Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und meine Herren! CDU, GAL und Sozialdemokraten haben heute eine Vereinbarung über die künftige Hamburger Schulstruktur geschlossen. Wir sind uns einig, dass es sich lohnt, für eine nachhaltige Qualitätsverbesserung der Hamburger Schulen die Debatte über die Schulstruktur heute und hier zu beenden. Wir garantieren damit – zumindest hinsichtlich der Schulstruktur – einen zehnjährigen Schulfrieden.
Frieden hat unterschiedliche Facetten, man kann ihn unter anderem definieren als einen heilsamen Zustand der Stille oder Ruhe oder als die Abwesenheit von Störungen oder Beunruhigungen. Übertragen auf unsere Schulen heißt das, dass endlich wieder eine Konzentration auf das Wesentliche möglich sein und nicht ständig eine neue Reform-Sau durchs Dorf getrieben wird. Das bedeutet ganz praktisch: Wir konzentrieren uns jetzt auf die Verbesserung des Unterrichts, der Lernbedingungen und der Bildungsgerechtigkeit in unserer Stadt.
Gewinner dieses Friedens werden die Hamburger Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern sein. Sie bekommen endlich für eine Dekade eine Verlässlichkeit, die unsere Schulen dringend brauchen, um die Reformen effektiv wirken zu lassen.
Ich habe bereits im Sommer des letzten Jahres den Vorschlag gemacht, nach dem Vorbild des Bremer Schulfriedens in Hamburg einen fraktionsübergreifenden Konsens über die Schulpolitik herbeizuführen, aber daran hatten damals weder der Erste Bürgermeister noch die Schulsenatorin Interesse. Erst nach dem erfolgreichen Volksbegehren ist unser Gesprächsangebot angenommen worden – besser spät als nie. Allerdings glaube ich, dass der Volksentscheid vielleicht zu vermeiden gewesen wäre, wenn die schwarz-grüne Koalition früher auf unsere Gesprächsangebote eingegangen wäre, und es wäre uns sicher gelungen, die Unversöhnlichkeit in Teilen der Stadt gar nicht erst entstehen zu lassen.
Es ist ja so, dass es mittlerweile zu allem und jedem Thema dieser Stadt Umfragen gibt und diese Umfragen auch von jedermann gern zitiert werden, wenn sie in seine Argumentation passen. Ich will auch diese Erwartung heute erfüllen. Alle Umfragen, von wem auch immer sie erhoben werden,
zeigen deutlich, wie zerrissen die Hamburger Bevölkerung bei der Frage der Schulstrukturreform ist. Nach der letzten Erhebung des NDR sprechen sich 46 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger gegen die Einführung der Primarschule aus und 45 Prozent dafür. Das zeigt, dass wir alle gemeinsam ein hartes Stück Arbeit vor uns haben. Sollte es zu einem Volksentscheid kommen, ist sein Ausgang offen. Ich habe aber die Hoffnung, dass wir mit dem vereinbarten zehnjährigen Schulfrieden und – das sage ich in aller Bescheidenheit – mit den von uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erzielten erheblichen Qualitätsverbesserungen die Hamburgerinnen und Hamburger von dieser Schulreform überzeugen können. An dieser Stelle möchte ich auf einige unserer Erfolge besonders hinweisen.
Ein zentraler Punkt ist, dass das Elternwahlrecht in Hamburg bestehen bleibt. Das Volksbegehren war auch darum so erfolgreich, weil viele Eltern empört darüber waren, künftig keinen Einfluss mehr auf die Entscheidung zu haben, welche Schulform ihr Kind besuchen darf. Die Mitwirkung bei der schulischen Entwicklung ihres Kindes ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Eltern das Schulsystem akzeptieren und ihm vertrauen. Die von SchwarzGrün geplante Abschaffung des Elternwahlrechts war ein Fehler und hat die Zweifel der Hamburgerinnen und Hamburger an der Schulstrukturreform erheblich verstärkt.
Darauf haben wir hier und an anderer Stelle immer wieder hingewiesen, aber die schwarz-grüne Koalition hat ihren Fehler erst nach dem wuchtigen Erfolg des Volksbegehrens, den selbst der Bürgermeister als Paukenschlag bezeichnet hat, eingesehen. Jetzt ist die Abschaffung des Elternwahlrechts vom Tisch und das ist auch gut so.
Ein weiterer großer Erfolg bei den Verhandlungen ist die Abschaffung des Büchergeldes. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben uns immer gegen das Büchergeld gewehrt und sind deshalb umso glücklicher, dass es endlich wieder abgeschafft wird.
