Auch die GAL protestiert regelmäßig, das erkenne ich an, und hält damit auch ihr Image als Bürgerrechtspartei aufrecht. Aber die wichtige Frage, die sich die GAL gefallen lassen muss, lautet: Was passiert eigentlich in Hamburg? Eine auch nur annähernd grundlegende oder wenigstens deutliche Veränderung gegenüber den letzten Jahren ist nicht festzustellen. Der auch in Hamburg betriebene Ausbau zu einem präventiven Sicherheitsstaat auf Kosten der Grund- und Freiheitsrechte ist nicht gestoppt. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist in einem anhaltend schlechten Zustand. Die beiden Polizeigesetze, die als die härtesten in Deutschland bezeichnet werden können, sind ein Jahr nach den Wahlen noch nicht einmal entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasst; das mag dauern, aber ein Jahr ist viel.
Seit Jahren sind die Eingriffsbefugnisse der Polizei ausgeweitet worden, sei es auf dem Gebiet verdeckter Informationsgewinnung, sei es durch immer neue Instrumente bei der Gefahrenabwehr im Vorfeld. Der Umbau des Polizeirechts weg von den Prinzipien des liberalen Rechtsstaats hin zu einem neuen Polizeirecht des präventiven Sicherheitsstaats ist unter Schwarz-Grün nicht gestoppt worden, geschweige denn hat ein Rückbau stattgefunden.
Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Frau Schneider, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche.
Ich habe eine offene Rednerliste. Jeder, der sich jetzt in Zwischenrufen verausgabt, kann sich auch auf dieselbe setzen lassen. Dann ist es sehr viel leiser und Sie haben alle die Chance, ganz ruhig Frau Schneider zuzuhören, und die fährt jetzt fort.
Dankeschön. – Noch nicht ein Mal wurden bisher jedenfalls die neuen Eingriffsbefugnisse der Polizei in Hinblick auf ihre Notwendigkeit und Tauglichkeit für den angegebenen Zweck überprüft. Der gesetzlich vorgeschriebene Bericht über Anlass, Dauer, Umfang, Ergebnis und Kosten bestimmter polizeilicher Maßnahmen liegt, obwohl längst überfällig, immer noch nicht vor. Ein solcher Prüfbericht ist eine Mindestanforderung, gerade weil es bei diesen Maßnahmen um drastische Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte geht. Wir versprechen Ihnen, dass wir Ihnen bei der Novellierung der Polizeigesetze eine harte Auseinandersetzung liefern werden.
Auch die Ausstattung der Polizei mit neuen gefährlichen Waffen geht unter Schwarz-Grün weiter. Nicht nur bleibt der Taser mit seinem hohen Todes- und Missbrauchrisiko unangetastet. Laut einem Bericht von Amnesty International von Dezember 2008 sind in den USA zwischen 2001 und August 2008 334 Menschen infolge des Einsatzes des Taser zu Tode gekommen. Jetzt wird die Hamburger Polizei auch noch mit hoch gefährlichen Stahlknüppeln, sogenannten Teleskopstöcken ausgerüstet, mit denen man laut Gewerkschaft der Polizei Kokosnüsse spalten kann. Aber die Polizei hat nicht mit Kokosnüssen zu tun, sondern mit Menschen und auch mit Menschenköpfen.
Wir wollen, dass die Polizei nicht mit immer neuen Eingriffsbefugnissen und immer gefährlicheren Waffen ausgestattet wird. Wir wollen eine Demokratisierung der Polizei und haben dazu auch einen Gesetzentwurf für die individuelle Kennzeichnungspflicht eingebracht, der im Ausschuss abgelehnt worden ist,
aber immerhin eine Diskussion angestoßen hat. Wir wollen auch eine bessere Ausbildung der Polizei, sowohl zum Beispiel in Bezug auf Grund- und Freiheitsrechte und Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, aber auch in Bezug auf die Ausbildung an den Waffen.
Ich informiere mich manchmal in Polizeiforen. Da wird zum Beispiel über den Vorteil des Tonfa- gegenüber dem Teleskopstock diskutiert, aber einhellige Meinung ist, dass der Teleskopstock ausge
sprochen ausbildungsintensiv ist. Die Hamburger Polizei soll gerade einmal vier Stunden daran ausgebildet werden.
Dem Verfassungsschutz soll hier ein Blankoscheck ausgestellt werden, das machen wir nicht mit. Empörend ist überdies, dass der Innensenator sich weigert, dem Vorgehen sozialdemokratischer Innenminister und –senatoren zu folgen und die VLeute in der NPD abzuschalten, um einem neuen NPD-Verbotsverfahren den Weg frei zu machen. Wir unterstützen, das möchte ich in diesem Zusammenhang sagen, den SPD-Antrag zum Rechtsextremismus. Wir unterstützen nicht den anderen Antrag, obwohl einige richtige Dinge darin enthalten sind, weil Sie nämlich den Versuch machen, links anzutäuschen, um rechts zu überholen. Das geht ins Auge.
