Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

… soviel kann man gar nicht essen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ein Verbot der NPD ist auch deshalb notwendig, damit die unerträglichen und für viele Menschen unmittelbar bedrohlichen Neonazi-Aufmärsche definitiv unterbunden werden können.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wir sind für ein Verbot der NPD, aber die Frage ist natürlich, wie das durchzusetzen ist. Wir werden heute dem Antrag der SPD zustimmen, aber mit erheblichen Bauchschmerzen. Uns gefällt nicht, dass diese Antragstellung tatsächlich ein wenig im Zeichen des Wahlkampfes erfolgt. Wir befürchten, dass wir hinterher nicht mehr viel davon hören werden und fordern Sie auf, in dieser Angelegenheit engagiert zu bleiben. Außerdem bereitet uns eine Schwachstelle Bauchschmerzen. Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, weil wir das Anliegen teilen, aber wir haben einen gravierenden Kritikpunkt. Ein Verbotsantrag, wie Sie ihn wünschen, droht wieder vor dem Bundesverfassungsgericht zu scheitern. Die Schwachstelle ist die Durchsetzung des NPD-Führungskaders mit staatlich bezahlten V-Leuten. Dieser Punkt war schon einmal das Verbotshindernis und droht, wenn es denn zu einer neuen Initiative kommt, wieder zu einem Verbotshindernis zu werden, wenn die V-Leute nicht abgeschaltet werden.

Hören Sie, was Heribert Prantl dazu in der "Süddeutschen Zeitung" schreibt. Auch ich zitiere ihn:

"Auf 43 Seiten – Aktenzeichen 2 BvB 1/01 – kann man nachlesen, welche Anforderung an ein Verbot der NPD gestellt werden. Zusammengefasst: Jene V-Leute müssen enttarnt werden, deren Aussagen man als Beweismittel präsentiert. Und vor einem Verbotsantrag müssen die V-Leute aus den Gremien der NPD abgezogen werden. Der Grund: Der Staat hört sonst mit, welche Verteidigung der Prozessgegner plant, er könnte die Strategie sogar steuern."

(Glocke)

Frau Schneider, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Christiane Schneider)

– Ich sage meinen letzten Satz.

Wir haben bisher noch nicht erlebt, dass V-Leute die NPD irgendwie gezügelt oder eine Gefahr gebannt hätten. Wir haben in Hamburg Angriffe am 1. Mai gehabt und auch in Dortmund. Die V-Leute haben daran überhaupt nichts geändert und deshalb gehören sie abgezogen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Senator Ahlhaus.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich bin für ein NPD-Verbot. Auch ich bin dafür, dass wir eine Partei, die sich außerhalb dieses Rechtsstaates stellt, verbieten

(Beifall bei der CDU und der GAL)

und dafür sorgen, dass diese Umtriebe endlich ein Ende finden. Ich finde es gut, dass wir in dieser Meinung alle hier einig sind. Ich fände es besser, den Kampf gegen Rechtsextremismus genauso wie gegen andere Formen des Extremismus als gemeinsame Aufgabe der Demokraten zu betrachten, uns gemeinsam zusammenzusetzen und vernünftig zu diskutieren und nicht auch dieses Thema für blanken Wahlkampfpopulismus zu missbrauchen. Politiker dürfen sich gerne streiten, wenn sie unterschiedlicher Auffassung sind. Wenn es aber um Gefahren für diesen Rechtsstaat und für diese Demokratie geht, glaube ich, dass die Menschen in dieser Stadt erwarten, dass die Politiker zusammenstehen und gemeinsam überlegen, wie man die Gefahr für diese Gesellschaft bekämpfen kann. Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist ein Kampf nicht nur gegen den Extremismus, sondern vor allem ein Kampf für unser Grundgesetz, für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und für unsere Demokratie.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Was meines Erachtens ziemlich schlecht ankommt in der öffentlichen Wahrnehmung dieser Debatte ist, dieses Thema für kurzfristigen Populismus zu benutzen. Was überhaupt nicht hilft, weder in der Sache, noch in der Akzeptanz bei den Menschen draußen, sind unausgegorene Schnellschüsse und leichtfertige Forderungen nach einem Verbotsverfahren. Das ist blanker Populismus und es ist kein Zufall, dass das wenige Wochen vor der Bundestagswahl wieder zu einem Höhepunkt kommt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Sie wissen doch ganz genau, welche Gefahren bestehen. Sie wissen genau, dass es nicht sicher ist, dass das Bundesverfassungsgericht überhaupt ein Verfahren eröffnet. Damit sind wir schon einmal

auf die Nase gefallen. Und sollte ein Verfahren eröffnet werden, dann steht in den Sternen, wie die Verfassungsrichter aufgrund der sehr hohen Hürden für ein Parteienverbot reagieren. Es ist ja gut, dass es in einem Rechtsstaat diese hohen Hürden für ein Parteienverbot gibt.

