Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

Zum fehlenden gemeinsamen Ansatz der beteiligten Behörden beim Thema Duldung ja oder nein haben wir nun Ihre Position gehört und würden gerne auch noch die des Innensenators hören. Interessanterweise haben Sie beim Thema Dialog gesagt, es hätte diesmal keinen Kontakt gegeben. Da fragt man sich natürlich nach dem Grund. Vielleicht wäre es auch Aufgabe der beteiligten Behörden gewesen, aktiv auf die Leute zuzugehen, um eine vernünftige Lösung herbeizuführen. Sich in diesem Punkt aber tot zu stellen ist sicherlich kein konstruktiver Beitrag.

(Beifall bei der SPD)

Wie im Juli, als wir das erste Schanzenfest 2009 erörtert haben, sind wir uns auch heute darin einig, dass diejenigen, die Gewalttaten ausüben, qua Gesetz verurteilt werden müssen. Auch bei diesem Schanzenfest haben Gewalttäter die Hoffnung auf ein friedliches Fest zunichte gemacht, sodass der Rechtsstaat ganz klare Kante zeigen muss. Diese Doppelstrategie, ernst gemeinter Dialog und Respekt gegenüber den friedlichen Schanzenbewohnern auf der einen Seite, aber klare Kante gegenüber den Gewalttätern auf der anderen Seite, ist der richtige Ansatz. Der Weg ist steinig, aber es gibt dazu keine Alternative, wie auch gestern der Kriminologe Christian Pfeiffer im "Hamburger Abendblatt" klargestellt hat.

Doch Sie haben weder beim Thema Dialog noch beim Thema Strafverfolgung einen klaren gemeinsamen Kurs hier und in Altona gefahren. Wie unsere Anfragen gezeigt haben, haben Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Dass Verfahren vom Schanzenfest 2008 zum Zeitpunkt des Schanzenfestes 2009 noch nicht vor dem Richter gelandet sind, ist ein Skandal, ein Armutszeugnis für Sie und für die beteiligten Strafverfolgungsbehörden. So kann man mit dieser Angelegenheit nicht umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Sie hätten bereits 2008 Vorsorge treffen können und müssen. Doch anstatt sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, haben Sie sich gegenseitig

belauert und wenn Sie sich jetzt auch noch den Schwarzen Peter zuschieben, wird die notwendige Handlungsfähigkeit des Rechtsstaats beeinträchtigt.

Sie haben zwar heute gesagt, man sei sich völlig einer Meinung, doch gestern sah es noch ganz anders aus, das war alles andere als überzeugend. Wir werden darauf achten, wie die Maßnahmen greifen. Die Hamburgerinnen und Hamburger erwarten nach den erneuten Krawallen eine konsequente Strafverfolgung der Gewalttäter und wir wollen keinen schwarz-grünen Koalitionskrach, der auf dem Rücken der verletzten Polizeibeamten und Unbeteiligten ausgetragen wird, um das einmal klarzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zum Schluss und damit zum zentralen Punkt. Hamburg möchte einen Innensenator, der bei diesem Thema nicht ständig weiter Öl ins Feuer gießt und somit jeden Deeskalations- und Diskussionsansatz, den Sie, Herr Voet van Vormizeele, vor Ort pflegen, so schwierig dies auch sein mag, zunichte macht.

Mein konkreter Rat an den Innensenator lautet,

(Wolfgang Beuß CDU: Den will er gar nicht haben!)

nächstes Mal weniger Deeskalation durch Stärke zeigen, sondern Deeskalation durch Mund halten. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum DIE LINKE)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Dressel, ich habe schon viel von Ihnen gehört,

(Frank Schira CDU: Das fällt auf ihn zurück!)

aber Ihren letzten Satz, der irgendwie am Thema vorbeigeht, habe ich nicht verstanden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Er entspricht allerdings der Art und Weise, wie die SPD sich diesem Thema insgesamt widmet. Sie verhalten sich ein bisschen so wie Menschen, die im Elfenbeinturm der Wissenschaft sitzen und mit der Pinzette in irgendetwas herumstochern, das gar nichts mit ihrem Leben zu tun hat.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ihre Kolleginnen und Kollegen von der SPD sitzen doch in denselben Gremien wie wir oder die CDU und hätten dort viel zum erfolgreichen Gelingen des Schanzenfestes beitragen können.

(Dr. Andreas Dressel)

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Also wir sind schuld!)

Was wollen Sie uns eigentlich mit Ihrem Redebeitrag suggerieren, etwa, dass Sie alles anders gemacht hätten? Aber wie denn? In Wirklichkeit kann das Schanzenfest nur dadurch verändert werden, dass wir uns alle in einen Dialog mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, den Geschäftsleuten und allen anderen Akteuren vor Ort begeben. Da war die SPD nicht in Sicht, es sei denn, an anderer Stelle, über die wir vielleicht auch noch einmal reden müssen

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

regen Sie sich ruhig auf –, die aber nicht hilfreich für dieses Fest war und schon gar nicht zu seinem Gelingen beigetragen hatte.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Fazit, das Herr van Vormizeele gezogen hat,

(Ingo Egloff SPD: Was wollen Sie denn ei- gentlich, Frau Möller?)

möchte ich um ein paar Stichworte ergänzen. Es gab ein deutliches Bemühen um eine Trendwende, das vom Quartier ausging und mit Politik recht wenig zu tun hatte, aber ganz viel damit, dass das Signal, es könne nicht so weitergehen, tatsächlich angekommen war. Um diese Trendwende haben sich viele Leute in vielen Gesprächen bemüht, die nicht als Wahlkampfthema taugen, weil man sie führen muss, ohne dass darüber gleich am nächsten Tag in der Zeitung berichtet wird. Mit der SPD, die bei diesen Gesprächen gefehlt hat, hätten wir noch mehr erreichen können; vielleicht beim nächsten Mal.

