Protokoll der Sitzung vom 05.05.2010

Das ist schon schwierig genug, aber zugleich droht damit auch der Wegfall dieser strukturpolitischen Impulse. Das ist ein Punkt, den wir uns überhaupt nicht erlauben können. Wir brauchen also wie in der Vergangenheit gerade jetzt dieses wirkungsvolle Instrument, um weitere strukturpolitische Veränderungen in Hamburgs Wirtschaftspotenzial auf den Weg zu bringen. Es reicht im Prinzip nicht aus, einfach nur den Deckungsvorschlag zu beschließen, Haushaltsmittel für die Defizite auszugleichen; wir werden das in den Haushaltsberatungen noch sehen. Wir brauchen gerade für die wirtschafts- und gesellschaftspolitisch schwierige Konstellation nach wie vor eine engagierte Konjunkturund Strukturpolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Meines Erachtens sollte sich die Regierungskoalition kritisch mit den einzelnen Unternehmen und ihren Unternehmenszielen auseinandersetzen und

dies weiterentwickeln. Das gilt besonders für den Bereich Immobilien und Wohnen und die Ausgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs.

Ich kann die Regierungskoalition nur ermutigen, darüber hinaus auch einen vernünftigen Antrag einzubringen, nicht nur Defizitausgleich zu machen, sondern die HGV so auszustatten, dass sie auch in Zukunft kurzfristig reagieren und wirtschaftspolitische Impulse setzen kann. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Kreuzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bischoff, ich danke Ihnen. Allerdings ist Ihr Vergleich mit dem Ausgehen der finanziellen Luft in Bezug auf die HSH Nordbank nicht ausschlaggebend, und die HSH Nordbank ist dafür überhaupt nicht verantwortlich; das werden meine weiteren Ausführungen auch zeigen.

Im Grunde genommen bin ich Ihnen dankbar, dass Sie diesen Bericht zur Debatte angemeldet haben, denn schon im Haushaltsausschuss konnte ich nicht unbedingt nachvollziehen, warum Sie dem Verlustausgleich der HGV nicht zustimmen wollten. Ich hatte gehofft, Sie würden in dieser Debatte ein wenig für Aufhellung sorgen, sodass ich Ihre Sorgen und Ängste mehr verstehe. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Ihnen dies nicht gelungen ist.

Ich greife etwas zurück. In Bezug auf die ausgegangene finanzielle Luft – die Sorge teilen wir alle bezüglich der konjunkturpolitischen Entscheidungen im Hinblick auf die HGV – sind wir vollkommen pari, Herr Bischoff. Was in der Schlussfolgerung für uns nicht ganz sauber in der Argumentation ist, ist Folgendes: Sie reduzieren diese ausgehende Luft ausschließlich auf die HSH Nordbank. Wenn Sie zurückblickend sagen, selbst im Jahre 1974, seit Gründung der HGV, mussten regelmäßig Gesellschaftereinlagen der FHH dort eingelagert werden, um Verluste auszugleichen, ist das kein neues Prinzip. In meinen Ausführungen werden Sie auch sehen, dass genau in einem bestimmten Zeitraum diese Verluste überhaupt nicht zum Tragen kamen.

Verluste hatten wir in den Jahren zwischen 1990 und 1997 durchschnittlich in Höhe von 112 Millionen Euro. Eine wesentliche Ursache für dieses Defizit sind die Verluste im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs. Auch wenn Hamburg im internationalen Vergleich mit einem Kostendeckungsgrad von 88 Prozent bei der Hochbahn sehr gut dasteht, muss dennoch betont werden,

dass der ÖPNV auch in Hamburg nicht kostendeckend betrieben werden kann. Sie haben einmal im Ausschuss ansatzweise von einer defizitären Position gesprochen. Rückblickend ist es grundsätzlich so, dass der ÖPNV nicht kostendeckend betrieben werden kann – dies nur noch einmal zur Erinnerung an die Dinge, die Sie im Ausschuss gesagt haben.

