Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Realität in der Bundesrepublik Deutschland hat in verschiedenen Branchen Facetten entwickelt, die einem Normalbürger kaum noch zu vermitteln sind.
Das gilt auch für bestimmte Gehaltsstrukturen. Gehälter sollen ja ein Verhältnis von Leistung zu Gegenleistung ausdrücken. Das jährliche Durchschnittsgehalt für eine Normalbürgerin oder einen Normalbürger beträgt knapp 30 000 Euro. Es gibt Lebensbereiche, die die Bodenhaftung zur Realität des Normalbürgers verloren haben. Hierzu gehören verschiedene Bereiche, zum Beispiel wenn im öffentlichen Fernsehen, durch die Steuerzahler finanziert, ein Showmaster an einem Abend soviel verdient wie ein Normalbürger in drei Jahren. Hierzu zählt auch, wenn nicht einmal Spitzenverdiener in der Fußball-Bundesliga in einem Jahr so viel verdienen wie ein Normalbürger in seinem ganzen Leben. Und hierzu zählt auch, wenn ein Bankangestellter ein Gehalt von 500 000 Euro als nicht ausreichend ansieht, es sei denn, es kommt noch eine variable Vergütung dazu.
Nun kann man sich über diese Fälle moralisch entrüsten, doch die moralische Entrüstung prallt auf die Lebensrealität und die sieht folgendermaßen
aus: Wir sind in dem zugrundeliegenden Fall gezwungen, zur Kenntnis zu nehmen, dass hochqualifiziertes Spitzenpersonal für die HSH Nordbank nur mit leistungsbezogenen Gehaltsbestandteilen gewonnen werden kann. Deren Auszahlung ist aber nun, und das ist anders als bisher, gekoppelt an den nachhaltigen Erfolg der Bank. Die Wiedererlangung der wirtschaftlichen Stabilität ist für die HSH Nordbank in besonderer Weise erforderlich, um Risiken für unseren Haushalt und für die Steuerzahler abzuwenden.
Meine Damen und Herren! Die Analyse der Fehlentwicklungen der Finanzmärkte hat die Erkenntnis gebracht, dass eine Ursache der Finanzkrise fehlgeleitete Bonussysteme gewesen sind. Das ist zuletzt dankenswerterweise in der Abschlusserklärung der G20-Staaten am 5. September 2009 ausdrücklich festgestellt worden. Falsch gesetzte Anreize für den schnellen Erfolg, nicht für die nachhaltige wirtschaftliche Erfolgsentwicklung, sind ein Element dieser Krise.
Aus dieser Erkenntnis heraus haben jetzt verschiedene unabhängige Institutionen Grundsätze für Vergütungssysteme entwickelt, um unangemessene Risiken zu vermeiden. Zu diesen Institutionen gehört beispielsweise die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die BaFin, unsere Bankenaufsicht. Sie hat Regeln für die Mindestanforderungen an das Risikomanagement entwickelt, die MaRisk; das hatte Herr Goldberg schon betont. Es gibt aber auch internationale Gremien, die infolge der Krise Maßstäbe für Vergütungssysteme formuliert haben, zum Bespiel das Committee of European Banking Supervisors CEBS und das Forum für Finanzstabilität.
Nach den Grundsätzen dieser unabhängigen Institutionen soll für Vergütungssysteme Folgendes gelten: Ein Vergütungssystem soll sich insbesondere in Übereinstimmung mit der langfristigen erfolgreichen Geschäftsstrategie befinden. Es soll keine Anreize für die Übernahme besonderer Risiken enthalten, es soll den Erfolg des Unternehmens widerspiegeln und gegebenenfalls auch reduziert werden können. Alle eingegangenen Risiken sowie die verursachten Kosten über den gesamten Zeitraum des Risikohorizonts sollen auch die allgemeine Marktentwicklung berücksichtigen. Ferner sollen – auch das ist ganz wichtig – Vorstände im Rahmen von über mehrere Jahre auszuzahlenden variablen Vergütungen auch an negativen Entwicklungen beteiligt werden. Ein Bonussystem geht also nicht nur in die eine Richtung, sondern es kann auch in die andere Richtung gehen. Negative Beteiligung heißt, wenn unerwartete Verluste eintreten, ist nicht nur persönliches Fehlverhalten Maßstab, sondern schon der Nichteintritt des wirtschaftlichen Erfolgs; der muss zu sogenannten Claw-backs, übersetzt Rückgriffsklauseln, führen können.
