Bei der Abstimmung über die Empfehlung des Haushaltsausschusses zur Drucksache 19/3886 in der Neufassung gab es 63 Ja-Stimmen und 49 Nein-Stimmen. Damit ist die Empfehlung des Haushaltsausschusses angenommen worden.
Ich rufe dann auf den Punkt 51 der Tagesordnung, Drucksache 19/4713, Antrag der GALund CDU-Fraktion: Hamburgisches Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit.
[Antrag der Fraktionen der GAL und CDU: Hamburgisches Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit – Drs 19/4713 –]
[Antrag der Fraktion der SPD: Änderung des Hamburgischen Passivraucherschutzgesetzes vom 11. Juli 2007 – Drs 19/4808 –]
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor zweieinhalb Jahren haben wir gemeinsam, übrigens einstimmig, ein Passivraucherschutzgesetz verabschiedet, das – und das möchte ich vorab sagen – sehr erfolgreich in dieser Stadt gewesen ist. In der Öffentlichkeit, etwa in Behörden und Einkaufszentren, in Krankenhäusern, Sporthallen oder Theatern ist Nichtrauchen der Normalfall geworden, Rauchen die Ausnahme.
Wo es zulässig und möglich ist, gibt es Raucherzimmer und ansonsten gehen Raucher ganz selbstverständlich vor die Tür. Selbst in weiten Teilen der Gastronomie ist dieses weitgehende Rauchverbot längst akzeptiert. Viele Raucher – das werden Sie aus Ihren eigenem Umfeld wissen – empfinden es als sehr angenehm, dass man sein Essen rauchfrei genießen kann. Damit ist die Situation in Hamburg nicht anders als in ganz Europa und in den USA. Dort sind längst weitgehende Rauchverbote akzeptiert.
Im Sommer 2008 gab es eine Verfassungsklage, die mit uns Hamburgern zunächst gar nichts zu tun hatte. Es war ein Gastwirt aus Baden-Württem
berg, der das Bundesverfassungsgericht angerufen hatte. Die rechtliche Situation und die Konzessionssituation in Baden-Württemberg sind ein bisschen anders. Gleichwohl hat die Entscheidung der Verfassungsrichter auch Auswirkungen auf eigentlich alle anderen Länder gehabt, mit Ausnahme Bayerns. Deshalb haben alle anderen Länder ebenfalls ihre ähnlichen Passivraucherschutzgesetze in diesem einen Punkt – Rauchen in der Gastronomie – ausgesetzt, um eine neue Gesetzeslage herbeiführen zu können.
Alle Hinweise auf irgendwelche wirtschaftlichen Auswirkungen, die ein solches Verbot in der Gastronomie hat, sind – bei aller Liebe – nicht plausibel. In mehreren Anhörungen ist das von den Vertretern der Gastronomie nicht wirklich nachvollziehbar dargestellt worden. Ganz im Gegenteil, die Kollegen, die bei den Ausschusssitzungen waren, werden festgestellt haben, dass dort eher schwache Argumente kamen. Und die wenigen belastbaren Zahlen, die wir über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rauchverbotes in der Gastronomie in Deutschland haben, sprechen eine ganz andere Sprache. Es gibt Aussagen aus Bayern, die eher auf ein Umsatzplus in der getränkegeprägten Industrie hinweisen. In Bremen, wo eine durchaus vergleichbare Situation existiert, hat im Juli dieses Jahres eine Anfrage der FDP-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft ergeben, dass mitnichten ein Kneipensterben existiert, ebenso wenig wie signifikante Umsatzauswirkungen. Und auch die Tabakindustrie sagt sehr eindrucksvoll, dass das Rauchverbot in der Gastronomie wirklich nur marginale Umsatzeinbußen zur Folge hat.
Insofern wäre ein generelles Rauchverbot ordnungspolitisch sicherlich am einfachsten. Ich sage immer: Da, wo es qualmt, wäre es verboten. Es wäre am einfachsten zu kontrollieren und gesundheitspolitisch ohnehin am besten. Gleichwohl heißt dieses Gesetz nicht ohne Grund Passivraucherschutzgesetz. Es geht darum, Menschen wirksam davor zu schützen, als Passivraucher ungewollt Tabakqualm einzuatmen und nicht darum, das Rauchen an sich zu verbieten. Daher ist auch die Frage, wieweit muss und soll Politik sich eigentlich in die Lebensführung eines jeden Einzelnen einmischen.
