Protokoll der Sitzung vom 24.06.2009

die kriegen kein Geld, das ist ein ganz schlechtes Gutachten, wenn sie das alles nicht erfasst haben. Und so zieht sich ein Punkt nach dem anderen. Die Berechnungen sind allesamt äußerst schwierig und die Fotos sind manipulativ. Ich möchte ein Beispiel anführen, worüber wir uns im Wissenschaftsausschuss gewundert haben. Wir haben vier Szenarien, die zufällig alle ungefähr das Gleiche kosten. Dabei weiß ich, dass es sowohl in der CDUFraktion als auch in der GAL-Fraktion, Frau Sager hat es jetzt offen gesagt, ganz starke Bedenken gibt, ob dieser eingeplante Betrag wirklich einzuhalten ist. Es ist die Rede vom doppelten, dreifachen oder sogar vierfachen Betrag, der nötig wäre, um die Universität auf den Kleinen Grasbrook zu verlagern. Insofern halte ich das Finanzargument für total wichtig. Nur Hasardeure planen etwas, ohne es finanziell auszugleichen und durchzuplanen. Das geht nicht und deshalb finde ich, dass Sie völlig unrecht haben, Frau Gümbel, wenn Sie sagen, dass die Finanzen keine Rolle spielen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

In diesen Szenarien ist nämlich Folgendes passiert: Wenn die Universität am Standort Eimsbüttel bleibt, werden 375 000 Euro für die Erschließung des Kleinen Grasbrooks eingeplant. Das hat bisher keiner erklären können. Wenn die Uni am Standort Eimsbüttel bleibt, warum müssen dann 375 000 Euro fließen, damit der Kleine Grasbrook

für die Universität erschlossen wird? Das kann keiner sagen.

Nun hatten wir tatsächlich im Wissenschaftsausschuss jemanden, der uns die Flächenberechnungen erläutern sollte. Wir waren, ich glaube, bis in die CDU hinein, davon ausgegangen, dass jemand kommt, der uns erklärt, wie Sie darauf kommen, dass die Drittmittel sich auf das Doppelte belaufen, wie Sie darauf kommen, dass wir mehr Flächen brauchen. Wissen Sie, was uns vorgerechnet wurde? Bei diesem Punkt bin ich endgültig gegangen: Sie haben uns vorgerechnet, dass heute im bundesweiten Vergleich ein Professor einen Raum von 19 Quadratmetern braucht.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz)

Das ist nun wirklich keine Erklärung dafür, weshalb wir eine vergrößerte Universität auf dem Kleinen Grasbrook brauchen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Jetzt sagen Sie, Frau Gümbel, wir könnten erst eine Entscheidung fällen, wenn der STEP in der Universität entschieden worden ist. Ich frage Sie allen Ernstes, warum denn ein Gutachten für 1 Million Euro in Auftrag gegeben wurde, wenn das nicht die Basis für die Entscheidung ist, nämlich ein ganz anderes Gesetz, das erst in der Universität beschlossen werden muss. Diese 1 Million Euro hätte der Senat locker sparen können.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen, meine Damen und Herren? Das sehe ich nicht.

Dann rufe ich das zweite Thema der Aktuellen Stunde auf, angemeldet von der GAL-Fraktion:

Hafen für Ideen – Raum für kreative Wirtschaft.

Das Wort hat Herr Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamburg ist mehr als Handel und Hafen, das ist schon seit einiger Zeit ein zentraler Slogan der Grünen in Hamburg. Jetzt in der Wirtschaftskrise wird eines deutlich: Wer nicht auf moderne Zukunftsmärkte setzt, der wird Probleme haben; die Zukunft wird nicht den Großunternehmen, auch in den traditionellen Bereichen, gehören, sondern die Wachstumsmärkte von morgen werden in enormem Ausmaß von oftmals kleinen, innovativen Betrieben der Kultur- und Kreativwirtschaft gespeist, denn die Kultur- und Kreativwirtschaft ist in einer wissensbasierten Ökonomie ein

(Wolfgang Beuß)

zentraler Wachstumsmarkt, der in viele andere Bereiche ausstrahlt. Das war bisher unsere These und wenn wir heute in die Stadt sehen, zeigen sich viele Belege dafür, dass das auch stimmt.

