Protokoll der Sitzung vom 03.03.2009

solvent ist, war, dass wir zustimmen mussten, dann die Altlasten selber zu tragen. Aber das war ein Geschäftsabschluss unter Druck, das war mit aufgesetzter Pistole, da hatten wir keine Wahl. Da Sie so etwas verteidigen, kann ich nur sagen, dass Sie Parteipolitiker sind und nicht gewählter Volksvertreter von Hamburger Bürgerinnen und Bürgern.

(Glocke)

Diesen Vorwurf müssen Sie sich wirklich machen lassen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Herr Kerstan, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Böwer?

– Aber natürlich, Herr Böwer.

Herr Kerstan, wir reden gerade über das Finanzstabilisierungsgesetz. Können Sie dem Parlament bitte mitteilen, wann das im Bundesrat und im Bundestag beschlossen wurde?

– Ich kann Ihnen jetzt nicht genau sagen, wann es beschlossen wurde.

Ich glaube, das Entscheidende ist, dass in dem ersten Entwurf keine Hilfen für Landesbanken vorgesehen waren und dann durch Intervention der Länder, auch dieses Senats, eine Komponente aufgenommen wurde, die geholfen hat, dass diese Bank jetzt überhaupt noch am Leben ist. Dann können Sie uns doch nicht sagen, dass, wenn wir im Grunde genommen erpresst wurden, wir freiwillig zugestimmt haben. Da machen Sie es sich wirklich sehr einfach.

Ich will Ihnen noch etwas sagen. Als wir diese Liquiditätshilfen beantragt hatten, kam noch einmal der Bund und hat gesagt, jetzt schieben wir noch einmal zwei, drei Bedingungen nach, sonst entziehen wir euch das Geld wieder. Selbst die 10 Milliarden Euro wären ab dem 24. Februar weg gewesen, wenn wir diesen Beschluss, den Sie so vehement kritisieren, nicht getroffen hätten. Dann würden wir wieder nicht darüber reden, ob man die Bank retten soll oder nicht, sondern dann wäre sie pleite mit allen Konsequenzen. Auch da würde ich erwarten, dass ein Hamburger Abgeordneter das nicht verteidigt, sondern sich in die Bresche wirft, um Schaden von Hamburg abzuwenden, und dass Sie dazu nicht bereit sind, ist wirklich ein Trauerspiel.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Sie sind ein Patriot, Herr Ker- stan, wir sind stolz auf Sie!)

Wenn ich dieses Gerede schon höre, dass dann doch die Altaktionäre das Risiko tragen sollen. Das habe ich schon einmal gehört und wissen Sie, wann? Das war im Herbst 2008 die amerikanische Regierung, als sie gesagt hat, dass sie eine Bank pleite gehen lässt – das war nämlich Lehman –, damit die Eigentümer merken, dass die Regierung sie nicht immer herausholt. Wir alle wissen, dass das ein schwerer Fehler war. Das war der Punkt, an dem in den Finanzmärkten den Banken weltweit das Vertrauen verloren ging und danach überhaupt keine Bankgeschäfte mehr möglich waren und wir vor der Situation standen, dass das weltweite Bankensystem vor dem Kollaps stand. Das ist genau die verfehlte falsche Argumentation und Sie entblöden sich nicht – tut mir leid –, diese Argumentation bei der HSH Nordbank jetzt zu wiederholen. Damit diskreditieren Sie sich selbst und zeigen, dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, in welcher Situation wir im Moment sind. Herr Tschentscher, dass das die Bundesregierung macht, ist schlimm genug. Aber dass Sie das als Hamburger Abgeordneter machen, damit tun Sie Hamburg keinen Gefallen

(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Gleich fangen wir an zu heulen!)

und einzig und allein, um parteipolitische Punkte zu machen und es vielleicht doch noch hinzubekommen,

(Glocke)

dass dieser Finanzsenator zurücktritt, und das in einer solchen Krise.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Dressel?

– Herr Dressel.

Herr Kerstan, haben wir Sie denn an unserer Seite, wenn es darum geht, dass die Gutachten, die jetzt auch Grundlage dieser Entscheidung sind, der Bürgerschaft vorgelegt werden?