In den Geschäftsjahren 2000 bis 2009 benötigte die HGV keinen Verlustausgleich und ich bereue es zutiefst, dass Sie so etwas unterschlagen. Das sind nämlich wesentliche Jahre, in denen aus dem Hamburger Haushalt an die HGV kein Verlustausgleich stattgefunden hat. Sie nicken, also stimmen Sie mir zu. Der Fairness wegen sollten Sie auch diese Fakten nennen.

Eine wesentliche Ursache waren die seit Mitte der Neunzigerjahre kontinuierlich reduzierten Verluste des öffentlichen Personennahverkehrs. Im Jahre 1993 war das ein Höchststand von rund 174 Millionen Euro. In den Folgejahren hat sich dieser Verlust auf durchschnittlich jährlich 90 Millionen Euro annähernd halbiert.

Und des Weiteren, Herr Bischoff, realisierte die HGV seit dem Jahr 2000 hohe Erträge, und zwar aus stillen Einlagen bei der HSH Nordbank.

(Zuruf von Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE)

Richtig, Sie haben es aber nicht erwähnt.

Die positiven, wenngleich sinkenden Beteiligungsergebnisse waren im Zeitraum 2000 bis 2008 überwiegend hoch genug, um damit die durchweg negativen Zinsergebnisse in der HGV auszugleichen.

Dieses Wechselspiel wurde bei Ihnen überhaupt nicht deutlich, ich glaube, Sie haben den Fokus eher nur auf den Zuschuss gerichtet. Und die Sorge, die Sie verbreiten, ist vielleicht gar keine ehrliche. Ich bin vorsichtig in der Formulierung, seien Sie mir nicht böse.

(Zuruf von Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE)

Die positiven Erlöse sind aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise nun aber ausgeblieben. Durch den völligen Wegfall der Beteiligungserträge aus der HSH Nordbank und die Verluste der Hamburg Messe und Congress GmbH, ausgelöst durch die Finanzierungskosten und Abschreibungen für die Messeerweiterung und Modernisierung, muss im Geschäftsjahr 2010 wieder mit einem Verlust bei der HGV gerechnet werden.

(Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE: Ja, nicht nur da!)

Im Haushaltsausschuss haben Sie versucht, die Verluste der HSH Nordbank zuzuschreiben, und das haben Sie gerade eben auch wieder gemacht. Genau das ist falsch. Sie wollen den Eindruck erwecken, dass die HSH Nordbank den Steuerzahler belastet und ihn zusätzlich etwas kostet. Tatsache

(Dr. Joachim Bischoff)

ist jedoch, dass mit dem Verlustausgleich der HGV nicht die Verluste der HSH Nordbank bezahlt werden, sondern unter anderem, ich erwähnte es, die Kosten für einen modernen ÖPNV. Denken Sie an die U4, die erhöhte Schlagzahl der Buslinien, die vorfinanzierte U-Bahn-Beschaffung; diese Fakten nennen Sie nicht.

Diese zurzeit negativen Erträge im ÖPNV sind natürlich politisch gewollt und das ist auch unsere öffentliche Aufgabe. Die Erträge von HSH Nordbank, HHLA und den anderen Beteiligungen haben das immer nur gedeckt, und zwar die Beteiligungserlöse, die die Zinsverluste gedeckelt haben. Wenn ich Sie im Haushaltsausschuss richtig verstanden habe, wollen Sie die Verluste damit ausgleichen, indem die HHLA-Milliarde – Sie haben nicht hier davon gesprochen, aber im Ausschuss – angelegt werden soll und die Zinserträge zum Verlustausgleich verwendet werden sollen. Sie wissen ganz genau, dass das nicht möglich ist, da mit dem Geld gearbeitet wird, bis es von der HPA zu Investitionen abgerufen wird. Und die noch nicht benötigten Mittel werden für die Finanzierung der mittelbaren Beteiligung an Hapag-Lloyd oder anderen Zwischenfinanzierungen verwendet.