Während in der Innenpolitik, und damit komme ich zum Schluss, die Sicherheit zum unangreifbaren Mythos gemacht und alles damit gerechtfertigt wird, spielt in einem anderen Bereich die Sicherheit keine so große Rolle. Ich rede – fünftens – von der Berufsfeuerwehr.
Seit Langem ist der große Personalnotstand bei der Berufsfeuerwehr mit all seinen Auswirkungen bekannt; Sie gehen sogar bis in die Entscheidungen sozialdemokratischer Innensenatoren zurück, ich glaube, zu Recht.
Diesen Personalnotstand müssen einerseits die Feuerwehrleute durch Überstunden ausbaden, andererseits geht das auf Kosten der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger.
Wenn Experten, wie der Feuerwehrchef Maurer, feststellen, dass 157 Feuerwehrleute fehlen, und wenn ver.di das bestätigt und ebenso der Berufsverband der Feuerwehr, dann gibt es für uns keinen Grund, daran zu zweifeln und auf Kosten der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und der Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr den Bedarf herunterzurechnen. Wir wollen 157 neue Stellen für die Berufsfeuerwehr.
Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Dann müssen Sie auch sagen, wie Sie das finanzieren werden!)
Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Frau Schneider, wenn man mit der Geschichte Ihrer Partei
eine Demokratisierung unserer Polizei fordert, dann hat man sich wirklich von jeglicher sachlicher Diskussion über den Haushalt der Innenbehörde verabschiedet.
Deswegen nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich darauf verzichte, auf Ihre Einlassungen weiter einzugehen. Das Wichtigste vorweg: Die Innere Sicherheit ist auch unter Schwarz-Grün unverändert in guten Händen.
Das sage ich voller Überzeugung. Das mag für manche hier in diesem Haus sicherlich überraschend kommen und auch ich muss zugeben, dass ich anfangs vielleicht etwas skeptisch war. Kann Schwarz und Grün beim Thema Innenpolitik wirklich zusammenkommen, kann das funktionieren?
Aber nun, lieber Herr Dressel, entgegen Ihrer Wahrnehmung von außen erlebe ich tagtäglich ein konstruktives und ergebnisorientiertes Arbeitsverhältnis mit unserem Koalitionspartner.
(Michael Neumann SPD: Das hat Hartmuth Wrocklage auch immer gesagt! Wie das ausgegangen ist, wissen Sie!)
Zur Wahrheit gehört aber auch, und das soll hier auch gesagt werden, dass die Zusammenarbeit nicht immer einfach ist. Wir ringen häufig um den richtigen Weg und – Frau Schneider, das haben Sie richtig zitiert – Frau Möller spricht manchmal von zwei unterschiedlichen Welten. Auch ich, das sage ich ganz offen, halte überhaupt nichts davon, die Öffentlichkeit über die Punkte, bei denen wir unterschiedlicher Auffassung sind, zu täuschen.
So etwas kennen Sie vielleicht in Ihren Reihen nicht, Herr Dr. Dressel, Verlässlichkeit, Vertrauen. Das sind in den Reihen Hamburger Sozialdemokraten – Herr Neumann spricht immer von "wir Sozialdemokraten" – vielleicht Worte, die Sie nicht kennen.
Wir haben sie kennengelernt im tagtäglichen Umgang. Lieber Herr Neumann, auch wenn das vielleicht für Sie ein bisschen pathetisch klingen mag,
unsere erfolgreiche Zusammenarbeit gerade in diesem nicht einfachen Bereich ist auch ein Stück Reifezeugnis für demokratisches Miteinander. Denkansätze, die jahrzehntelang unversöhnlich gegenüberstanden, finden zusammen, und das nicht in einem beliebigen Konsens, sondern in profilierter Konsequenz.
Was wurde nicht alles geschrieben und behauptet zur schwarz-grünen Innenpolitik: Sollbruchstelle einer fragilen Koalition, schwarz-grünes Experiment, ständiger Spagat. Der nun vorgelegte Haushaltsplan-Entwurf beweist genau das Gegenteil und unterstreicht die erfolgreiche Zusammenarbeit der ersten zehn Monate. Und allen politischen Täuschungsmanövern zum Trotz bleibt die Sicherheit der Menschen in dieser Stadt Schwerpunkt der Senatspolitik.