50 Geschäftsleute haben sich zusammengetan und für dieses Fest ausgesprochen, vorausgesetzt, es würde anders ablaufen. Mit Plakaten wurde deutlich signalisiert, dass man ein friedliches Fest wolle. Es gab zum ersten Mal seit Langem wieder ein großes Kinderfest, außerdem eine zwar Müll erzeugende, dafür aber Stress abbauende Kissenschlacht und es gab auch, um ein bisschen der Legendenbildung vorzugreifen, einen Polizeieinsatz nach Lagebild. Dieses Lagebild war ein verändertes und dadurch kam auch eine veränderte Einschätzung zustande. Es gab ein gezieltes Eingreifen auch bei Straftaten, was Sie auf eine Art kritisiert haben, die ich nicht so recht verstehe.

Das wichtige Fazit ist aber, dass wir die Tatsache, dass nicht mehr alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Schanzenfestes und der anschließenden Party von den Medien oder sonst jemandem unter einen Generalverdacht gestellt worden sind, als erfolgreiche Trendwende bezeichnen können.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Anders als Herr van Vormizeele kann ich den Bezirk übrigens verstehen. Ich kann nachvollziehen, dass der Bezirk oder die Politikerinnen und Politiker vor Ort sich nicht mehr einmischen wollten, weil sie in der Vergangenheit nach dem Fest so viel auf die Mütze bekommen hatten. Sie wurden von der Polizeigewerkschaft und auch der SPD öffentlich beschimpft und haben sich auch von Schwarz-Grün nicht genügend unterstützt gefühlt.

Trotzdem bin auch ich dafür, dass wir weiterhin viele Gespräche führen müssen. Immerhin haben wir eine veränderte, eine wesentlich bessere Ausgangssituation als im letzten Jahr mit einem höheren Gesprächsniveau. Wir müssen weiterhin für eine große Beteiligung werben, auf die wir angewiesen sind und die sicher nicht einfach zu haben sein wird, aber der Anfang ist gemacht. Geschäftsleute organisieren sich und sprechen sich für das Fest aus, einzelne Institutionen werben dafür und die Bewohnerinnen und Bewohner selbst haben deutlich gemacht, dass sie dieses Schanzenfest wollen, das anders war als die bisherigen Feste. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Frau Schneider.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Ja zum friedlichen Feiern. Noch vor dem Schanzenfest am 12. September hatten Sie, Herr Senator, öffentlich verkündigt, wir bräuchten überhaupt kein Schanzenfest. Inzwischen ist die CDU-Fraktion einen ganzen Schritt weiter mit ihrem einfachen, klaren Ja zum friedlichen Feiern. Das ist neu, das begrüßen wir.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Nee, da ist nix neu! Friedlich feiern war schon immer okay!)

Wir meinen, dass sich damit eigentlich auch die leidige Diskussion um die Anmeldung des Festes erledigt hat. Aber es geht beim Schanzenfest nicht nur ums Feiern, sondern das Schanzenfest ist ein politisches Fest, das Kritik, Protest und Feiern miteinander verbindet.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Dann waren Sie schon lange nicht mehr draußen auf der Schanze!)

Mehr als jedes andere Stadtteilfest ist das Schanzenfest durch eine Kultur der Selbstorganisation geprägt. Auf viele Menschen, nicht nur aus dem Viertel, übt es eine Anziehungskraft aus, weil es eine Alternative zur dominanten Kultur, zur Kultur der Leuchttürme, der Events, zu Alstervergnügen und Hafengeburtstagen ist. Das Schanzenfest steht für die Widerstandskraft kultureller Vielfalt, selbstbestimmter Kultur, die sich gegen die dominante Kultur, gegen den Mainstream-Lifestyle behauptet.

(Antje Möller)

(Beifall bei der LINKEN und bei Antje Möller GAL – Kai Voet van Vormizeele CDU: Auf welchem Fest waren Sie eigentlich? Die Stände waren alle gewerblich!)

Gerade die beiden Feste in diesem Jahr dokumentieren den Selbstbehauptungswillen vieler Anwohnerinnen und Anwohner der Schanze, den Selbstbehauptungswillen der von Aufwertung, Verdrängung und Zerstörung bedrohten alternativen Lebensweisen und ihrer kulturellen Ausdrucksformen.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau deshalb und weil es so unbotmäßig, so im guten politischen Sinne autonom ist, steht das Schanzenfest immer wieder im Zentrum politischer Auseinandersetzungen. Dies ist für obrigkeitsstaatliches Denken, wie Sie, Herr Ahlhaus, es in meinen Augen verkörpern, ein jährlich wiederkehrender Stachel im Fleisch,

(Wolfgang Beuß CDU: Hey! – Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

den Sie, wie Sie sagen, nicht brauchen, den Sie nicht wollen, den Sie eigentlich auch nicht dulden wollen. Und das haben Sie im Vorfeld deutlich rübergebracht, das muss man konstatieren, Frau Möller.

Konstatieren muss man auch, dass Sie, dass Ihre Behörde und leider auch die Medien im Vorfeld nicht müde wurden, Krawalle zu beschwören. Ich habe es noch einmal nachgelesen. Im Zusammenhang mit dem Schanzenfest war wirklich fast nur von Krawallen die Rede, die stattfinden würden, und zwar Punkt 22 Uhr. Später konnte man hören und lesen, dass die Polizei davon ausging, dass ein Großteil der sogenannten Krawallmacher nicht aus der sogenannten linksautonomen Szene stamme. Ja, was glauben Sie denn? Die breite Ankündigung von Krawallen weckt natürlich eine Erwartungshaltung bei Jugendlichen,