Das ist, da gebe ich Ihnen recht, Herr Grote, kein Programm, das man Punkt für Punkt abhaken kann, sondern ein Prozess, ein Prozess, der sich,
nebenbei bemerkt, sehr konkret darstellt und bei dem es auch darum geht, die Menschen an ihm zu beteiligen.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Frau Senatorin Hajduk und ich hatten heute ein Gespräch mit Leuten aus Wilhelmsburg, die sehr kritisch waren bei der Frage, ob Hafenquerspange oder Verlagerung der Wilhelmsburger Reichsstraße, was tatsächlich auch ein kritisches Thema ist. Dabei hat man sich Stück für Stück genau der Frage angenähert, welche Vorteile eigentlich die Menschen davon haben würden. Dass die Wirtschaft das will, ist klar. Die Wirtschaft will zweifellos immer mehr Verkehrswege, das ist relativ leicht nachvollziehbar. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage nach den konkreten Auswirkungen. Das heißt, welche Auswirkungen hat das für Wohngebiete, für Industrie? Will ich die Industrie dort, wo ich Stadtentwicklung machen will, in Wilhelmsburg behalten oder will ich Stück für Stück sehen, wie ich dort auch gemeinsam mit den Menschen Wohnen entwickeln kann, so wie es in einem Diskurs in Wilhelmsburg gemacht wurde, der noch nicht abgeschlossen ist, sondern weiter diskutiert wird.
Das erfordert das Ringen um die besten Lösungen, aber unter einer gemeinsamen Philosophie, und zwar folgender: Hamburg als Modell für eine europäische Stadt soll bewusst anders aussehen als viele andere Metropolen und nicht nur auf Boomtown setzen, sondern die Menschen versuchen zu überzeugen, auf Nachhaltigkeit und andere Faktoren wie Kultur und Kreativität zu setzen.
Genau das ist der Geist des von uns erarbeiteten Konzepts. Ich gebe zu, es ist kein Programm, das man Punkt für Punkt einfach abhaken könnte, aber ich glaube, es ist ein guter Ansatz dafür, wie sich Hamburg entwickeln kann, wie ein Prozess beschrieben wird und wo wir nicht nur als schwarzgrüne Koalition, sondern als gesamte Stadt hinkommen sollten. – Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie sehr ein gutes Leitbild die positive Umsetzung einer verantwortungsvollen zukunftsgerichteten Politik befördern kann, hat das Bisherige bewiesen. Nicht zuletzt hat es uns dabei geholfen, erfolgreiche Politik in den letzten sechs Jahren zu betreiben
Wer etwas von Marketing versteht, weiß, dass man an erfolgreichen Leitbildern, erfolgreichen Slogans festhalten soll, er weiß gleichzeitig aber auch, dass einen nichts daran hindern sollte, diese dem Wandel der Zeit anzupassen. Der Senat hat mit der vorgelegten Drucksache etwas geschaffen, das zweifelsohne würdig ist, an die Stelle des alten Leitbildes zu treten.
Wer die Drucksache bereits lesen konnte, muss dem Senat dafür hohen Respekt zollen. Mit den Themen, über die wir heute diskutieren, werden wir uns in Zukunft befassen. Sie werden in der Tat unser politisches Handeln in den nächsten zwei Jahren bestimmen und dabei werden wir die Metropole Hamburg im internationalen Wettbewerb der Metropolen weiterhin richtig positionieren und damit wiederum die Grundlage für ein langfristiges Wachstum schaffen, das sich am Wohle aller Menschen orientiert.
Diese Politik unserer Koalition orientiert sich zum einen, wie bereits gesagt wurde, am Erhalt und an der Stärkung der bisherigen Wirtschaftsbereiche, zum anderen aber auch an der Stärkung anderer Bereiche wie beispielsweise Kreativ- und Gesundheitswirtschaft, regenerative Energien, Bildung und Weiterbildung, Forschung und Lehre. Das Leitbild mit seinen formulierten Visionen, Zielen, Handlungsfeldern und Leitprojekten ist kein Selbstzweck. Es soll dazu dienen, eine Politik zu gestalten, die es den Menschen ermöglicht, ihre erworbenen Fähigkeiten zu ihrem eigenen und zum Wohle aller einzusetzen. "Wachsen mit Weitsicht" heißt, Wohlstand zu erhalten und Wohlstand zu mehren, gleichzeitig aber die Einsicht zu stärken, einen Teil des geschaffenen Wohlstandes zum Wohle anderer einzusetzen, zum Beispiel durch ehrenamtliches Engagement, durch Fortsetzung der Hamburger Tradition von Mäzenatentum, sehr geehrte Frau Heyenn. Es ist kein Geheimnis, dass gerade in Metropolen, in denen kreatives und visionäres Handeln, Bildung, Forschung und Lehre einen hohen Stellenwert einnehmen, diese Eigenschaften besonders stark ausgeprägt sind.