Ganz ohne gesetzliche Regelung, das muss man aber feststellen, ist es leider nicht möglich, einen Ordnungsrahmen zu schaffen. Wir hatten eine freiwillige Selbstverpflichtung, die nicht von der Gastronomie erfüllt worden ist. Hamburg und Schleswig-Holstein hatten meines Wissens bei der Umsetzung dieser freiwilligen Selbstverpflichtung die rote Laterne. Hier in Hamburg war die Umsetzung wohl am schlechtesten.
Deshalb haben wir eine lange und intensive Diskussion mit unserem Koalitionspartner geführt, nämlich einerseits über den gesundheitspolitischen
Ansatz und andererseits über Regelungen, die Ausnahmen zulassen. Nichtraucher sollen nicht ungewollt Tabakqualm ausgesetzt sein, gleichwohl soll immer noch ein möglichst großer Freiraum bestehen und das Ganze soll rechtlich sicher sein. Der gemeinsame Entwurf von GAL und CDU spiegelt genau das wider und orientiert sich sehr dicht an den Vorgaben der Verfassungsrichter. Ein generelles Rauchverbot wäre verfassungsrechtlich möglich, Ausnahmen sind es aber auch. Karlsruhe hat dabei auf die besondere Situation der getränkegeprägten Gastronomie abgehoben und den 75-m2-Richtwert für kleinere Gaststätten genannt. Es hat sehr deutlich gemacht, dass eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Gaststätten jedenfalls nicht zulässig ist. Und es hat gesagt, dass Minderjährige dort, wo geraucht wird, keinen Zutritt haben.
Unser Gesetzentwurf ist sehr konsequent in der Umsetzung. Es wird Raucherbereiche in der getränkegeprägten Gastronomie geben, wo entweder Ein-Raum-Gaststätten mit diesen berühmten 75 m2 vorhanden sind oder wo in größeren Gaststätten kleinere, abgetrennte Räume als Raucherräume eingerichtet werden. Wir sprechen dabei aber von getränkegeprägter Gastronomie, das heißt, in diesen Gaststätten gibt es keine Speisen und, wie heißt es in der Karlsruher Entscheidung so schön, "keine zubereiteten Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle". Es wird die Kennzeichnungspflicht geben, es gibt keinen Zutritt für Minderjährige und, weil immer wieder gefragt wird, was eigentlich mit den Beschäftigten sei, Arbeitsschutz ist nun einmal Sache des Bundes und nicht der Länder. Deshalb konnten wir uns diesem Thema schlichtweg nicht widmen. Es ist also kein striktes Verbot, aber es ist gleichzeitig ein Gesetz mit kleinen, überschaubaren Ausnahmen. Rauchen ist dort möglich, wo sich kein Nichtraucher aufhalten muss, zum Beispiel, um dann doch das Mittagessen in der Pause einzunehmen. Das ist nun wirklich eine einfache Frage. Wer als Gruppe gemeinsam zum Essen geht, wird sich dafür entscheiden müssen, auf den Nichtraucher Rücksicht zu nehmen.
Die Verfassungsrichter haben sehr deutlich gesagt, dass Unterscheidungen der Gastronomiearten in Speisegaststätten und getränkegeprägt zulässig sind, innerhalb der Gruppe jedoch keine Ungleichbehandlungen passieren dürfen. Deshalb bezieht sich unsere Ausnahme auch nur auf die getränkegeprägte Gastronomie. Wir werden einige skurrile Dinge aufheben, wie zum Beispiel die Ausnahmen für Vereinsheime, was auch Sinn macht. Es ist kaum nachzuvollziehen, dass überall in der Stadt Kinder, Jugendliche vor Tabakqualm geschützt werden und nur im Sportheim der kleine Steppke in der Sporthose sich dem Zigarettenqualm der Erwachsenen aussetzen muss. Das ist nicht zu akzeptieren.
