Nachdenklicher wird der Senat dann, wenn er anführt, man dürfe die Struktur der öffentlichen Haushalte im Sinne nachhaltiger und langfristig tragfähiger öffentlicher Finanzen auch in Zeiten der Krise nicht aus den Augen verlieren – genau das haben wir die ganze Zeit schon gesagt. Unverändert bestehe die Notwendigkeit, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren, um die öffentliche Verschuldung dauerhaft zu begrenzen und nach Möglichkeit zurückzuführen. Und richtig heftig wird es dann:
"Demzufolge wird auch Hamburg gezwungen sein, die durch die Steuermindereinnahmen entstandenen Finanzbedarfe durch zusätzliche Kreditaufnahmen zu decken. Diese krisenbedingte Nettoneuverschuldung soll jedoch an klare Tilgungsregelungen gebunden werden, um die Verschuldung und die damit einhergehenden Zukunftsbelastungen mittel- und langfristig zurückzuführen."
Die Kernfrage bei diesen Ausführungen ist doch: Wie wollen Sie denn bei einer Rekordneuverschuldung, einer Steigerung der Kosten im sozialen Bereich und den zusätzlichen Haushaltsrisiken, die wir hier in Hamburg haben – ich will nur einige aufführen, die HSH Nordbank, die Elbphilharmonie, die Uni-Verlagerung, das sind unglaubliche Haushaltsrisiken, die auch der Rechnungshof aufgeführt hat –, wie wollen Sie bei dieser Ausgangslage das alles eigentlich bezahlen und auch noch die Schulden zurückführen?
Wir sehen den politischen Spielraum in den nächsten Jahren völlig eingeengt. Politischer Spielraum heißt, so leid es mir tut, finanzieller Spielraum und den sehen wir einfach im Schwinden begriffen. Wie
Sie in dem Zusammenhang noch Schulden tilgen wollen, ist uns ein Rätsel und Sie müssen es nicht nur uns, sondern auch den Bürgern einmal sagen, wie Sie das eigentlich bezahlen wollen, ohne es auf die folgenden Generationen abzuwälzen.
Herr Wersich hat es vorhin schon einmal gesagt, wir haben kein Geld. Unsere Auffassung ist, dass aus diesem Grund kein Weg an der Erhöhung der Einnahmenseite vorbeiführt.
Wir setzen uns vehement, nicht nur in Hamburg, sondern im ganzen Bundesgebiet, zusammen mit den Gewerkschaften für Steuererhöhungen ein, um den politischen Spielraum zu erhalten. Den Luxus der letzten Jahre, jährlich auf Steuereinnahmen in dreistelliger Höhe zu verzichten, kann Hamburg sich nicht mehr leisten.
Deshalb beantragen wir erstens, dass der Senat eine Bundesratsinitiative ergreift, um die Wiedererhebung der Vermögenssteuer einzuführen, mit dem Ziel, für den Hamburgischen Steuerhaushalt netto mindestens 400 Millionen Euro pro Jahr in die Kasse zu bringen.
Jetzt kommt mit Sicherheit das Argument Standortnachteil. Abgesehen davon, dass vergleichbare europäische Nachbarländer Vermögenssteuer erheben, möchte ich auf die USA hinweisen, dort beträgt das Aufkommen aus der Vermögenssteuer 3,1 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt.
Heute erfuhr man in der Tagespresse von einem guten Beispiel, das wieder einmal belegt, dass die Erhöhung der Mitarbeiterzahlen in den Finanzämtern auch zu höheren Einnahmen führt. Wir fordern zweitens die Verbesserung des Steuervollzugs und da liegt uns natürlich auch die Steuergerechtigkeit sehr am Herzen. Uns geht es in erster Linie darum, dass der gleichmäßige Steuervollzug zwischen dem Quellenabzug des Lohneinkommens und der Besteuerung der Gewinn- und Vermögenseinkommen gewährleistet wird.
