Protokoll der Sitzung vom 04.11.2009

Wenn Sie sich hier hinstellen, Herr Grote, und sagen, die Stadt müsse jetzt ohne Wenn und Aber eine Entscheidung treffen, dann müssen Sie einmal überlegen, wessen Geschäft Sie hier gerade betreiben.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich kann Ihnen ganz klar sagen, wie die Situation ist. Diese Gespräche laufen seit zwei Wochen. Vor zwei Wochen ging es um einen Betrag x und seitdem in der Öffentlichkeit die Erwartung immer mehr geschürt wird, die Senatorin müsse sich hinstellen und einmal Klartext reden, hat sich die Summe, die der Investor haben will, verdoppelt.

(Wolfgang Rose SPD: Was heißt das denn?)

Wir verlangen und wünschen von Ihnen, dass Sie uns den Freiraum geben, dort eine gute Lösung für die Stadtentwicklung zu finden, ohne einem unzuverlässigen Investor einen goldenen Handschlag zu verpassen und ihm ein paar Millionen Euro mehr hinterherzuwerfen. Das muss doch auch Leuten, die ein Manifest geschrieben haben, das sehr investorenkritisch ist, als Argument verständlich sein.

(Ingo Egloff SPD: Sagen Sie doch, dass die Bürgerschaft stört!)

Wir wollen eine gute städtische Lösung, aber wir wollen diesen Investor nicht mit einer goldenen Nase rausgehen lassen, weil er denkt, er könne jetzt den Reibach machen, wenn das Interesse so groß ist.

(Wolfgang Rose SPD: Deswegen sollen wir den Mund halten, oder was?)

Wir wollen keinen Blankoscheck in dieser Frage und es wäre uns wirklich geholfen, wenn Sie dieses Argument akzeptieren würden.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

In der Tat sind die Interessenlagen nicht nur im Gängeviertel schwierig. Die Interessenlagen sind überall in dieser Stadt schwierig, weil da Erwartungen verschiedener Bevölkerungsgruppen aufeinandertreffen und die sozialen Erhaltungsverordnungen – da sind wir ganz auf Ihrer Seite, Herr Bi

schoff – einen Teil der Konflikte lösen. Aber gerade wenn Sie sich anschauen, welche Probleme in "Unter Geiern" angesprochen werden, wird deutlich, dass es um viel mehr Probleme geht, als es eine soziale Erhaltungsverordnung regeln kann. So mühsam und schwierig das Geschäft auch ist, wir müssen, wenn wir dort vorangehen wollen, auf die einzelnen Initiativen zugehen. Aber mit dieser einen übergreifenden Botschaft, die Sie hier verkünden, das sei die Standortpolitik des Senats oder ähnliche Dinge, werden wir bei den verschiedenen Problemlagen nicht vorankommen, sondern wir müssen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. Dafür gibt es nicht das eine Patentrezept. Wenn man dieses sucht, dann werden wir dort nicht weiterkommen.

Es wurde die Sorge geäußert, dass jetzt in der Finanzkrise der nächste Schritt sein werde, noch mehr aus den Liegenschaften herauszupressen. Dazu will ich ganz deutlich sagen: Mit der GAL als Regierungsfraktion wird es eines nicht geben, und zwar eine Verschärfung des Höchstgebotverfahrens in der Krise. Das wollen wir nicht, sondern im Gegenteil. Wir haben beim Wohnungsbau gerade beschlossen, dass es dort nicht mehr in jedem Fall nach dem Höchstgebotverfahren gehen soll, und wir haben auch dafür gesorgt, dass die SAGA nicht mehr flächendeckend Wohnungen verkauft.

Und wenn wir darüber reden, dass es die wachsende Stadt nicht mehr gibt, dann ist klar, dass es uns Grünen doch um die gleichen Problempunkte geht, die hier und im Manifest angesprochen wurden. Wenn wir von Wachsen mit Weitblick sprechen, dann benennen wir auch, was wachsen soll in dieser Stadt. Unser Ziel ist eine gerechte und lebenswerte Stadt. Wir wollen diese Stadt als eine wachsende Metropole der Talente, der Nachhaltigkeit, wo ein Ausgleich zwischen Ökonomie, Sozialem und Ökologie stattfindet, und der Verantwortungsbereitschaft, um die Probleme, die es in unserer Gesellschaft gibt, in dieser Stadt als Labor zu lösen. Eine der Antworten ist unsere Bildungsreform, wo es auch in gewisser Weise um eine Art Klassenkampf geht.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ja, das ist richtig! und Beifall)

Es würde mich freuen, wenn sich der eine oder andere, der sich in dieser Debatte sehr dezidiert äußert, auch zu diesem Thema einmal äußern würde, und natürlich geht es auch darum, dass diese Stadt Klimahauptstadt 2011 in Europa werden wird.