Die Steigerung der internationalen Attraktivität, die Förderung innovativer Wirtschaftsfelder, die Bereitstellung moderner Infrastruktur, nachhaltige Planung und die Förderung kreativer Potenziale sichern die Weiterentwicklung unserer Stadt als Wirtschaftsfaktor. Die Stärkung von Bildung, Wissenschaft und Forschung bietet zukunftsorientierten Unternehmen gut qualifizierte Mitarbeiter und einen interessanten Ansiedlungsstandort. Dass Facebook sich für Hamburg als Niederlassung in Deutschland entschieden hat, ist ebenso wenig ein Zufall wie die Ansiedlung des Fraunhofer-Zentrums.
Die heute von der Tourismus-Zentrale bekannt gegebenen Zahlen für 2009 mit fast 8,2 Millionen Übernachtungen und einem Plus von sechs Prozent, die Tatsache, dass wir mit Barcelona und Berlin im Konzert europäischer Metropolen heutzutage auf Augenhöhe sind – da hilft kein Kopfschütteln, da hilft kein Grummeln, Herr Grote –, all das sind überzeugende Ergebnisse unserer Politik, einer nach vorne gerichteten Politik.
Wir werden die dynamische Entwicklung Hamburgs, lieber Herr Buss, weiter stärken, wir werden Menschen, die keine Perspektive zu haben glauben, diese bieten. Offenheit, Kreativität und eine tolerante Politik schaffen eine Atmosphäre, in der zum Beispiel auch gerade Menschen mit Migrantenhintergrund die Chance haben und nutzen werden, um sich zu integrieren.
Jeder, Herr Buss, der die Drucksache ohne Vorbehalte liest, wird feststellen, dass wir in der Lage sind, die Fragen der Zukunft zu beantworten und uns nicht an Ideologien zu orientieren. Der Bürgermeister hat es eben gesagt. Wer mitbekommt, dass schon wieder nach Logistikflächen gesucht wird, dass die Zahlen von Hapag-Lloyd zum Beispiel deutlich besser sind als befürchtet, wird verstehen, wie gut unsere Politik ist, die wir weiter so betreiben werden. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr von Beust, Sie haben Ihren Beitrag eingeleitet mit den Worten: So falsch kann das alles nicht sein, wenn Kritik von allen Seiten kommt. Nun mag man das vielleicht noch leichthändig abtun, wenn die Kritik von der Linkspartei und von uns Sozialdemokraten hier im Hause formuliert wird. Aber wenn es ein einhelliges Medienecho auf die Halbzeitbilanz Ihres Senats gibt, das verheerend und vernichtend ist, wenn es eine Umfrage gibt, die einen historisch einmaligen Absturz für Hamburger Verhältnisse prognostiziert, und wenn Ihr Landesvorsitzender, Herr Freytag, der sicherlich ein Hauptgrund für diesen Absturz ist, sagt, all das sei nur ein Kommunikationsproblem, dann haben Sie ein größeres Problem, als Sie es bisher überhaupt wahrgenommen haben.
Die eben von Herrn Wankum benutzte Formulierung, dass das nämlich für Ihre Arbeit in den nächsten zwei Jahren bestimmend sein würde, war symptomatisch.
Das ist eine Aussage, die steht. Für zwei Jahre haben Sie vielleicht noch Zeit, mit Wachstum oder mit Weitsicht zu wachsen, aber mir scheint, der Lack ist ab.
Es wird auch überdeutlich, dass die Debatte nur dadurch an Fahrt gewonnen hat, dass der Bürgermeister selbst das Wort ergriffen hat; ansonsten war das nicht mehr als zweite Garnitur und Langeweile.