Wenn Sie nun, wie im Ausschuss gefordert, die HHLA-Milliarde anlegen, müssten Sie sich für die Zwischenfinanzierung und Beteiligung Fremdkapital verschaffen. Die Zinslasten wären hierbei aber wesentlich höher als die Zinserträge. Unter dem Strich würden Sie mit Ihrer Forderung mehr Verluste für die Stadt realisieren.

Mit der Drucksache 19/1518, Hafen finanziert Hafen, ist beschlossen worden, dass der HPA 1,061 Milliarden Euro aus dem Erlös des HHLA-Börsengangs für Investitionen im Hafen zur Verfügung gestellt werden.

(Arno Münster SPD: Aber über die Haus- haltsplanung!)

Diese werden in Raten in jährlichen Investitionsvolumen an die HPA überwiesen. Nach derzeitiger Planung wird 2013 die letzte Zahlung an die HPA erfolgen. Ein Anspruch der HPA auf Zinserträge – das haben Sie und Herr Tschentscher auch im Ausschuss gefordert – lässt sich aus der Drucksache jedoch nicht ableiten. Die HHLA-Milliarde ist also bei der HGV geparkt und steht weiterhin in voller Höhe der HPA zur Verfügung. – Danke.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort hat Herr Völsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erst einmal eine Bemerkung vorweg, lieber Herr Kreuzmann. Bei dieser Geschichte mit der HPA empfehle ich Ihnen dringend, einen

Blick in den aktuellen Jahresbericht des Rechnungshofs zu werfen. Der Rechnungshof stellt fest, dass die für die Bauten im Hafen ursprünglich im Haushalt eingeplanten Mittel, die der HPA zur Verfügung standen, einkassiert worden sind und künftig durch die HHLA-Milliarde ausgeglichen werden sollen.

(Arno Münster SPD: Richtig!)

Lesen Sie das einmal im Jahresbericht des Rechnungshofs nach, wir werden das demnächst noch im Unterausschuss Rechnungsprüfung diskutieren. Zu dem anderen Thema kann der Kollege Bischoff selber etwas sagen. Sie haben da etwas missverstanden, was die Frage der Zinsen angeht.

Zwei, drei kleinere Punkte möchte ich noch klarstellen. Dass die Verluste der HGV auch mit der dramatischen Wirtschaftlage zu tun haben, ist unstrittig. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Dass wir erst jetzt einen Verlustausgleich in den Haushalt einstellen müssen, ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet – Herr Kreuzmann, das haben Sie eben verschwiegen –, dass wir in den letzten Jahren durch Vermögensverkäufe der HGV und ihrer Töchter für einen Ausgleich gesorgt haben. In Wahrheit haben wir seit 2004 ein rückläufiges Beteiligungsergebnis. Wir leben seit 2004 von der Substanz, nicht nur im Haushalt, sondern auch in der HGV.

Die HGV war ursprünglich einmal als ein Konstrukt gedacht, um Gewinne und Verluste öffentlicher Unternehmen steuerlich vernünftig gegeneinander aufrechnen oder ausgleichen zu können. Tatsächlich war die HGV in den letzten zehn Jahren zu einem guten Teil ein Verschiebebahnhof für finanzpolitische Maßnahmen des Senats. Ich darf daran erinnern, dass die kreditfinanzierten stillen Einlagen der HGV bei der HSH Nordbank in Aktien gewandelt wurden. Aktien und Dividenden gingen ganz überwiegend an den Haushalt, die Kredite und die Zinslasten blieben bei der HGV.

Die HGV-Immobilientöchter haben PRIMO-Gebäude verkauft. Die Verkaufserlöse gingen als Darlehenstilgung zu einem großen Teil an den Haushalt und wurden ansonsten zum Haushaltsausgleich bei der HGV benutzt. Tafelsilber wurde schlicht und ergreifend verkauft – auch das: Leben von der Substanz.