Da wir Ausnahmen in der Gastronomie zulassen, ist die kreative Auslegung des Gesetzes, wie zum Beispiel die Raucherklubs, die es plötzlich gab, gar nicht mehr nötig. Übrigens waren diese oft auch gar nicht zulässig. Dieses Rechtsproblem haben wir nicht mehr. Das gilt auch für Festzelte wie beispielsweise auf dem Hamburger Dom. Der Dom ist eine familienfreundliche Einrichtung. Ich habe selbst mit dem Landesverband des ambulanten Gewerbes gesprochen, der großen Wert darauf legt, dass der Dom das Familienfest des Nordens ist. Es ist nicht einzusehen, dass überall in dieser Stadt zum Beispiel Kinder vor dem ungewollten Rauchen geschützt werden, allerdings im Festzelt auf dem Dom drei Monate im Jahr nicht. Sie würden auch dem Gastwirt am Neuen Pferdemarkt kaum erklären können, warum er in seiner Gaststätte das Rauchverbot durchsetzen muss, wenn er Speisen anbietet, auf der anderen Straßenseite auf dem Dom aber drei Monate pro Jahr durchaus gegessen und geraucht werden darf.
GAL und CDU haben sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir haben sehr intensiv beraten. Das Risiko einer verfassungsrechtlichen Überprüfung eines Gesetzes ist niemals ausgeschlossen. Wir wären übrigens auch gar nicht sicher, ob Hamburger Verfassungsrichter wirklich so entscheiden wie die Karlsruher Kollegen. Dieses Risiko geht man bei jedem Gesetz ein. Die Diskussion über dieses Thema ist keine Hamburgensie, sondern alle Bundesländer führen sie. Dass es durchaus Stimmungsschwankungen gibt, sieht man am Saarland, das vermutlich als erstes Bundesland – nachdem Bayern es schon hatte – ein völliges Rauchverbot hat. Das Volksbegehren in Bayern ist auch eine interessante Entwicklung. Wenn in Hamburg so ein bisschen damit gedroht wird, dass es ein Volksbegehren geben könne, dann warne ich die Neugierigen, dass nicht plötzlich genau das Gegenteil von dem herauskommt, was man gerne hätte. Und es zeichnet sich ab, dass einige Bundesländer den Termin 31. Dezember nicht halten werden.
Wir sind also in diesem Diskussionsprozess nicht alleine. Letztendlich wissen wir, dass Brüssel sich bereits mit diesem Thema auseinandersetzt und in den nächsten drei Jahren dort wohl eine Entscheidung ansteht und dann schauen wir einmal, was aus der EU kommt. Ich persönlich hätte mir, das ist allen bekannt, eine schnellere Lösung gewünscht, aber Kompromisse brauchen nun manchmal ihre Zeit. Auf jeden Fall ist das, was wir gemacht haben, besser als das, was wir von der Opposition erleben. Der SPD-Vorschlag liegt seit gestern am späten Abend vor, er ist weder kreativ
sagen solle. Ich muss gestehen, ich musste es auch zweimal lesen, um es zu verstehen. Übrigens ist es rechtlich noch nicht einmal richtig zu Ende gedacht. Liebe Kollegen von der SPD, da sind Ihre bayerischen Kollegen, die ein totales Rauchverbot haben, doch wenigstens konsequenter und mutiger.
Die sehr populistisch von Ihnen geforderte und auch erfolgte öffentliche Anhörung vor ein paar Tagen ersetzt nun einmal nicht die eigene Meinung, die Sie offenbar bis gestern Abend nicht hatten. Es gab relativ wenig Teilnehmer, keinerlei neuen Argumente und auch die rechtlichen Bedenken, die Sie aufklären wollten– das war der Grund für die öffentliche Anhörung – wurden nicht mit einem einzigen Argument angesprochen. Die Erkenntnis aus dieser Anhörung ist, dass die Hamburger mit dem Koalitionsvorschlag weitgehend einverstanden sind. Es ist kein Thema, über das man sich aufregt. Eine deutliche Mehrheit, zum Beispiel bei einer Umfrage im "Hamburger Abendblatt" 56 Prozent, hat sich für diesen Vorschlag ausgesprochen. Gestern hat es eine Demo – ich weiß gar nicht, ob man die so nennen kann – gegeben.
