Protokoll der Sitzung vom 31.03.2010

Es gibt weniger Radfahrunfälle. Das ist eigentlich sehr positiv und dennoch ist die Zahl viel zu hoch. Ein Viertel aller Radfahrer, die verunglückten, sind zu viele und wir müssen daran arbeiten. Wir müssen auch daran arbeiten, wie der Radfahrverkehr sich in Hamburg gestaltet. Wenn der Radfahrer aus dem Sichtfeld der Autofahrer gerät, wenn parkende Autos ihn verdecken, wenn er über verquer geführte Radwege fährt, dann ist das schwierig. Von daher prüft die Behörde jetzt 150 Straßen auf die Umsetzung von Radspuren, auf denen die Radfahrer zu sehen sind, wo sie nicht verschwenkt fahren müssen und wo die Transparenz gewährleistet ist; dann werden auch die Unfallzahlen erheblich abnehmen. Das wollen wir dann auch umsetzen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Die Straßenverkehrs-Ordnung, Artikel 1, sagt:

"Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht."

Artikel 2 sagt:

"Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird."

Wir alle müssen dafür sorgen, dass diese sehr guten Ziele und Grundsätze oder dieses Recht umgesetzt werden. Das gilt für Radfahrer, die teilweise rücksichtslos oder unbeleuchtet fahren, es gilt für Fußgänger, die einfach über den Radweg laufen, ohne sich umzusehen und dadurch einen Sturz des Radfahrers provozieren, aber es gilt vor allem auch für die Autofahrer.

Es wurde vorhin schon einmal angesprochen: Sicht und Rücksicht müssen wir wirklich umsetzen, das heißt mehr Überwachung, mehr Transparenz, mehr Rücksicht, aber eben auch neue Konzepte.

Das wollen wir umsetzen, zum Beispiel durch Shared Space, wo diese Grundsätze – Rücksicht und Sicht untereinander – durch eine neu gedachte Verkehrsentwicklung wirklich berücksichtigt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Bischoff.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich fand den Beitrag von Frau Gregersen einigermaßen nüchtern und sachlich.

(Ingo Egloff SPD: Stimmt!)

Sie hat insofern, Herr Hesse, dann doch Ihre Polterei ein bisschen gerade gerückt. Ich kann verstehen, dass die Koalition wirklich große Sehnsucht nach positiven Nachrichten hat. Aber ich finde es doch ziemlich weit hergeholt, ausgerechnet diese Verkehrsstatistik so zu strapazieren und das Hohelied auf die Konzepte der CDU und der GAL zu singen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Herr Hesse, wir brauchen nicht darüber zu streiten, dass die Grundentwicklung gut ist. Wir hätten auch damit rechnen können, dass die Unfallzahlen sogar weiter ansteigen, denn wir hatten von 2000 bis 2007 ein deutlich niedrigeres Niveau. Erst in den letzten drei Jahren ist die Zahl signifikant über 60 000 gestiegen und es ist, abhängig von der Sichtweise, etwas anderes, wenn Sie sagen, im letzten Jahr sei dieser Anstieg nicht weiter nach oben gegangen. Wir sind aber weit von dem deutlich tieferen Niveau im Jahr 2000 entfernt. Dies möchte ich nur nüchtern feststellen.

Zweiter Punkt: Sie haben dreimal in Ihrer Rede die tollen Konzepte der CDU und der GAL erwähnt. Ich halte mich jetzt an die Polizei, die mit Blick auf diese Statistik gesagt hat, man könne noch keine verlässliche Analyse machen, aber diese Entwicklung sei im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass dank der Abwrackprämie eine verbesserte Technologie auf den Straßen sei. Das sagt nicht die Opposition, sondern die Polizei.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das eine schließt das andere doch nicht aus!)

Was machen Sie daraus? Ihre Sucht nach guten Nachrichten kann ich verstehen, aber Sie machen daraus das tolle Konzept dieses Senats; da ist doch eine große Diskrepanz.

Frau Gregersen und Herr Hesse, legen Sie Ihr Konzept doch einmal vor. Sie müssen doch nicht gleich mit der Attacke kommen, was die Opposition denn täte. Nennen Sie uns doch einmal Ihre konkreten Vorschläge, sagen Sie uns, wie man die Verwicklungen von Kindern oder älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Unfälle senken kann. Zeigen Sie doch endlich einmal, dass Sie etwas für die Radfahrer tun. Im Vergleich zu dem geringen Anteil, den Radfahrer am Straßenverkehr haben, ist deren Verwicklung in Unfälle sehr hoch. Hier kann man nicht einfach sagen, es hätte sich irgendetwas verbessert.

