Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Zweitens ist es im Vorschuljahr faktisch genau dasselbe. Man hat einen Rechtsanspruch auf vier oder fünf Stunden Beitragsfreiheit, Mittagessen und Büchergeld sind komplett beitragsgebunden.

Deswegen sehen wir hier eine erneute Benachteiligung der Menschen in sozial benachteiligten Stadtteilen, Hartz-IV-Empfänger und Migrantenfamilien. Dies führt dazu, dass gerade deren Kinder nicht gefördert werden, damit sie die deutsche Sprache besser erlernen. Deswegen fordern wir das Ende der Einsparungen an falscher Stelle.

Wir hatten gestern im Kinder-, Jugend- und Familienausschuss auch eine Anhörung zum Thema Inobhutnahme. Die Experten waren der Meinung, dass man sehr früh ansetzen muss, das heißt, mit der Förderung bereits in der Kita beginnen muss.

Wenn man die Kinder nicht sehr früh fördert, sollte man sich am Ende nicht darüber wundern, dass diese Kinder nicht erfolgreich sind, dass sie scheitern und nicht weiterkommen. Deswegen fordern wir, wie bereits in der Vergangenheit, die Abschaffung des Kita-Gutscheinsystems.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man die aktuellen Folgen der Wirtschaftskrise berücksichtigt und bedenkt, wie wichtig die Bildung unserer Kinder ist, dann muss Bildung von Kita über die Schule bis zur Uni umsonst sein, unabhängig vom Status der Eltern, egal ob sie arm sind, arbeiten gehen, arbeitslos sind oder irgendwelche hochkarätigen Posten besetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen unterstützen wir den Antrag der SPD und halten es für sinnvoll, dass somit fast 2 000 Eltern entlastet werden. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Kienscherf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Blömeke, bei Ihrem Beitrag ist es einem besonders als Elternteil echt schwergefallen, ruhig zu bleiben. Wir reden hier über die HafenCity-Universität und darüber, wie viele Millionen Sie dafür mehr ausgeben. Wir reden darüber, dass Sie irgendwelchen Vorstandsmenschen der HSH-Nordbank sogar noch Geld hinterherschießen …

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Herr Kienscherf, entschuldigen Sie, aber es ist im Plenum bedeutend zu laut und ich bitte alle Abgeordneten, sich auf ihre Plätze zu setzen. Wer es gar nicht mehr aushalten kann, kann draußen weiterreden.

Überall in dieser Stadt, sei es bei der U4, sei es bei der Elbphilharmonie, sei es selbst bei dieser Schulreform geben Sie Geld aus, und zwar in Massen, und jetzt wollen Sie uns sagen, dass Sie die Beitragsbefreiung nicht schaffen, weil es keine 400 000 oder 500 000 Euro in diesem Haushalt gibt. Das können Sie doch keinen Eltern in Hamburg als richtig verklickern.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Was hier abläuft, ist doch irrwitzig und man könnte noch einiges dazu sagen. Warum ist denn in der Presse, aber auch bei den Hamburger Eltern angekommen, dass mit Beitragsbefreiung auch wirklich eine Beitragsbefreiung für alle gemeint ist? Ich

(Christiane Blömeke)

kann Ihnen sagen, warum, weil Sie das erstens den Eltern so versprochen haben und weil das zweitens in allen anderen Bundesländern, wo es die Beitragsbefreiung gibt, der Fall ist. Niemand im Saarland, in Sachsen, in Niedersachsen oder in Schleswig-Holstein ist auf die Idee gekommen, man könne den Eltern doch verklickern, dass für ein Kind, das einen Tag später geboren ist, über 2 300 Euro mehr gezahlt werden müssen. So etwas kann man auch keinem verklickern, Frau Blömeke.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen machen diese Länder das auch nicht und das ist auch gerechtfertigt. Dann führen Sie, Herr Müller, aber auch Frau Blömeke, das Thema Kinderschutz ins Feld. Die Kinder sollen nicht zu früh eingeschult werden. Dazu hat sich der Kollege Wersich, der kleine Wersich sozusagen,

(Zurufe von der SPD)

auch öffentlich bekannt, nachdem eine Bürgerin ihn angeschrieben hatte, und erklärt, dass die Kinder in der Tat vor einer frühzeitigen Einschulung geschützt werden müssen. Darin seien wir in Hamburg Spitzenreiter, hat er geschrieben. Wir haben das aufgenommen und ich habe den großen Wersich gefragt, wie es denn damit aussehe.

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Also, Herr Kienscherf, einmal habe ich es Ihnen durchgehen lassen, aber ich finde, das kann man anders ausdrücken.

