Protokoll der Sitzung vom 22.04.2009

Wir wollen hier eine Vorreiterrolle haben und dazu gehört, dass wir weit über das hinausgehen, zu dem sich andere Städte verpflichtet haben. Wir wollen den CO2-Ausstoß nicht um 20 Prozent bis 2020, sondern um 40 Prozent verringern. Dazu gehört auch, Herr Frank hat es angesprochen, dass wir mit Nachdruck die Frage der Landstromversorgung regeln. Das ist ein Riesenproblem, da gebe ich Ihnen völlig recht. Da geht es nicht nur um die HafenCity, sondern auch um die Klimaansprüche,

(Erster Bürgermeister Ole von Beust)

die wir stellen. Da sind Investitionen notwendig, möglichst in Kooperation zumindest mit den anderen deutschen Nordseehäfen. Da gibt es aber intensive Gespräche auch mit der Bremer Landesregierung, um das zu erreichen.

Auch europäische Kooperationen werden notwendig, aber Sie haben in der Tat recht, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Dazu gehört auch, dass wir in ein Netzwerk mit den hier besonders engagierten Städten eingetreten sind, dem "Covenant of Mayors", wo wir uns zu konkreten Klimazielen verpflichtet haben. Dazu gehört natürlich auch, dass wir in Vorbereitung der UN-Konferenz von Kopenhagen, also der Klimaschutzkonferenz, im Herbst in Hamburg eine große europäische Konferenz zum Klimaschutz in europäischen Metropolen veranstalten werden. Das ist nicht abstrakt, das ist für jeden, der hier wohnt, von konkreter Bedeutung.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir haben in der Tat Probleme bei der Emotionalisierung, gar keine Frage, wir haben aber viele Dinge, wo wir Maßnahmen einleiten, die die Menschen vor Ort in Hamburg merken werden. Meine Bitte – ich weiß, dass solche Aufforderungen manchmal in die Luft gesprochen sind – an die Hamburger Wählerinnen und Wähler ist, diese Europawahl so wichtig zu nehmen wie die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft oder zum Deutschen Bundestag. Schon jetzt sind 70 bis 80 Prozent der Verordnungen, die in Berlin erlassen werden, die in Deutschland Wirkung für uns alle haben im gesellschaftlichen Zusammenleben, Verordnungen, die aufgrund von europäischen Verpflichtungen erlassen werden. Das heißt, das Konkrete auch in der Rechtsumsetzung ist sehr groß. Aber ich weiß, dass die Emotionen relativ gering sind; vielleicht gelingt es im Wahlkampf, diese Argumente plausibler zu machen.

Mit Verlaub, Herr Frank, die Anzahl von Plakaten und zwei größerer Veranstaltungen wo auch immer, wo die eigenen Genossen sich treffen und sich gegenseitig feiern, das vermittelt Nestwärme, das vermittelt Stallgeruch, das riecht von drinnen nett, von draußen nimmt man das anders wahr.

(Ingo Egloff SPD: Sie müssen endlich mal die Wähler mobilisieren anstatt hier rumzu- reden!)

Nur hat das mit europäischer Emotionalisierung nichts zu tun und wir haben noch genug Zeit, das in den nächsten Wochen zu machen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Neumann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Anders als der Bürgermeister möchte ich keine Kopfnoten zu einzelnen Rednern oder Rednerinnen verteilen, aber er hat einige Punkte angesprochen, die Frage des Personals und auch der Gesichter. Es gab einmal diese Formulierung: Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa. Ich will niemandem der Kandidatinnen, gerade der CDU, nahetreten, aber es ist natürlich auch die Frage, wie man sein Personal aussucht, wen man für die Wahl aufstellt und welchen Hintergrund das hat. Wenn es den Hintergrund hat, lediglich eine Zweite Bürgermeisterin wohlbestallt in den Ruhestand zu überweisen, hilft das auch nicht, Europa wirklich den Stellenwert beizumessen, den es in Wirklichkeit verdient hat.

