Protokoll der Sitzung vom 04.11.2009

Diese Worte des Dankes erlaube ich mir, ohne mich dem Vorwurf aussetzen zu wollen, die Künstler in irgendeiner Weise zu vereinnahmen. Diese Auseinandersetzung ist sehr wichtig für uns, das möchte ich deutlich sagen. Der Streit ist wichtig für die Stadt und für uns, auch wenn er für uns GALier nicht immer einfach ist, nicht, weil er in der Sache schwierig wäre, sondern weil er für uns als Regierungsfraktion schwierig ist. Uns eröffnen sich jetzt andere Handlungs- und Kommunikationswege als die, die wir aus der Opposition kannten, wobei klar ist, dass wir davon ausgehen, jetzt die effektiveren Instrumente zum Erreichen unserer politischen Ziele in der Hand zu haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das wird sich noch zeigen!)

Ja, das wird sich zeigen, daran werden wir uns gerne messen lassen, Herr Dressel.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Die Debatte, die wir jetzt führen, weist weit über das Gängeviertel hinaus. Sie zielt im Kern auf die Frage, wie wir leben wollen und ob wir Kunst und Kultur dazu brauchen.

Kultur hat eine besondere Bedeutung für uns Grüne; ihre Förderung ist uns wichtig. Wir haben das Konzept "Kreative Stadt" entwickelt und Kultur zum Kern grüner Stadtpolitik in Hamburg gemacht. Kultur hat einen großen Stellenwert bei der Entwicklung von Städten, aber Kultur ist natürlich weit mehr als Standortpolitik. Deshalb – das sei den Unterzeichnern des Künstlermanifestes geantwortet – haben wir den Kulturetat um 7 Prozent angehoben.

Wir führen einen offenen Dialog mit allen, die sich in dieser Stadt zu Wort melden, was aber nicht gleichzusetzen ist mit der kritiklosen Übernahme der Position unseres Gegenübers. Angefangen beim Gängeviertel über das BNQ bis hin zum Frappant setzen wir uns in der Sache mit der jeweiligen Problematik auseinander und kommen zu unterschiedlichen Lösungen. Der Verrats-Vorwurf aus der alten, linken Mottenkiste trifft mich nicht.

Nach unserem Verständnis dient Kultur in erster Linie der Selbstvergewisserung und Selbstreflektion einer Gesellschaft. Sie ist ein wichtiges und notwendiges Forum, um die Frage nach der Art unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens zu beantworten. Die Künstler im Gängeviertel stellen diese Frage mit Vehemenz und finden im Stadtraum Resonanz. An sich ist das eine paradoxe Situation, denn gerade hier waren die Verhältnisse eigentlich geklärt. Es gab einen gültigen Vertrag mit dem Investor, der vor allem eines will, nämlich Geld verdienen. Jetzt hat er die Künstler mit einer Räumungsklage überzogen. In erster Instanz hat er verloren; die Güteverhandlung vor dem Oberlandesgericht findet gerade statt.

Jahrelang haben die politischen Akteure, egal welcher Couleur, hat die gesamte Öffentlichkeit wenig Interesse an diesem Quartier gezeigt. Sie waren sogar froh, mit Hanzevast einen Investor gefunden zu haben. Heute sieht das anders aus. Das Gängeviertel funktioniert wie ein Brennglas und lässt die unterschiedlichen Antworten auf die Frage, wie wir leben wollen, deutlich zutage treten.

Diese hier stellvertretend geführte Auseinandersetzung begrüßen wir ausdrücklich, denn sie kennzeichnet eine lebendige Bürgergesellschaft. Solch eine lebendige Bürgergesellschaft ist der Kern grünen Politikverständnisses.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Wir treten deshalb dafür ein, dass sich Bürgerinnen und Bürger zu Wort melden, dass sie ihre Vorstellungen artikulieren und argumentieren. Wir treten dafür ein, dass im Stadtraum unterschiedliche Lebenskonzepte gelebt werden können, dass die Subkultur in dieser Stadt gefördert wird und sie Orte hat, um sich zu entwickeln, gerade weil die Subkultur das Laboratorium ist, in dem noch außerhalb

des etablierten Kunstbetriebes experimentiert werden kann.

