Protokoll der Sitzung vom 09.12.2009

Warum wird das hier so schlank einfach den Kammern zugeschoben nach dem Motto, die werden das schon irgendwie regeln für die Stadt? Im Bun

(Jens Kerstan)

desland Berlin wird ein Riesendiskussionsprozess in Gang gesetzt, weil sie nämlich gemerkt haben, welche Dimension dahinter steckt, wenn ausländische Unternehmen kommen, sich anmelden und die Genehmigungen überall einholen müssen. Deswegen ist es, wie der Sachverständige aus Berlin dargestellt hat, auch klar, dass das bei den Bezirken angesiedelt ist, wo die Genehmigungen im Wesentlichen alle erteilt werden müssen und die Fachaufsicht liegt bei der Wirtschaftsbehörde in Berlin.

Wir sind der Auffassung, dass ein Modell, das die Anbindung des "Einheitlichen Ansprechpartners" an die öffentliche Verwaltung präferiert hätte, besser gewesen wäre, und deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf heute auch ablehnen.

(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum DIE LINKE – Wolfgang Beuß CDU: Das ha- ben wir uns gedacht!)

Wie gesagt, sind die Adressaten nicht nur die Unternehmer. Die Sachverständigen haben in der Anhörung gesagt, dass aufgrund dieser Dienstleistungsrichtlinie bis zu eine Million Arbeitnehmer aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland kommen werden. Warum ist es in Berlin möglich, den DGB mit einzubeziehen, eine Kooperation zwischen dem Senat und dem Gewerkschaftsbund zu verabschieden, damit auch die Arbeitnehmerberatung einbezogen wird, und warum ist das in Hamburg nicht möglich? In Hamburg ist es nicht möglich, weil man es nicht will. Deswegen fordern wir, das einzuführen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Sie haben den Sachverständigen Dr. Ramsauer zitiert, Herr Lemke, der in der Tat davon gesprochen hat, dass die Kammer eine große Beratungserfahrung hat. Er hat aber auch noch etwas anderes gesagt, nämlich, dass es Probleme mit der Aufsicht gebe. Das ist eine schwierige Umsetzung. Die Kammer ist Beliehene, es stellen sich Probleme des Staatshaftungsrechts. Alle Sachverständigen, die wir angehört haben, haben im Übrigen betont, dass es in dieser Konstellation Haftungsprobleme gibt. Und er hat auch gesagt, dass die Ansiedlung bei den Bezirken wünschenswerter gewesen wäre, weil die Bezirke ohnehin für alle Genehmigungen zuständig sind. Sie haben auf Seiten des Senates schlecht gearbeitet. Sie haben die Drucksache bewusst erst so spät eingebracht, um der Diskussion im Parlament und mit den gesellschaftlichen Gruppen auszuweichen und uns vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das ist nicht in Ordnung und wird auch dieser Europäischen Dienstleistungsrichtlinie nicht gerecht. Wir werden diesem Entwurf jedenfalls nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum und Norbert Hackbusch, beide DIE LINKE)

Das Wort hat Senator Gedaschko.

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! In der Tat ist die Dienstleistungsrichtlinie eine umstrittene Richtlinie, aber jetzt in europäisches Recht gegossen worden und so, wie sie ist, umzusetzen. Sie kann aber auch eine andere Wirkung entfalten als die eben diskutierte. In Teilen wurde sie als Gefahr diskutiert, ein Zahn, der gezogen wurde, der in der Tat gefährlich war.

Erinnern wir uns aber an den freien Warenverkehr. Der freie Warenverkehr hat den Exportweltmeister Deutschland dazu gebracht, innerhalb der Europäischen Union überhaupt so arbeiten zu können, dass die zahlreichen Arbeitsplätze entstanden sind, die den Warenverkehr letztendlich ermöglichen. Genau die gleiche Chance haben wir jetzt im Bereich der Dienstleistungen, die einen viel größeren wirtschaftlichen Raum in der Bundesrepublik Deutschland einnehmen als die industrielle Produktion. Insofern sehen wir doch bitte auch die Chancen, die Deutschland durch diese Dienstleistungsrichtlinie hat.

Was wir in Deutschland anders gemacht haben, ausgenommen Bayern, ist, dass wir das Angebot selbstverständlich auch an diejenigen richten, die in Deutschland leben, die deutschen Staatsbürger, die EU-Bürger. Darüber hinaus haben wir noch etwas anderes gemacht. Wir haben gesagt, dass auch der chinesische oder türkische Händler, der hier arbeitet, selbstverständlich diese Dienstleistungsrichtlinie in Anspruch nehmen soll. Das unterscheidet dieses Gesetz von vielen anderen Ländergesetzen in Deutschland. Insofern haben wir mit der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in Hamburg für Selbstständige auch den Bogen zum Thema berufliche Integration mit Migrationshintergrund schlagen können.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Ziel der EU-Maßnahme ist die Verbesserung und Vergrößerung der Aktionsreichweite von Unternehmen und der Zugang von Kunden. Die arbeitsmarktpolitischen Ansätze, die im Antrag der SPD stehen, will ich nicht kleinreden, nur ist es nicht der richtige Standort. Wir haben ein Entsendegesetz, das genau an dieser Stelle als Rechtsgrundlage ansetzt. Und Berlin, wo große Projektgruppen eingesetzt wurden, kann sich von Hamburg ein Stück weit eine Scheibe abschneiden. Schauen wir uns das Welcome Center an, das wir bereits genau für den Zweck eingerichtet haben, eine Anlaufstelle zu haben, um bei ausländischen Arbeitnehmern in Hamburg die Integration zu erreichen. Sehen Sie sich die Quoten bei der Befragung der Kunden an. Das sind Traumquoten mit einer Kundenzufriedenheit von 98 Prozent.

