Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Die risikobehafteten Geschäfte einer international am Markt tätigen Geschäftsbank sind mit auf den Weg gebracht worden, auch vom Parlament, oder sind zumindest geduldet worden. Deshalb darf es hier auch keine selbstgerechten Schuldzuweisungen geben

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nee, gar nicht!)

in die eine oder andere Richtung, sondern zu der Verantwortung muss man sich, wenn man so etwas beschließt, anschließend aber auch gemeinsam bekennen. Ich nehme ja zur Kenntnis, dass Herr Neumann kein Vertrauen in die handelnden Personen hat. Ich darf nur darauf aufmerksam machen, dass handelnde Person nicht ausschließlich der Finanzsenator ist. Ich bin eines von 20 Auf

sichtsratsmitgliedern. Der Senat ist dreißigprozentiger Anteilseigner und Sachwalter des Anteils der HSH Nordbank. 70 Prozent gehören anderen, unter anderem auch dem Land Schleswig-Holstein, wo die SPD-Ministerinnen und Minister diesem Konzept ausdrücklich zustimmen.

Ich nehme also zur Kenntnis, dass Sie kein Vertrauen zu den SPD-Ministern in Schleswig-Holstein haben. Das ist ein interessanter Sachverhalt, dann müssen Sie das aber auch ausdrücklich sagen. Es ist nicht mein Konzept, sondern genauso auch das Konzept der SPD-Minister.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es auch nicht fair, dass Sie hier gebetsmühlenartig behaupten, die Informationspolitik sei unzureichend. Es hat wiederholt jeden Monat in den Haushaltsausschüssen der Parlamente umfangreiche Berichterstattungen über die HSH Nordbank gegeben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wo dann immer was verschwiegen wurde!)

Sie hatten Gelegenheit, vertrauliche Unterlagen sehr gründlich einzusehen. Seit gestern gibt es den testierten Jahresabschluss der KPMG, den die Aufsichtsratsmitglieder erst gestern bekommen haben, und parallel zum selben Zeitpunkt bekamen Sie ihn auch. Das ist Transparenz, wie sie nicht transparenter sein könnte. Sie bekommen Einblick in die Unterlagen, die der Aufsichtsrat hat. Was wollen Sie mehr, meine Damen und Herren?

(Zurufe von der SPD – Beifall bei der CDU)

Ich werde Ihnen eines sagen. Auch für Abgeordnete gelten Recht und Gesetz. Selbstverständlich müssen die schützenswerten Rechte Dritter, nämlich der Kunden der Bank, auch respektiert werden. Das ist zwingendes Recht. Und es ist strafbedroht, auch gegenüber Aussichtsrat und Vorstand, wenn ohne Grund gegen das Bankgeheimnis verstoßen wird.

Wenn hier Recht und Gesetz respektiert werden von Vorständen und Aufsichtsräten und trotzdem versucht wird, Ihnen alle möglichen Informationen zu geben, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie das auch einmal fair anerkennen, denn ich habe mich besonders dafür eingesetzt, dass diese Einsichtnahme stattfinden kann. Es gibt nämlich rechtlich große Probleme; trotzdem haben wir es gemacht, weil wir auf Transparenz setzen und Sie auch einbinden wollen.

(Beifall bei der CDU)

Zum wiederholten Mal: Ich lasse die Bank, die in einer schwierigen Situation ist, von Ihnen auch nicht diffamieren. Natürlich hat sie auch gute Kerne. Es sind auch 2008 Zins- und Provisionserträge in Milliardenhöhe von den Mitarbeitern erwirtschaftet worden. Dies ist ein guter Kern der Bank

(Senator Dr. Michael Freytag)

und er ist die Grundlage dafür, dass wir überhaupt eine Neuausrichtung haben können.

Wenn die Bank so wäre, wie Herr Neumann sie beschreibt, dann dürften wir gar keine neue Kernbank ausrichten. Die Kernbank basiert ja gerade auf den guten Teilen der Bank und die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lasse ich von Ihnen nicht in den Schmutz ziehen.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan GAL)

Ich finde es auch gut, dass wir bestimmte Dinge jetzt in dem gemeinsamen Antrag zu Papier gebracht haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Hätten Sie ja auch mal selbst einen Beitrag leisten kön- nen!)

Es ist übrigens selbstverständlich, dass wir mit den beiden anderen Anteilseignern – das sind nicht nur der amerikanische Investor, sondern auch die Sparkassen – über die Neuausrichtung verhandeln. Da spielt natürlich auch eine Rolle, wer am Ende welchen Anteil hat. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die sich nicht an der Rettung der Bank beteiligen, anschließend davon profitieren. Deshalb wird die Verwässerung der Eigentumsanteile ein zentrales Thema und auch automatisch die Folge sein. Wir werden die Interessen Hamburgs und Schleswig-Holsteins hier deutlich machen, übrigens nicht nur gegenüber dem privaten Investor, sondern auch gegenüber den Sparkassen.

