Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr von Frankenberg, wenn Sie sagen, dass Sie für Transparenz sind und deshalb diese Debatte anmelden, dann sollten Sie den Leuten nicht vorenthalten, dass Sie vorhin dafür plädiert haben, diese Debatte zu streichen. So viel zum Thema Transparenz und zum Thema Ehrlichkeit und dazu, dass die CDU diese schwierigen Themen angeblich in der Bürgerschaft ansprechen will. Ich finde, das sollte einmal deutlich gesagt werden.
In der Globalrichtlinie wie im Gesetz selbst steht hinsichtlich des Ziels der Einzelförderung, dass mit diesem Förderinstrument versucht werden soll, pflegebedürftige Menschen in den Heimen vor dem Sozialhilfebezug zu bewahren. Gerade vor dem Hintergrund der heutigen Haushaltslage ist es für uns Sozialdemokraten immer noch ein wichtiges Ziel, möglichst wenig Menschen in die Sozialhilfe abgleiten zu lassen. Wir werden alles tun, damit dies nicht passiert.
Herr von Frankenberg, Sie haben auch angesprochen, was der Senator am 6. April in seiner Presseerklärung sagte,
nämlich warum Sie die Einzelförderung streichen wollen. Er hat zwei Dinge genannt, zum einen die Haushaltskonsolidierung. Es ist immer erstaunlich, warum gerade solche Dinge passieren müssen, weil der Haushalt in diesem Bereich in die Schieflage geraten ist. Über die Glaubwürdigkeit dieser Angelegenheit haben wir vorhin schon diskutiert.
Das Zweite, was Sie auch vorgebracht haben, ist das Thema Fehlanreize. Auch der Senator hat gesagt, es habe zu Fehlanreizen geführt. Menschen sind also eher in die stationäre Unterbringung gegangen, anstatt sie zu Hause ambulant zu pflegen. Wenn wir schon über Transparenz und Ehrlichkeit sprechen, dann möchte ich bitte von Ihnen oder dem Senator eine Stellungnahme eines Sozialverbandes, eines Wohlfahrtverbandes und eines Privatmenschen haben, der sagt, diese Einzelförderung habe dazu geführt, dass Menschen letztendlich in stationäre Einrichtungen gekommen seien. Das Gegenteil ist der Fall, es gab keinen Anreiz
Wenn Sie mit den Angehörigen sprechen, wenn Sie mit den Wohlfahrtsverbänden sprechen, sagen alle, dass die stationäre Unterbringung das letzte Mittel ist, dass viele Angehörige in Hamburg und Deutschland alles versuchen, um Angehörige erst einmal zu Hause zu pflegen. Da sind wir uns in der Politik eigentlich auch einig, dass dieser Weg unterstützt werden muss, ambulant vor stationär, das ist ganz klar. Aber dort, wo es nicht mehr geht und die stationäre Unterbringung eigentlich besser wäre, müssen wir verhindern, dass Menschen aus finanziellen Gründen oder weil ältere Menschen Angst davor haben auf eine stationäre Unterbringung verzichten. Das ist gegen das Wohl der Betroffenen und gegen das Wohl der Angehörigen und das kann doch nicht Ziel Ihrer Politik sein.
Deswegen haben wir dazu aufgefordert, dieses Thema sehr ausgiebig und transparent zu diskutieren in einer Expertenanhörung und auch in verschiedenen Ausschusssitzungen. Es ist schon erstaunlich, dass der Senator Ende letzten Jahres festgestellt hat, bei der Einzelförderung etwas zu tun, uns die Drucksache aber erst im Mai im Ausschuss erreicht hat
und man versucht hat, das Gesetz relativ schnell durchzupeitschen, und mit welcher Konsequenz? In der Presseerklärung des Senators wurde gar nicht darauf hingewiesen, welche Konsequenzen es hat. Nach seinen Vorstellungen, was Sie jetzt etwas abgemildert haben,
hatte der Sozialsenator dieser Stadt vor, 7400 Menschen die Förderung zu streichen und 2000 Menschen zusätzlich mit mindestens rund 4000 Euro im Jahr zu belasten. Wir reden immer darüber, dass alles sozial gerecht geschehen müsse, aber dass wir in diesem Bereich Menschen mit 4000 Euro mehr im Jahr belasten, ist beispiellos. Und dass dies gerade im Pflegebereich passiert, ist einfach zynisch, meine Damen und Herren.
