Protokoll der Sitzung vom 31.03.2010

Für sie würden wahrscheinlich die Beiträge im Durchschnitt um 36 Euro pro Monat steigen. Das ist nicht angenehm, aber ich denke, den Eltern ist

eine solche gestaffelte Erhöhung lieber, als wenn ihre Kinder plötzlich in größeren Gruppen oder nur für kürzere Zeit betreut würden,

(Michael Neumann SPD: Deswegen senken die in Berlin die Steuern!)

denn die bisherigen Standards der Betreuung bleiben unverändert.

(Thomas Böwer SPD: Falsch!)

Unverändert bleibt die Ermäßigung für Geschwisterkinder, unverändert bleibt der Rechtsanspruch ab null, wenn die Eltern berufstätig oder in der Ausbildung sind.

(Thomas Böwer SPD: Auch falsch!)

Unverändert bleibt der Anspruch für Kinder mit besonderem sozialem oder pädagogischem Betreuungsbedarf. Unverändert kostenlos bleiben auch die Eingliederungshilfen für Kinder mit Behinderungen. Das sind pro Monat immerhin zwischen 1000 und 5000 Euro, je nach Zeit der Betreuung und nach Grad der Behinderung.

(Carola Veit SPD: Haben Sie darüber nach- gedacht, das zu ändern?)

Unverändert bleibt, dass die Kosten für Kitas und Tagespflege insgesamt nur zu 20 Prozent von den Eltern, zu 80 Prozent aber aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Aufseiten der Opposition hier zu behaupten, der Senat vergreife sich an den Eltern, ist einfach – falsch. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat Frau Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Immer, wenn Herr Böwer geredet hat, reizt das zu einer Erwiderung, aber wir sind in der Debatte und da ist es auch gut so.

Herr Böwer hat gesagt, das sei doch unmöglich, es gab damals einen Kompromiss. Ich glaube, das war noch vor meiner Bürgerschaftszeit. Ungefähr 2003 gab es diesen Volksentscheid der Eltern, die für die Kinderbetreuung gestritten haben, und das wäre nun ein Bruch und man solle Politikern doch gar nichts mehr glauben, weil sie eh wortbrüchig würden in dem Zusammenhang.

(Thomas Böwer SPD: Ja, richtig!)

Das empfinde ich einfach als Unsinn, weil Politik beweglich bleiben muss.

(Michael Neumann SPD: Wortbruch statt Beweglichkeit! – Ingo Egloff SPD: Was inter- (Dr. Friederike Föcking)

essiert mich mein Geschwätz von gestern, das hat schon Adenauer gesagt!)

Das ist jetzt sieben Jahre her und in diesen sieben Jahren wird sich einiges ereignet haben, das wird auch Herr Böwer feststellen. Ich erinnere nicht mehr ganz genau das Jahr des Volksentscheids, das war vor meiner Zeit. Politik muss beweglich bleiben und sich den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Das mussten wir tun und das ist in allen Redebeiträgen deutlich geworden. Wir mussten auf die weggebrochenen Steuereinnahmen und die explodierenden Kosten reagieren.

Verwundert war ich über die Äußerungen zur Kindertagespflege. War es nicht die SPD-Fraktion – Frau Veit, wir haben auch zusammengesessen –, die darum gestritten hat, dass die Kindertagespflege endlich ein anerkanntes Berufsbild erhält? All das wird jetzt unter anderem in dieser Drucksache auch befördert. Wir wollen die Qualität in der Kindertagespflege steigern und wir wollen sie endlich zu einem Berufsbild ausbauen. Das sind die positiven Maßnahmen dieser Drucksache, die Sie nicht erwähnen. Ich finde es etwas unverständlich, dass Sie sich jetzt hier hinstellen, Herr Böwer, und plötzlich das große Meckern über die Kindertagespflege kriegen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Frau Föcking hat gerade noch einmal ausgeführt, in welcher Höhe die Verpflegungsanteile ansteigen. Es ist bedauerlich, dass wir überhaupt die Gebühren erhöhen müssen, aber wir machen es moderat und auch ich halte 4 Euro mehr für Hartz-IV-Empfänger vertretbar bei der Preissteigerung von 13 auf 17 Euro. Auch in der Schule wird es dann übrigens eine Ermäßigung für diese Mindestbeitragszahler geben.