(Martina Gregersen)

Unsere Fraktion glaubt nach wie vor, dass das, was Sie zu Beginn der Legislaturperiode angekündigt haben für den Bereich Fahrradverkehr, noch offen ist. Insofern wären wir sehr daran interessiert, dass Sie Ihre Ankündigungen einmal im Stadtentwicklungsausschuss oder meinetwegen auch im Innenausschuss präsentieren. Dann können wir das gerne diskutieren und auch Verbesserungsvorschläge machen. Das wäre die richtige Reihenfolge. Stattdessen nehmen Sie ein paar Trendeinbrüche und geben sie als großen Beleg dafür aus, dass Sie eine gute Politik machen. Das gibt das Ganze nicht her. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort bekommt Senator Ahlhaus.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahl der Verunglückten auf Hamburgs Straßen hat einen historischen Tiefstand erreicht und das ist für uns alle ein Grund zur Freude.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan GAL)

Ich sage aber auch, dass sich das Thema aus meiner Sicht in der Tat nur begrenzt für einen politischen Diskurs eignet. Vielleicht ist das gerade dann glaubwürdig, wenn die Zahlen zurückgehen und eine positive Entwicklung zu verzeichnen ist.

Die Unfallzahlen und die Erhebung von Straßenverkehrsunfällen sind nur bedingt durch das Verhalten von Verwaltung und Polizei zu beeinflussen. Polizei und Verwaltung tun viel, sie müssen auch viel tun. Richtig ist aber auch, dass es immer wieder trotz entsprechender repressiver Verkehrsüberwachungsmaßnahmen durch die Polizei und trotz unterschiedlicher intensiver Präventionsarbeit durch Polizei, Innenbehörde und auch Schulen zu schweren Verkehrsunfällen kommt.

Gestern um 16.02 Uhr, meine Damen und Herren, ereignete sich in Rothenburgsort an der Billstraße ein schwerer, tragischer Verkehrsunfall. Ein Lkw übersah beim Abbiegen einen Radfahrer, überrollte diesen und der Radfahrer, 55 Jahre alt, wurde tödlich verletzt; ein tragischer Unfall, wie er leider immer wieder in deutschen Großstädten passiert. Und ein solch tragischer Unfall muss natürlich für uns die Frage aufwerfen, wie wir solche Unfälle verhindern können. Aber ich glaube, dieser tragische Unfall macht auch deutlich, dass wir bei aller Überwachungsarbeit, die zu leisten ist, und bei aller Präventionsarbeit, die auch geleistet wird, Grenzen der Beeinflussung haben auf das Geschehen auf unseren Straßen. Dennoch, und das gehört bei dieser Debatte auch dazu, dies deutlich zu sagen, ist die Zahl des Rückgangs der Verunglückten auch Ergebnis einer sehr guten und en

gagierten Verkehrssicherheitsarbeit und natürlich auch der engagierten, guten Überwachungsarbeit der Polizei. Deshalb haben wir heute den niedrigsten Stand der Verunglücktenzahlen seit der Einführung der polizeilichen Unfallstatistik im Jahre 1953 und das trotz des erheblich gestiegenen Verkehrsaufkommens.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Insgesamt haben aber über 10 000 Menschen bei Verkehrsunfällen Verletzungen erlitten. 33 von ihnen wurden so schwer verletzt, dass sie an den Unfallfolgen verstorben sind. Im Jahr 2008 hatten wir noch 40 Verkehrstote zu beklagen. Die Hälfte von ihnen waren Zweiradfahrer, also Motorradoder Radfahrer. Auf Hamburgs Straßen haben sich im vergangenen Jahr über 60 000 Verkehrsunfälle ereignet. Das ist zwar ein Rückgang um knapp 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, aber natürlich immer noch viel zu viel. Rein rechnerisch bedeutet die Zahl, dass sich im Durchschnitt pro Tag und Stadtteil 1,5 Verkehrsunfälle ereignen, in jedem Stadtteil pro Tag.