2005 hat die CDU mit ihrer absoluten Mehrheit die unentgeltliche Bereitstellung von Schulbüchern abgeschafft und damit eine lange sozialdemokratische und hamburgische Tradition beendet. Mit der Einführung des Büchergeldes hat der CDU-Senat einen zentralen Grundwert preisgegeben, der die Hamburger Schulpolitik zuvor über Jahrzehnte geprägt hat, nämlich die Unentgeltlichkeit schulischer Bildung. Die CDU hat damals den Grundsatz aufgegeben, allen Kindern und Jugendlichen unab
hängig von Einkommen oder Vermögen der Eltern die gleiche Chance auf eine gute schulische Bildung einzuräumen. Bildung ist keine Ware und deshalb – mir sei diese Bemerkung gestattet, nachdem der Bürgermeister unendliche Ausflüge in die Allgemeinheit unternommen hat – ist die Abschaffung von Gebühren, gleich welcher Art, an Schulen, aber auch an Universitäten ein zentrales Ziel sozialdemokratischer Bildungspolitik. Die von Ihnen gewählten Ansätze standen und stehen dem entgegen. Die Abschaffung des Büchergeldes ist deshalb ein erster großer sozialdemokratischer Erfolg auf diesem Weg.
Noch unter der CDU-Schulsenatorin Dinges-Dierig wurde vom Senat und auch hier in der Bürgerschaft die aus meiner Sicht absurde These vertreten, die Größe der Klasse habe keine Auswirkungen auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler. Hamburg hatte daraufhin die größten Grundschulklassen Deutschlands. Das ist natürlich auch eine Möglichkeit, das Leitbild "Metropole Hamburg – Wachsende Stadt" in den Schulen umzusetzen.
Wir Sozialdemokraten haben jetzt eine deutliche Reduzierung der Klassenfrequenzen durchgesetzt. Die Klassenobergrenze wird in den Primarschulen bei 23 Schülerinnen und Schülern liegen und in Schulen mit sozial benachteiligter Schülerschaft 19 Schülerinnen und Schüler. Was diese Verbesserung rein praktisch für die Kinder bedeutet, können Ihnen vermutlich am besten die Schülerinnen und Schüler der heutigen vierten Klassen berichten, denn die sind es, die das Erbe von Frau Dinges-Dierig und des CDU-Senats in Klassen mit bis zu 30 Kindern aussitzen müssen.
Neu an dieser Regelung ist auch der einklagbare Rechtsanspruch auf die im Gesetz festgelegte Klassengröße. Die Eltern können für ihre Kinder vor Gericht die Einhaltung der gesetzlich fixierten Obergrenze einklagen. So etwas gab es bisher weder in Hamburg noch anderswo in Deutschland. Das ist ein bildungspolitischer Quantensprung, den wir heute in Hamburg erreichen.
Meine sehr geehrten Damen und meine Herren! Ich will einräumen, dass wir Sozialdemokraten uns mit der Schulreform, insbesondere mit der Primarschule, schwergetan haben. Die Primarschule wurde, Herr Schira hat es noch einmal ausgeführt, von den schwarz-grünen Koalitionären aus dem Hut gezaubert. Weder der Enquete-Kommission Schulpolitik, die sich über zwei Jahre mit der künftigen Schulstruktur in Hamburg befasst hat, kam die Idee dieser Schulform, noch war sie Teil des Programms, mit dem Herr von Beust oder auch die GAL in den Bürgerschaftswahlkampf zogen.
Trotz alledem war die Primarschule am Ende der politische Kompromiss zwischen Schwarz und Grün, der Preis, den beide Koalitionspartner zahlen mussten, aber – und das sage ich deutlich – auch zahlen wollten. Es war ihre eigene Entscheidung. Allerdings wurde diese Rechnung ohne den Wirt gemacht, um es einmal flapsig zu formulieren. In diesem Fall waren es 184 000 Hamburgerinnen und Hamburger, die Ihnen dafür eine Quittung ausgestellt haben.
Auch wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verfolgen das Ziel des längeren gemeinsamen Lernens, nur wollten wir dieses Ziel auf einem anderen Wege erreichen. Wir wollten die Schule für alle dadurch erreichen, dass sich Haupt-, Realund Gesamtschulen – auf freiwilliger Basis auch Gymnasien – in jedem Schulbezirk zu Stadtteilschulen für alle zusammenschließen. Dieser Weg ist oft als kompliziert diffamiert worden, aber in der Bildungspolitik sind einfache Antworten auf die schwierigen Fragen eben selten zu finden; das lernen Sie auch gerade in schwarz-grüner Einheit. Deshalb ist Schadenfreunde bei diesem Thema völlig unangebracht. Das gilt für beide Seiten.