Jetzt noch einmal zu einem Punkt, was die Betreuung von behinderten Kindern angeht. Wir als GAL-Fraktion werden uns diese Drucksache noch einmal genau anschauen.

(Thomas Böwer SPD: Wieso die Drucksa- che anschauen? Die liegt doch im Senat!)

Wir werden uns die Maßnahmen, die jetzt mit Zahlen belegt sind, noch einmal anschauen und in der Koalition diskutieren und das werden wir sicherlich auch bei diesem Punkt machen. Aber ich möchte auch noch einmal zu bedenken geben, dass gerade die behinderten Kinder in der Kita eine umfangreiche Eingliederungshilfe erhalten. Ich möchte die Zahlen noch einmal nennen. Es sind 1100 Euro bei fünf Stunden und das wächst an bis auf 5200 Euro bei zwölf Stunden. Die Eingliederungshilfe sind Leistungen, die für die Eltern und die behinderten Kinder kostenfrei sind.

(Thomas Böwer SPD: Ja und?)

Es gibt jetzt eine Erhöhung bei den Elternbeiträgen, die Eingliederungshilfe ist völlig ausgenommen.

(Thomas Böwer SPD: Das ist Wegelagerei!)

Damit auf die Eltern mit behinderten Kindern Rücksicht genommen wird, die durch die Behinderung sehr viele Mehrausgaben haben, werden die steuerlichen Vorteile, die die Eltern im Zusammenhang mit der Betreuung ihrer Kinder haben, nicht zum Nettoeinkommen dazugerechnet. Das ist auch ganz wichtig, weil die Rechnungen sonst nämlich immer sehr platt und verkürzt sind, von wegen hier ist ein solches Nettoeinkommen und da nehmen wir jetzt soundsoviel Elternbeitrag. Vielleicht noch einmal als Beispiel: Eltern mit einem niedrigen Einkommen haben bislang 31 Euro für die Betreuung ihrer Kinder mit Behinderung bezahlt. Das steigt jetzt auf 38 Euro an, das sind 7 Euro mehr, dazu kommt nun das Mittagessen. Diese Erhöhung ist unter Berücksichtigung der Eingliederungshilfe vertretbar.

(Thomas Böwer SPD: Ach!)

Möglicherweise schaut man sich die Staffelung noch einmal an, dazu befindet sich die Drucksache auch in der Abstimmung, damit alle noch einmal Gelegenheit haben, darauf einzugehen.

Ansonsten, Herr Böwer, zeigt mir Ihr Verhalten wieder nur, dass in diesem Zusammenhang einfach die nötige Sachlichkeit fehlt. Wir wollen in einen Dialog mit Ihnen treten und wir wollen auch mit den Eltern in den Dialog treten, um sie mitzunehmen bei diesen Maßnahmen, die nicht schön, aber notwendig sind.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort hat jetzt Frau Artus.

Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Die Sachzwangdiskussion der Regierungskoalition überzeugt mich nicht. Und dass die Standards so bleiben sollen, wie sie sind, empfinde ich schon fast als Androhung, denn so sind sie auch nicht in Ordnung und so haben wir sie in der Vergangenheit schon oft kritisiert.

Ich möchte das Senatsverhalten noch einmal aus einem anderen Blickwinkel beleuchten, denn die Frage ist, warum der Senat ein solches Risiko eingeht, sich derart unbeliebt zu machen. Warum greift er ausgerechnet die Schwächsten der Gesellschaft derart in ihren Grundrechten an, in dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf körperliche und seelische Unversehrtheit und im Recht, Chancen ergreifen und nutzen zu können? Diese Grundrechte werden nämlich angegriffen und eingeschränkt, wenn Kita-Plätze teurer

(Christiane Blömeke)

werden, das Mittagessen mehr Geld kostet und der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz heruntergefahren wird. Warum widerspricht der Senat mit dieser Kürzungskatastrophe seinem eigenen Leitbild "Wachsen mit Weitsicht"? Warum setzt er sich dem Trommelfeuer der Presse, der Opposition und der Bevölkerung aus?

