Unser Argument, dass Kann-Kinder womöglich zu ihrem Nachteil vorzeitig eingeschult werden, haben Sie einfach vom Tisch gefegt und bestritten. Wie aber aktuelle Studien belegen, ist ein zu frühes Einschulen tatsächlich schädlich für die Kinder und kann letztendlich Langzeitschäden verursachen, wie zum Beispiel keine Empfehlung für den Übertritt aufs Gymnasium zu bekommen. Es hängt also schon eine ganze Menge vom Einschulungstermin ab und deswegen sollte man dieses Thema nicht einfach des schnöden Mammons wegen ignorieren.
Verwundert habe ich festgestellt, dass Sie die von uns angedachte veränderte Stichtagsregelung in Ihrem Beitrag gar nicht erwähnt haben. Aber auch über diese haben wir bereits intensiv diskutiert und festgestellt, dass eine Verschiebung des Stichtags im Grunde genommen nur neue Probleme schafft beziehungsweise neue vermeintliche kleine Ungerechtigkeiten. Solange wir dieses Schulsystem haben, brauchen wir eine Stichtagsregelung. Mit einer individuellen Einschulung hätten wir dieses Problem nicht, aber diese steht zurzeit überhaupt nicht zur Debatte und deswegen ist eine Stichtagsregelung sehr wichtig.
Ich habe mir gewünscht, dass wir dieses Thema möglichst genau so diskutieren wie die Schuldebatte, aber auch da hat sich die SPD bereits von einem Konsens verabschiedet, deswegen lasse ich das jetzt. Ich wollte Sie eigentlich auffordern, mehr an die Zukunft der Kinder zu denken.
Klar ist, dass Sie dieses Thema nicht zu Ende gedacht haben. Den von Ihnen im Antrag angeführten Beispielen Niedersachsen und Schleswig-Holstein halte ich entgegen, dass Sie wieder einmal Birnen und Äpfel miteinander vergleichen. Das passt alles hinten und vorne nicht.
Deshalb wird dieser Antrag von uns abgelehnt und Frau Blömeke wird sicherlich noch das eine oder andere Argument finden, warum wir dieses tun sollten.
gerne nach, Herr Müller. Zunächst möchte ich noch ein paar Worte zu Frau Veit sagen. Frau Veit, Ihr Antrag und Ihre Rede erwecken den Eindruck, als hätte der Senat in Bezug auf das beitragsfreie Jahr etwas bewusst verschleiert oder sogar verschwiegen.
Auch wenn Sie es anders ausgeführt haben, sollten Sie wissen, dass das bei Weitem nicht so ist. Im Gesetzesentwurf war von Anfang an nachzulesen, dass die Beitragsbefreiung im letzten Jahr vor Beginn der Schulpflicht gemäß Paragraf 38 Absatz 1 für alle Kinder gilt, die vor dem Stichtag am 30. Juni sechs Jahre alt werden.
Das macht es nicht besser, es macht es aber richtig. Es steht da drin und wer das nicht liest, kann das natürlich nicht verstehen.
Sie erwähnen immer wieder den Absatz 2. Absatz 2, Frau Veit, regelt lediglich die Ausnahme und nicht den Regelfall. Es kommt hier aber auf den Regelfall an und weil es von Anfang an im Schulgesetz stand, wurde weder etwas verschleiert noch verschwiegen. Richtig ist jedoch, da stimme ich Ihnen zu, dass in der allgemeinen politischen Diskussion oder im Wahlkampf oder in den Medien immer sehr verkürzt von dem letzten kostenlosen Kita- oder Vorschuljahr die Rede war. Damit wurde sicherlich bei einigen Eltern eine Erwartung geweckt, die in dieser konkreten Ausgestaltung nicht für alle Familien erfüllt werden konnte. Dieser berechtigten Kritik stellen wir uns als Fraktion. Hier hätte man eine genauere Wortwahl finden können. Das ändert allerdings wenig an den Fakten, die aus unserer Sicht gegen eine Ausweitung der pauschalen Beitragsfreiheit für diese Kann-Kinder sprechen und damit letztendlich auch zur Ablehnung Ihres Antrages führen. Frau Veit, zu Ihrem besseren Verständnis wiederhole ich für Sie noch einmal einige Argumente, da Sie eben gesagt haben, Sie könnten sie nicht nachvollziehen.
