Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wir, das wird Sie nicht wundern, finden dieses Projekt der Einführung der Stadtbahn einen Schritt nach vorne. Es ist auch von der Kollegin Frau Timmermann von der SPD schon darauf hingewiesen worden, dass es hier sicherlich keine grundsätzlichen Differenzen gibt.

Ich möchte der GAL und Ihnen, Frau Gregersen, ausdrücklich zustimmen, dass es bei der Stadtbahn um die Ökologisierung des Verkehrs, vor allen Dingen des Stadtverkehrs, geht. Ich würde die Frage von Herrn Lafrenz, ob das damals ein Fehler war, eindeutig bejahen. Wir wären heute auch in Hamburg einen Schritt weiter, wenn wir dieses Verkehrsmittel Straßenbahn weiter entwickelt hätten. Wenn man es unter ökologischen Gesichtspunkten betrachtet, ist die Straßenbahn in vielerlei Hinsicht, wenn wir einmal das Fahrrad ausklammern, eines der wichtigsten Verkehrsmittel bei dem Projekt der Ökologisierung des Stadtverkehrs; bei diesem Punkt bestehen überhaupt keine Differenzen.

Trotzdem machen Sie, Frau Timmermann hat es schon ausgeführt, jetzt einen Wechsel auf die Zukunft. Wir haben bislang nichts Konkretes gesehen, Sie haben uns bislang nicht erläutert – ich kann nicht so weit zurückgreifen wie andere –, warum die 2001 abgeschlossene Planung für das Projekt, was schon eine Reihe von Finanzinvestitionen bedeutet hat, nicht teilweise zu aktivieren war. Ich sehe aus den Haushaltsberatungen, dass wir knapp 11 Millionen Euro für dieses Projekt einstellen, damit wir irgendwann vielleicht etwas Handfestes zu sehen bekommen und ich vertraue darauf, dass wir im Rahmen der Ausschussbera

tungen darüber schlau gemacht werden, warum die Trasse und die alte Planung nicht mehr taugten und das neu gemacht werden musste.

Ich möchte, auch wenn wir gestern einen Konflikt hatten, an die Bemerkung von Frau Ahrons beziehungsweise ihrer Koalition erinnern, Sie wollten künftig immer ausschreiben. Sie haben unter dem Druck, dass das nicht weiter verzögert werden soll, kein ordentliches Ausschreibungsverfahren für diesen Planungsprozess gemacht und beauftragen einfach die Hochbahn mit diesen Dingen. Das sind alles Punkte, die noch zu klären sind.

Letzte Bemerkung, Frau Gregersen. Wir sind für dieses Projekt. Wir müssen noch genauer sehen, was dahinter steckt und eine Begründung bekommen. Ich appelliere an die Koalition, auch andere Punkte in der Verkehrskonzeption, bei der Ökologisierung des Verkehrs zu berücksichtigen. Das gilt auch für den Busverkehr, Herr Hesse, und auch für die Lichtanlagenschaltung; das sind alles wichtige Punkte. Auch unsere heutigen Busse können wesentlich ökologischer geführt werden. Uns wäre – Frau Timmermann hat darauf hingewiesen und wir haben durch Anträge versucht, das immer wieder deutlich zu machen – eine größere und engere Verkehrsanbindung von Steilshoop und anderen Randgebieten ganz wichtig. Das wird man nur mit Veränderungen von Busverkehrstakten und anderen Rahmenbedingungen machen können. Das wäre jedenfalls eine vernünftige Zwischenlösung.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich genau wie Frau Timmermann große Zweifel habe, ob Sie das Projekt wirklich so hinbekommen, dass wir 2014 die Straßenbahn benutzen können.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält Senatorin Hajduk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist in dieser Legislaturperiode das erste Mal, dass wir über die Stadtbahn diskutieren. Ich möchte noch etwas dazu sagen, weil es schon ein bedeutsames Projekt ist. Die Stadtbahn erlebt in der Tat weltweit eine Renaissance als leistungsfähiges, umweltfreundliches und auch komfortables Verkehrsmittel. Es ist das Verkehrsmittel, das eine richtige Antwort auf die großen Herausforderungen gibt und da sind – Herr Bischoff, das ist richtig – die ökologischen Herausforderungen nicht die geringsten.