(Beifall bei der SPD – Viviane Spethmann CDU: Sie sind doch niveaulos!)

Beim Stichwort niveaulos kennen Sie sich aus, das ist wohl wahr.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Wir haben Ihre Reden schon häufiger gehört!)

Das zweite Thema ist das Thema der emotionalen Bildung. Da hat der Bürgermeister recht. Ich weiß das nur aus den Geschichtsbüchern, aber es gab in den Fünfziger- und Sechzigerjahren eine emotionale Begeisterung für Europa, die Europa-Union, die Europabewegung. Man sieht diese Schwarz-Weiß-Bilder in den Geschichtsbüchern, wie die Grenzpfähle gestürmt worden sind zwischen Deutschland und Frankreich; eine Erfolgsgeschichte. Aber diese Emotionen gibt es heute nicht mehr, weil vieles, was Europa erreicht hat, eben normal geworden ist. Normal geworden ist es, dass wir in Frieden leben, das zentrale Thema auch von Helmut Kohl, der immer wieder darauf hingewiesen hat, was eigentlich Europa bedeutet. Europa bedeutet, dass dieser Kontinent endlich Frieden gefunden hat. Und wir müssen in vielen Diskussionen – nicht nur bei "Jugend debattiert" in dieser Woche, sondern auch bei anderen Zusammenkünften wie "Jugend im Parlament" – feststellen, dass dieser Wert, Europa als Friedensmacht, verloren gegangen ist, weil es normal geworden ist, weil der Frieden in Europa eben nichts Besonderes mehr ist. Das immer wieder deutlich zu machen, dass daran nichts Selbstverständliches ist, dass daran gearbeitet werden muss, ist unsere zentrale Aufgabe, um damit auch wieder Emotionen zu verbinden. Europa ist in erster Linie ein Friedensmodell für unseren Kontinent und überall dort, wo die Europäische Union sich hinentwickelt hat, wo sie sich geöffnet hat, wo sie Verantwortung übernommen hat bis hin zum Balkan, ist eine Friedensordnung entstanden, die den Menschen Frieden und damit auch wirtschaftlichen Wohlstand gebracht hat. Das ist ein Erfolgsmodell, auf das wir sehr stolz sein können, aber auch der jungen Generation helfen müssen, dieses Erfolgsmodell zu verstehen, was wirklich dahintersteht.

(Erster Bürgermeister Ole von Beust)

(Beifall bei der SPD)

Wir hatten Besucherinnen und Besucher, Schülergruppen aus anderen europäischen Staaten zu Gast und da hatte ich einmal eine spannende Diskussion. Da ging es um die Eindrücke, die die Menschen in Hamburg, überhaupt in Deutschland, gesammelt hatten. Die Gruppen kamen aus Osteuropa, aus Polen. Es meldete sich eine Schülerin und sagte, eine Sache würde sie an Deutschland schon noch stören. Ich dachte, jetzt bin ich gespannt, was der lange Schatten unserer Geschichte ist. Diese junge Frau hat dann formuliert, dass die Geschäfte so früh zumachen würden, bei ihnen gäbe es viel längere Ladenöffnungszeiten. Das heißt, die Jugendlichen, die heute aus Polen, aus Deutschland zusammenkommen, sind nicht mehr geprägt durch die furchtbaren, erschreckenden Erfahrungen des Krieges, sondern dadurch, dass es eine Natürlichkeit, ein natürliches Umgehen miteinander gibt.

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen, dass ich mich für längere Ladenöffnungszeiten ausspreche.

(Beifall bei Heiko Hecht CDU)

Ich will darauf hinweisen, dass offensichtlich Jugendliche aus Polen, aus Deutschland nicht mehr durch den Schatten der Vergangenheit geprägt sind, sondern dass der Umgang zwischen diesen Generationen ein sehr unbefangener ist. Auch das ist ein Ergebnis europäischer Friedenspolitik. Das ist auch etwas, das sich fortzusetzen lohnt, dass in Zukunft Jugendliche so miteinander umgehen.

