Protokoll der Sitzung vom 02.09.2009

Wir müssen auch an die 1000 Vattenfall-Arbeitsplätze in Hamburg denken. Anders als meine Vorrednerin möchte ich den Kraftwerksbetreiber Vattenfall nicht über den Kamm scheren, sondern dem Kraftwerksbereich eindeutig die Kompetenz für die Störung im AKW Krümmel zuweisen. Wir müssen uns aber auch im Klaren darüber sein, dass es eine Laufzeitverlängerung, die die CDU auf Bundesebene fordert, nicht für das AKW Krümmel über 2012 hinaus geben kann. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Schaal.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Atomkraftwerk Krümmel endgültig stilllegen – so überschreiben die Koalitionspartner CDU und GAL ihren Antrag. Bis dahin können wir folgen,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Na immerhin!)

aber weiter auch nicht, denn mit dem Antrag fordert die Koalition den Senat lediglich auf, dass eine Aufarbeitung stattfinden müsse, wie es zu dem Zwischenfall am 4. Juli kommen konnte. Weiter fordern CDU und GAL vom Senat, die Ereignisse und Versäumnisse genau zu prüfen und die Stadt über die Ergebnisse zu informieren. Dann erst, im Zweifel, solle darauf hingewirkt werden, das AKW dauerhaft zu schließen.

Frau Weggen, diese Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag stellen, stehen in diametralem Gegensatz zu dem, was Sie vorgetragen haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Die Zweifel haben Sie alle verbalisiert, aber Sie ziehen in dem Antrag keine Konsequenzen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Herr Hecht, gehen Sie doch das Prozessrisiko ein. Wirken Sie auf Schleswig-Holstein ein, auf den Ministerpräsidenten

(Michael Neumann SPD: Noch-Ministerprä- sidenten! In vier Wochen ist Schluss damit!)

und den zuständigen Minister, der jetzt die Atomaufsicht wahrnimmt im verbliebenen Kabinett. Sagen Sie ihm, dass er doch das Prozessrisiko eingehen soll, dann wird man ja sehen. Auch der Bundesumweltminister ist ein hohes Risiko eingegangen, als er die Laufzeitübertragung auf alte Reaktoren verhindert hat, und er hat höchstrichterlich Recht bekommen. Seien Sie mutig und machen Sie in Krümmel etwas Ähnliches.

(Beifall bei der SPD)

Unter endgültig stilllegen verstehen wir etwas anderes als das, was Sie in den Antrag geschrieben haben. Der Antrag von CDU und GAL ist Etikettenschwindel. Der Pannenreaktor Krümmel muss zum Schutz der Bevölkerung in Hamburg und in der Metropolregion endgültig abgeschaltet bleiben. Das hat die Hamburger SPD bereits vor den Sommerferien so gefordert und beschlossen. Die Beschlusslage der CDU sieht bekanntlich in Sachen Atomkraft ganz anders aus. Das Programm ebenso wie die Erklärung der Bundeskanzlerin und des Bürgermeisters lautet: Atomkraftwerke sollen länger laufen, aber, wie der Bürgermeister immer wieder betont, nur sichere Kraftwerke sollen dafür in Frage kommen.

Es ist schon interessant, wie die zuständige CDU-Sprecherin im Bundestag Krümmel beurteilt. Genau vor einer Woche hat sie bei einer Sondersitzung des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag festgestellt…

(Klaus-Peter Hesse CDU: Wer ist das?)

Das ist die Marie-Luise Dött, falls Sie das nicht wissen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ach, die!)

Frau Dött hat festgestellt, dass es sich bei den Ereignissen vom 4. Juli um ein sicherheitstechnisch unbedeutendes Ereignis handelt. Sie hat gesagt, Frau Weggen, alle Sicherheitssysteme in Krümmel hätten bestimmungsgemäß funktioniert. Wir haben offensichtlich noch einmal Glück gehabt, aber das Glück kann uns auch demnächst verlassen. Doch selbst das ficht den Bürgermeister nicht an. Heute hat er gegenüber dem "Hamburger Abendblatt" erklärt, dass sie, so unschön die Störfälle gewesen

(Heiko Hecht)

seien, keine Gefahr für die Bevölkerung dargestellt hätten.

Was muss denn noch alles passieren, bevor der Bürgermeister das Gefahrenpotenzial, das Frau Weggen beschrieben hat, überhaupt ernst nimmt.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Dahinter steckt eine ganz bestimmte Denke – ein Beispiel. In Bergedorf haben die CDU-Abgeordneten noch im Juni gegen die Stilllegung von Krümmel gestimmt und einen entsprechenden Antrag der GAL und der LINKEN mit der Begründung der Panikmache abgelehnt. Das macht doch deutlich, dass der CDU- und GAL-Antrag lediglich dazu dient, die Koalition zu kitten, weil dieses Kraftwerk sonst zum Störfall für die Koalition werden könnte.