Der letzte Punkt ist sozusagen der Höhepunkt, das von Ihnen aufgelegte Sonderinvestitionsprogramm. Dieses Programm sollte 1 Milliarde Euro umfassen, wovon Ihnen aber 1 halbe Milliarde Euro fehlten. Was haben Sie gemacht? Die SAGA kaufte die GWG von der HGV und dann kaufte die HGV SAGA-Aktien von der Stadt. Weil das so wunderbar läuft, macht man das immer noch und immer weiter. Das hat jedenfalls nichts mit vernünftiger Finanzpolitik zu tun.

(Thomas Kreuzmann)

Die Wirtschaftskrise in den letzten eineinhalb Jahren hat die Situation der HGV sicherlich verschärft, das ist völlig unstrittig. Die Verluste und die Notwendigkeit, diese nach dem Verzehr des Tafelsilbers ausgleichen zu müssen, haben sich aber in Wahrheit schon sehr viel früher abgezeichnet. Wenn wir jetzt 100 Millionen Euro ausgleichen müssen, geht davon sicherlich die Hälfte auf das Konto der Wirtschaftkrise. Die andere Hälfte geht auf eine unseriöse Finanzpolitik, die mit den Namen Peiner, Freytag und von Beust verbunden ist und deshalb lehnen wir Ihre Vorlage ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Waldowsky.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ist die HGV ein Verschiebebahnhof für die finanzpolitischen Spekulationen des Senats, wie der Kollege Völsch sagt, oder aber ein Instrument für wichtige strukturpolitische Maßnahmen, wie Herr Dr. Bischoff sagt? Ich meine, Herr Völsch fällt hier ein wenig aus dem Rahmen. Eben haben sich CDU und LINKE schon recht harmonisch zu diesem Thema geäußert. Diesmal verdanken wir der LINKEN ein Thema, das gar nicht so kontrovers zu diskutieren ist. Natürlich ist die HGV ein Instrument für wichtige strukturpolitische Maßnahmen, sie ist es immer gewesen und wird es auch in Zukunft bleiben.

Herr Dr. Bischoff hat darauf hingewiesen, dass zehn erfolgreiche Jahre hinter uns liegen. Allerdings gab es vorher über 20 Jahre hinweg ständig Verlustausgleiche. Warum gab es diese zehn erfolgreichen Jahre?

Das lag auch an großen Dividendenbringern wie der HSH Nordbank oder der HHLA und an Aktionen wie der Beiersdorf-Beteiligung, die wir kurzzeitig gehalten haben, oder an den Spekulationen um die Norddeutsche Affinerie. Das werden wir in Zukunft so nicht mehr haben können – unabhängig von der Wirtschaftskrise, von der die HGV besonders hart getroffen ist – und das wollen wir auch nicht. Wir sitzen zusammen im PUA und wissen, dass die HSH Nordbank bis zu 70 Millionen Euro pro Jahr an Gewinnen abgeführt hat; die können wir gar nicht mehr wollen und auch nicht mehr erwarten.

Die HGV hat die Aufgabe – Herr Völsch hat darauf hingewiesen –, eine Mischfinanzierung zu ermöglichen. Wir haben eine ganze Reihe von öffentlichen Unternehmen, die Verluste erbringen und auch erbringen müssen. Ich nenne da nur die Hochbahn und die VHH, also die öffentlichen Verkehrsbetriebe, die Bäderland oder die HADAG. Auch die Betreibung der Park-and-ride-Anlagen ist aus grüner

Sicht ganz wichtig. Es ist richtig, dass wir dort die Verluste übernehmen.

Was sind denn die Alternativen? Über die haben wir noch gar nicht gesprochen. Was könnten wir machen, wenn wir die 90 oder 95 Millionen Euro an Verlusten nicht übernehmen? Wir könnten uns natürlich hemmungslos verschulden, ähnlich wie der Bund das tut; das wollen wir nicht. Wir könnten Vermögen aktivieren; auch das will keiner.

Vermögensaktivierung bedeutet, dass man Immobilien veräußert, zum Beispiel SAGA- und GWGImmobilien oder die Museumsgebäude, die im Besitz der HGV sind. Auch die Polizeiwachen gehören der HGV – die will niemand veräußern.