In diesem Zusammenhang muss man die Frage beantworten, warum die CDU seit 2001 und Schwarz-Grün seit 2008 Kita-Plätze ausgebaut und den Rechtsanspruch erweitert haben. Ich sage Ihnen auf den Kopf zu, Ihr Hauptmotiv, für die kleinsten Bürger und Bürgerinnen öffentliche und professionelle Betreuungsangebote zu schaffen, war und ist dem Umstand geschuldet, dass die Unternehmer einen anderen Arbeitsmarkt forderten, auf dem sie sich flexibel an qualifizierten Fachkräften bedienen können. Hierzu gehören eben auch Frauen im gebärfähigen Alter. Die Berufstätigkeit der Frauen, ihre hervorragenden Bildungsabschlüsse und der Bedarf der Unternehmen an einer flexiblen Auswahl von qualifizierten Arbeitskräften haben den Kita-Ausbau gefördert und nicht etwa ein kinderzentrierter, frauenfreundlicher oder familienpolitisch verantwortungsvoller Politikansatz.

Daher ist es fast konsequent und gleichzeitig eben auch entlarvend, wie der Senat jetzt reagiert. Wenn die Gewinne der Unternehmen heruntergehen, dann muss auch der Arbeitsmarkt neu definiert werden. Eines der wirkungsvollsten Steuerungsinstrumente ist die Verteuerung der öffentlichen und professionellen Kinderbetreuung. Dies führt unweigerlich dazu, dass die traditionellen Strukturen wiederaufleben, die Männer auf Arbeitsplätze drängen, die bislang von Frauen besetzt waren, und die Frauen zwangsweise zu Hause bleiben werden. Sie werden in den nächsten Jahren erleben, wozu das führen wird. Die Frauenerwerbsquote wird weiter zurückgehen beziehungsweise ihr Anteil im prekären Beschäftigungsbereich wird weiter zunehmen. Es werden sich auch wieder mehr Frauen entscheiden, keine Kinder zu bekommen, vermutlich wird sogar die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche erstmals wieder zunehmen.

Im Übrigen widerspricht die Erhöhung der Kita-Gebühren für behinderte Kinder eklatant der UN-Behindertenrechtskonvention, für deren Umsetzung Sie sich ansonsten sehr einsetzen. Sie können davon ausgehen, dass Sie eine Menge Wählerinnen und Wähler verlieren werden, wenn Sie derart einseitig auf die Entlassung und Restrukturierung in den Betrieben reagieren, statt die auf die Erwerbsarbeit angewiesenen Menschen in der Krise zu unterstützen.

Die Fraktion DIE LINKE wird nicht müde werden, diese Zusammenhänge immer wieder lautstark aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass Sie es

nicht sind, die die Interessen der Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger vertreten. Sie haben sich mit dieser Maßnahme die Maske der sozial denkenden und handelnden Regierung vom Gesicht gerissen und ich rate Ihnen, Ihre Drucksache zurückzuziehen und in den Altpapiercontainer zu stecken.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Frau Veit.

Vielen Dank, Herr Präsident! In der Tat, Frau Blömeke, wir reiben uns verwundert die Augen über Ihre neue Beweglichkeit, die Sie auch bei diesem Thema wieder an den Tag legen. Ihnen war doch die Verbindlichkeit von Volksentscheiden immer so wichtig und jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen, das sei schon fünf Jahre her und Sie hätten zwar keine Begründung, aber das passe jetzt ganz gut ins Sparkonzept. Das kann es doch wohl nicht sein.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie sagen, wir würden Panikmache betreiben,

(Zurufe von der CDU: Richtig!)