(Beifall bei der SPD)

Die GAL bleibt mit der Position, die sie in dem Antrag mit trägt, weit hinter dem zurück, was Bündnis 90/Die Grünen auf Bundesebene fordern. Dort treten sie nämlich für die bedingungslose Abschaltung von Krümmel ein und sie haben das auch gutachterlich begründet; Frau Weggen hat ja fleißig aus dem Gutachten zitiert.

Wir als SPD wollen den Kitt für Schwarz-Grün nicht noch aushärten, darum lehnen wir Ihren Antrag ab und stimmen dem Antrag der LINKEN zu. Mit 314 meldepflichtigen Ereignissen und einer 25-prozentigen Ausfallzeit gehört Krümmel zu den anfälligsten Atomreaktoren in der Republik überhaupt; er ist völlig überaltert. Einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leistet dieses Kraftwerk auch nicht, denn es ist Monate bis Jahre nicht in Betrieb und kann deswegen auch gleich außer Dienst gestellt werden.

Die Anwohner bis nach Hamburg herein empfinden dieses Kraftwerk als eine potenzielle Gefahr. Dabei geht es nicht nur um Rost und Risse oder Alterserscheinungen – Frau Weggen hat auch das geschildert –, sondern es geht vor allen Dingen um die Zuverlässigkeit des Betreibers. Das betriebsführende Unternehmen Vattenfall hat bis heute keine angemessene Sicherheitskultur entwickelt. Wenn man erst nach zweimaligen Havarien über 30 Jahre alte Transformatoren durch einen neuen ersetzen will, wenn die Auflagen der Sicherheitsbehörden nicht erfüllt werden, wenn das Personal nicht ausreichend geschult wird, wenn an Brennstäben vermeidbare Schäden auftreten, wenn Radioaktivität im Reaktorwasser nachweisbar ist und so weiter und so fort, dann belegt das doch, dass mangelnde Sorgfalt und Zuverlässigkeit des Betreibers zu konstatieren sind.

Vor zwei Jahren hatte Vattenfall hoch und heilig versprochen, ein Sicherheitsmanagement einzurichten; nichts ist passiert. Das sagte Bundesumweltminister Gabriel vor dem Bundestagsausschuss. Er hat auch darauf hingewiesen, dass man

die Zuverlässigkeit eines Betreibers nicht einfach dadurch herstellen kann, indem die Betriebsleiter entlassen werden. Jetzt wurde zum zweiten Mal Personal ausgetauscht. Damit werden die Mitarbeiter zu Sündenböcken für Versäumnisse der Unternehmensleitung gemacht. In Schweden hat das dazu geführt, dass das staatliche Unternehmen noch einer zusätzlichen, verschärften Staatsaufsicht unterstellt wird. Die Aufsichtspersonen stehen mit in der Kontrollwarte; das spricht Bände.

Das deutsche Atomgesetz muss hinsichtlich der Formulierung der Kriterien für die Zuverlässigkeit von Betreibern verschärft werden. Das ist richtig, das muss auf Bundesebene passieren und Entsprechendes wird auch mit dem Bundesumweltminister besprochen.

Was wir in Krümmel erleben, hatte offensichtlich niemand vor Augen, als die Anforderungen ins Atomgesetz geschrieben wurden. Die Branchenkonkurrenten von Vattenfall, nämlich die großen Unternehmen RWE, E.ON und EnBW wollen jetzt vom Konzernchef von Vattenfall, von Herrn Josefsson, oder wenigstens vom Deutschlandchef, Hatakka, endlich eine öffentliche Stellungnahme zu den Ereignissen und Vorgängen im Reaktor haben, doch da kommt nichts.

(Jörn Frommann CDU: Jetzt haben Sie die Zuschauertribüne leer geredet!)

Das erzählen diese Unternehmen öffentlich und das ist auch keine Zerknirschtheit, wie der Bürgermeister heute in dem Interview vermutet. Dahinter steckt eine ganz einfache Volksweisheit: Wer das Licht scheut, hat etwas zu verbergen. Gerade das ist es, was die Zweifel an dem sicheren Betrieb von Krümmel in der Bevölkerung noch weiter wachsen lässt.

Der Bürgermeister hat sich mit seinem Interview erneut vor Vattenfall gestellt, statt der Unternehmensspitze nun endlich einmal deutlich zu machen, dass Sicherheit vor Profit geht. Jetzt bekommen die Stromkunden die Quittung für das Verhalten des Unternehmens. Hier ist ein Wechsel angesagt, nicht nur beim Energieversorger, sondern auch in anderer Beziehung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Das Wort erhält die Abgeordnete Heyenn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bürgerschaftsfraktion DIE LINKE bringt heute einen Antrag zur sofortigen Stilllegung des Kernkraftwerkes Krümmel ein. Die GAL war davon so begeistert, dass sie das zur Debatte angemeldet hat. Wir sind dankbar dafür, dass wir auf diesem Wege heute drei unserer An

(Dr. Monika Schaal)

träge diskutieren konnten. Vielleicht ist das ein Zeichen, wir wollen einmal sehen, wie es weitergeht.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Jens Kerstan GAL: Wir sind halt gut, Kollegen!)

