Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

Meine Damen und Herren! Abweichend von der Empfehlung des Ältestenrates sind die Fraktionen übereingekommen, dass auch der Tagesordnungspunkt 2 a vertagt werden soll. Es handelt sich dabei um die Große Anfrage der SPD-Fraktion aus Drucksache 19/3286, die ursprünglich heute als siebter Debattenpunkt vorgesehen war. Dafür wird die Tagesordnung um den Bericht des Haushaltsausschusses aus Drucksache 19/4094 "Stabilisierung der Hapag-Lloyd AG durch Gesellschafterbeiträge und Landesbürgschaften" ergänzt, der als Tagesordnungspunkt 11 b nachträglich aufgenommen wurde. Dieser Bericht ist Ihnen heute zugegangen und wird nachher als siebter und letzter Debattenpunkt aufgerufen werden.

Darüber hinaus haben die Fraktionen vereinbart, dass die Tagesordnung um zwei weitere Punkte ergänzt werden soll. Es handelt sich dabei zum einen um den Bericht des Haushaltsausschusses aus Drucksache 19/4093 sowie um den Interfraktionellen Antrag aus Drucksache 19/4095. Beide Drucksachen haben Sie inzwischen erhalten. Sie wurden als Tagesordnungspunkte 11 a und 32 nachträglich in die Tagesordnung aufgenommen.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur

Aktuellen Stunde

Dazu sind heute vier Themen angemeldet worden, und zwar von der CDU-Fraktion:

JA zum friedlichen Feiern – NEIN zu gewalttätigen Chaoten

von der SPD-Fraktion:

Hamburg setzt Zeichen – neuer Anlauf für ein Verbot der NPD

von der GAL-Fraktion:

Hamburg Energie: Meilenstein auf dem Weg zur Klimahauptstadt!

und von der Fraktion DIE LINKE:

Für die Altenpfleger/innen und die Pflegebedürftigen ist die Grenze der Belastbarkeit er

reicht – der Senat muss seiner Verantwortung nachkommen

Ich rufe nun zunächst das erste Thema auf. Wer wünscht das Wort? – Herr Voet van Vormizeele, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben am vergangenen Wochenende das zweite Mal in diesem Jahr ein Schanzenfest in dieser Stadt erleben dürfen, das unterschiedliche Erwartungen im Vorfeld geweckt hat und über das wir heute noch einmal debattieren müssen. Wir können feststellen, dass wir am Samstag in der Schanze ein schönes, friedliches und buntes Straßenfest erlebt haben, und ich finde, der Respekt sollte auch denjenigen gelten, die für ein solch fröhliches und friedfertiges Fest stehen.

(Beifall bei der CDU und der GAL und ver- einzelt bei der SPD und der LINKEN)

Im Gegensatz zu der Festivität, die wir am 4. Juli in der Schanze erleben durften, waren diesmal in den Abendstunden keine Vorbereitungen für irgendwelche strafbaren Handlungen getroffen worden, es waren weder Feuertöpfe vorbereitet noch Stolperdrähte gespannt worden oder Ähnliches. Anders als im Juli gab es also keinen Grund für die Polizei, frühzeitig einzugreifen.

Doch wir müssen auch feststellen, dass erneut gewaltbereite Krawallmacher – ich nenne sie ganz bewusst so – dieses Fest nach ein Uhr nachts für einen Angriff auf ein Polizeikommissariat ausgenutzt haben. Wieder haben Krawallmacher versucht, sowohl Personen als auch Sachen zu verletzen beziehungsweise zu beschädigen. Das ist nicht akzeptabel, wer auch immer das getan hat.

(Beifall bei der CDU und der GAL und bei Arno Münster SPD)

Genauso wenig akzeptabel ist es, wenn man diese Art von Gewalt gegen Personen und Sachen mit irgendwelchen Argumenten verniedlicht oder relativiert. Wer diese Gewalt, wie gestern Abend ein Vertreter der Autonomen im Schanzenviertel, Herr Blechschmidt, damit rechtfertigt, dieses Verhalten sei der legitime politische Ausdruck von Jugendlichen, oder wer meint, in einer großen Hamburger Tageszeitung sagen zu müssen, die Polizei sei selbst schuld, denn sie hätte dort ein bisschen mehr Objektschutz leisten können, der sorgt dafür, dass Gewalt tatsächlich relativiert wird, und das werden und können wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Frau Schneider, Sie haben heute reichlich Gelegenheit, sich von dieser Form von Gewalt klar zu distanzieren.

Wir müssen aber auch feststellen, dass dieses Schanzenfest hinsichtlich der Genehmigungspraxis ein Rückschritt war verglichen mit dem Fest im Juli, wo wir eine qualifizierte Duldung hatten. Diesmal hatten wir weder diese noch einen Kontakt zwischen Organisatoren und Bezirksamt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Woran lag das?)

Ich bedauere dies ausgesprochen, weil der Weg, den die Kollegen im Bezirksamt Altona und in der Bezirksversammlung beschritten haben, richtig war. Dieser Weg ist der einzig mögliche, denn wir müssen erreichen, dass dieses Fest mittelfristig wieder ein ganz normal genehmigtes Fest werden wird, wie jedes andere Fest in Hamburg auch. Ohne Genehmigung wird dieses Fest keine Zukunft haben können.