Ich möchte kurz ein bisschen das Geschichtliche in Erinnerung rufen. In den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts haben in der Vorstellung, was eine angemessene Verkehrspolitik sei, um Städte autogerecht zu gestalten, mehr als 60 Städte in Deutschland ihre Straßenbahn komplett abge

(Karin Timmermann)

schafft. Ende der Fünfzigerjahre – daran ist auch schon erinnert worden – fiel in Hamburg auch diese Entscheidung. Es dauerte dann bis 1978, bis die letzte Linie vom Rathausmarkt nach Niendorf über die Hoheluftchaussee stillgelegt wurde.

Wenn man sich das noch einmal in Erinnerung ruft, dann sieht man, dass der Wiederaufstieg der Stadtbahn eigentlich recht unmittelbar danach anschloss. Es war nämlich so, dass in Utrecht und in Nantes 1982 und 1985 im Grunde genommen wieder eine gegenteilige Bewegung losging. Gerade mittelgroße Städte haben in den Achtziger- und Neunzigerjahren die Wiedereinführung der Stadtbahn beschlossen und bewältigt, allerdings nicht nur in den mittelgroßen Städten. Heute können wir in vielen Millionenstädten sehen, dass die Zukunft der Stadtbahnsysteme positiv eingeschätzt wird und neue Systeme in Betrieb genommen worden sind.

Sie haben schon Beispiele genannt und man sieht durchaus, dass gerade französische Städte, natürlich nicht allein, in diesem Fall aufzuzählen sind. Ich möchte hier noch erwähnen, dass immerhin der französische Staatspräsident Sarkozy jüngst zum Thema der Verlagerung von Verkehr erklärt hat, man wolle mittelfristig die Straßenbahnnetze vervierfachen. Das ist schon eine Ansage.

(Michael Neumann SPD: Der verstaatlicht ja auch!)

Wenn man einmal die Leistungen misst, die wir uns davon versprechen können, dann sieht man ermutigende Zahlen. Dort, wo die Tram wieder fährt, wachsen die Fahrgastzahlen. Schon mit der Einführung der ersten neuen Linie sind die Passagierzahlen in Bordeaux, Lyon, Orleans und Nancy um durchschnittlich 30 bis 40 Prozent angestiegen; das ist ermutigend. Besonders herausragend ist die Stadt Straßburg. Zehn Jahre nach der Wiedereinführung waren dort bereits 24 Kilometer Gleise verlegt und der Fahrgastzuwachs betrug 85 Prozent im gesamten Nahverkehr der Stadt. Das sind natürlich beeindruckende Zahlen.

Wodurch punktet denn eine Stadtbahn? Es ist tatsächlich auch die Wirtschaftlichkeit gegenüber Untergrundbahnen, denn die Herstellungskosten pro Kilometer betragen in der Tat nur ein Fünftel. Die Abgeordnete Frau Gregersen hat auch auf diesen Punkt der Finanzierung hingewiesen.

Für die Stadtbahn sprechen ganz konkret inhaltliche Punkte: der leichte, quasi barrierefreie Zugang, kurze Haltestellenabstände, ein dichter Takt und durch die hohe Laufruhe eine geräuscharme Fahrweise auf eigener Trasse. Im Vergleich dazu hat die Stadtbahn höhere Kapazitäten, die über 40 Meter langen Kabinen können mehr als 270 Fahrgäste fassen.

Auch die Betriebskosten sind geringer, die Umwelteigenschaften – das ist hier erwähnt worden –

sind ausgesprochen positiv. Gegenüber Bussen haben wir eine höhere Geschwindigkeit und eine höhere Zuverlässigkeit. Die Stadtbahn kann mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von immerhin 29 Kilometern fahren. Das ist attraktiv für diejenigen, die sie nutzen.