Sie haben selbst mitbekommen, für welche Unruhe dies in den Pflegeheimen und im Landesseniorenbeirat gesorgt hat. Alle haben gesagt, es könne nicht angehen, dass diese Menschen freiwillig Auskünfte hinsichtlich ihrer Vermögensverhältnisse gegeben haben, dass sie damit geplant haben, aber auf einmal wird ihnen das Geld weggenommen. Gleichzeitig erfahren sie noch, zum Beispiel durch Vitanas, erhebliche Mietsteigerungen. Dieses hat Sie wahrscheinlich auch dazu gebracht, dass Sie sagten, hier wollten Sie die Notbremse ziehen.
Aber es ist auch nicht ehrlich, wenn Sie sagen, es werde jeden Heimbewohner treffen beziehungsweise er würde davon profitieren. Das ist nicht der Fall. Es wird nur die Heimbewohner treffen oder begünstigen, die jetzt schon in der Einzelförderung sind. Diejenigen, die vor einem halben Jahr in ein Pflegeheim gekommen sind, deren Vermögen jetzt abgeschmolzen wird und die in zwei, drei Monaten eigentlich in die Einzelförderung gelangen würden, werden dort nicht hineinkommen. Die werden in den Sozialhilfebezug gehen oder, was die Behörde besonders gern möchte, die Angehörigen oder die Partner werden zur Kasse gebeten. Das ist aus unserer Sicht keine soziale Politik. Familien in diesem Land sind ohnehin schon über die Maßen belastet, sie brauchen Stärkung und keine Schwächung.
Was hier geschieht, war weder transparent noch wurde es von irgendjemandem fachpolitisch begründet. Und es geschieht auch vor dem Hintergrund der Enquete-Kommission Pflege in Nordrhein-Westfalen, wo sich Ihre Parteikollegen eindeutig für den Fortbestand des Pflegewohngeldes eingesetzt haben. Hamburg vergibt hier die Chance, weiterhin sozial tätig zu sein, und Hamburg vergibt auch den Spielraum, den uns der Bundesgesetzgeber mit der Einführung der Pflegeversicherung und den finanziellen Möglichkeiten zum Wohle der Menschen eingeräumt hat. Das bedeutet einmal die Objektförderung, das heißt die Unterstützung beim Bau oder Umbau von Pflegeheimen mit öffentlichen Mitteln oder eben auch die direkte Unterstützung der Bewohner. Weil dies nicht geschieht und Sie einseitig bestimmte Gruppen belasten, können wir Ihnen nur sagen: Lassen Sie die Finger davon, machen Sie auch dort eine Kehrtwende und beseitigen Sie endlich diese Verunsicherung, die es in den Heimen gibt. Tun Sie etwas für die Familien, für die Pflegebedürftigen und nicht gegen sie und kümmern Sie sich um die Einzelfälle. Frau Blömeke, es ist zum Teil ganz bitter, was sich da abspielt. Daran müssten wir als Politiker eigentlich alle gemeinsam arbeiten. Dazu sind wir Sozialdemokraten bereit, aber wir sind nicht dazu bereit, bestimmte Personen einseitig zu belasten. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kienscherf, natürlich hat der Wegfall der Einzelfallförderung für Unruhe gesorgt, das ist selbstverständlich, weil jeder Einschnitt und jede Einsparung bei den Betroffenen für Unruhe sorgt. Wir haben das – und da haben Sie völlig recht – in den Anhörungen auch deutlich zu spüren bekommen. Die Menschen sind zu uns
gekommen, haben uns ihre Sorgen geschildert und wir haben uns das angehört und hinterher darüber diskutiert. Das kann man gar nicht wegreden. Positiv geäußert haben sich die Besucher der Anhörungen über die Übergangsregelung, das war das, was eben Kollege Frankenberg meinte; das wurde positiv anerkannt.
Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das nicht die einzige unbequeme Maßnahme sein wird, die im Laufe der Zeit vielleicht noch auf uns zu kommt. Ich habe bei Ihnen nach wie vor das Gefühl, dass Sie die Haushaltslage, über die wir vorhin ausgiebig debattiert und diskutiert haben und die der Bürgermeister deutlich dargestellt hat, einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Ich glaube auch, dass die Bürger erkennen müssen – vielleicht ist das heute durch die Debatte zum Teil geschehen –, dass wir schwierigen finanziellen Zeiten entgegengehen und dass wir die nur gemeinsam bewältigen können. Und wenn ich gemeinsam sage, dann meine ich auch, dass jeder – so ist es auch angekündigt worden – Politikbereich dazu etwas beträgt. Aus diesem Grund haben wir uns zum Wegfall der Einzelfallförderung entschlossen. Ich gebe zu, dass dies eine unpopuläre Maßnahme und ein schmerzhafter Einschnitt für die pflegebedürftigen Menschen ist. Natürlich hätten wir diese Maßnahme ohne den Druck der Einsparungen vielleicht nicht angetastet, obgleich der fachliche Aspekt – auf den komme ich noch – eine ganz wesentliche Rolle spielt. Die Situation in unserer Stadt ist aber nun einmal so, dass Entscheidungen und Maßnahmen auf den Prüfstand gehoben werden müssen. Vor diesem Hintergrund geht es darum, die Einsparpotenziale in allen Bereichen zu nutzen, und daher halte ich den Wegfall der Einzelfallförderung für vertretbar. Es ist eben so ein bisschen untergegangen, als Sie sagten, ein Bundesland werde sie beibehalten, dass es diese einkommensabhängige Einzelfallförderung in zwölf weiteren Bundesländern ebenfalls nicht gibt.
Ich will Ihnen noch einmal kurz erläutern, worum es eigentlich geht, weil ich glaube, dass viele gar nicht genau wissen, worüber wir eigentlich reden. Wenn ein Mensch ins Pflegeheim geht, dann muss er ein Heimentgelt bezahlen. Das setzt sich für den zukünftigen Bewohner aus drei Faktoren zusammen, aus Unterkunft und Verpflegung, Pflegeleistungen und Investitionskosten. Die Investitionskosten beinhalten Aufwendungen für Instandhaltung, Mieten, Pachten, alles Mögliche, was dazugehört, damit das Gebäude in Schuss bleibt und abbezahlt wird. Im Durchschnitt betragen diese Investitionskosten in Hamburg 460 Euro. Das ist für die Menschen, die in ein Heim gehen, eine Menge Geld. Reichte die Rente nicht aus, dann hatten zukünftige Heimbewohner bislang die Möglichkeit, einen Antrag auf einen Zuschuss – die Einzelfall
förderung – zu stellen, um einen Zuschuss für diese Investitionskosten zu erhalten. Dieser Zuschuss fällt künftig durch die Änderung im Pflegegesetz weg.
Für die betroffenen Menschen bedeutet dies, dass sie einen höheren Eigenanteil für die Unterbringung im Pflegeheim zahlen müssen. Wenn sie dazu nicht in der Lage sind, dann treten auch jetzt schon die üblichen sozialhilferechtlichen Bestimmungen in Kraft. Das heißt – und das ist wichtig –, bevor die Solidargemeinschaft letztendlich durch Hilfe zur Pflege, die es in Hamburg auch gibt, für die Kosten aufkommt, werden das Einkommen, Vermögen und die unterhaltspflichtigen Angehörigen herangezogen.
Meine Damen und Herren! Es mag Ihnen nicht gefallen, wenn Kinder auch für ihre Eltern aufkommen müssen, und auch mir würde das vielleicht nicht gefallen, wenn ich betroffen wäre. Aber genau das sieht das Sozialrecht vor, und zwar nicht nur in diesem Fall, sondern in vielen anderen auch.
Allerdings zeigt sich heute schon, dass 73 Prozent der bisherigen Leistungsempfänger dieser Einzelfallförderung bereits Hilfe zur Pflege erhalten und somit weder selber noch über Angehörige für diese Investitionskosten aufkommen können. Es geht also um die verbleibenden 27 Prozent der betroffenen Menschen.
Es war der schwarz-grünen Koalition wichtig, einen Bestandsschutz zu verabschieden und dafür zu sorgen, dass die jetzigen Heimbewohner, die noch mit ganz anderen Kosten kalkuliert haben, geschützt werden. Ich will noch einmal deutlich sagen, dass da keine Unklarheit herrschte. Alle, die bis zum 30. Juni noch Anträge auf Einzelfallförderung stellen oder bereits im Heim sind und diesen Zuschuss bekommen, werden ihn lebenslang auch weiterhin erhalten. Aber für die Menschen, die jetzt einen neuen Heimplatz suchen und die weder selber noch über ihre Angehörigen die Investitionskosten bezahlen können, ist über die Hilfe zur Pflege gesorgt. Kein pflegebedürftiger Mensch muss aus finanziellen Gründen vor den Türen eines Pflegeheimes stehen bleiben.