Deshalb ist es wichtig, dass wir auch künftig eine gesunde Mischung aus Verkehrsprävention und Sanktionen, und zwar mit Fingerspitzengefühl und Augenmaß, praktizieren. Und Fingerspitzengefühl und Augenmaß ist das, was uns wichtig war in den vergangenen Monaten und das sehen Sie daran, dass Begriffe wie Abzocke im Zusammenhang mit den notwendigen Überwachungsmaßnahmen immer weniger eine Rolle in der Berichterstattung spielen. In dieser Stadt gibt es keine Abzocke durch Verkehrsüberwachungsmaßnahmen, sondern Verkehrsüberwachung wird an Unfallbrennpunkten gemacht, wo es nötig ist, Verkehrsteilnehmer anzuhalten, sich ordnungsgemäß zu verhalten und damit einen Beitrag für mehr Verkehrssicherheit zu leisten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Wir dosieren die Maßnahmen so, dass ein Verkehrssicherheitsaspekt eintritt und der Autofahrer zugleich auch Verständnis für die Maßnahmen hat. Auch gehen wir mit den Maßnahmen sehr transparent um. Die großen Aktionen werden in der Öffentlichkeit angekündigt und letztlich hat es jeder Autofahrer selbst in der Hand, ob er sich verkehrsgerecht verhält oder nicht.

Ein weiteres wichtiges Standbein unserer Verkehrssicherheitsarbeit ist die Zusammenarbeit mit den Fachleuten unterschiedlichster Organisationen in Hamburg. Es geht nicht nur um Überwachung, sondern es geht auch um Aufklärung. Diese Fachkompetenz der unterschiedlichsten, auch privaten, Organisationen haben wir als Forum Verkehrssicherheit gebündelt. Unterschiedlichste Präventionsaktionen finden zwischenzeitlich unter dieser

(Dr. Joachim Bischoff)

einheitlichen Marke in Hamburg statt und über 25 Organisationen gehören diesem Forum inzwischen an – ein Erfolgsmodell, denn immer mehr Organisationen wollen sich diesem Forum unter der Federführung der Innenbehörde anschließen.

Jeder von Ihnen wird die Verkehrssicherheitsaktion "Rücksicht auf Kinder", die jedes Jahr im Frühjahr stattfindet, kennen. Über einen Zeitraum von bis zu vier Wochen führen Innenbehörde und Polizei mit ihren Partnern präventive und repressive Maßnahmen durch. Derartige Aktionen haben sich in unserer Stadt etabliert. Bei allem Streit um die richtige verkehrspolitische Zielsetzung bleibt die Prävention eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und ich bin froh, dass diese Aktionen über alle politischen Grenzen hinweg und trotz der sehr unterschiedlichen Interessenlagen der Verkehrsteilnehmer eine große Akzeptanz finden. Ich glaube, diese Entwicklung zeigt, dass wir mit dieser Arbeit auf dem richtigen Weg sind.

Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir werden uns auf diesem Erfolg nicht ausruhen, denn es gibt durchaus weitere Möglichkeiten, diese Zahlen weiter zu drücken.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und was ist mit den Blutproben?)

Hauptziel unserer polizeilichen Verkehrssicherheitsarbeit ist die Verhinderung der Personenschadensunfälle, insbesondere derjenigen mit Kinderbeteiligung.

Lieber Herr Abgeordneter Dressel, natürlich gehört auch die konsequente Ahndung von Alkohol- und Drogenmissbrauch im Straßenverkehr dazu. Dieser Senat braucht bestimmt keine Nachhilfe von Ihnen, wenn es darum geht, in solchen Fällen sehr lückenlos zu reagieren.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wie Sie wissen, ist dieses Thema geregelt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ne!)

Vielleicht ist es Ihnen auch entgangen.

Ich habe in der letzten Woche vor unserer Pressekonferenz zur Verkehrssicherheitsarbeit bewusst noch einmal bei der Polizei nachgefragt: Sie kann mit der neuen Verfahrensweise derzeit sehr gut leben. Wir werden diese beobachten müssen und natürlich müssen sich die Zahlen auch wieder so entwickeln, dass sie sich dem Ausgangsniveau angleichen. Wenn sie das nicht tun, werden wir auch zu entsprechenden weiteren Maßnahmen kommen müssen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Also wollen Sie den Richtervorbehalt jetzt streichen oder nicht?)

Sie können sicher sein, Herr Dr. Dressel, dass die Verkehrsüberwachung auch im Zusammenhang

mit Alkohol- und Drogenmissbrauch bei diesem Senat und bei dieser Polizei in guten Händen ist.