Was können wir weiter aus der Krise lernen? Wir müssen lernen, auch und gerade das zu hinterfragen, was vermeintlich gut funktioniert. Das muss man selbstkritisch feststellen, da beziehe ich mich auch gerne mit ein.

(Karin Timmermann SPD: Doch schon!)

In der Politik tun wir das nämlich in der Regel nicht, besonders nachzufragen, wenn eine Sache gut funktioniert oder es auch nur so aussieht. Dinge deshalb prima zu finden, weil sie so reibungslos laufen, ist gefährlich.

Nach den Erfahrungen der Finanzmarktkrise müssen wir künftig auch das vermeintlich Undenkbare einkalkulieren. Wir müssen von der Möglichkeit des Unmöglichen ausgehen, zum Beispiel davon, dass Staaten und vermeintlich unantastbare Wirtschaftsunternehmen in die Knie gehen können.

Ich möchte auch ein persönliches Beispiel nennen. Wenn mir jemand vor einem Jahr vorausgesagt hätte, die CDU-geführte Bundesregierung würde 2009 per Gesetz die Enteignung privater Banken einleiten, dann hätte ich denjenigen für verrückt erklärt.

Ich muss in Demut sagen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Demut, das ist ein neues Wort für Sie!)

dass das inzwischen, und zwar aus gutem Grund eingetretene Unmögliche dazu führt, darüber nachzudenken, ob wir das, was wir immer für selbstverständlich hielten, künftig nicht stärker hinterfragen müssen, um nicht wieder in eine solche Situation zu kommen.

Es ist meine Überzeugung, dass wir künftig lernen müssen, nein zu sagen, wenn es wehtut.

(Beifall von Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Es ist jetzt keine Kunst, kritisch zu sein, wenn etwas schief gelaufen ist. Jetzt finden sich sehr viele Analysten, die es schon immer besser gewusst haben, die immer schon gesagt haben, dass alles schwierig sei. Seltsamerweise, als sie selbst in der Verantwortung waren, haben sie aber nie etwas gesagt.

Es gibt ganz berühmte Beiratsvorsitzende der HSH Nordbank, die jahrelang dort das Wort geführt, aber das, was sie jetzt kritisieren, niemals angesprochen haben. Es gibt sehr viel Heldentum nach Ladenschluss, wir haben sehr viel Analyse, warum etwas schief gegangen ist, aber es gibt wenige, die den Mut haben, in einer Situation, in der es noch keine Krise gab, auf bestimmte Sachverhalte hinzuweisen. Es ist ausgesprochen einfach, Kritik zu üben, wenn etwas schief gelaufen ist; es ist schwer, Kritik zu üben, wenn es unpopulär ist. Wir müssen vielleicht auch lernen, dann Kritik zu üben, wenn Erträge fließen, Erträge, die wir alle gern in die Haushalte übernommen haben, um Schulen oder Kindergärten zu finanzieren. In der Konsequenz müssen wir künftig darüber nachdenken, ob die Mittel, die wir vereinnahmen, risikofreie Einnahmen darstellen, so wie wir uns das eigentlich vorstellen.

Vor allem dürfen wir Dinge nicht nur deshalb tun, weil sie üblich sind. Dieses Kreditersatzgeschäft war zum Beispiel über viele Jahre üblich, es hat ja auch gut geklappt. Sondern wir müssen uns gerade dann fragen, ob das Übliche auch richtig ist. Beides ist nicht unbedingt immer identisch. Das heißt, wir müssen, und da schließe ich mich ausdrücklich ein, mehr Mut entwickeln, auch gegen den Strom zu schwimmen. Wir müssen von der Freiheit Gebrauch machen, bewusst auf Dinge zu verzichten, obwohl sie möglich sind. Dazu gehört politischer Mut, den wir aufbringen müssen, wenn wir nicht noch einmal in eine solche Situation hineingeraten wollen. Wir müssen uns alle fragen, ob die oft schauspielerischen Rituale in der Politik die angemessene Antwort auf die dringende Krisenbewältigung sind, die der Bürger zu Recht von uns erwartet.

Der Bundespräsident hat völlig zutreffend gesagt, ich zitiere:

(Senator Dr. Michael Freytag)

"Die Krise ist keine Kulisse für Schaukämpfe. Sie ist eine Bewährungsprobe für die Demokratie insgesamt."

Auch wenn der Weg steinig ist, meine Damen und Herren, wir müssen und können diese Bewährungsprobe bestehen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

(Uwe Grund SPD: Wahrscheinlich ist die CDU froh, dass er aufgehört hat zu reden!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bischoff, ich bin Ihnen einerseits ganz dankbar, dass Sie noch einmal ganz zentrale Fragen angesprochen haben, warum es notwendig ist, diese Bank zu retten, auch wenn ich dann eine ganz andere Konsequenz aus Ihren Analysen ziehe.

