Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Lieber Herr Krüger, liebe Frau Heitmann, Ihre Argumente gegen eine Neuaufteilung der Planungsbereiche überzeugen mich überhaupt nicht.
Zwei-Klassen-Medizin haben wir nicht erst, wenn es eine ungerechte Verteilung vertragsärztlicher Versorgung in den Stadtteilen gibt. Zwei-Klassen-Medizin haben wir, weil es verschiedene Formen von Versicherungen gibt, die privaten und die gesetzlichen. Dieser Unterschied führt dazu, dass auf ärztliche Behandlung angewiesene Menschen unterschiedlich medizinisch betreut werden. Erst als Folge und nicht als Ursache entstehen unterschiedliche kommunale Betreuungen in Hamburg. Als Folge müssen die Ärzte und Ärztinnen, weil sie nach dem unsolidarischen Prinzip Bezahlung gegen Leistung Menschen diagnostizieren und behandeln müssen, aus ärmeren Stadtteilen fortzie
hen. Es lässt sich eine deutliche Ungleichverteilung von Ärztinnen und Ärzten erkennen. In manchen Stadtteilen, zum Beispiel Langenbek mit 4247 Einwohnerinnen, Rönneburg mit 3144 Einwohnerinnen oder Hamm-Süd mit 3847 Einwohnerinnen und Einwohnern, gibt es weder Arzt noch Ärztin. In Blankenese und Harvestehude stehen jedoch für je 1000 Einwohnerinnen und Einwohner fast sieben Ärzte und Ärztinnen zur Verfügung. Selbst ein Vergleich auf Bezirksebene zeigt noch große Unterschiede. Während in Eimsbüttel auf eine Ärztin oder einen Arzt 338 Einwohnerinnen und Einwohner kommen, sind es in Bergedorf 685. Betrachtet man ganz Hamburg, so versorgt eine Ärztin oder ein Arzt theoretisch 459 Einwohner und Einwohnerinnen und nicht etwa 182, wie der Versorgungsbericht unter Einbeziehung der psychologischen Psychotherapeutinnen vorgibt.
Wir stimmen dem Antrag der SPD daher zu, weil er die Möglichkeiten Hamburgs anspricht, vor Ort konkret etwas gegen die unterschiedliche Versorgung der Hamburger Stadtteile mit Ärzten und Ärztinnen zu tun. Ich kann dem Argument überhaupt nicht folgen zu sagen, wir hätten die Verantwortung abgegeben, also diskutieren wir darüber nicht mehr. Das ist mir zu einfach.
Es ist notwendig, dass der Hamburger Planungsbereich neu ausdifferenziert und die Möglichkeit ausgenutzt wird, Sicherstellungszuschläge zu zahlen, wie dies auch in Brandenburg oder SachsenAnhalt geschehen ist. Es muss in diesem Zusammenhang aber auch eine Aufteilung der Zuschläge zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkassen geben. Es ist nicht einzusehen, dass die Krankenkassen die Sicherstellungszuschläge allein tragen. Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg hat zudem in 2009 gegenüber dem vergangenen Jahr 25,9 Millionen Euro mehr zur Verfügung, das ist ein Plus von 4,1 Prozent. Notwendig erscheint uns aber auch, dass der Zulassungsausschuss demnächst eine restriktivere Handhabung bei Umzügen von Haus- oder Kinderärzten und -ärztinnen prüft.
Zur Gedächtnisauffrischung: Die Fraktion DIE LINKE hatte erst im Februar in der Bürgerschaft in ihrem Antrag für eine wirksame Gesundheitswirtschaft gefordert, dass der Senat prüfen möge, ob als erster Schritt zur Verbesserung der Situation von Bewohnerinnen und Bewohnern in sozial benachteiligten Stadtteilen Hamburgs Praxisräume angemietet werden können, die er niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten sowie Kinderärztinnen und Kinderärzten zur Verfügung stellt; dieser Antrag wurde abgelehnt. Dass die SPD jetzt einen Anlauf unternimmt, ist deswegen begrüßenswert und wir hoffen, dass eure Formulierungen, Genossinnen und Genossen aus der SPD,
Grundsätzlich steht für uns als übergeordnetes Ziel, dass wir die Einführung einer Bürger- und Bürgerinnenversicherung fordern, die nicht mehr unterscheidet zwischen privat und gesetzlich, sondern jedem Menschen die medizinische Versorgung ermöglicht, die notwendig ist, um gesund zu bleiben. Das wäre der konsequenteste Schritt gegen die Zwei-Klassen-Medizin.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß, wie spät es ist, und werde mich deswegen kurz fassen.