Überall dort, wo die Stadtbahn in den letzten Jahren neu Einzug gehalten hat, wurde ihre Realisierung mit einem umfassenden Gestaltungsansatz verknüpft. Die Stadtbahn ist somit auch ein Teil einer neuen Mobilitätskultur, denn sie ist technisch sehr weit fortentwickelt, verbunden mit einem zeitgemäßen Design. Es sind nicht mehr die rumpelnden Waggons, die Züge haben sich verändert, was die Attraktivität für die Fahrgäste erhöht. Aber sie ist eben auch ein wirklicher Frequenzbringer für Geschäftsbereiche. In vielen Städten gelang eine regelrechte Wiederbelebung des Einzelhandels durch die Einführung der Stadtbahn.

In Hamburg wollen wir damit auch ein anderes Problem lösen, nämlich die Anbindung von manchen Großsiedlungen an ein schienengebundenes Netz. Deswegen fangen wir in Bramfeld an und wollen damit Steilshoop an ein Schienensystem anbinden. Das ist in der Tat lange überfällig, das haben alle Fraktionen erklärt und festgestellt.

(Beifall bei der GAL, der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte jetzt etwas zur Auswahl der Linie sagen. Wir haben eine erste Linie ausgewählt und ich glaube, die Erschließung der City-Nord ist auch eine Stärke dieser Linie. Die Fachleute nennen das eine sogenannte Tangentiallinie, wenn wir uns einmal vorstellen, dass sie von Altona nach Bramfeld führt; man kann das noch weiterdenken bis nach Rahlstedt. Die Notwendigkeit einer solchen Linie wurde schon 1991 im Verkehrsentwicklungsplan als Teil der ersten Realisierungsphase einer Stadtbahn empfohlen.

Wo sind wir heute? Die CDU und die GAL haben im Mai die Einführung einer Stadtbahn im Koalitionsvertrag vereinbart. Wir haben dann im Herbst die Hamburger Hochbahn mit der Durchführung der Planung beauftragt und, Herr Bischoff, wir haben das gemacht, weil wir das für eine gute Lösung halten. Man hätte auch ein anderes Verfahren wählen können. Wir haben dieses gewählt, weil es uns möglich ist, die 100-prozentige Tochter damit zu beauftragen. Ich glaube, im Sinne einer guten Verwirklichung und auch der Nutzung von Synergien im Hamburger ÖPNV ist das eine gute Entscheidung. Dazu stehe ich ausdrücklich.

(Beifall bei der GAL, der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben nicht nur die Hochbahn damit beauftragt, sondern wir haben das Zielnetz auch im Herbst, also einige Monate nach dem Koalitionsvertrag, bestimmt. Gegenstand dieses Zielnetzes

(Senatorin Anja Hajduk)

ist auch – das ist angesprochen worden – die Anbindung von nordöstlichen Stadtteilen Hamburgs und die Weiterentwicklung der Linie ins Zentrum Hamburgs. Es ist nicht so, dass alte Planungen nichts mehr wert sind. In dieses Zielnetz sind alte Planungen mit eingeflossen. Wir haben jetzt nur entschieden, welches die erste Stammstrecke sein soll. Da haben wir ganz nüchtern nach den Zahlen geschaut. Wo erwarten wir die höchsten Fahrgastzahlen? Dabei hat sich die Strecke Richtung Altona durchgesetzt. Ich bin überzeugt davon, dass ein sinnvolles Stadtbahnnetz solch ein großes Zielnetz braucht, wie wir es insgesamt haben. Aber man muss den richtigen Anfang machen und ich glaube, da sind die Argumente durchaus überzeugend.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Insofern haben wir nur einige Monate nach der Zielnetzentscheidung jetzt im Januar tatsächlich die Entscheidung für die erste Stammstrecke getroffen.