(Glocke)

Ein Satz noch, Frau Abgeordnete.

Unser erklärter politischer Wille ist es, dass der Senat sich dafür einsetzt, ein neues Nutzungskonzept im Gängeviertel zu entwickeln, das die Belange des Denkmalschutzes, die Interessen des Investors und die Anliegen der Künstler miteinander verbindet. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Martens.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass ich es gegenwärtig sehr schwierig finde, die lauten von den leisen und die einseitigen von den konstruktiven Stimmen der erklärten Künstlerschaft der Stadt zu trennen.

Auf der einen Seite steht das Manifest "Not in our Name, Marke Hamburg". Hier wird unisono ein Widerstand gegen die Aufschickung der Viertel in Hamburg artikuliert. Auf der anderen Seite spreche ich mit einzelnen Künstlern und Künstlergruppen, die intensiv die Gespräche mit der Stadt suchen. Beispiele dafür sind die uns allen bekannten Künstler der Initiative "Komm in die Gänge" oder die SKAM-Gruppe aus dem Frappant. Bei der Kulturlounge der CDU-Fraktion zum Themenbereich Kunst im öffentlichen Raum sind ganz klar die extrem unterschiedlichen Positionen der Künstlerschaft hervorgetreten.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Aha!)

Die einen wollen Teil der Stadtentwicklung sein und diesen Prozess nachhaltig mitgestalten – dazu gehören auch Wettbewerbe –, die anderen wollen bewusst intervenieren und Protest ausüben. Dieses Spannungsfeld kann und soll auch gar nicht gelöst werden; es ist Spiegelbild unserer Gesellschaft.

Es gibt nicht den Künstler oder die Künstlerschaft. Ich habe in unzähligen Diskussionen mit Kreativen gelernt, nicht über die Künstler, sondern mit den Künstlern zu reden. Und genau das, meine Damen und Herren, macht die Stadt zurzeit intensiv – selbst das Immobilienmanagement.

Das bedeutet konkret für das Gängeviertel: Die Stadt hat sich – entgegen des Vorwurfes der Opposition, lieber Andy Grote – ganz klar positioniert.

(Andy Grote SPD: Wie ist denn die Position? Sagen Sie das doch mal!)

(Dr. Eva Gümbel)

Wir werden in fortschreitenden Gesprächen von Anfang an mit den Künstlern aus dem Gängeviertel Wege der Entwicklung für das Quartier suchen. Das Ganze ist aber vor dem uns allen bekannten Hintergrund der bestehenden Verträge mit dem Investor Hanzevast sehr schwierig. Es liegt in der Natur der Sache, solche Verhandlungen nicht öffentlich zu führen. Ich weiß, das ärgert die Opposition, aber das ist Fakt.

Der Weg ist klar.

(Andy Grote SPD: Der Weg ist das Ziel!)

Die Stadt verhandelt mit dem Investor Hanzevast und lotet parallel in weiteren Gesprächen die Spielräume für eine denkmalgerechte und finanzierbare Lösung aus.

Meine Damen und Herren! Es gibt generell keine allgemeingültige Lösung, kein Patentrezept für Stadtentwicklung, kein richtig oder falsch,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das, was Sie machen, ist falsch!)

außer, den Weg zu gehen, den Hamburg geht. Jedes Quartier ist individuell in seinem historischen Kontext zu betrachten und mit den Bürgern gemeinsam zu entwickeln. Deshalb ist die Situation bei Frappant in Altona eine andere als die Situation im Gängeviertel und die Entwicklung der Veringhöfe in Wilhelmsburg ist wiederum anders.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Dr. An- dreas Dressel SPD: Tosender Beifall!)