Herr Krüger, Sie haben den Sinn und Zweck dieses Antrags ein bisschen falsch verstanden. Es mag richtig sein, dass im Durchschnitt mehr Ärzte in Hamburg tätig sind als es eigentlich sein müssten. Aber damit benehmen Sie sich wie jener Statistiker, der mit dem Kopf in der Bratröhre und den Füßen im Eiswasser steckend meint, im Durchschnitt fühle er sich sehr wohl. Darum geht es nicht, es geht um die Verteilung auf die einzelnen Stadtteile. Dort wird es interessant und darum geht es auch in diesem Antrag; insofern war Ihre Rede am Thema vorbei.
Frau Heitmann, der Ansatz, unser Anliegen sei gut, aber der Antrag irgendwie falsch, schreit nach einer Überweisung an den Ausschuss, damit Sie uns dort klarmachen können, wo es langgeht. Das wollen Sie aber irgendwie um alles in der Welt nicht tun. Sie werfen uns vor, wir würden Ursache und Wirkung verwechseln. Das habe ich nicht ganz verstanden, das könnten Sie uns dort erklären, das wollen Sie aber nicht. Weil die Verteilung von MVZs, Medizinischen Versorgungszentren, über Hamburg gut erfolgt, hätten wir eigentlich eine Möglichkeit gehabt, auf jemanden einwirken zu können, um das richtig zu machen, Asklepios führt solche Einrichtungen in großer Zahl ein. Wenn ich das richtig sehe, ist die Stadt immer noch mit 25,1 Prozent daran beteiligt. Tut sie etwas, damit das gut geschieht oder wäre es nicht vielleicht noch besser gewesen, die Einflussmöglichkeiten der Stadt dort besser zu belassen als sie jetzt sind? Das ist ein altes Thema, aber ich möchte es noch einmal anführen. Ohne die Krankenhäuser zu
verscherbeln, wie es passiert ist, hätten wir bessere Möglichkeiten, darauf einzuwirken, dass das gut geschieht.
Weshalb man nicht an den Ausschuss überweisen kann, dass eine Bestandsanalyse der ambulanten Versorgung in den sozialen Brennpunkten erarbeitet wird und auf deren Grundlage zu prüfen sei, welche finanziellen Anreize geeignet sind, um eine Niederlassung von Kassenärzten in sozialen Brennpunkten zu fördern, weshalb das nicht gerade ganz ausdrücklich etwas für den Ausschuss ist, Frau Heitmann, müssten Sie mir noch einmal erklären, ich verstehe es nicht.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN – Wolfgang Beuß CDU: Macht sie nach der Debatte!)
Wer einer Überweisung der Drucksache 19/2497 an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist abgelehnt und ich lasse in der Sache abstimmen.
Wer den Antrag aus Drucksache 19/2497 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zum Punkt 64 der Tagesordnung, Antrag der CDU- und der GAL-Fraktion: Integration durch Sport – ein Heimathafen für die "St. Pauli Buccaneers".
[Antrag der Fraktionen der CDU und GAL: Integration durch Sport – ein Heimathafen für die "St. Pauli Buccaneers" – Drs 19/2593 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn irgendwo in der Gesellschaft etwas schief läuft, dann ist der Ruf nach dem Staat immer schnell zu hören und es wird nach Verantwortlichen gesucht. So ist es besonders erfreulich, wenn durch private Initiative und Engagement versucht wird, Probleme zu erkennen und eigenverantwortlich zu lösen.
Ich freue mich ganz besonders darauf, Ihnen heute ein herausragendes Projekt menschlichen Einsatzes und ehrenamtlichen Handelns vorstellen zu dürfen. Dieses Projekt sind die St. Pauli Buccaneers. Einige tragende Säulen dieser Initiative kön
Campino Milligan, der Coach und Trainer dieses Teams, hat sich gerade eben vorgestellt, rechts von ihm sitzt Herr Peter Schlüter, Abteilungsleiter und Jugendwart. Die Buccaneers wurden im November 2002 als Abteilung des 1. FC St. Pauli gegründet. Sie spielen American Football in der ersten Jugendliga der Leistungsklasse Nord.
Der Mannschaft gehören 50 männliche Jugendliche aus 18 Nationen im Alter von 14 bis 19 Jahren an. Dieses Team wird seit der Gründung von Campino Milligan, selbst einmal ein erfolgreicher Footballspieler, trainiert. Er bildet die Jugendlichen so aus, dass sie in die Lage versetzt werden, später selbst in einer Bundesliga-Mannschaft zu spielen. Der sportliche Erfolg ist aber nur ein Aspekt. Das noch wichtigere Ziel ist, Jugendliche aus allen sozialen Schichten verschiedener ethnischer Herkunft und Glaubensrichtungen in die Gesellschaft zu integrieren und sie dabei auch einander näherzubringen. Die St. Pauli Buccaneers sind ein innovatives Förderprogramm zur Verminderung von Jugendkriminalität. Es werden Jugendliche angesprochen, die auf die schiefe Bahn zu geraten drohen, denn in seiner Mannschaft hat Campino einige schwarze Schafe, Jugendliche, die schon kriminell wurden oder in den Sog von Jugendbanden gerieten. Von ihm und seinen Trainerkollegen wurden die Jugendlichen von der Straße geholt und absolvieren seitdem ein hartes Training.