Wir erleben in dieser Hafenstadt einen Einbruch im Hafen, der seinesgleichen sucht. Dort stehen die Kräne fast still, man duckt sich vor einem Einbruch und wartet auf gute Zeiten, von denen man denkt, dass sie vielleicht in ein oder zwei Jahren wiederkommen werden. An anderen Stellen in der Stadt dagegen ist lebendiges Leben, da passiert etwas, da entwickelt sich etwas, da werden neue Unternehmen gegründet mitten in einer großen Krise, auch mitten in einer Krise der Exportwirtschaft. Mag das in alten Hafenarealen stattfinden, am Oberhafen, wo Galeristen und Künstler ihr Auskommen finden, mag es sein, dass Udo Lindenberg in Rothenburgsort ein neues Museum und ein Hotel plant, oder dass Modedesigner auf der Veddel neue Projekte verkünden.

(Zurufe von der SPD)

Jetzt höre ich von der SPD, die immer einen sehr starken Fokus auf den Hafen legt, das könne man nicht miteinander vergleichen, Herr Münster runzelt finster die Stirn.

(Ingo Egloff SPD: Das stimmt doch auch!)

Herr Egloff sagt, das stimme doch auch.

Anscheinend meinen Sie, das seien so kleine, unwichtige Bereiche, die mit einem Großunternehmen wie der HHLA nicht mithalten können.

(Ingo Egloff SPD: Das hat doch keiner ge- sagt! Das müssen Sie schon mal gewich- ten!)

Dann sehen wir uns einmal die Fakten an, liebe Kollegen von der SPD. In Deutschland werden im Bereich der Kreativwirtschaft 61 Milliarden Euro umgesetzt. In dem Bereich arbeiten mehr als 1 Million Beschäftigte. Das ist mehr als in der Automobilindustrie, die viele in diesem Land für die zentrale Branche halten.

(Ingo Egloff SPD: Jeder achte Arbeitsplatz hängt von der Automobilindustrie ab!)

In diesem Bereich gibt es auch in einer Wirtschaftskrise Aufwärtspotenzial. Ich weiß nicht, warum Sie sich so darüber ärgern, darüber sollten wir uns freuen, dass es in dieser Krise auch noch Bereiche gibt, denen es gut geht und bei denen es vorangeht. Ich glaube, das sollten wir alle unterstützen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Weil dies so ist, ist es auch gut, dass die Förderung der Kreativwirtschaft ein ganz zentraler Baustein in dem neuen Leitbild des Senats, Wachsen mit Weitsicht, ist. Hier setzt man nicht nur auf den Export, sondern auch auf die heimische Wirtschaft,

die nicht so ohne Weiteres nach China verlagert werden kann.

Wenn man sich ansieht, was in diesem Bereich passiert, muss man eines feststellen: Auch traditionelle Branchen in Hamburg profitieren davon. Ohne die Werke und Leistungen der Schriftsteller, Komponisten, Bühnenbildner, Filmemacher und Künstler gäbe es keine Kultur- und Kreativwirtschaft. Sie sind Urheber, originär, Produzenten und Dienstleister, ohne die keine Filmfirma, kein Buchverlag und auch kein Galerist etwas zu tun hätte.