Im Gegensatz zu früher haben die Veranstalter des Schanzenfestes diesmal selbst für ein gewisses Maß an Friedfertigkeit gesorgt, was ich ganz klar anerkennen möchte. Ich anerkenne, dass viele der Anwesenden die Jugendlichen, die anfangen wollten, Gewalt auszuüben, beruhigt und somit vieles verhindert haben. Trotzdem erwarte ich von denjenigen Kräften in der Schanze, denen ernsthaft an einem friedlichen Fest gelegen ist, dass sie gemeinsam mit den Kollegen im Bezirk, mit der Bezirksversammlung, Wege finden werden, dieses Fest in normale Bahnen zu lenken.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Die Genehmigung für ein Fest halte ich nicht für einen Ausdruck von Spießbürgermoral. Wer das Fest vor Ort erlebt hat, sah dicke, gefährliche Schichten von Glasscherben auf der Straße, keine freien Wege für Kinderwagen und Rollstuhlfahrer oder irgendwo abgestellten Müll nach dem Flohmarkt. Das mag ja gut und schön sein, solange der Steuerzahler die Kosten dafür trägt, denn er muss schließlich die Müllabfuhr am nächsten Tag bezahlen. Auch darüber muss man reden und gemeinsam Lösungen finden und ich bin fest davon überzeugt, dass das möglich ist.

Wir müssen uns auch dringend überlegen, über welches Fest wir eigentlich künftig reden, wenn es um die Teilnehmer geht, und zwar um die gewaltbereiten. Heute ist das Schanzenfest nicht mehr Ausdruck von politischem Straßenkampf, den Menschen führen, die sozusagen ob ihrer schwerwiegenden sozialen Benachteilungen meinen, sich ein Ventil schaffen zu müssen. Sieht man sich einmal an, wer am Samstag Abend Gewalttaten begangen hat, so stellt man fest, dass unter den 37 Festgenommenen 16-, 17-, 18-jährige Kids waren, die großteils aus ausgesprochen bürgerlichen Hamburger Stadtteilen kommen.

(Wilfried Buss SPD: Uhlenhorst!)

Zum Beispiel auch aus Uhlenhorst, Herr Buss, genau.

Das muss für uns Anlass sein, darüber nachzudenken, dass es so nicht weitergehen kann. Wir als CDU-Fraktion sind dafür, den Dialogprozess mit der Schanze fortzusetzen, denn ohne Dialog hat dieses Fest keine Zukunft.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei allem Respekt für das friedliche Fest und bei aller Verurteilung der Chaoten müssen wir heute aber auch darüber diskutieren, welchen Anteil an den Problemen die schwarz-grüne Koalition zu verantworten hat.

(Beifall bei der SPD)

Drei Schanzenfeste während Ihrer Amtszeit, dreimal Krawalle und dreimal kein wirklicher gemeinsamer strategischer Ansatz der Behörden und Senatoren. Einige haben deeskaliert,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Sie haben das nur nicht verstanden!)

einige haben provoziert und genau das ist fatal. Wenn der CDU-Innensenator, der sich sicherlich auch gleich noch zu Wort melden wird, seit einem Jahr bei diesem Thema ständig und auf unerträgliche Weise Öl ins Feuer gießt und gleichzeitig die Christdemokraten in Altona versuchen, einen Flächenbrand zu vermeiden, dann kann man nur sagen, dass Sie mit Ihrer Politik und Ihrem fehlenden gemeinsamen Ansatz Teil des Problems und nicht Teil der Lösung sind.

(Beifall bei der SPD)

Ihre falsche Strategie müssen die eingesetzten Polizeibeamten und die friedlichen Schanzenbewohner ausbaden, und Ihre falsche Strategie ist auch der Grund dafür – davon waren wir beide gestern Zeugen –, dass sich die Organisatoren des Festes mit den Angreifern des Polizeikommissariats solidarisch erklären. Das macht wütend und eine Lösung und einen Dialog nicht einfacher.

(Beifall bei Wolfgang Beuß CDU)

Vielen Dank, Herr Beuß.

Zugegeben, die neue Strategie am letzten Wochenende war besser als die im Juli. Auch wenn am Ende die Gewalt nicht verhindert werden konnte, gab es weniger Verletzte und es konnte erreicht werden, dass das Fest bis in die Nacht hinein weitgehend friedlich blieb.

Aber, und diese Frage muss man sich stellen, gab es denn überhaupt eine neue Strategie? Wie kann es sein, dass Herr Ahlhaus sagt, man sei genauso

(Kai Voet van Vormizeele)

vorgegangen wie am 4. Juli, und Frau Möller auf derselben Zeitungsseite das Gegenteil behauptet, nämlich dass es eine neue Strategie gegeben habe. Wer hat da die Strippen gezogen, worin bestand die neue Strategie? Das müssen Sie heute hier beantworten und wenn nicht Sie, dann der Bürgermeister.

(Heiterkeit bei der CDU – Kai Voet van Vor- mizeele CDU: Der Bundespräsident!)

Wurde die Einsatzstrategie im Rathaus festgelegt oder im Polizeipräsidium? Ich finde, die Bürger in dieser Stadt haben einen Anspruch darauf, dies zu erfahren.

(Beifall bei der SPD)

Zum fehlenden gemeinsamen Ansatz der beteiligten Behörden beim Thema Duldung ja oder nein haben wir nun Ihre Position gehört und würden gerne auch noch die des Innensenators hören. Interessanterweise haben Sie beim Thema Dialog gesagt, es hätte diesmal keinen Kontakt gegeben. Da fragt man sich natürlich nach dem Grund. Vielleicht wäre es auch Aufgabe der beteiligten Behörden gewesen, aktiv auf die Leute zuzugehen, um eine vernünftige Lösung herbeizuführen. Sich in diesem Punkt aber tot zu stellen ist sicherlich kein konstruktiver Beitrag.