Der Alltag dieser Jugendlichen war vorher gekennzeichnet von wenigen Worten, vielen Muskeln und eigenen Gesetzen. Sie waren Mitglieder von Jugendbanden und kannten kein Erbarmen, ihr Weg schien klar: kaputte Kindheit, Kriminalität und Knast. Heute kämpfen sie gegen andere Gegner. Die Jugendlichen werden bei den Buccaneers nur aufgenommen, wenn sie akzeptieren, dass Regeln eingehalten werden müssen, die Teilnahme am harten Mannschaftssport verlangt Disziplin. Der Trainer, der selbst unter harten sozialen Bedingungen aufwuchs, will mehr als nur sportlichen Erfolg für sein Team. Er erwartet von seinen Spielern in der Schule oder der Ausbildung dasselbe Engagement wie auf dem Platz. Die Arbeit lohnt sich auch sportlich, die St. Pauli Buccaneers haben sich in der Saison 2008 ganz nach oben gespielt. 15 Spieler sind in der Hamburger Jugendauswahl – ich hoffe, die Zahl stimmt noch –, zwei im Kader der Jugendnationalmannschaft und einer von ihnen wurde im Jahr 2008 zu Europas bestem Spieler auf seiner Position gewählt.
Der gemeinsame Sport schafft für diese Jugendlichen ein Wir-Gefühl und lehrt sie Teamplay. Diese positive Erfahrung aus dem Sport hilft ihnen auch, die Regeln der Gesellschaft oder der Schule zu akzeptieren und zu befolgen. Der Sport ermöglicht den Jugendlichen nicht nur eine sinnvolle Freizeitgestaltung und verhindert somit Jugendkriminalität aus Langeweile, sondern schafft auch eine Integration in ein festes soziales Netz. Die Buccaneers bieten darüber hinaus auch Ernährungsberatung, Aufklärung zum Thema Drogen, allgemeine Fitness durch Kraft- und Ausdauertraining sowie Hausaufgabenhilfe und Unterstützung bei der Jobsuche. Diese erfolgreiche Jugendarbeit möchten die Buccaneers weiter ausbauen und mehr Jugendliche erreichen. Zur Festigung des Gesamtprojekts sollen zwei weitere Gruppen aufgebaut werden. Mit einer Cheerleadergruppe soll das erfolgreiche Konzept auch weiblichen Jugendlichen zugänglich gemacht werden.
Mit einem highschoolähnlichen Konzept soll eine Betreuung durch Lehrerinnen und Lehrer organisiert werden und dies sind nur einige Pläne für die zukünftige Entwicklung.
Meine Damen und Herren! Eine Gesellschaft und ihr erfolgreicher Fortbestand wird sich immer an dem persönlichen und ehrenamtlichen Einsatz ihrer Mitglieder für andere Menschen messen lassen müssen. Es sind nicht die staatlichen Interventionen, die zur Verfügung gestellten Mittel oder die Regulierungen und Sanktionsmaßnahmen, die der Indikator für eine humane Gesellschaft sind, sondern vielmehr der persönliche Einsatz jedes einzelnen, der anderen in der Not aus der Not hilft.
Alles in allem kann man den Verantwortlichen nur seinen Dank für ihre Arbeit aussprechen. Ich möchte die anwesenden Buccaneers bitten, den Dank auch den anderen Mitgliedern auszurichten.
Die Arbeit der Buccaneers hat sich in sozialen Brennpunkten fest etabliert. Damit dies aber auch deutlich wird, brauchen die Buccaneers einen festen Heimathafen. Sie brauchen eine feste geeignete Sportfläche für das Training und die Heimspiele und geeignete Räumlichkeiten für ihre sozialen Aktivitäten außerhalb des Footballspiels. Dieser eigene Platz, in der Football-Sprache das Homefield, soll für Spieler und Fans identitätsstiftend sein. In der Vergangenheit mussten die Buccaneers ihre Heimspiele teilweise in Neumünster oder Braunschweig auf gegnerischen Plätzen ausrichten. Man stelle sich einmal vor, der HSV müsste seine Heimspiele in München absolvieren.