(Ingo Egloff)

(Beifall bei der CDU – Wolfgang Rose SPD: Darüber reden wir doch gar nicht!)

Wenn es um die Stelle geht, die jetzt mit der Umsetzung beauftragt wird, kann ich nur sagen, dass die Handwerkskammern in Deutschland natürlich, ebenso wie die Handelskammern, unterschiedlicher Qualität sind. Aber gerade die Handelskammer in Hamburg hat einen ausgezeichneten Ruf in Deutschland und ist von der Größe her dafür geeignet. Nicht jede Handelskammer wäre geeignet, diese Aufgabe zu erfüllen. Der Kammer diese Aufgabe abzusprechen, während sie in vielen anderen Fällen – sogar mit Ihrer Zustimmung – beauftragt wurde, gemeinsam mit der Wirtschaftsbehörde und der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) die Umsetzung von Neugründungen und Ansiedlungen mit EU-Geldern positiv durchzuführen, passt nicht zusammen. Insofern denke ich, haben wir genau die richtige Stelle erwischt.

(Beifall bei der CDU)

Was die Aufsicht über die zuständige Behörde, also die Kammer, angeht, gibt es Gesetze, die nicht jeder kennen kann. Das will ich Ihnen nicht ankreiden. Ich verweise aber, damit es klar ist, auf Paragraf 15 der Regelung der Rechtsverhältnisse der Handelskammer Hamburg. Da steht ganz glasklar, insofern brauchen wir keine Neuregelung, das hätten allerdings die Rechtsgutachter wissen müssen:

"Soweit die Handelskammer staatliche Aufgaben als Auftragsangelegenheit wahrnimmt, hat die Aufsichtsbehörde [also die Wirtschaftsbehörde] ein Weisungsrecht."

Es ist explizit gesetzlich geregelt, mithin brauchen wir also keine eigene Neuregelung.

Was die DGB-Beteiligung angeht, ist die BWA seit Februar 2008 in direktem Kontakt mit den hamburgischen DGB-Vertretern gewesen. Es gab eine Verbändeanhörung mit dem DGB und der DGB hat richtigerweise keinen Anlass zur Äußerung gesehen.

(Wolfgang Rose SPD: Wir haben doch gera- de eine Anhörung dazu gehabt!)

Soweit zu diesem Thema. Verbändebeteiligung ist erfolgt, DGB ist eingeladen worden, keine Äußerung des DGB dazu.

(Wolfgang Beuß CDU: Hört, hört!)

Also bitte diese Kritik ein bisschen anders ausrichten.

Was die Arbeitnehmerinformation angeht, so ist die Informationstätigkeit des "Einheitlichen Ansprechpartners" durch Erstberatung über arbeits- und sozialrechtliche Bestimmung ohnehin vorgesehen und wird stattfinden. Es wird praktisch dadurch stattfinden, dass genau diese Informationspakete in das sogenannte Infoportal aufgenommen werden. Dieses Infoportal wiederum ist die Grundlage

für die Auskünfte der Mitarbeiter in der Geschäftsstelle "Einheitlicher Ansprechpartner". Insofern rennen Sie bei uns offene Türen ein; genau so wird es passieren. Selbstverständlich wird es auch eine Information für die Mitarbeiter geben.

(Beifall bei der CDU)

Zur Forderung der Evaluation – dort wird alles bereits im Gesetzestext so vereinbart und geregelt, wie es der SPD-Antrag will. Insofern können Sie auch hier zustimmen. Fazit: Wir gehen mit den Serviceleistungen zugunsten der Unternehmen, aber auch der Mitarbeiter weit über das hinaus, was die EU-Dienstleistungsrichtlinie von uns verlangt.

Wir haben gerade in Hamburg ausgezeichnete Selbstverwaltungsorganisationen und genau diese Organisationen, bei denen die Unternehmen sowieso auflaufen müssen, werden mit der Aufgabenwahrnehmung beauftragt. So zeigen wir, dass wir unbürokratisch und wirtschaftsfreundlich sind.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker und Jens Kerstan, beide GAL)

Das Wort hat Herr Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Gedaschko, Sie waren leider bei der Anhörung nicht dabei. Das wird gute Gründe gehabt haben, aber was dort geschehen und von den Sachverständigen im Verhältnis zu Ihrem Entwurf ausgedrückt worden ist, war eine deutliche Klatsche für den Hamburger Senat.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Einvernehmlich haben alle Sachverständigen, die auch von der CDU-Fraktion bestimmt worden sind, gesagt, dass das Kammermodell schlecht und falsch sei,

(Barbara Ahrons CDU: Die haben gesagt, so kann man es machen!)

und zwar nicht, weil sie die Handelskammer nicht für eine gute Kammer halten, sondern weil diese institutionell und strukturell dafür nicht geeignet sei, weil sie eine Interessenvertretung der hier organisierten Unternehmen ist und dementsprechend ein Interessensgegensatz vorhanden ist, der nicht dazu führt, dass sie die vernünftige Institution dafür ist.