Dieses Thema hätte es verdient, in einer ordentlichen Regierungserklärung vorgestellt zu werden und nicht in einer Aktuellen Stunde, in der der Bürgermeister das Zwei- bis Dreifache einer Rednerzeit der Opposition für sich beanspruchen kann. Wir haben jetzt fünf Minuten, um darauf zu reagieren
und über eine Drucksache zu sprechen, die keinem Abgeordneten schriftlich vorliegt. All das sind Umgangsformen, die Sie früher normalerweise als unhanseatisch bezeichneten, Herr von Beust. Ich kann das Kompliment zurückgeben. Es ist ein untragbarer Zustand, so eine Debatte hier anzumelden, ohne dass allen Abgeordneten überhaupt die Grundlage dafür zur Verfügung steht. Das geht so nicht und wir werden die Debatte sicherlich noch in einem ordentlichen Rahmen fortsetzen. Ich erwarte dann auch von Ihnen eine Rede, die nicht nur gerade einmal an der Oberfläche kratzt und alle KeyWords fürs Internet beinhaltet, sondern eine sachliche, inhaltliche Rede.
Sie haben die absoluten Schlagworte benutzt, die dazu führen werden, dass Ihre Rede bei Google ganz weit oben ist, doch an Substanz haben Sie, wie leider meist, nichts geliefert. Diese Gelegenheit haben Sie verpasst.
Sie hatten das Leitbild Wachsende Stadt in Hamburg aufgelegt, aber dieses Leitbild hatte eine erhebliche Schieflage. Es hatte nämlich das Problem der Gerechtigkeitsfrage aufgeworfen. Mit Ihrem Leitbild haben Sie zu viel Gewicht auf Glamour gelegt, beispielsweise die Neugestaltung des Jung
fernstiegs, und dabei die Lebensqualität der Menschen in den Stadtteilen vergessen, in denen sie wirklich zu Hause sind. Die meisten Menschen sind nicht zu Hause auf dem Jungfernstieg, sondern leben in Stadtteilen wie Jenfeld, Lurup oder Harburg.
Wir Sozialdemokraten haben dem unser Leitbild der menschlichen Metropole entgegengesetzt. Das wurde von manch einem häufig als soziale Stadt missverstanden. Das ist sie ausdrücklich nicht. Auch wir wissen, dass sozialer Fortschritt nur dann finanzierbar ist, wenn auch ökonomischer Erfolg vorhanden ist. Deswegen bejahen wir Unternehmertum, Dynamik und Prosperität, aber es geht eben nicht in erster Linie darum, dass Profit erwirtschaftet wird, sondern dass die Lebensverhältnisse aller Menschen in Hamburg besser werden. Das haben Sie in den letzten Jahren weder in Ihrer Alleinregierung noch unter Schwarz-Grün wirklich erreichen können.
Deshalb klingt Ihr Begriff von der schwarz-grünen Kompromissformel "Wachsen mit Weitsicht" wenig dynamisch. Das klingt für mich sehr nach angezogener Handbremse, insbesondere in dem Augenblick, wo wir feststellen müssen, dass wir auf weite Sicht nicht mit Wachstum rechnen können. Das Problem der wachsenden Stadt oder auch Hamburgs – das haben Sie selbst angesprochen – ist nicht das ungezügelte Wachstum, wie es vielleicht in Städten wie Istanbul, Sao Paulo oder Kalkutta der Fall ist. Wir haben ganz andere Probleme, nämlich dass wir in den entscheidenden, für die Menschen wirklich wichtigen Bereichen kein Wachstum erreicht haben.
Sie haben in Ihrer Rede davon gesprochen, dass Hamburg auch ein Vorbild der Polis sein sollte – offensichtlich haben Sie im Schlagwort-Lexikon nachgelesen, um Ihre Rede etwas anzureichern –, und dass es um die soziale Gerechtigkeit in der Stadt ginge. Sie haben aber bis heute nichts zu dem Vorstoß Ihres Sozialsenators gesagt, der die Kopfpauschale flächendeckend einführen will. Ist das ein Beispiel dafür, dass sich Menschen in dieser Stadt, in dieser Republik heimisch fühlen? Aus meiner Sicht ist das der völlig falsche Ansatz. Er führt nämlich dazu, dass eine Stadt, eine Gesellschaft immer stärker gespalten wird und nicht zusammenwächst und nicht zusammen eine Einheit von Polis in Ihrem Sinne bildet.
Das Gleiche gilt für das ganz konkrete Beispiel der Wohnungsbaupolitik, über die Sie vorhin so nonchalant hinweggegangen sind. Wir hatten in den Neunzigerjahren über eine Viertelmillion Sozialwohnungen in Hamburg, heute haben wir weniger als 100 000. Wir haben den Problemfall Wissenschaftsstiftung. Erst einmal wird groß verkündet,
man wolle sie finanziell unabhängig machen, dann wird sie gestrichen. Herr Meyer-Wellmann hat in der Hamburger Ausgabe der "Welt" zu Recht gesagt, Hamburg sei eine Stadt ohne Kompass.