Wir werden Ihnen bei den Beratungen mit Sicherheit die Sachen vorlegen, die uns auch vorgelegen haben, als wir entschieden hatten. Leider waren damals viele Zahlen nicht dabei und wir mussten unter Unsicherheit entscheiden und das lag an der Frist der Bundesregierung. Da würde ich mich über Hilfe von Ihnen in Zukunft freuen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Dann müssen Sie die Hilfe ein- mal anfordern!)

Das Wort bekommt Herr Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir versuchen im Verlauf dieser Generaldebatte einzuordnen, in welchem Zusammenhang wir Haushaltsbeschlüsse fällen und wie diese sich für die nächsten zwei Jahre auswirken. Lassen Sie mich daher zu Beginn bei allen Differenzen, die bislang schon sichtbar geworden sind, wenigstens noch einmal – jedenfalls aus meinem Verständnis – das Gemeinsame hervorheben, was ich sowohl beim Bürgermeister als auch bei Herrn Neumann und Herrn Schira herausgehört habe.

Fakt ist, dass die abschließende Beratung des Doppelhaushalts auf einem Entwurf vom Sommer 2008 basiert; das ist unterschiedlich dramatisch geschildert worden. Aber unstrittig ist, dass sich seither die finanziellen und ökonomischen Rahmenbedingungen gewaltig verändert haben. Bis in die letzten Stunden hinein sind wir mit einer Sturmflut von Hiobsbotschaften konfrontiert worden, ganz egal, ob wir an die Automobilindustrie, also Opel, an die gescheiterte Fusion der Zulieferer Continental und Schaeffler oder etwa, was uns direkt betrifft, an die Schwierigkeiten bei der Ausgliederung der Hapag-Lloyd aus dem Tourismuskonzern TUI denken.

Mehrere große Finanzdienstleister – Herr Kerstan, darauf komme ich gleich zurück –, darunter auch die HSH Nordbank, fordern weitere Milliardenbeträge von staatlicher Seite. Es hat gar keinen Zweck, das nur auf die HSH Nordbank zu begrenzen. Es ist schon ein allgemeines Problem, dass Milliardenbeträge angefordert werden, um überleben zu können. Gleichzeitig, und das sollten wir in der Diskussion nicht vergessen, befindet sich die reale Wirtschaft rund um den Globus seit Monaten auf steiler Talfahrt. In mehreren großen Ländern, darunter Deutschland und die USA, schrumpft die Wirtschaftsleistung so stark wie in den letzten 80 Jahren nicht mehr.

Wir werden 2009 weltweit einen Rückgang der Wirtschaftsleistung sehen. Gerade gestern haben die Weltbörsen vor diesem Hintergrund neueste Tiefstände gemeldet mit einem Wertverlust gegenüber den Höchstpositionen von 2007 von mehr als 50 Prozent. Weltweit steigt die Arbeitslosigkeit und dies zeigt sich auch in Hamburg. Selbst der Wirtschaftssenator – das spielte in der Diskussion schon eine Rolle – hält einen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Hamburg im Jahresverlauf von 20 000 bis 30 000 Menschen für möglich. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger beunruhigt, da stimme ich dem Bürgermeister völlig zu. Das wird auch hier von niemandem bestritten. Vor diesem Hintergrund beraten wir oder entscheiden wir in den nächsten Tagen Ihren Haushaltsplan-Entwurf, der aus dem

(Jens Kerstan)

Sommer 2008 stammt und der, Herr Kerstan, meines Erachtens nur minimale Veränderungen aufweist. Sie treten jetzt larmoyant an und sagen, es habe sich viel geändert und Sie seien ganz beunruhigt. Aber an dem Haushaltsplan-Entwurf haben Sie kaum etwas geändert, ich gehe auf diese Punkte noch ein. Das heißt, Sie haben sich zusammen mit dem Bürgermeister hingestellt

(Jens Kerstan GAL: 550 Millionen Euro sind nichts?)

und Ihr Credo aus dem Koalitionsvertrag verkündet: ein Kurswechsel der Politik in Hamburg für mehr Umweltschutz, mehr Bildung, mehr Sozialpolitik, mehr Förderung von Projekten, mehr Geld für Stadtteilkultur und Kreativwirtschaft. Diese Blase Kreativwirtschaft haben wir uns noch angehört und dieses Credo wird Ihnen doch gar keiner nehmen, dafür regieren Sie doch. Wenn Ole von Beust sagt, die Glaubwürdigkeit hänge daran, dass die Koalition das auch durchziehe, wie immer sich die Lage auch geändert haben mag, dann ist das in Ordnung. Aber Sie müssen sagen, was Sie darüber hinaus real geändert haben, um auf die dramatische Situation einzugehen.