Wir standen der Primarschule zunächst mit Skepsis und voller Zweifel gegenüber. Diese Zweifel waren zum Teil auch berechtigt. Wenn rund 130 Grundschulen zu 64 Primarschulen zusammengeführt werden sollen, dann stellt sich natürlich schon die Frage, wie das funktionieren soll, wenn einige der zusammenzulegenden Schulen drei Kilometer oder weiter auseinander liegen. Wir haben jetzt ausgehandelt, dass die Primarschulen in der Regel vertikal über die Standorte verteilt werden. Jede Klasse wird dann von der ersten bis zur sechsten Klasse an einem Standort bleiben. Diese Lösung hat unsere Bedenken in diesem Punkt erheblich entschärft.
Die sogenannte Fortbildungsinitiative für Lehrerinnen und Lehrer wurde von uns ebenfalls kritisiert. Die Einführung einer neuen Lernkultur mit dem Schwerpunkt des individualisierten Unterrichts stellt eine sehr hohe Anforderung an die Lehrkräfte. Die Bereitstellung von nur rund 1 Million Euro jährlich für die entsprechende Fortbildung schien uns zu dürftig. Wir haben festgeschrieben, dass jede Lehrkraft in den drei Jahren vor dem Start der fünften Primarschulklasse mindestens 20 Stunden Fortbildung absolviert haben muss. Damit ist uns ein großer Stein vom Herzen gefallen, denn natürlich wollen wir die Lehrerinnen und Lehrer mit der Einführung der Primarschule nicht überfordern.
Große Sorgen bei dieser Schulreform hat uns die Stadtteilschule bereitet, die das zentrale Projekt unserer sozialdemokratischen Bildungspolitik ist. Dadurch, dass es bei den Reformplänen keine Langform mehr geben soll, also die Klassen 5 und 6 an die Primarschulen fallen und nicht jede Stadtteilschule eine eigene Oberstufe haben sollte,
war die Gefahr groß, dass die Stadtteilschule eine weniger attraktive Alternative zu den Gymnasien geworden wäre. Das durfte nicht geschehen. Es muss weiterhin erhebliche Anstrengungen geben, die Stadtteilschulen auch für bildungsorientierte Eltern sehr attraktiv zu gestalten. Unser ausgehandeltes Ergebnis, dass jede Stadtteilschule eine eigene Oberstufe, zumindest aber eine elfte Klasse anbieten muss, sichert die Konkurrenzfähigkeit und Attraktivität dieser Schulform.
Das Ziel muss es sein, dass diese Stadtteilschulen so gut sind, dass sie für Eltern attraktiv sind und auch Schülerinnen und Schüler mit Gymnasialempfehlung diese Schulen für sich auswählen, anstatt auf das Gymnasium zu gehen.
Meine sehr geehrten Damen und meine Herren! Wir haben immer gesagt, dass wir die Chancen, die die Primarschule aufgrund der Möglichkeit des längeren gemeinsamen Lernens bietet, sehr wohl anerkennen. Ihre Einführung beinhaltet aber auch zahlreiche organisatorische und inhaltliche Risiken. Wir haben dies gegeneinander abgewogen und sind bisher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Chancen zu gering und die Risiken zu hoch sind. Daher haben wir bei der letzten Abstimmung über die Änderung des Schulgesetzes auch gegen die Primarschule gestimmt.
Nachdem wir uns jetzt aber mit den schwarz-grünen Koalitionsparteien zusammengesetzt und eine Reihe von durch uns geprägte und geforderte Verbesserungen ausgehandelt haben und nachdem selbst Frau Knipper – jetzt ist sie nicht mehr da, vorhin saß sie noch dort oben – auf dem CDU-Parteitag sagte, das Beste an der Schulreform seien die Punkte, die von den Sozialdemokraten hineinverhandelt wurden, sind wir von der Schulreform überzeugt und werden dem Schulgesetzentwurf geschlossen zustimmen.
Wir werden für die neue Schulstruktur werben, uns mit sachlichen Argumenten an der Debatte beteiligen und versuchen, die Hamburger Bürgerinnen und Bürger mit Aufklärungsarbeit zu überzeugen.