(Beifall bei der SPD – Ingo Egloff SPD: Per- len vor die Säue werfen!)

Ich merke, dass es nicht von so großem Interesse ist, dass Sie lieber hier eine Wahlkampfrede haben halten wollen. Ich will trotzdem ein, zwei Dinge ansprechen, die auch konkret auf Hamburg bezogen sind.

Ich versuche einmal, die These zu wagen, dass in der Großen Anfrage deutlich wird – da wird viel aufgezählt, auch der Bürgermeister hat einige Dinge aufgezählt, was für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft gut ist –, dass es eigentlich unerheblich ist, ob der Senat sich engagiert oder nicht, weil es zahlreiche Institutionen in Hamburg gibt, die mit oder ohne Unterstützung des Senats ohnehin in ein europäisches Netzwerk eingebunden sind und die dort Erfolge produzieren. Manchmal wäre es vielleicht sogar einfacher, wenn der Senat sich schlichtweg heraushalten würde, die Initiativen einfach arbeiten lassen und Rahmenbedingungen setzen würde, damit diese europäische Kooperation Fleisch werden kann und nicht durch bürokratische und politische Maßgaben behindert wird.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Punkt ist – das erleben wir auch ein bisschen in Deutschland, das ist eines der Lieb

lingsthemen verschiedener Politiker, meistens macht es Herr von Beust selbst auch – die schöne Diskussion über die Frage eines Nordstaats. Das ist immer so eine Ausrede nach dem Motto, wir haben ein konkretes Problem und das schieben wir auf die nächsthöhere Ebene. Deswegen sind wir auch zum Teil selbst schuld, dass wir Europa nicht mit einem positiven Image verbinden, weil wir Europa zu häufig benutzen, Verantwortlichkeiten dort hinzuschieben und zu sagen, das muss in Brüssel geregelt werden.

Es gibt das Subsidiaritätsprinzip und wenn der Vertrag von Lissabon endlich in Kraft getreten ist, wenn es die tschechischen Bedenken nicht mehr gibt, wenn das Verfassungsgericht in Deutschland entschieden haben wird und der Lissabon-Vertrag dann entsprechend in Kraft tritt, dann wird deutlich sein – auch hier in der Hamburgischen Bürgerschaft –, dass auch der Europaausschuss eine ganz neue Qualität der Arbeit bekommen wird, weil das Subsidiaritätsprinzip dann wirklich bedeutet, dass wir auch die Dinge vor Ort regeln, die wir regeln können. Ich glaube, da wird die Bürgerschaftsarbeit eine ganz neue Qualität gewinnen.

Wir müssen uns aber auch der Verantwortung annehmen. Wir können es uns da nicht so einfach machen wie in der Vergangenheit und Verantwortung nach Europa abschieben. Das bedeutet auch meine Erwartungshaltung, dass wir anders als in anderen Legislaturperioden, vorweg mit Frau Schnieber-Jastram, wenn sie denn gewählt werden sollte und mit Knut Fleckenstein, unserem Kandidaten für das Europaparlament, auch wirkliche Botschafter für Hamburger Interessen in Brüssel haben, und nicht wie Herr Jarzembowski, der maßgeblich gegen Hamburger Interessen in der Hafenfrage agiert hat.

(Beifall bei der SPD)

Zu guter Letzt das Stichwort Wahlkampf. Ich würde es auch nicht von der Anzahl oder vom Layout der Plakate abhängig machen, wie engagiert eine Partei den Europawahlkampf angeht. Dass der Bürgermeister nicht viel Nestwärme verspürt, ist so gesehen auch weniger unser Problem. Wir führen unseren Wahlkampf, Sie führen Ihren Wahlkampf, die Ergebnisse werden dann hinterher aussagekräftig genug sein.