Meine Damen und Herren! Mit dem Wegfall der Einzelfallförderung wird auf der einen Seite ein finanzieller Sparbetrag zur Konsolidierung im Bereich der Pflege geleistet und auf der anderen Seite verfolgen wir in der Tat damit die fachliche Zielsetzung "ambulant vor stationär". Dabei geht es aber nicht darum, wie Sie eben auch kritisiert haben, Herr Kienscherf, dass die Menschen mithilfe der Abschaffung der Einzelfallförderung in die ambulante Pflege gesteuert werden sollen. Es ist uns allen klar, dass man sich erst am Ende einer ganz langen Pflegekette für ein Heim entscheidet. Es geht vielmehr um die Abschaffung einer Ungleichbehandlung zwischen ambulanter und stationärer Pflege. Heimunterbringung ist bislang durch diese
Einzelfallförderung finanziell bevorzugt und die Versorgung in der ambulanten Pflege ist im Vergleich dazu sehr teuer.
Das Streichen von Leistungen fällt niemandem – das wissen auch die SPD-Politiker, die damals in der Regierung waren – leicht. Dennoch hält die Koalition nicht zuletzt aus den eben genannten fachlichen Gründen den Wegfall der Einzelfallförderung – vor allem mit dem eingebauten lebenslangen Bestandsschutz – für vertretbar. Nicht vertretbar ist die Argumentation der SPD – da stimme ich dem Kollegen Frankenberg zu –, die in der Tat meistens gegen alles ist, was wir vorschlagen, aber selten eigene Vorschläge macht, schon gar nicht in diesem Bereich.
Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Die Auseinandersetzung um die Kürzung des Pflegewohngeldes in Hamburg – EEF, Einkommensabhängige Einzelförderung genannt – hat eine erstaunliche Selbstoffenbarung mit sich gebracht. Und ich weiß heute, dass manch einer im Senat wohl eher glaubt statt zu wissen. In spiritueller Hinsicht finde ich das begrüßenswert und menschlich, in politischer Hinsicht verleitet dieser Glaube zu recht abgehobenem Verhalten.
Da ist zum einen der Glaube an den Generationenvertrag. Herr Wersich hält daran fest, dass die Jüngeren die Älteren finanziell unterstützen können und müssen, weil die Älteren früher die Jüngeren unterstützt haben. Dies ist das Basisargument von Herrn Wersich für die Streichung des Pflegewohngeldes. Und da ist der Glaube an das Benchmarking. Das ist in der Betriebswirtschaft ein systematischer und kontinuierlicher Prozess zum Vergleichen von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen im eigenen Unternehmen sowie mit denen fremder Unternehmen in qualitativer und/oder quantitativer Hinsicht. Herr Senator Wersich – wenn es Ihnen recht ist, dass ich das so ausspreche, das mache ich gerne – hat herausgefunden, dass einige Bundesländer das Pflegewohngeld abgeschafft beziehungsweise es nie hatten; deswegen könne es auch in Hamburg wegfallen.
Beide Glaubensgrundsätze überzeugen mich nicht, um dem Wegfall des Pflegewohngeldes zuzustimmen. Der Generationenvertrag ist seit Langem brüchig. Wir lesen heute, dass die Kluft zwischen Arm und Reich größer wird und die Mittelschicht immer kleiner. Wir lesen, dass eigentlich niemand, der in den Siebziger-, Achtziger- oder Neunzigerjahren geboren wurde, davon ausgehen kann, dass er mit einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis in die Rente gehen kann und aus
reichende Altersbezüge erhalten wird. Das Konzept des Generationenvertrages ist ein zur Moral verkommenes Modell, mit dem hier reine Ideologie betrieben wird, um den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Das Problem dabei ist, dass diese Moral immer noch ankommt. Bei der öffentlichen Anhörung am 26. Mai haben wir die Betroffenen gehört. Sie wollen ihren Kindern nicht auf der Tasche liegen. Lieber bleiben sie zu Hause, schummeln sich vielleicht durch angestrengtes Verhalten eine Pflegestufe herunter und verzichten auf ihr gutes Recht, in stationäre Pflege zu gehen.