Erstens: Selbst bei den Juli- und Augustkindern macht nur eine Minderheit der Eltern von dieser vorzeitigen Einschulung tatsächlich Gebrauch. Die von der SPD-Fraktion geforderte rückwirkende Gebührenerstattung würde die Mehrheit der Eltern, die ihre Kinder im Juli und August geboren haben, aber nicht einschulen lassen, benachteiligen. Diese Eltern würden im Vergleich ein Jahr länger Gebühren zahlen müssen. Ich würde mir wünschen, dass Sie bei Ihrem Vorwurf der Ungerechtigkeit den Blick auf die Gesamtheit aller Kinder und aller Eltern lenken würden. Ich sehe jetzt, wie es in Ih
rem Kopf arbeitet, vielleicht, weil Sie jetzt erst einmal nachrechnen müssen, aber Sie werden ganz schnell zu dem Ergebnis kommen, dass es so ist.
Ohnehin fehlt mir – Herr Buss, dafür sind Sie ja eigentlich Experte – in der gesamten Diskussion die Perspektive der Kinder. Herr Müller hatte bereits erwähnt, dass es aktuelle Studien gibt, wie zum Beispiel vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsförderung oder die Hamburger LAU-Studie, die belegen, dass eine vorzeitige Einschulung der Kinder in vielerlei Hinsicht auch benachteiligen kann. Sie wiederholen in der Regel häufiger eine Klasse, wechseln seltener auf das Gymnasium als regulär eingeschulte Kinder, ihre Leistungen liegen oft hinter denen älterer Mitschüler zurück und sie können unter Umständen auch häufiger das Opfer von Mobbing und Gewalt sein. Solange wir die flexible Eingangsstufe nicht flächendeckend in den Grundschulen umgesetzt haben, lehnen wir auch aufgrund der Erkenntnisse aus den Studien finanzielle Anreize für eine vorzeitige Einschulung ab.
Die Finanzen – Frau Veit, es geht hier übrigens nicht um Peanuts – sind der dritte Aspekt, der zur Ablehnung einer Ausweitung der Beitragsfreiheit führt. "Die Welt" hat am 30. September ein Interview mit Ole von Beust geführt, in dem deutlich gemacht wurde, welche drastischen Sparmaßnahmen uns in den nächsten vier Jahren ins Haus stehen.
Man sprach in der Tat von 500 Millionen Euro, also noch mehr als bisher angenommen. Sie können rumpöbeln, soviel Sie wollen, aber es ist verantwortungsbewusste Politik, wenn man das Geld nicht wie Sie einfach ausgibt, obwohl man es nicht hat, sondern genau überlegt, wofür man es ausgibt.
Noch mehr als jetzt werden wir also gezwungen sein, unsere Ausgaben zu begrenzen und vor allen Dingen in Einklang mit unserer politischen Schwerpunktsetzung zu bringen. Ich sage Ihnen ganz deutlich, dass wir als GAL-Fraktion eine Ausweitung der Beitragsbefreiung in der aktuellen Situation nicht verantworten können. Wie Frau Veit richtig gesagt hat, betragen die Mehrausgaben, die mit dieser Beitragsbefreiung einhergehen, schätzungsweise um die 300 000 bis 500 000 Euro. Das ist eine halbe Million, die an anderer Stelle fehlen würde, zum Beispiel bei der Förderung benachteiligter Kinder oder auch beim Erhalt der Qualität.
Ich gebe zu, der politisch bequemere Weg wäre – Frau Veit, diesen Weg gehen Sie –, sich dem Drängen der betroffenen Eltern oder auch der SPD und dem Ruf nach Mehrausgaben anzuschließen. Es wäre bequemer, aber es wäre nicht verantwortungsbewusst.