Gegenwärtig werden weitere Entscheidungen zu grundlegenden technischen Systemparametern und zur Vergabe der Generalplanleistungen vorbereitet. Wir streben an, die Vorentwurfsplanung und die Erstellung der Planfeststellungsunterlagen bis Mitte 2010 abzuschließen. Auch das ist schon ein ehrgeiziger Zeitplan, weil dieses Projekt ein sehr großes ist. Darauf soll das Planfeststellungsverfahren folgen.

Dies macht deutlich, dass wir in diesem Hause, aber auch in den Ausschüssen, noch öfter über das Thema Stadtbahn zu diskutieren haben werden, weil darin viel Arbeit steckt. Ich möchte abschließend sagen: Wir haben das Projekt Stadtbahn keine zehn Monate nach der Regierungsbildung schon ganz gut auf die Schiene gesetzt. Ich bin aber insbesondere froh, dass eine so weitreichende Systementscheidung auch in finanzieller Hinsicht gemeinsam in diesem Parlament getragen wird, und ich möchte mich ausdrücklich bei den Oppositionsfraktionen dafür bedanken, dass Sie das unterstützen. Bei einer so weitreichenden Systementscheidung für die Stadt bin ich als Senatorin froh, wenn ich auch den grundsätzlichen Rückhalt von Ihnen habe.

(Michael Neumann SPD: Das gilt auch in der Bildungspolitik!)

Ich sage es gerne, Frau Timmermann: Wenn wir zwei Wochen oder wann auch immer vor einer Wahl in 2012 den ersten Spatenstich geschafft haben, dann lade ich insbesondere Sie ein und gebe Ihnen einen aus.

(Beifall bei der GAL, der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die Geschäftsordnung sieht in der Aktuellen Stunde eine fünfminütige Re

dezeit für Abgeordnete vor. Auch in Kenntnis des Artikels 23 Absatz 2 der Hamburgischen Verfassung halte ich fest, dass die Redezeit der Senatorin 200 Prozent dieser Redezeit für Abgeordnete betragen hat. – Ich rufe jetzt auf den Abgeordneten Hesse.

(Michael Neumann SPD: Abstimmungshes- se!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Thema Stadtbahn kann man sagen, dass sie auf einem guten Weg ist. Wir stehen vor einer Wiedereinführung der Stadtbahn in Hamburg und ich freue mich, dass das alle im Parlament heute begrüßt haben. Es ist der richtige Schritt zur richtigen Zeit und wir sollten diesen jetzt auch konsequent weitergehen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Zeiten ändern sich, Prioritäten ändern sich und Anforderungen ändern sich. Deswegen mache ich der SPD jetzt nicht zum Vorwurf, dass sie 1978 die Stadtbahn abgeschafft hat,

(Heiterkeit bei der SPD)

die wir in Hamburg hatten, und das Konzept nicht fortentwickelt hat. Was ich Ihnen vielleicht zum Vorwurf machen könnte, wäre – aber das fällt auch ein bisschen auf uns zurück –, dass Sie anders, als Sie das eben dargestellt haben, Frau Timmermann, nie ernsthaft auch in der Koalition mit den Grünen versucht haben, die Stadtbahn wieder einzuführen.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Ingo Egloff SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Denn wenn wir ehrlich sind und uns an das Jahr 2001, liebe Frau Timmermann, zurückerinnern und die Gespräche von Herrn Schmidt, der häufig mit Eugen Wagner zusammen saß und darüber gesprochen hat, noch in Erinnerung haben und seine Beiträge hier,

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Was hat er gesagt?)

dann wissen wir doch ganz genau, dass die Grünen im Jahre 2001 – ich erinnere mich noch an die Plakate – sehr bewusst plakatiert haben: "Stadtbahn nur mit uns", weil sie genau wussten, dass das mit der SPD nicht zu machen ist und nur mit den Grünen in der Regierungsverantwortung dieses Projekt auch ernsthaft weiterverfolgt wird. Das scheinen Sie momentan auszublenden, Frau Timmermann. Das gehört aber zur Wahrheit leider dazu.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Michael Neumann SPD: Das ist genau wie jetzt!)