In der Drucksache 19/787 hat der Abgeordnete Völsch einen klaren Zusammenhang herstellen können zwischen der Anzahl der Steuerfahnder und –fahnderinnen und dem Mehrwert an Steuereinnahmen, die in die Stadtkasse kommen. In der Senatsdrucksache 19/1849 vom 23. Dezember 2008 versucht der Senat auf mehreren Seiten mit allen möglichen Argumenten zu begründen, warum eine Personalaufstockung nicht nötig ist. Ich möchte an Sie appellieren, jetzt einmal Selbstkritik zu üben und die neue Situation, die für alle sichtbar ist, neu zu überdenken.
In dem Zusammenhang habe ich mir einmal die OECD-Studie vom 27. April 2009 aus dem Netz gezogen. Dort kann man sehen, dass wir im internationalen Steuervergleich von 2006 mit der Steuerquote – und das ist immer Ihr Argument, dass die Steuerquote in Deutschland zu hoch ist – genau im Mittelfeld liegen. Hinter uns liegen Spanien, Ungarn, die Niederlande, Island, Österreich, Finnland, Norwegen, Frankreich, Belgien, alle 10 Prozentpunkte höher, und Dänemark und Schweden liegen fast bei 50 Prozent, so dass Ihre Argumentation, unsere Steuerquote sei viel zu hoch, einfach nicht zutrifft.
Besonders interessant ist es natürlich, wenn man sich in dieser OECD-Studie ansieht, wo Deutschland eigentlich steht, wenn es um die Gewinnbesteuerung geht, und wo Deutschland steht, wenn es um die Lohnbesteuerung geht. Bei der Gewinnbesteuerung liegt Deutschland am niedrigsten, da haben wir mit 2,1 Prozent die niedrigste Quote. Aber bei der Besteuerung von Lohneinkommen liegen wir im oberen Fünftel und haben dort einen sehr hohen Ansatz.
Das ist genau unser Ansatz, dass wir sagen, wir brauchen die Handlungsfreiheit für die Politik und wir brauchen Steuergerechtigkeit.
Deswegen fordern wir drittens, die Erbschaftssteuer anders zu gestalten, und zwar möchten wir eine gerechtere Besteuerung der großen Erbschaften mit dem Ziel, dass jedes Jahr 200 Millionen Euro Mehreinkünfte in die Stadtkasse kommen.
Dieses Parlament trägt mit seinen Entscheidungen Verantwortung nicht nur für jetzt, sondern auch für die folgenden Generationen. Es trägt auch Verantwortung für die Entscheidungen, die nicht getroffen werden, das bitten wir Sie zu bedenken. Wir hoffen auf Unterstützung unseres Antrags.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist ein ganz toller Antrag, der gefällt mir gut. Das einzige, was mich noch irritiert, ist: Haben Sie jetzt eigentlich gestern den Zusatzantrag von der SPD abgeschrieben oder war das umgekehrt?
Sie fangen an mit der Vermögenssteuer und meinen, das würde die Einnahmenseite stärken. Mal abgesehen davon, dass das Bundesverfassungsgericht 1995 die Vermögenssteuer gekippt hat
und dass Sie auch schon früher, als es die Vermögenssteuer noch gab, ein ganz eklatantes Missverhältnis hatten zwischen den enormen Verwaltungskosten und dem Ertrag, dass eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer einen ungeheuren Aufwand in der Neubewertung des gesamten Grundvermögens in Deutschland zur Folge hätte,
(Michael Neumann SPD: Wenn die Men- schen das hier hören, kann ich verstehen, dass sie nicht mehr zur Wahl gehen!)
dass Sie aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Grundsatzes der Hälftigkeit wahrscheinlich gar nicht in die Verlegenheit kommen würden, nennenswerte Vermögenssteuer zu erheben, dass Sie insbesondere bei erträgnislosen Vermögen in eine Enteignungswirkung hineinkommen würden durch einen steuerlichen Vermögensverzehr, dass Sie durch den Renditewettbewerb von Vermögensanlagen mit einer Vermögenssteuer für steigende Mieten sorgen würden, dass Sie die Vermögensbildung und private Altersversorgung damit beeinträchtigen, dass Sie die Abwanderung mobiler Vermögen auf diese Art und Weise forcieren, dass Sie eine negative Leistungsmotivation herausarbeiten, dass Sie negative Folgen für den privaten Wohnungsbau damit herausarbeiten und eine negative Vorsorgemotivation. Das Ganze bringt keinen nennenswerten Ertrag, das ist albern, gnädige Frau.