Die Vorgaben im Garantievertrag mit der HSH Nordbank vom 2. Juni 2009 sind schon vorab entsprechend der Regelungen internationaler Gremien ausgestaltet worden. Die Gremienbeschlüsse sind überwiegend nach dem Garantievertrag getroffen worden, dennoch spiegelt der Garantievertrag diese Regelungen wider. Das neue Vergütungsmodell zielt auf die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen, die Einhaltung der Garantiebestimmungen und die Berücksichtigung der Empfehlungen der internationalen Gremien zu den Vergütungssystemen. Die Einführung des neuen Vergütungsmodells ist in den Gremien der Bank diskutiert worden und wird auch die Hamburgische Bürgerschaft erreichen. Ende Oktober 2009 ist erstmals im Aufsichtsrat über das Thema gesprochen worden, dann hat es am 5. November im Haushaltsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft eine Information über die Grundzüge der variablen Vergütungen gegeben, das heißt, es ist sehr schnell auch im Haushaltsausschuss darüber berichtet worden. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Bank hat am 2. Dezember eine Pressekonferenz zum neuen Vergütungsmodell gegeben und der Aufsichtsrat hat das Modell schließlich am vergangenen Freitag, am 4. Dezember 2009, beschlossen.
Der Senat erstellt in diesen Tagen eine Bürgerschaftsdrucksache, die wir unverzüglich der Hamburgischen Bürgerschaft zuleiten werden. Damit wird die Bürgerschaft auch schriftlich umfassend über die Einzelheiten dieses Modells informiert werden. Der entscheidende Punkt ist: Alle Eigentümer der Bank, die Länder in besonderer Weise als Garantiegeber und Gewährträger, haben ein überragendes Interesse daran, dass diese Bank wieder auf die Beine kommt, und zwar ausgedrückt in der Wiedererlangung der Dividendenfähigkeit der Bank. Hierzu gibt es keine Alternative. Wir werden alles tun, damit der Hamburger Steuerzahler weder über die Garantie, deren Hamburger Anteil 1,5 Milliarden Euro beträgt, noch über die Gewährträgerhaftung in Anspruch genommen wird, deren hamburgischer Anteil für alle Geschäfte, die bis 2005 getätigt worden sind, 20 Milliarden Euro beträgt.
An einer Erkenntnis führt kein Weg vorbei. Wenn wir diese Bank wieder auf die Beine bringen wollen, dann schützen wir damit die Interessen der Steuerzahler, die nicht in Anspruch genommen werden sollen aus Garantie oder Gewährträgerhaftung, und hierfür brauchen wir das beste Personal, das am Markt gewonnen werden kann. Dieser Erkenntnis werden wir uns nicht verschließen, auch wenn dies eine der schwersten Entscheidungen ist, mit denen sowohl die Regierungsfraktionen als auch der Senat befasst waren. Wir werden die Augen nicht vor der Realität verschließen. Wir tun dies nicht für die Bank, wir tun es nicht für das Management, wir tun es für unseren Haushalt und für die Steuerzahler unserer Stadt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mich würde einmal interessieren, wie weit Sie diesen Vergleich von Pest und Cholera noch ausreizen wollen. Wie weit wollen Sie gehen mit der Feststellung, es gibt keine Alternative? Wo ist Ihre Schmerzgrenze? Wenn wir diese staatstragenden Reden hören, dann möchte ich Ihnen gerne einmal sagen, was bei den Menschen in der Stadt im Moment ankommt. Bei den Hamburgern kommt an, dass die Bank, die unseren Haushalt mit an den Rand des Abgrunds gebracht hat, dort weitermacht, wo sie letztes Jahr aufgehört hat, dass dieser Irrsinn wieder von vorne anfängt
Nach meinen Informationen hat gestern in Kiel eine Sitzung unter Beteiligung von Herrn Nonnenmacher und Herrn Kopper stattgefunden, wo diese dem Kieler Kabinett weitere Vorschläge für weitere Bonusregelungen für weitere Personen gemacht haben. Ich frage mich, wo Sie aufhören wollen. Wollen Sie dem weiterhin zustimmen?