(Barbara Ahrons CDU: Das ist eine Unter- stellung! Die ist unseriös, diese Unterstel- lung!)

Das war die Aussage sämtlicher Sachverständiger und dementsprechend eine eindeutige Kritik an Ihnen. All das können Sie übrigens nachlesen, das haben wir gerade heute bekommen.

(Senator Axel Gedaschko)

(Egbert von Frankenberg CDU: Das ist auch besser so! Was Sie erzählen, stimmt doch gar nicht!)

Sie waren doch gar nicht da.

Sie können es sich noch einmal genau anschauen. Mir stand der Mund offen vor Staunen, weil ich überhaupt nicht erwartet habe, dass die Sachverständigen, die auch Sie bestimmen, genau das kritisieren und unterstützen. Sie sollten schon allein deswegen etwas kritischer werden, weil die werbenden Worte von Herrn Kerstan dermaßen distanziert waren – wofür ich mich übrigens noch einmal bedanken möchte – und verdeutlicht haben, dass es so einfach und glatt nicht gehen kann, wie Sie das dargestellt haben.

Dazu, dass es einfacher wäre, Herr Gedaschko, und unbürokratischer: Sie sagen, dass es in Paragraf 15 eine Möglichkeit gäbe, dass die Behörden selbst alles noch einmal bürokratisch bei der Kammer überprüfen könnten an dieser Stelle, wenn es notwendig wäre und auch Weisungen geben könnten. Das wirkt doch eher wie ein Bürokratiemonster als unser Vorschlag, es innerhalb der Stadt zu organisieren. Von daher sehe ich diesen Punkt auch nicht als erreicht an.

Der dritte Punkt ist die Frage der Gewerkschaftsbeteiligung. Erinnern wir uns einmal: Die entscheidende Debatte über Dienstleistungsrichtlinien, das hat Herr Egloff noch einmal richtig und gut dargestellt, war die über unsere Sorgen, dass in dieser Gesellschaft die Dienstleistungsfreiheit, die vielleicht für einige Unternehmen sehr vorteilhaft ist, auf sozialpolitischer Ebene und aufgrund des Herkunftslandsprinzips zu großen Problemen führt. Das ist natürlich eine sozialpolitisch große und wichtige Fragestellung gewesen. Es gab eine große Mobilisierung, große Demonstrationen auch bis in Ihre Kreise, auf Grund dessen die Dienstleistungsrichtlinie verändert wurde. Von daher muss die Sensibilität dafür vorhanden gewesen sein, dass die Gewerkschaftsbeteiligung ein entscheidender Punkt sein muss.

Deswegen gab es hierüber eine Debatte und man kann nicht sagen, Herr Lemke, wie komme man denn auf eine solche Idee, es gehe doch um Unternehmen. Wir haben jahrelang darüber debattiert, europapolitisch war das eines der entscheidenden Momente und es gibt hier keine Ausrede, die Gewerkschaften in diesem Bereich nicht ausreichend zu berücksichtigen. Ich weiß nicht, ob von deren Seite eine Stellungnahme abgegeben wurde, das kann ich nicht beurteilen. Aber man sollte sagen, wir wollen die Arbeitnehmer mitnehmen, sie sollen beraten werden können und wer kann das besser als der DGB. Es sollte doch auch hier die einheitliche politische Auffassung sein, die Gewerkschaftsinteressen und Arbeitnehmerinteressen dort zu berücksichtigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Evaluation ist jetzt anders interpretiert worden, als es im Gesetzestext steht. Da wird nicht gefragt, ob insgesamt alles evaluiert wird, sondern nur, inwieweit die Maßnahmen die richtigen sind. Wir wollen, dass auch der Weg evaluiert wird und ich hoffe, dass das jetzt mit dieser Debatte erreicht worden ist.

Als Letztes noch einmal kurz zu Ihnen, Herr Gedaschko: Sie sind eigentlich ein netter Kerl, Sie hätten aber hier sagen können, dass das im Zusammenhang mit dem parlamentarischen Weg ein Fehler gewesen ist, das hätte sich einfach so gehört. Uns so spät damit zu konfrontieren und zu sagen, wir müssten das zum 1. Januar umsetzen, gehört sich einfach parlamentarisch nicht und ist übrigens europapolitisch eine Katastrophe. Wir haben im Europaausschuss darüber gesprochen, wie wichtig es ist, solche Fragen ordentlich und systematisch zu debattieren. Hier haben Sie die Europapolitik ein wenig mit Füßen getreten. – Danke.