Wir müssen aber bei all der Harmonie heute aufpassen, dass diese Friedfertigkeit nicht zu einer Friedhöfigkeit führt, das heißt zu einer Vermeidung oder Verleugnung von Konflikten. Ich kann Ihnen garantieren – aber das erwarten Sie ohnehin von mir nicht –, dass es dazu nicht kommen wird. Im Gegenteil, wir werden in dem einzusetzenden Sonderausschuss mit Argusaugen überwachen, ob, wann und wie die vereinbarten Qualitätskriterien erreicht und eingehalten werden. Sollte dies bei einem Punkt nicht der Fall sein, werden wir das benennen und Korrekturen einfordern und uns, wenn notwendig, auch mit Ihnen und dem Senat darüber
Wer jetzt glaubt, wie es die Fraktionsvorsitzenden vielleicht hoffen mögen, die Bildungspolitik werde nun aufgrund des Schulfriedens langweilig oder zumindest ein wenig ruhiger, der irrt. Es gibt genug Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, ich nenne hier nur den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schülern, den doppelten Abiturjahrgang, den Ausbau der Ganztagsschulen, das Gastschulabkommen mit Schleswig-Holstein, die Hortbetreuung an Primarschulen und die erheblichen Schattenhaushalte beim Schulbau. Sie sehen, es gibt genug Themen, über die wir auch in Zukunft streiten können und die einen Streit wert sind, denn am Ende stehen wir alle gemeinsam in der Verantwortung. Das war ein starker Impuls für uns zu sagen, dass wir nicht um des Streites willen streiten wollen, sondern um der besten Lösungen willen. Deshalb haben wir am Ende in der Fraktion einmütig die Entscheidung getroffen, dem Gesetzesvorschlag des Senats zu folgen und damit auch der Primarschule unsere Zustimmung zu geben. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! CDU, GAL und SPD haben heute eine Vereinbarung über die zukünftige Schulstruktur geschlossen. Wir haben uns verpflichtet, die Struktur aus Primarschule, Stadtteilschule und Gymnasium über einen Zeitraum von zehn Jahren zu garantieren. Diese parteiübergreifende Einigung – auch die LINKE wird den entsprechenden Änderungen im Schulgesetz zustimmen – gibt den Schulen, Eltern und Kindern in dieser Stadt eine hohe Planungssicherheit.
Darüber hinaus signalisieren wir mit dieser Vereinbarung Verlässlichkeit. Das ist wichtig, gerade auch im Hinblick auf die Abstimmung, die im Sommer dieses Jahres vielleicht ansteht. Die Hamburgerinnen und Hamburger können, wenn es denn zu einem Volksentscheid kommt, ihre Stimmen für ein besseres, gerechteres und leistungsstärkeres Schulsystem mit mehr Lehrern, kleineren Klassen, gemeinsamen Lernen und individueller Förderung abgeben. Ihnen liegt ein Angebot vor, das sehr attraktiv ist und eine hervorragende Perspektive für die Zukunft unserer Kinder bietet. Eltern und Bildungsexperten anderer Bundesländer sehen mit Staunen und teilweise auch mit Neid darauf, dass
Wenn man sich vergegenwärtigt, wie heftig die Debatte über die Schulpolitik in den letzten Jahrzehnten geführt worden ist und wie unversöhnlich sich die aufeinandertreffenden Positionen gegenüberstanden, dann erscheint es fast als ein kleines Wunder, dass es uns gelungen ist, in diesem Hause eine Einigkeit über die Schulstruktur herbeizuführen. Das sucht in Deutschland seinesgleichen; das ist bisher in keinem anderen Bundesland gelungen. Darum ist dieser Tag ein besonderer Tag. Gemeinsam haben wir hier im Parlament ein Angebot für die Bevölkerung zusammengestellt. Auch das ist eine gute und wichtige Botschaft dieser Debatte.
Diese Einigkeit ist nicht von ungefähr gekommen. Wir hatten zwei sich unversöhnlich gegenüberstehende Lager: Die Befürworter der bestehenden Schulstruktur, insbesondere der Gymnasien, und diejenigen, die gesagt haben, dass wir längeres gemeinsames Lernen brauchen, um ein gerechteres, allen Kindern optimale Chancen bietendes Schulsystem schaffen zu können. Die Einigung heute haben wir nur erlangt, weil beide Seiten bereit waren, von Maximalforderungen abzuweichen. Wir wollen gemeinsam vorankommen und unser Schulsystem verändern, von dem wir alle wissen, dass es sich im europäischen Vergleich als nicht leistungsstark erwiesen hat und dass es unseren Kindern keine optimalen Zukunftschancen gewährleistet.