Dann noch zu der Bemerkung, wir brauchten die Besten. Ich will jetzt gar nicht darüber reden, dass es in anderen Bereichen auch Probleme gegeben hat und dass natürlich ein Teil davon auch von außen gekommen ist. Aber es gibt einen Untersuchungsausschuss und wir haben hier zwei Experten von KPMG angehört. Die haben uns gesagt, dort sind Papiere entstanden und Geschäfte gemacht worden, für die ein vernünftiger Wirtschaftsprüfer mindestens ein bis zwei Wochen braucht, bis er sie auch nur annähernd versteht. Die Banker selbst in der HSH Nordbank haben diese Papiere nicht verstanden und deshalb haben sie auch Verluste gemacht.
"Ich habe die Sorge, dass wir immer mehr zu einer Akzentuierung von Partikular-, also Einzelinteressen kommen."
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Aussage, sie stimmt. Das gilt aber leider nicht nur im Zusammenhang mit Bebauungsplänen, sondern es gilt auch im Zusammenhang mit Forderungen von Bankern. Und es gibt etwas, was wir tun können und was auch Sie tun können, nämlich ganz schlicht und ergreifend Nein sagen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Völsch, der Vorwurf an Herrn Kopper, er lasse die möglicherweise Schuldigen laufen, geht ins Leere, denn er hat sehr deutlich artikuliert, dass er die Prüfung von Schadenersatzansprüchen gegen ehemalige Vorstandsmitglieder in Auftrag gegeben hat. Insofern geht das leider ein bisschen in die falsche Richtung.
Herr Dr. Bischoff, Sie sagen, die Verantwortlichen würden weitermachen; das stimmt nicht. Die wichtigsten langjährigen Vorstände der Bank sind nicht mehr dort und wir reden im Wesentlichen über neues Personal, das den angerichteten Schaden beseitigen soll. Jetzt kommen Sie mit Herrn Nonnenmacher und der ist seit dem 11. November 2007 in der Bank. Sie wissen ganz genau, denn Sie sitzen teilweise in den Untersuchungsausschüssen, dass die wesentlichen Geschäfte, die zu den Problemen der Bank geführt haben, in den Jahren davor getätigt worden sind und sicherlich nicht mit seiner Beteiligung. Insofern können Sie sich natürlich an einer Person wie Herrn Nonnenmacher reiben, aber die Schuld für die Misere der Bank können Sie ihm wirklich nicht anhängen. Das macht die Sache nicht viel besser.
Herr Dr. Bischoff, Sie haben einen ganz entscheidenden Punkt genannt und darauf möchte ich im Wesentlichen eingehen. Sie haben vollkommen zu Recht gesagt, die HGV musste eine Wertberichtigung vornehmen auf den Wert der Beteiligung an der HSH Nordbank. Es ist ein Risiko, dass dort für das Stadtportfolio neben allem anderen auch noch ein nachhaltiger Wertverlust eintritt. Die Sanierung der Bank kann dazu führen, dass dieser Wert wieder aufgeholt wird.
Die Sanierung der Bank steht im Vordergrund und nicht die Frage, wer bekommt wann welches Gehalt. Sehen Sie doch bitte einmal auf das Große und nicht auf dieses Klein-Klein. Entscheidend ist, was aus der Bank in der Zukunft wird, und nicht, was aus einzelnen Vorständen wird. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Goldberg, man kann natürlich in dieser Situation auch sagen, alles wird gut. Dann und wann sehe ich es auch so, dass das die richtige Haltung ist. Für den gegenwärtigen Zustand aber gilt unabhängig von der Be
deutung dieser Wertberichtigung: Die HSH-Nordbank-Krise bedeutet für uns und diese Stadt eine Staatskrise, und zwar deshalb – das hat Herr Freytag eben noch einmal ausgeführt –, weil die Stadt innerhalb kürzester Zeit 20, 30 oder 40 Milliarden Euro zusätzlich an Schulden haben könnte. Diese Situation könnte direkt eintreten. Darüber kann man nicht hinweggehen nach dem Motto, das kriegen wir schon irgendwie wieder hin. Es geht um eine Staatskrise, in die diejenigen, die diese Verbindlichkeiten eingegangen sind, die Stadt in gewisser Weise bewusst hineingeführt haben. Dementsprechend ist das eine sehr ernste Sache und ich habe in dieser Stadt in den letzten Jahrzehnten keine derart schwierige Situation erlebt.