Soweit, so gut. Aber diese kreative Klasse braucht auch ein Umfeld, sie braucht nicht die geleckten, gutaussehenden Stadtteile, sondern sie geht dorthin, wo Brüche sind, wo die Widersprüche in der Gesellschaft offen werden. Hier kann der wirtschaftliche Erfolg Hamburgs durchaus zum Nachteil werden, gerade auch, wenn man Hamburg mit Berlin vergleicht. In Berlin gibt es eine Vielfalt an Flächen, wo gerade diese jungen Menschen hingehen und praktisch den Humus einer neuen Entwicklung bilden können. In Hamburg stehen solche Flächen selten Künstlern zur Verfügung, weil Flächen teuer sind. Deshalb muss auch die Politik in diesem Bereich tätig werden, sie muss in diesem Bereich Flächen zur Verfügung stellen, dafür sorgen, dass nicht in jedem Winkel dieser Stadt Bauherren, Investoren und Finanzinvestoren schöne Glaspaläste hochziehen, sondern wir brauchen auch die alten, baufälligen Schuppen, die brachliegenden Gebiete als einen Bereich, in dem die Kreativen ihr Auskommen finden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Dieses wird eine Sache sein, die nicht nur eine Kulturbehörde leisten kann, das wird eine Aufgabe sein, an der viele Behörden dieser Stadt mitwirken müssen. Die Stadtentwicklungsbehörde muss sich überlegen, ob angrenzende Areale der HafenCity wirklich bebaut werden müssen, die Wirtschaftsbehörde muss überlegen, ob in ehemaligen Hafengebieten Kreative ihr Auskommen finden können.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss. Wenn wir das alles tun, meine Damen und Herren, werden wir Impulse setzen, dynamische Entwicklungen in Gang setzen und dafür sorgen, dass Hamburg nicht nur ein Containerhafen ist und bleibt, sondern auch ein Hafen für Ideen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Wankum.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – der Kollege Kerstan hat es

(Jens Kerstan)

bereits betont – kommt es jetzt darauf an, die Hamburger Wirtschaft in allen ihren Facetten zu stärken und sie gleichzeitig fit zu machen für die Anforderungen der Zukunft.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine der bedeutendsten Branchen überhaupt. Im Gegensatz zu vielen traditionellen Industrien hat sie nicht damit zu kämpfen, dass sie schrumpfen, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach weiter stetig wachsen wird.

(Zuruf von Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE)

Bereits im Jahr 2008, lieber Herr Bischoff, hat sie in der Bundesrepublik einem Umsatz gehabt von 132 Milliarden Euro, in 240 000 Unternehmen mit knapp 1 Million Beschäftigten erwirtschaftete diese Vorzeigebranche 2,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts und in einer Kreativmetropole wie der Freien und Hansestadt Hamburg sind diese Zahlen sicherlich noch bedeutender. Auch ist dabei die Zahl der Selbstständigen außergewöhnlich hoch. Ich habe nie verstanden, warum zwischen den traditionellen Industrien und der Kreativwirtschaft, zwischen Hafen und Kreativwirtschaft ein Gegensatz gesehen wird. Diese Bereiche sind nicht konfrontativ, sondern additiv zu sehen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Von dieser Senatsbank, meine Damen und Herren Kollegen von der SPD, ging einstmals die Losung aus: Wer Visionen hat, der möge doch bitte zum Arzt gehen. Der heutige Senat und die schwarz-grüne Koalition haben eine Losung, die genau das Gegenteil bewirkt, insbesondere in den elf Kernbranchen und Teilmärkten, die nach Definition der Bundesregierung und der EU-Kommission die Kreativwirtschaft ausmachen. Es geht uns auch nicht darum, irgendwelche billigen Wahlkampflosungen auszugeben, sondern darum, sich dieser Wirtschaftsbranche seriös zuzuwenden. Es geht uns darum, die Voraussetzungen zu stärken, um die einzelnen Bereiche der Kreativwirtschaft zusammenzuführen, von den sogenannten microstars über die Designer, die Software- und Games-Entwickler, die Architekten bis hin zu den Journalisten, den Werbetreibenden und so weiter, sie miteinander zu vernetzen, ihnen im Tagtäglichen Hilfestellung zu bieten.

Uns wird es mit der vom Bürgermeister auf dem Hamburger Mediendialog angekündigten Kreativagentur ebenfalls gelingen, kreative Hamburger in Hamburg zu halten und Kreative von außerhalb nach Hamburg zu holen, damit sie hier gerne arbeiten, dauerhaft leben und gerne ihre Steuern zahlen wollen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir stellen uns dem internationalen Wettbewerb der großen Metropolen. Diese von uns bereits in

der Vergangenheit begonnene Aufgabe wird vom schwarz-grünen Senat zum Wohle der Menschen in dieser Stadt, zum Wohle der Metropolregion, verstärkt fortgesetzt werden. – Vielen Dank.