so ein bisschen ein Abklatsch ist im Zusammenhang mit dem, was wir eigentlich gefordert haben, nur um etliches schlechter. Ich weiß nicht, was das für ein parlamentarischer Stil ist, so etwas zu machen. Und er ist nicht nur etwas schlechter, was nicht das Problem wäre, dann könnte man das wunderbar im Ausschuss behandeln, sondern er ist wesentlich schlechter.