Eine Versammlung. Es gibt Zeugen, die berichten von 100 Teilnehmern, die DEHOGA spricht wohl von 300. Wie dem auch sei, die Massen hat es offenbar nicht mehr bewegt. Es gab auch aus Ihren Reihen einen Redner, den Kollegen Kahrs, der dazu gesprochen hat und der selber nicht wusste,
Sie werden verstehen, dass wir Ihren Zusatzantrag ablehnen. Er ist schlichtweg ungenügend, geht an der Sache vorbei und ich denke, GAL und CDU sind mit ihrer Gesetzesänderung auf einem guten Weg.
und möchte deswegen auch gleich mit Ihnen beginnen und mit dem Konsens, den wir vor zweieinhalb Jahren gemeinsam erarbeitet hatten. Er war verbunden mit einiger Vorarbeit, die ausführlich vonstattengegangen war. Es gab zwei Expertenanhörungen, wenn ich mich recht erinnere und ein Ergebnis, das nunmehr bei uns zu einem Zusatzantrag führte, der in der Tat nicht kreativ ist. Da gebe ich Ihnen völlig recht. Er entspricht nämlich präzise dem, was wir mit der GAL zusammen damals ausgehandelt hatten, mit der Ausnahme dessen, was vom Bundesverfassungsgericht beanstandet worden ist. Insofern verstehe ich nicht, was Sie heute gegen das haben, was wir vor zweieinhalb Jahren nicht nur gemeinsam ausgehandelt, sondern auch gemeinsam beschlossen haben.
Zweitens gebe ich Ihnen recht, dass dieses Nichtraucherschutzgesetz, das wir damals verabschiedet haben, insofern erfolgreich gewesen ist, als es darum ging, Menschen,
die nicht von Rauch belästigt werden wollen, von denjenigen zu trennen, die in Kauf nehmen, Rauch zu erzeugen und davon belästigt zu werden. Diese Trennung hat erfolgreich stattgefunden, das haben Sie selber gerade gesagt. Was also macht es notwendig, an dem Verfassungsgerichtsurteil etwas von dem zu ändern, was dort vorgegeben worden ist, statt zu sagen, dass es zwei völlig rechtssichere Möglichkeiten gibt. Die eine Möglichkeit – Sie haben sie angeführt – wäre ein komplettes Rauchverbot in öffentlichen Räumen. Die zweite Möglichkeit haben wir gewählt, nämlich hart an dem, was das Verfassungsgericht vorgegeben hat, entlang zu formulieren und von dem Kompromiss auszugehen, den wir damals gefunden hatten; das legen wir vor. Ihre Vorlage haben Sie ein halbes Jahr lang verschleppt, dann mit heißer Nadel gestrickt und jetzt haben Sie einen Kompromiss zwischen nahezu unvereinbaren Positionen gefunden,
Von daher haben wir uns bei der Frage, welche der beiden rechtssicheren Positionen wir einnehmen, mehrheitlich für die entschieden, das beizubehalten, wovon Sie gerade selber sagten, es sei doch recht erfolgreich gewesen; das zu unserem Vorschlag.
(Antje Möller GAL: Aber ungesünder! – Vi- viane Spethmann CDU: Das Bundesverfas- sungsgericht sagt was anderes!)
Was wir wollen, haben wir vor drei Jahren mit Ihnen und der CDU ausgehandelt und dazu stehen wir noch. Ihr Kompromiss sorgt nun dafür, dass all diejenigen, die jetzt ihren Betrieb den neuen Gegebenheiten anpassen möchten, genau eine Woche Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr haben. Ich darf Sie wieder an die Zeit von vor zwei Jahren erinnern. Damals haben wir es geschafft, das Gesetz im Sommer mit Wirkung zum 1. Januar zu verabschieden. Da hatten alle Betriebe die Möglichkeit, sich an die neuen Erfordernisse anzupassen. Es war im Übrigen ein Ergebnis der öffentlichen Anhörung, dass die Betriebe jetzt vor großen Schwierigkeiten stehen. Daran haben Sie sich auch nicht gehalten.
Das Verfassungsgericht hat den Gleichheitsgrundsatz eingefordert. Da hätte es zwei Möglichkeiten gegeben: Einmal das totale Rauchverbot und zum zweiten das, was wir vorlegen. Was Sie vorlegen, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kurzer Zeit erstens – wie Sie es nannten – kreativ umgangen werden und zweitens auch noch einkassiert. Das wollten wir vermeiden.