Sie haben drei Punkte geändert. Erstens fordern Sie eine Nachbewilligung für den Bau der Elbphilharmonie von 209 Millionen Euro. Die wollen Sie aus dem Fonds für Investitionsmittel nehmen. Gestatten Sie mir, auf dieses dämliche Argument,

(Wolfgang Beuß CDU: Hey, hey, hey!)

Geld auszugeben sei auch Konjunkturförderung, zu antworten, dass ich dies völlig daneben finde.

Zweitens kommen Sie jetzt mit einem Antrag, und zwar im Galopp, zu einer Schuldenaufnahme von 1,5 Milliarden Euro für eine neu zu gründende Anstalt öffentlichen Rechts, weil Sie damit die HSH Nordbank über Wasser halten wollen. Auf diesen Punkt komme ich gleich noch einmal zurück.

Beim dritten Punkt bitte ich wirklich darum, dass Sie dazu noch einmal Stellung nehmen. Der dritte Punkt ist die Hamburger Konjunkturoffensive. Sie haben es immer noch mit den Offensiven. Es geht um 600 Millionen Euro für die zwei nächsten Krisenjahre; meine Kontroverse mit Herrn Senator Gedaschko bezieht sich darauf. Wissen Sie, was das vom Bruttoinlandsprodukt Hamburgs ist? 0,3 Prozent sind das, großzügig gerechnet, und das bekommen Sie fast zur Hälfte aus Berlin. Jetzt stellt sich Herr von Beust hin und will mir erzählen, 0,3 Prozent hätten einen dämpfenden Effekt. Das kann ich gar nicht nachvollziehen. Ich möchte Ihnen vorlesen, wie Sie das in dieser Drucksache über die Konjunkturoffensive begründen. Zwei Sätze daraus:

"Die Umsetzung der Maßnahmen der Hamburger Konjunkturoffensive 2009/2010 erfolgt weitgehend haushaltsneutral durch Um

schichtungen innerhalb der Einzelpläne und die Erhöhung von Verpflichtungsermächtigungen. Konkrete Mehrausgaben in den Jahren 2009 ff. entstehen ausschließlich für die zusätzlichen vier Mitarbeiter beim Kampfmittelräumdienst in Höhe von 477 Tsd. Euro im Jahr 2009 und in Höhe von 313 Tsd. Euro in den Jahren 2010 ff."

Also noch einmal: Wir dämpfen eine in die Depression übergehende Krise in Hamburg, indem wir nichts machen, indem wir auf die Mittel aus Berlin zurückgreifen und unseren Anteil im Grunde schuldenfinanziert leisten. Und dann stellen Sie sich hin und sagen, was effektiv unter dem Strich herauskomme, seien vier Mitarbeiter beim Kampfmittelräumdienst. Wenn das nicht so trostlos wäre, müssten wir Sie eigentlich als Sieger im Wettbewerb für Realsatire benennen. So etwas Unterirdisches ist wirklich noch nie vorgekommen, sich hier hinzustellen und zu sagen, wir schöpfen das voll aus und machen Dämpfung. Was Sie vorhaben, ist wirklich jämmerlich. Man hat schon über diese Berliner Konjunkturpakete I und II gespottet, aber was Sie jetzt machen, ist völlig daneben.

Die HSH Nordbank und das Systemrisiko spielten in der Diskussion eine Rolle. Es ist in der Tat richtig, dass die Fraktion DIE LINKE von Anfang an gesagt hat, dass sie Ihren Optimismus nicht teile, dass es bei diesen 1,5 Milliarden Euro und den 10 Milliarden Euro Risikoschirm bleibe. Das mache ich schon deshalb nicht, weil ich mich gut daran erinnern kann, dass vor einem halben Jahr Herr Freytag und Sie, Herr Kerstan, gesagt haben, nach 2 Milliarden Euro zusätzlichem Kapitaleinschuss wäre Schluss, das bringe die Bank gewaltig nach vorne. Jedes Argument von SPD und von der LINKEN haben Sie beiseite gefegt. Jetzt – das kommt nicht nur von mir – muss man nur irgendeine der Zeitungen aufschlagen, dann kann man überall die Risiken nachlesen und die Summen, die für das Jahr vorgesehen sind.