All das sind Punkte, die wir unter Wachsen mit Weitsicht verstehen. Dabei ist uns wichtig, dass das nicht von oben verordnet wird, sondern gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt wird, und dass diese sich einbringen können. Aber es gibt eben kein Patentrezept, wir müssen uns auf den mühsamen Weg einlassen, je

weils vor Ort die schwierigen Situationen und Interessenlagen zu behandeln, und das werden im Gängeviertel andere Lösungen sein als bei Frappant. Auf den Weg müssen wir uns machen, wir sind dazu bereit und wir würden uns wünschen, dass Sie das auch konstruktiv begleiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Hamann.

Herr Kollege Bischoff, München hat 14 soziale Erhaltungsverordnungen, das haben Sie in der letzten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses gehört und gelernt.

(Frank Schira CDU: Und schön teure Mie- ten!)

Hamburg hat eine, das ist richtig. Hamburg hat aber auch eine Umwandlungsverordnung und München hat keine. Außer Hamburg und München hat keine Stadt irgendeine soziale Erhaltungsverordnung oder Umwandlungsverordnung. Vielleicht sollten Sie zunächst einmal darüber nachdenken, ob es tatsächlich das allein seligmachende Mittel ist, eine Verordnung zu verabschieden und zu sagen, damit bekommen wir alle Probleme des Stadtteils in den Griff. Das ist es nämlich mit Sicherheit nicht.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

GAL und CDU arbeiten sehr intensiv an einem Papier, in dem es genau um diese Probleme wie Gentrifizierung geht, und wir versuchen, ein gemeinsames Konzept zu erarbeiten, das deutlich darüber hinaus geht, irgendwo eine soziale Erhaltungsverordnung zu verabschieden. Wir machen uns da noch einige Gedanken mehr.

(Dirk Kienscherf SPD: Aha!)

Wie die gesamte SPD sind selbstverständlich auch Sie, Herr Kienscherf, aufgerufen, sich auch einmal ein paar Gedanken zu machen und nicht immer nur das abzuschreiben, was Sie schon seit Jahrzehnten schreiben und wiederholen und übrigens als Regierung selbst nie umgesetzt haben. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich komme auch gerne noch einmal auf den Kollegen Grote zurück. Das war eine sehr beachtliche Rede, die offensichtlich unter dem Motto stand "Glücklich sind die Vergesslichen, denn sie werden selbst mit ihren Dummheiten fertig". Wenn ich es mir leicht machen wollte, dann könnte ich einfach sagen, dass der heutige Zustand des Gängeviertels doch eigentlich nichts anderes ist als der Ausdruck von 40 Jahren SPD-Politik, die wir in dieser Stadt gehabt haben.

(Andy Grote SPD: Na klar!)

Was heißt, na klar? Was haben Sie denn in all den Jahrzehnten dort im Gängeviertel gemacht? Warum sah es denn, als Ole von Beust den Senat und die Regierung übernahm, so aus, wie es leider in großen Teilen heute noch aussieht?

(Andy Grote SPD: Was haben Sie denn in den acht Jahren gemacht?)

Sie haben kein Konzept und keine Idee gehabt. Dieser Senat hat sich als Erstes wie bei vielen anderen früheren Baustellen Ihrer Senate darangesetzt und die Probleme in die Hand genommen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Acht Jahre haben Sie gebraucht!)

Dazu gab es zunächst eine Ausschreibung, bei der ein Investor für das Grundstück gesucht wurde, und es wurde ein Investor gefunden. Es gab viele Bewerber und wir haben selbstverständlich den Investor genommen, der den höchsten Preis geboten hat. Herr Kienscherf, mit diesem Investor waren damals alle zufrieden. Alle waren begeistert, sogar die SPD, denn nicht nur der Preis, sondern auch das Konzept war gut, das über einen städtebaulichen Wettbewerb weiterentwickelt wurde. Der Investor gefiel insbesondere der SPD ganz hervorragend, denn – was Sie nicht mehr hören wollen und was Sie gerne vergessen haben – dieser Investor hatte sich im Grunde genau in diesem Viertel schon bewährt. Ich habe es Ihnen schon einmal erzählt und vielleicht merken Sie es sich dieses Mal: Dieser Investor hatte es nämlich geschafft, ein historisches Gebäude am Valentinskamp, in dem sich heute der Engelsaal befindet, hervorragend zu renovieren und mit Kunst, Kultur, Gewerbe und Wohnungen zu bespielen. Insofern waren alle glücklich, dass dieser Investor gefunden war. Heute nun zu sagen, wir waren von Anfang an dagegen, aber wir haben es nicht gesagt, weil wir vergessen haben, es zu sagen, das ist einfach unaufrichtig.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Die Probleme ergaben sich dann im Weiteren durchaus auch in der Zusammenarbeit mit dem Bezirk und aus den Schwierigkeiten, die dieses besondere Bauvorhaben einfach mit sich bringt. Ihre Behauptung, Herr Kollege Grote, der Bezirk hätte es dann gerettet, indem er den städtebaulichen Vertrag entwickelt hat, ist genauso falsch. Von Ihnen als gutem Juristen und Kollegen, als den ich Sie kenne und schätze, weiß ich, dass Sie es besser wissen. Es ist das übliche Verfahren in dieser Stadt. Die Liegenschaft verkauft das Grundstück und macht den einen Vertrag und die Bezirke machen den städtebaulichen Vertrag. Das passiert in sieben Bezirken und, oh Wunder, es geschieht auch im Bezirk Hamburg-Mitte. Das ist nicht Besonderes, da ist kein Unterschied, das machen wir