(Ingo Egloff SPD: Sagen Sie doch noch mal was zu den V-Leuten!)

Ich finde es bemerkenswert, Frau Schneider von der LINKEN zu sehen, die wahrnehmen muss, wie schwer es für den Rechtsstaat manchmal sein kann, gegen Extremisten zu kämpfen.

Ich sage ganz offen, dass wir darüber nachdenken müssen, ob uns mit einem reinen Verbot langfristig überhaupt geholfen ist. Ich bin ergebnisoffen in dieser Debatte, aber wenn es so einfach wäre, wie viele hier gerne behaupten, den Rechtsextremismus über ein Verbot aus der Welt zu schaffen, dann würden wir heute sicherlich nicht mehr über dieses Thema spreche.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Natürlich wünsche ich mir, dass wir genügend Material sammeln, sodass wir zu einem Verbotsverfahren kommen. Und ich weiß nicht, woher manche Redner oder manche Leute, die eifrig Presseerklärungen zu diesem Thema schreiben, die Weisheit hernehmen, wir würden hier überhaupt keine Informationen sammeln für ein Verbot, wir würden uns auch überhaupt nicht mit anderen Landesbehörden oder mit anderen Landesverfassungsschutzämtern abstimmen. Das ist eine interessante These. Diejenigen, die das behaupten, müssen schon zur Kenntnis nehmen, dass die Arbeit des Verfassungsschutzes vielleicht nicht so öffentlich stattfindet, dass sie ständig mit Presseerklärungen seitens einzelner profilneurotischer Abgeordneter begleitet werden kann.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL – Kai Voet van Vormizeele CDU: Nur weil Sie kein Abgeordneter mehr sind!)

Ich glaube, und da sollten wir uns einig sein, wenn wir zu einem Verbotsverfahren kommen, dann müssen wir auch Aussicht darauf haben, dass dieses Verbotsverfahren Erfolg hat, denn sonst, ich wiederhole das noch einmal, erreichen wir nur, dass die NPD auch noch mit einem demokratischem Gütesiegel herumrennt, und das können Sie nicht ernsthaft wollen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich kann mir bei allem, was uns politisch auch trennen mag, nicht vorstellen, dass Sie das wollen.

Wenn man über ein Verbotsverfahren nachdenkt, dann spricht man nicht großartig darüber, sondern man tut das, was nötig ist. Und die Menschen in Hamburg können sicher sein, dass der Verfassungsschutz in Hamburg das Nötige tut, um ein

Verbotsverfahren möglich zu machen. Ich sage aber genauso klar: Solange das Ergebnis so ist, dass wir nicht sicher sein können, dass ein Verbotsantrag erfolgreich ist, macht es keinen Sinn, einen solchen Antrag zu stellen.

Es sollte Ihnen schon zu denken geben, Herr Dressel, dass auch der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Herr Stephan Kramer, Vorschläge nach einem neuen NPD-Verbotsverfahren in diesen Tagen als populistische Forderung in Wahlkampfzeiten zurückweist. Vielleicht denken Sie einmal darüber nach. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das tut, weil er die NPD irgendwie unterstützen will.