Entscheidend ist aber, dass wir aufhören, Europa als Volkshochschullehrgang zu begreifen. Wir haben häufig versucht, auch technisch zu erklären, wie Europa funktioniert und welche Kommission wo etwas zu sagen hat. Es geht um die Grundidee, das Leitmotiv und die Frage, welches Europa wir wollen, auch in der Sozialpolitik, auch in der Arbeitsmarktpolitik, in der Steuerpolitik. Wollen wir ein soziales Europa oder wollen wir das konservative Europa Barrosos. Da sagen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, es gibt eine Alternative, das heißt, ein soziales Europa mit sozialde

mokratischer und in Teilen, wie Sie es zumindest nennen, sozialistischer Prägung. Das ist die richtige Antwort auf die Herausforderungen und nicht das konservative, neoliberale Europa von Herrn Barroso.

(Beifall bei der SPD)

Zum letzten Punkt; wahrscheinlich hat Herr Lüdemann einen anderen, wichtigen Empfang, deswegen wird er selbst heute nicht da sein als Staatsrat, der zentrale Außenminister des Senats.

(Frank Schira CDU: Der Staatsrat darf nicht sprechen!)

Der Bürgermeister hat heute selbst das Wort ergriffen, das ist auch in Ordnung, weil der Staatsrat auch ohnehin nicht reden darf. Aber es wäre auch für den Staatsrat nicht schlecht gewesen, die Debatte zu verfolgen, weil hier doch einige Punkte angesprochen wurden.

Ich stelle jedenfalls im Ergebnis fest – und Ihre Aufregung zeigt, dass ich nicht ganz falsch dabei liege –, dass es auch darauf ankommt, in Brüssel persönlich Präsenz zu zeigen, nämlich sich dort wirklich vor Ort zu engagieren, nicht nur über das Hanse Office, sondern auch durch das Präsentsein von Senatorinnen und Senatoren, vom Bürgermeister, um die Hamburger Interessen vor Ort in den Meinungsbildungsprozess der Europäischen Union hineinzubringen.

(Frank Schira CDU: Öger-Reisen!)

Eines muss man auch kritischerweise anmerken. Es ist gut, dass der Bürgermeister zu Europa spricht. Trotzdem frage ich mich, nach welchen Kriterien der Bürgermeister entscheidet, zu welchen Themen er spricht, denn zu Themen wie HSH Nordbank und anderen existenzbedrohenden Themen ergreift er nicht das Wort. Nehmen wir es einmal als Kompliment für Europa, dass es wichtig genug ist. Ich würde mir wünschen, auch zu anderen Themen hier den Bürgermeister häufiger erklärend in der Bütt zu erleben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/2679 an den Europaausschuss zu? – Die Gegenprobe.– Enthaltungen? – Das ist einstimmig an den Europaausschuss überwiesen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf, Drucksache 19/2411, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Raumbedarf der Primarschulen – Bedroht er den Ausbau der Kooperation mit Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Familienarbeit oder Kitas, Horten, Elternschulen?

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Raumbedarf der Primarschulen – Bedroht er den Ausbau der Kooperation mit Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Familienarbeit oder Kitas, Horten, Elternschulen? – Drs 19/2411 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss und mitberatend an den Schulausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Rabe hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jahren merken die Menschen in der Stadt genau wie wir Politiker, dass zwei in den Behörden streng getrennte Bereiche eigentlich zusammengehören, nämlich die Schule und die Kindertagesstätte. Das hat gleich mehrere Gründe. Eltern wollen mehr und bessere Kinderbetreuung und das auch für Schulkinder. Vor knapp zehn Jahren hieß es noch, Schule bis 13 Uhr, ist das nicht zu lange, und heute heißt es, um 13 Uhr ist schon Schluss, da bin ich noch gar nicht zu Hause. Die SPD hat das früh erkannt, wir haben schon in den Neunzigerjahren die Verlässliche Halbtagsgrundschule durchgesetzt.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Damals haben einige in der CDU und vor allem in der GAL dagegen opponiert, heute ist das ein Erfolgsmodell und die Argumente von damals, der Staat dürfe doch den Familien die Kinder nicht wegnehmen, höre ich überhaupt nicht mehr, ganz im Gegenteil hört man nur noch eine Bitte: Mehr Betreuung muss her.