Vor der Sommerpause haben Vertreter aller Parteien bis hin zur CDU in öffentlichen Äußerungen die Konsequenz aus vielen Pannen gezogen, dass man Krümmel nicht nur abschalten, sondern auch stilllegen sollte. Bis heute sind diesen markigen Worten keine Taten gefolgt und das will DIE LINKE jetzt mit ihrem Antrag ändern. Mit diesem Antrag bauen wir sozusagen eine goldene Brücke. Wir könnten uns weit mehr vorstellen als das, was wir in diesen Antrag hineingeschrieben haben. DIE LINKE ist für die Abschaltung aller Kernkraftwerke und wir lehnen es ab, dass sogenannte Restlaufzeiten von einem Atommeiler auf einen anderen übertragen werden können.

(Heiko Hecht CDU: Im Himmel ist doch kein Jahrmarkt!)

Herr Hecht, wir haben mit Begeisterung zur Kenntnis genommen, dass die CDU jetzt erklärt hat, nach 2012 die Laufzeiten von Krümmel nicht verlängern zu wollen. Ich bin gespannt, ob diese Aussage den Bundestagswahlkampf heil übersteht.

Wir teilen auch nicht die Einschätzung, dass es einige Reaktortypen gibt, die stillgelegt werden müssen, aber dass im Prinzip – das ist die Auffassung der CDU – die Atomenergie eine saubere und zukunftsträchtige Energiequelle sei. Wir können überhaupt nicht nachvollziehen, dass die im Atomkonsens ausgehandelten Stilllegungen nach der Bundestagswahl wieder rückgängig gemacht werden und mit Volldampf wieder in diese Technologie investiert werden soll. Die Risiken der Atomkraft gefährden Mensch und Umwelt und das stärkste Argument ist immer noch die fehlende Entsorgung. Immer wieder gibt es Ärger mit der Kernenergie, sei es nun in Asse, dem sogenannten Endlager für Atommüll, oder den Kernkraftwerken selbst. Solange es die Gewinnung von Energie aus künstlicher Radioaktivität gibt, solange gibt es Probleme, auch und gerade in der Metropolregion Hamburg.

Die gehäuft aufgetretenen Störfälle haben die Skepsis und die Ängste in der Bevölkerung verstärkt. In Krümmel und im ähnlichen Reaktor in Brunsbüttel wurden seit Inbetriebnahme mehr als 740 Störfälle bekannt. Allein 2006 gab es in Krümmel 15 dieser Vorfälle und die Vorkommnisse der letzten Monate hat Politiker aller Parteien auf den Plan gerufen. Die Kieler Landesregierung, der Bürgermeister Ole von Beust, die Senatorin Hajduk, der GAL-Fraktionsvorsitzende sowie der CDU-Abgeordnete Kruse haben sich in der letzten Bürgerschaftssitzung ausdrücklich dazu geäußert und können sich vorstellen, dass Krümmel stillgelegt wird. Das Problem ist nach wie vor, dass uns bis heute nichts Entsprechendes vorliegt. Wie immer,

wenn der politische Wille zu einer Veränderung fehlt, werden rechtliche und bürokratische Hinderungsgründe ins Feld geführt. Das ist auch heute so und damit gibt sich DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft nicht zufrieden.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider haben sich die Hamburger Grünen auch bei der Frage des Atomausstiegs von ihren Wahlkampfaussagen verabschiedet. Anstatt auf den schwarzen Koalitionspartner einzuwirken, knicken sie auch hier ein. Und wenn Sie, Frau Weggen, hier eine Rede halten, dann muss ich Ihnen sagen, Sie haben zwei Reden gehalten. Der erste Teil war, wie Sie gerne handeln würden, wenn Sie das tun könnten, was Sie gerne möchten, und im zweiten Teil haben Sie sich dann wieder auf die CDU zubewegt. Sie haben Ihren Ansprüchen in keiner Weise genügt. Es ist einfach unfassbar, dass Sie in der Bürgerschaft beantragen, der Senat solle sich für eine Prüfung der bisherigen Störfälle einsetzen. Erstens ist es skandalös, wenn es noch nicht passiert ist, das hätte längst geschehen müssen, und zweitens fragt man sich, warum stellen Sie als Regierungsfraktion den Antrag, dass der Senat etwas überprüfen soll; zwei Monate nach dem Störfall, das ist lächerlich.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)