Es ist vollkommen richtig, dass die Rettung der Bank nicht automatisch dafür sorgt, dass inmitten der größten Weltwirtschaftskrise der letzten 80 Jahre dann in der Wirtschaft alles läuft. Aber gerade weil es richtig ist, wenn Sie sagen, es gebe im Moment Branchen, die in großen Schwierigkeiten sind – deshalb sei es doch jetzt gar nicht wichtig, die Bank zu retten –, ist dies doch das zweite zentrale Argument, das wir anführen, warum diese Bank gerettet werden muss. Als Lehman Brothers vor der Pleite standen, waren die USA schon eine ganze Zeit lang in einer schweren Rezession. In dem Moment ging es ganz vielen Firmen schlecht, da waren auch schon sehr viele Arbeitsplätze verloren gegangen. Und als diese Bank zusammenbrach, war auf einmal aus einer schweren Rezession eine weltweite Wirtschaftskrise geworden mit Auswirkungen auf allen Kontinenten.

Wenn nach diesem Vertrauensverlust, der dort eingetreten ist, und nachdem jetzt gerade nach milliardenschweren Finanzspritzen weltweit die Banken langsam wieder anfangen, die Wirtschaft mit Geld zu versorgen, auf einmal die zehntgrößte Bank Deutschlands pleite gehen würde mit einer Bilanzsumme, die fast dem gesamten Bundeshaushalt entspricht, dann würde keine Bank in dieser Republik und wahrscheinlich in ganz Europa an Firmen noch Kredite vergeben. Dann würden Firmen in den Abgrund gerissen, die kerngesund sind, weil sie kein Geld mehr bekommen.

Sie sind ein differenziert argumentierender Politiker, was ich sehr an Ihnen schätze, aber hier findet sich in Ihrer Argumentation eine große Lücke. Ich kann einfach nicht verstehen, dass Sie einerseits sagen, die Krise sei so groß, dass man 2 Milliarden Euro auf Pump in den Konsum pumpen müsse, dass Sie im gleichen Atemzug aber auch in Bezug auf eine wirklich systemrelevante Bank sa

gen, es ist doch egal, ob wir sie retten oder nicht. Das ist völlig inkonsequent, das sollten Sie sich wirklich einmal überlegen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Eines muss man natürlich auch sagen: Wir pumpen jetzt nicht das Geld in die Bank und danach geht alles so weiter wie vorher. Das ist ein sehr scharfer und harter Schnitt, den wir dort vorschlagen und den auch der Senat vorschlägt. Im Kerngeschäft der Bank 50 Prozent weniger Neugeschäft; zeigen Sie mir mal eine Firma, bei deren Restrukturierung ein so großer Schnitt vorgenommen wird. Ganze Kernbereiche, ganze zukünftige Geschäftsbereiche werden entweder ausgegliedert, geschlossen oder verkauft. Der Bereich, der in die Krise geführt hat, nicht nur bei der HSH Nordbank, sondern weltweit, das Kreditersatzgeschäft, wird ersatzlos eingestellt. Es werden auch Bereiche abgestoßen, die eigentlich eine Zukunft haben, gerade weil wir sagen, die Krise ist so groß, wir können selbst sinnvolle Geschäfte nicht mehr in dem Umfang weiter fortführen. Den Bereich erneuerbare Energien in den USA, auch unter der neuen US-Administration mit Sicherheit ein profitables Geschäft, wird die Bank verkaufen, ganz einfach, weil wir Geld brauchen und nicht alles vom Steuerzahler kommen kann.

Daraus folgt ganz klar: Wir richten diese Bank neu aus und wir ziehen Konsequenzen aus der Krise. Herr Neumann, ich habe mich gefreut, das habe ich schon gesagt, dass Ihre Fraktion zustimmt, aber diese Konsequenzen aus der Krise haben wir nicht erst in dem Moment gezogen, als Sie Ihren Zusatzantrag vorgebracht haben. Ganz viele Ihrer Punkte – in Ihrem Zusatzantrag steht: so wie der Senat es in seiner Drucksache vorschlägt – wollen wir auch. Dass es in den Garantievertrag zwischen der Anstalt, die wir gründen wollen, und der Bank auch noch hineingeschrieben wird, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wenn die Eigentümer beschließen, dass sie dies und jenes wollen, dann wird es eben auch in den Garantievertrag hineingeschrieben.

(Ingo Egloff SPD: Hier ist gar nichts mehr selbstverständlich!)

Sie sagen, Sie möchten das so haben, weil Sie kein Vertrauen in die handelnden Personen haben: Gut, das machen wir gern. Aber letztendlich konkretisieren wir in einzelnen Punkten die Absichten, die wir als Regierungsfraktionen ohnehin schon mit der Drucksache verfolgt haben, wie Sie entsprechend ja auch zitieren. Ich finde das richtig, aber Sie sollten jetzt hier nicht den Eindruck erwecken, erst mit der Beteiligung der Sozialdemokraten würden notwendige Konsequenzen gezogen; das ist nicht der Fall.