Dann kommen Sie mit der Erbschaftssteuer, Sie finden, das ist eine tolle Idee, da kann man mehr machen. Mal ganz abgesehen davon, dass Sie natürlich Vermögenswanderung, und zwar insbesondere ins Ausland, damit erreichen, wenn Sie große Vermögen mit 50 Prozent besteuern wollen, dass Sie natürlich letztendlich eine Doppelbesteuerung erreichen, wenn Sie bereits einmal besteuerte Einkommen ein zweites Mal einer Steuer unterwerfen,
dass Sie insbesondere diejenigen benachteiligen, die Erfolg durch Leistung produziert haben, das ist Ihnen natürlich egal.
Ja, das ist eine Unterstellung. Was ich Ihnen vor allen Dingen unterstelle, ist, dass Sie die Leistungsmotivation nach unten bringen wollen.
Im Übrigen, die Bevorzugung von Produktivvermögen in klein- und mittelständischen Unternehmen, die wir heute schon haben, dient dem Erhalt von Arbeitsplätzen und von Leistungspotenzialen, aus denen dann Einkommensteuer, Lohnsteuer und Körperschaftssteuer generiert werden können. Da hilft Ihnen eine Erhöhung der Erbschaftssteuer nicht weiter.
Ihr Vorschlag, die Steuerklassen abzuschaffen, zeigt letztendlich nur das ideologische Leitbild, dem Sie folgen, nämlich als SED-Nachfolgeorganisation sozialistische Einheitsklasse statt Familienindividualität.
(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Und der Bürgermeister sitzt auf dem Schoß von Herrn Bischoff.)
Wenn Sie die Steuerprüfung dann auch noch intensivieren wollen, dann bitte ich Sie doch einmal, sich die Senatsantwort zu 19/938 durchzusehen. Sie werden feststellen, dass es in den letzten Jahren eine erhebliche Effizienzsteigerung in Prüfung und Fahndung gegeben hat. Die Ergebnisse pro Fahnder, pro Prüfer sind erheblich nach oben gegangen. Und wenn Sie behaupten, man könnte da noch mehr erreichen, dann hören Sie sich doch die Ausführungen der Mitarbeiter der Finanzverwaltung an, was deren Meinung dazu ist. Sie unterstellen letztendlich diesen Leuten massive Kompetenzmängel, denn ganz offensichtlich beurteilen die das anders, die sind nämlich nicht der Meinung, dass man durch eine erhebliche Personalaufstockung diese Effizienzsteigerung noch wesentlich toppen könnte. Ganz abgesehen davon, dass Sie hier immer die latente Steuerunehrlichkeit von Einkommensteuerzahlern unterstellen.
Sie stellen zum Beispiel auch auf das Thema Quellenbesteuerung ab. In den Kapitalerträgen haben wir bereits eine Quellenbesteuerung.
Wenn Sie vorschlagen, wir sollten Lösungswege aufzeigen für die Haushaltskonsolidierung, was ich eine gute Idee finde, das finde ich ganz toll, kann ich Ihnen nur sagen, das Allerbeste, was wir tun können, ist, die Leistungspotenziale der Wirtschaft und der Steuerzahler zu stärken. Das heißt, ihnen Rahmenbedingungen zu geben, in denen sie erfolgreich wirtschaften können, damit wir Gewerbesteuer nach oben bringen, Körperschaftssteuer, Kapitalertragssteuer und auch Lohn- und Einkommensteuer.
Und das zweite, was wir hier in Hamburg in der Politik machen können, ist der Einstieg in eine sehr konsequente Aufgabenkritik, denn es ist nicht nur richtig, die Einnahmenseite des Staates zu stärken, sondern es ist auch unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir die Ausgaben reduzieren und auf die Ausgaben verzichten, wo wir uns nicht unmittelbar in ganz klarer öffentlicher Daseinsvorsorge befinden. Da haben wir durchaus auch Potenzial und ich würde mich freuen, wenn Sie dazu auch Vorschläge machen könnten, nicht nur das Geld anderer Leute ausgeben, sondern auch einmal dafür sorgen, dass der Staat sich aus den Teilen heraushält, in denen er möglicherweise nichts zu suchen hat.