(Jens Kerstan)

seit Jahrzehnten so, im Übrigen auch in den 40 Jahren, die die SPD an der Regierung war.

Das haben wir unverändert fortgesetzt und es war die Aufgabe des Bezirks, den städtebaulichen Vertrag zu entwickeln; ohne städtebaulichen Vertrag kein Kaufvertrag. Als wir beides dann schließlich fertig hatten, wurde unterzeichnet, es ging zum Notar, der Vertrag wurde geschlossen und die weitere Ausarbeitung des Bauvorhabens mit Baugenehmigung sollte erfolgen. Das hat die letzten Jahre in Anspruch genommen. Das ist bedauerlich, aber nun, wie wir auch von der Kultursenatorin gehört haben, haben Sie vor kurzer Zeit gejubelt, man hätte jetzt endlich die Kurve gekriegt. Wir sehen, die Kurve ist noch nicht ganz gekriegt, aber ich bin sicher, wir werden die Kurve in Kürze kriegen. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Grote für vier Minuten.

Gegen Ende nimmt die Debatte doch noch etwas an Fahrt auf. Herr Hamann, Sie sagen, die SPD hätte nie etwas gemacht, sei nicht interessiert und so weiter. 2001, als Sie die Regierung übernommen haben,

(Barbara Ahrons CDU: Entscheidungen mussten getroffen werden!)

gab es ein Konzept, das fertig war für eine Sanierung in öffentlicher Verantwortung. Es war an die GWG ein Auftrag ergangen, dies zu prüfen, dafür Szenarien zu entwerfen und das lag alles auf dem Tisch. Als Sie die Regierung übernommen haben, haben Sie das verschwinden lassen und gesagt, es werde jetzt ausgeschrieben, die Sache werde verkauft. Sie haben auch dieses ganze Ausschreibungsverfahren und das Ergebnis zu verantworten. Es mag sein, dass wir damals mehr Hoffnung hatten in diesen Investor; die Konzepte, die dort vorgestellt wurden, klangen auch recht gut, das bestreitet niemand. Aber zu sagen, deswegen sei die SPD von Anfang an an allen Dingen beteiligt gewesen, dem ist nicht so. Es gab keine Möglichkeit, aus der Nummer herauszukommen. Der städtebauliche Vertrag ist fast sieben Jahre nach der Anhandgabeentscheidung an diesen Investor verhandelt worden.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Da kann man mal sehen, wie langsam Hamburg-Mitte arbeitet!)

Das ist natürlich nicht der normale Gang der Dinge, sondern es ist verhandelt worden unter der Überschrift Ausstiegsszenarien; das war der Anlass, das ist kein normaler Vorgang.

Noch einmal zu Herrn Kerstan. Es wird hier immer bunter, jetzt darf man die Investoren schon nicht

mehr kritisieren, weil die das in eine bessere Position gegenüber der Stadt bringe; das kann nicht Ihr Ernst sein. Als Opposition soll man ruhig sein, weil man sonst das Geschäft des Investors betreibe und den Kaufpreis hochtreibe.

(Jens Kerstan GAL: Da haben Sie nicht zu- gehört!)

Ich will Ihnen sagen, warum das so ist. In diese Lage hat uns einzig und allein das Verhalten des Senats manövriert, und zwar noch bis vor wenigen Monaten, als die Rate noch nicht bezahlt war. Da ist im Immobilienmanagement das Szenario Rückabwicklung durchgespielt worden. Das ist vom Immobilienmanagement selbst auf den Tisch gelegt worden. Der Investor ist zu diesen Gesprächen angereist und alles musste wieder eingesammelt werden, weil die Behördenleitung sagte, es finde nicht statt. Damals wäre es wesentlich günstiger gewesen darüber zu reden als jetzt.