Das Gleiche gilt für das so leicht und locker von der politisch ganz linken Fraktion und auch aus Reihen der SPD ziemlich populistisch geforderte Demonstrationsverbot. Sie wissen doch genau, dass man Demonstrationen, auch wenn sie einem nicht gefallen, nicht einfach verbieten kann. Natürlich gefällt mir eine NPD-Demonstration in dieser Stadt nicht, natürlich hätte ich sie gerne verboten und natürlich habe ich intensiv überprüfen lassen, ob wir sie verbieten können. Aber wenn das Ergebnis dieser Überprüfung ist,

(Wilfried Buss SPD: Hannover hat es doch auch geschafft!)

dass man nach aller Wahrscheinlichkeit vor Gericht mit einem Verbot keinen Bestand hat, dann wäre es populistisch, ein Verbot auszusprechen und den Schwarzen Peter in Richtung Justiz abzuschieben. Genau so etwas wird die Polizei als Versammlungsbehörde nicht tun.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir haben der NPD am vergangenen Freitag scharfe Auflagen gemacht. Die Polizei als Versammlungsbehörde hat Rieger als Versammlungsleiter abgelehnt. Er ist vorbestraft und damit nicht geeignet. Zudem durften bestimmte Kleidungsstücke von den Teilnehmern nicht getragen werden. Die Gerichte haben diese Entscheidungen der Polizei auch in zwei Instanzen bestätigt. Also hören Sie bitte auf mit Ihren billigen Forderungen, die reiner Wahlkampf sind, und reihen Sie sich lieber glaubhaft in die Reihe der Demokraten in den Kampf gegen den Rechtsextremismus ein, denen es um die Sache geht.

(Michael Neumann SPD: Das müssen wir uns von den Konservativen nicht sagen las- sen! Wir haben unseren Namen nicht än- dern müssen!)

Herr Neumann, es wäre schön, wenn es auch Ihnen einmal um die Sache gehen würde und nicht nur um Populismus, auch in Wahlkampfzeiten.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann Ihnen nur sagen, ich und die Hamburger Polizei als Versammlungsbehörde stehen auch künftig für einen glasklaren und stringenten Kurs für unsere Demokratie und für unseren Rechtsstaat und damit gegen jegliche extremistischen Umtriebe, sei es von rechts oder von links. Ich bin überzeugt, dass es irgendwann gelingen kann – und ich hoffe, möglichst schnell –, dass die Fachbehörden, die Verfassungsämter der Länder und des Bundes, genügend Material haben, um die NPD zu verbieten. Herr Dressel, das müssen Sie schon den Fachleuten überlassen zu beurteilen, wann das der Fall ist. Wenn die Fachleute sagen, jetzt sind wir so weit und jetzt können wir sicher sein, dass so ein Verbot auch erfolgreich ist, dann wird Hamburg dieses Verbot ganz vorne mit unterstützen. Das kann ich den Menschen in dieser Stadt versprechen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort hat Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es sind hier einige wirklich interessante Äußerungen gemacht worden. Fangen wir erst einmal mit dem Punkt an, unser Antrag wäre ein Wahlkampfmanöver. Da bitte ich Sie doch, einmal zu rekapitulieren, was wir hier seit Beginn der Wahlperiode in Bezug auf die NPD und den Rechtsextremismus bereits beantragt haben. Wir haben auf Antrag der LINKEN und der SPD schon einmal 2008 über die Materialsammlungen für ein Verbotsverfahren gesprochen. Wir haben in den Haushaltsberatungen einen Antrag vorgelegt. "Neue Hamburger Offensive gegen Rechts", wo es um eine Aufstockung des Landesprogramms ging; ganz viele Maßnahmen. Bei der Arbeit, die wir zur Bekämpfung des Rechtsextremismus geleistet haben, haben wir es wahrlich nicht nötig, unseren Antrag von Ihnen als Wahlkampfmanöver titulieren zu lassen. Sie beschwören doch hier immer den gemeinsamen Kampf der Demokraten gegen rechts. Da haben wir es dann wirklich nicht nötig, uns so etwas von Ihnen anzuhören, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Die Demonstration am letzten Freitag war in der Tat ein sehr klares Signal gegen rechts, dass von Menschen quer durch die ganze Gesellschaft – mit Ausnahme der CDU, dass muss man auch an dieser Stelle noch einmal klarstellen – gesetzt wurde. Ich glaube, da waren ganz viele Teilnehmer dabei, die sich in keiner Weise für einen Wahlkampfgag instrumentalisieren lassen würden. Alle diese Teilnehmer haben ein NPD-Verbot als Teil der Strategie gegen den Rechtsextremismus gefordert. Das war das klare Signal, das von dieser Demonstrati

(Senator Christoph Ahlhaus)

on ausgegangen ist, und dieses Signal ist bei Ihnen offenbar nicht angekommen.