Wir haben also den Sozialsenator und die Schulsenatorin gefragt, ob wir in Hamburg tatsächlich Spitzenreiter seien, ob die Hamburger Eltern ihre Kinder besonders früh einschulen. Der Senat hat geantwortet, dass dies eine entsprechende Schulverlaufsstatistik und eine entsprechende SchülerID voraussetzen würde, die es in Hamburg nicht gäbe, und deshalb könne er zu dieser Thematik auch nichts sagen. Nur so viel dazu, dass Sie nach wie vor behaupten, Hamburger Eltern gingen unverantwortlich mit ihren Kindern um. Das stimmt nicht, Frau Blömeke.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist durch nichts belegt. Nehmen Sie das Beispiel Nordrhein-Westfalen. Natürlich können Sie herausfinden, dass 19 Prozent der sogenannten Kann-Kinder die Klasse wiederholen. Aber 16 Prozent der sogenannten Muss-Kinder wiederholen auch die Klasse; also haben Sie da keine großen Unterschiede. Das ist nicht der Grund. Ihnen geht es darum, Geld zu sparen und sich zulasten der Kinder zu sanieren. Wir halten das für den völlig falschen Weg und deswegen können wir Ihnen nur

raten, Ihre Haltung zu überdenken und mit uns für unseren Antrag zu stimmen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie das nicht machen

(Klaus-Peter Hesse CDU: Was passiert dann?)

und wenn Sie wirklich der Ansicht sind, dass eine vorzeitige Einschulung ein Fehler ist – ich muss zum Schluss kommen –,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Was Besseres konnte uns gar nicht passieren!)

dann verstehe ich Ihren Verweis auf die Vorschulen überhaupt nicht. Dort geschieht das ja, dort wird entsprechend früh eingeschult. Ihre ganze Argumentation haut nicht hin und deswegen sollten Sie unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Dr. Föcking.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, lieber Herr Kienscherf, ich kann mich eines Eindrucks einfach nicht erwehren. Wenn Sie ein großes Thema nicht kleinreden können, dann reden Sie ein kleines Thema groß. Das haben wir gerade wieder einmal mitbekommen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Die Einführung eines kostenfreien Jahres in Kita, Vorschule oder in der Tagespflege vor der regulären Einschulung ist ein großes Thema für immerhin 15 000 Hamburger Familien.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das fanden auch Ihre Fraktionskollegen im Übrigen so gut, dass sie bereits vor der Sommerpause dem entsprechenden Gesetz zugestimmt haben. Wenn man Sie jetzt hört, könnte man das fast vergessen. Aber getreu der Maxime, wenn wir etwas Großes nicht kleinreden können, dann reden wir Kleines eben groß, stürzen Sie sich seit Monaten mit Vehemenz auf eine vergleichsweise kleine Gruppe von Eltern, die von der neuen Regelung nicht in jedem Fall profitiert. Sie tun das so vehement, dass Sie einen bereits einmal in der Bürgerschaft eingebrachten und dort abgelehnten Antrag heute fast wortgleich noch einmal einbringen. Dabei hat sich die Lage seit Ihrem ersten Antrag eigentlich nicht geändert. Die Gründe, die gegen die Einbeziehung der Eltern der sogenannten KannKinder gesprochen haben, sind die gleichen geblieben; ich will sie ganz kurz noch einmal nennen.

(Dirk Kienscherf)

Erstens: Aus praktischen Gründen brauchen wir eine eindeutige Stichtagsregelung. Sie gibt Eltern, Kitaträgern und den Jugendämtern Planungssicherheit.

Zweitens: Wir wollen keinen finanziellen Anreiz dafür schaffen, dass Eltern ihre Kinder vorzeitig einschulen. Es wäre ein finanzieller Anreiz, auch wenn Sie jetzt behaupten, wir würden den Eltern unterstellen, sie würden dem in jedem Falle folgen. Aber Sie scheinen aktuelle Studien – schauen Sie sich Jürgen Roth, Ludwig-Maximilians-Universität München an – und auch Hinweise zum Thema vorzeitige Einschulung einfach nicht zu berücksichtigen. Vorzeitig eingeschulte Kinder haben ein größeres Risiko, später soziale oder Verhaltensprobleme zu haben. Eines sollten wir nicht ganz vergessen, Eltern müssen ihre Kinder nicht vorzeitig einschulen. Selbst von den Eltern im Juli geborener Kinder, also von Kann-Kindern, entscheidet sich mehr als die Hälfte – Frau Blömeke hat es gesagt – gegen eine vorzeitige Einschulung und profitiert dann ebenfalls von dem kostenfreien letzten Jahr vor der Schule.

(Zuruf von Carola Veit SPD)

Doch, es sind 47 Prozent, Frau Veit.

Und wenn bei einem Juli-Kind im Rahmen der Viereinhalbjährigen-Untersuchung festgestellt wird, dass es vermutlich in eineinhalb Jahren schulreif sein wird, dann können die Eltern, denen es vor allem um das Thema Kostenfreiheit geht, ihr Kind mit knapp fünf Jahren zur Vorschule anmelden und haben ebenfalls ein Jahr beitragsfrei.

(Carola Veit SPD: Und wenn sie das nicht machen?)

Drittens: Eine Beitragsrückerstattung für Kann-Kinder, die eingeschult werden, schafft neue Ungerechtigkeiten. Was ist denn mit den Eltern, die ihr Kann-Kind nicht einschulen? Wenn ihr Kind dann sieben Jahre alt ist, haben sie drei Jahre Beiträge gezahlt und ein Jahr kostenfrei gehabt, die anderen Eltern zwei Jahre bezahlt und dann ein Jahr Kostenfreiheit. Ist das gerechter? Das Thema Gerechtigkeit ist hier sehr wackelig.

Es bleibt dabei: Trotz der gewissen Ungleichbehandlung von Eltern von Kindern, die um den 1. Juli herum geboren wurden, die Einführung des kostenfreien Jahres für rund 15 000 Familien in Hamburg ist ein großes Thema, das auch mit noch so vielen Anträgen nicht kleingeredet werden kann. – Herzlichen Dank.