Der zweite Punkt: Ich bin entsetzt darüber, dass auf die Fragestellung, die Herr Bischoff noch einmal zugespitzt hat, wie es passieren kann, dass hier in gewisser Weise gegen einen Parlamentsbeschluss verstoßen wurde und nicht zumindest eine Entschuldigung erfolgt, nicht eingegangen wird. Warum sagt man nicht, wir haben das ein bisschen lax gehandhabt, aber wir werden das jetzt ordentlich wieder aufarbeiten? Warum wird stattdessen immer weiter getäuscht und gesagt, das wollten wir eigentlich gar nicht? Wenn Sie schon gegen einen Parlamentsbeschluss verstoßen, dann sollten Sie das hier öffentlich erklären, sonst wird die Demokratie beschädigt und das gehört sich für Parlamentarier nicht.
Der dritte Punkt ist, dass mich ein ganz anderer Eindruck beschleicht, wenn ich Herrn Goldberg und Herrn Freytag höre. Sie scheinen die Einstellung zu haben, dass in der letzten Zeit irgendwie etwas schief gelaufen ist, dass wir zwar Pech hatten und uns leider in einer Staatskrise befinden, aber dass wir das schon irgendwie wieder hinbekommen. Das ist die gleiche Mentalität, mit der Herr Freytag uns jahrelang immer wieder gesagt hat, die HSH Nordbank ist gar nicht in der Krise, wir müssen uns nur richtig anstrengen, dann wird schon alles werden. Sie haben aus dieser Krise nach meiner Auffassung nichts gelernt. Sie haben nicht daraus gelernt, dass man sich aus diesem Instrument verabschieden sollte, dass der Staat in der Lage sein sollte, sich davon unabhängig zu machen und mit den Oberspekulanten nicht mitspielen sollte, die diese Riesensummen für sich in gewisser Weise brauchen. Er sollte ein staatliches Nein sagen und eine neue Organisation des Finanzmarktes einleiten. Mit dieser Erhöhung über 500 000 Euro hinaus spielen sie mit an der neuen Blase, die gegenwärtig entsteht.
Sie versuchen, weiterhin mit den bisherigen Instrumenten zu arbeiten. Das ist die gleiche Katastrophe wie damals. In einem Jahr stehen Sie wieder
Wir wollen politisch brechen mit diesen Spekulationsbedingungen, mit der Art und Weise, wie das Finanzkapital organisiert wird, denn diese Krise war schon teuer genug. Die nächste wollen wir nicht auch noch mitmachen. Darum geht es uns und die 500 000 Euro sind nur das äußere Zeichen dafür. Das ist meine Befürchtung und darüber müssen Sie noch einmal nachdenken. – Danke.
Meine Damen und Herren! Wenn keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, dann kommen wir zur Abstimmung. Der Abgeordnete Ralf Niedmers hat mir mitgeteilt, dass er an der Abstimmung nicht teilnehmen werde.
Die SPD Fraktion hat hierzu gemäß Paragraf 36, Absatz 1 unserer Geschäftsordnung die namentliche Abstimmung beantragt. Frau Thomas und Herr Hakverdi werden Sie daher gleich in alphabetischer Reihenfolge aufrufen.
Meine Damen und Herren! Aufgrund leidvoller Erfahrungen in der jüngsten Vergangenheit darf ich Sie alle bitten, Ihren Sitzplatz einzunehmen und die Geräuschkulisse soweit herunterzufahren, dass Ihr Votum in dieser Sache auch hier oben ganz vernehmlich festzustellen ist. Sonst müssen wir das wieder zwei- oder dreimal wiederholen, das wäre eine Blamage.
Wenn Sie der Empfehlung des Haushaltsausschusses zur Drucksache 19/3886 in der Neufassung folgen möchten, antworten Sie bitte deutlich mit Ja, wenn Sie sie ablehnen wollen, mit Nein und wenn Sie sich enthalten möchten, antworten Sie bitte mit Enthaltung.
(Der Namensaufruf wird vorgenommen) 1 Meine Damen und Herren! Ist ein Mitglied der Bürgerschaft nicht aufgerufen worden? – Das ist nicht der Fall. Dann erkläre ich die Abstimmung für beendet. Das Abstimmungsergebnis wird jetzt ermittelt und Ihnen in wenigen Minuten mitgeteilt. Bis dahin unterbreche ich die Sitzung. Unterbrechung: 17.58 Uhr Wiederbeginn: 18.05 Uhr (Norbert Hackbusch)