Kultur bedeutet für mich als Kulturpolitikerin ganz klar, den Rahmen für Vielfalt in der Stadt zu gewährleisten. Es muss nicht jeder Bürger in die Oper oder in Musikclubs gehen, aber es muss jeder Bürger die Möglichkeit dazu haben, der Tourist genauso wie der Hamburger. Die CDU setzt dem Manifest ganz klar entgegen: Recht auf kulturelle Bildung, Recht auf kulturelle Vielfalt, von der Elbphilharmonie bis zur Geschichtswerkstatt. Ein Geist geht um.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Oldenburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

"Eine Stadt ist keine Marke. Eine Stadt ist auch kein Unternehmen. Eine Stadt ist ein Gemeinwesen."

So lautet eine entscheidende Passage im Künstlermanifest "Not in our Name, Marke Hamburg". Das sind einfache, wahre Sätze, die, so hoffe ich, jeder hier unterschreiben könnte. Es ist beschämend, dass die Regierenden so eindringlich an sie erinnert werden müssen.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Über Kultur, Subkultur, Freiräume und Politik ist in Hamburg eine heftige Debatte entbrannt. Das ist notwendig und gut so, denn Hamburg ist keine Marke und darf auch nicht zu einer Marke herabgewürdigt werden.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Der Vorwurf der Künstler lautet: Der Senat missbraucht Künstler und Kreative als Standortfaktoren. Er spannt sie vor seinen Werbekarren und versucht, mit der etablierten und subkulturellen Szene Touristen nach Hamburg zu locken. All das wäre ja noch gar nicht so schlimm, wenn nicht die Bedingungen für die bildenden Künstler, für die freien darstellenden Künstler, für viele Musikclubs und die Kreativszene so elendig schlecht wären. Es gibt eben kaum noch bezahlbare Atelierräume, bezahlbare Proberäume oder Studios, Räume mit niedrigen Mieten für Livemusik-Clubs oder bezahlbare Gewerberäume. Die geplante Kreativagentur soll jetzt alles zum Besten richten. Das ist bislang ein leeres Versprechen und ich befürchte, das wird auch so bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Im Kulturhaushalt wurde der Etat für bildende Kunst schon vor Jahren auf 250 000 Euro halbiert und bislang nicht wieder aufgestockt. Da nützt es auch nichts, wenn die GAL auf die Etatzuwächse für Stadtteilkultur und Musikszene verweist. Es kann einem ganz schwindelig werden, wenn man daran denkt, wie viel Gutes man mit diesem Geld machen könnte. Da stehen plötzlich Summen von wenigen 100 000 Euro 100 Millionen Euro alleine an Mehrkosten für die Elbphilharmonie gegenüber. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, was man mit diesem Geld alles anfangen könnte. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, Hamburg wäre sehr, sehr viel bunter und damit auch wesentlich attraktiver als heute.

(Beifall bei der SPD)

Zu Recht befürchten Künstler und Kreative, dass sie die ersten sein werden, die in der Finanz- und Haushaltskrise bezahlen müssen, und zwar doppelt: Künstler werden wegen der steigenden Mieten aus den Szenevierteln in die Randlagen der Stadt verdrängt und haben weniger Mittel aus dem Kulturhaushalt zu erwarten. Trotz bester Ausbildung und hohem künstlerischen Niveau ist es vielen nicht mehr möglich, ihren Lebensunterhalt ohne Unterstützung zu bestreiten; selbst Künstler ohne Krankenversicherung sind keine Seltenheit mehr.

Eine verfehlte Stadtentwicklungspolitik hat dazu beigetragen, dass der Markt für Sozialwohnungen leergefegt ist. Schon seit Wochen geht durch die

(Brigitta Martens)

Presse, dass die Sparvorgaben des Senats besonders die Kultur treffen werden. Da kann man nur hoffen, dass die publizistische Gegenbewegung Früchte trägt und am Kulturhaushalt eben nicht gespart wird.