Das ist ein Fass ohne Boden und Sie sehen das Ende nicht. Herr Tschentscher hat zu Recht darauf hingewiesen, welche gigantische Summe da abgeschirmt werden soll von komplett toxischen Papieren. Es ist völlig aussichtslos zu glauben, dass man ohne Garantieverpflichtung darum herumkommt. Ich habe mir fast ein Taschentuch herausgeholt, als Sie sagten, man hätte das absichtlich gegen die Wand gefahren und dann wären die Investoren weggerannt und dann wären auf Hamburg innerhalb von wenigen Wochen 22 Milliarden Euro oder mindestens eine zweistellige Summe zugekommen. Das würde ich gerne von Ihnen einmal vorgerechnet bekommen. Wie kommen Sie überhaupt zu der Zahl? Da sind Sie schon im Ausschuss weggerannt. Begründen Sie einmal, wie Sie zu dieser Einschätzung kommen.

Was wäre passiert, hören Sie sich das einmal an? Der entscheidende Punkt war doch, dass Sie Druck aufgebaut und uns die Pistole auf die Brust gesetzt haben. Und wir haben gesagt, okay, dann spielen wir das Ding durch, soll die BaFin diese Bank zumachen. Die BaFin hat schon mehrere Banken zugemacht und unter dem Strich haben sich die Risiken, die dabei herausgekommen sind, ganz anders dargestellt. Das wollen Sie nicht, da sagen Sie von vornherein, dass das alternativlos sei. Ich sage Ihnen einmal, was mindestens dabei herausgekommen wäre, denn diese Heuchelei, Herr Kerstan, ist unerträglich.

(Glocke)

Herr Dr. Bischoff, darf ich Sie bitten, zum üblichen parlamentarischen Sprachgebrauch zurückzukehren? – Vielen Dank.

Jetzt zu dem, was er erzählt, dass das alternativlos war und sich die Abgeordneten nicht für Hamburg stark machen: Wenn Sie die Bankenaufsicht ins Spiel geholt hätten, dann hätten wir endlich das bekommen, was früher oder später sowieso fällig wäre, nämlich alle anderen Landesbanken haben auch toxische Papiere in ihren Depots, bei denen sie nicht wissen, wohin sie damit sollen. Es wird nicht anders möglich sein, als alle Landesbanken unter staatliche Kontrolle zu nehmen.

(Jens Kerstan GAL: Außer der HSH Nord- bank sind das doch schon alle!)

Darauf hätten wir hinarbeiten müssen, weil diese Bank keine Zukunft hat; das wissen alle. Selbst Herr Peiner sagt, wir müssen jetzt Hamburg und Schleswig-Holstein noch ordentlich in die Pflicht nehmen, damit wir die Bank 2011 besenrein übergeben können. Sie werden die Bank nicht besenrein übergeben, das sage ich Ihnen hier, und wir werden noch erhebliche Debatten zu diesem Punkt führen. Es ist grotesk, sich in dieser Weise aufzuplustern. Das mit der Bank ist völlig daneben. Einen Dämpfungseffekt durch dieses Konjunkturprogramm kann ich auch nicht erkennen.

Ich habe mich, Herr Kerstan, gefragt, wie ich mir diese Struktur, die Sie heute noch einmal inszenieren, dass man sagt, man müsse dämpfen, es werde auch ganz schwierig, aber gar nichts tut, vorstellen muss. Warum machen Sie das, diesen Mangel an politischer Beweglichkeit und politischem Gestaltungswillen? Heute hat der Wirtschaftshistoriker Abelshauser in der "Süddeutschen Zeitung" auf die, wie ich finde, kluge Frage geantwortet, ob die Politiker den Ernst der Lage begriffen haben. Abelshauser sagt:

"Die wissen ganz genau, dass sie das Falsche tun, und tun es trotzdem, weil sie

bis zu den Wahlen über die Runden kommen wollen. Das macht mir Angst."

Das gilt für Berlin.