Wenn Sie davon sprechen, dass im letzten Doppelhaushalt der Senator hier gesagt hat, man könne im Protokoll nachlesen, dass das Geld im Haushalt eingestellt wäre, dann möchte ich nur auf die aktuelle Entwicklung verweisen. Wie auch Sie wissen, haben wir den letzten Doppelhaushalt 2008 entworfen und beschlossen.
Mittlerweile haben wir fast Ende 2009 und auch Ihnen sollte nicht entgangen sein, dass Hamburg gerade seit dem letzten Halbjahr vor allem von den drastischen Auswirkungen der Finanzkrise negativ betroffen ist. Politik lebt unter anderem auch davon, dass wir uns den aktuellen Bedürfnissen stellen und nicht, wie Sie es gerne tun, in der Vergangenheit herumwühlen.
Lassen Sie mich abschließend noch zu dem Vergleich mit den anderen Bundesländern kommen. Immer wieder fragen Sie, auch in Ihrem Antrag, warum Hamburg das, was andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein und das Saarland machen, nicht auch mache wegen dieser paar Euro. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass die anderen Bundesländer vielleicht einen anderen Schwerpunkt gesetzt haben. In Hamburg ist der Schwerpunkt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Krippenausbau. Hamburg investiert laut Bertelsmann-Stiftung 2 300 Euro pro Kind. Das ist wesentlich mehr als das Saarland mit 1 500 Euro oder Schleswig-Holstein mit 1 100 Euro. Das heißt, in Hamburg wird viel Geld ausgegeben für die vorschulische Betreuung, auf die ein Schwerpunkt gesetzt wird, und die anderen Länder fallen beim Krippenausbau weit hinter die Hamburger Zahlen zurück. Wenn man den Krippenausbau nicht vorantreibt, wenn man die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und unseren hohen Rechtsanspruch nicht vorantreibt, wäre möglicherweise Geld für den Ausbau der Beitragsfreiheit übrig. Das ist aber nicht der Weg, den wir in Hamburg gehen wollen.
Wir sind uns alle, auch mit der SPD, darin einig, dass es ein langfristiges Ziel sein muss, die Kinderbetreuung komplett beitragsfrei zu gestalten. Aber in Zeiten der Finanzkrise ist die Ausweitung
der Beitragsfreiheit ein absolut falsches Signal und darum gibt es für Ihren Antrag keine Zustimmung, auch nicht von der Regierungsfraktion, von der GAL und von der CDU.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir werden den Antrag der SPD unterstützen. Zu Beginn meiner Rede möchte ich meinen Kollegen Norbert Hackbusch zitieren. Als er auf unserer Fraktionssitzung am Montag den Antrag sah, sagte er, ich zitiere:
Dem stimme ich vollkommen zu, denn es kann nicht angehen, dass Kinder aufgrund ihres um wenige Wochen oder Monate unterschiedlichen Geburtstermins gegeneinander ausgespielt werden. Deswegen halten wir es für richtig, dass alle Kinder gleichberechtigt das Recht auf Bildung haben. Wie auch aus dem Beitrag von Frau Blömeke deutlich geworden ist, dürfen unsere Kinder nicht als Sparschweine gesehen werden, sondern jedes Kind sollte das Recht auf Bildung haben.
Unabhängig vom vorliegenden Antrag verweise ich noch einmal auf die Drucksache 19/2993, die der Senat uns damals zur Verfügung gestellt hat. Ich zitiere die Überschrift:
"Entlastung der Eltern von Beiträgen und Gebühren im Jahr vor der Einschulung und Erweiterung des Kreises der beim schulischen Büchergeld entlasteten Familien."
Übersetzt man das in die Alltagssprache, so heißt das erstens, dass man einen Rechtsanspruch auf nur vier oder fünf Stunden Beitragsfreiheit im letzten Kita-Jahr hat, mehr nicht.
Zweitens ist es im Vorschuljahr faktisch genau dasselbe. Man hat einen Rechtsanspruch auf vier oder fünf Stunden Beitragsfreiheit, Mittagessen und Büchergeld sind komplett beitragsgebunden.