Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

Das Wort hat Frau Heyenn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man Umwelthauptstadt hört, dann denkt man, es geht um die Umwelt.

(Ingo Egloff SPD: Und in Wahrheit geht es um einen Eisenbahnzug!)

Herr Kerstan hat schon angedeutet, warum Hamburg die meisten Punkte von allen sich bewerbenden Städten bekommen hat und Umwelthauptstadt geworden ist. Ich lese noch einmal vor, was die Jury zur Begründung geschrieben hat:

"Hamburg, der Gewinner 2011, hat in den vergangenen Jahren und in der Gegenwart große Leistungen erbracht und auf der ganzen Bandbreite exzellente Umweltstandards erreicht. Die Stadt hat sehr ehrgeizige Pläne für die Zukunft, die zusätzliche Verbesserungen versprechen."

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Wie ist das denn mit den vorbildlichen Leistungen zur Verbesserung der Umwelt? Ich denke da an das Kohlekraftwerk Moorburg, an die Fernwärmetrasse, deren Bau von den Gerichten gestoppt werden musste, weil Bäume gefällt wurden. Die Umweltverbände haben die GAL-Fraktion als die Baumfällmeister dieser Stadt bezeichnet: alles Umweltschutz.

In Ihrer Drucksache steht weiter:

"Am Beispiel Hamburgs kann gezeigt werden, wie möglichen negativen Folgen des urbanen Wirtschaftswachstums, insbesondere dem steigenden Flächenverbrauch […] begegnet werden kann."

Gerade die Umweltverbände in dieser Stadt beklagen, dass jeden Tag ein Hektar Fläche zur Bebauung verbraucht wird und dann soll Hamburg da Vorbild sein? Soviel zu den großen Leistungen der Vergangenheit und der Gegenwart.

Schauen wir einmal auf die Pläne für die Zukunft. Da hätten wir gern gewusst, welche Pläne zur Verbesserung der Umwelt in Hamburg und der Metropolregion Sie der Kommission vorgestellt und welche dieser Pläne Sie inzwischen aufgegeben haben, weil sie schon lange dem Rotstift zum Opfer gefallen sind. 10 Millionen Euro hat es ja schon für die Expo in Shanghai gegeben, wo ein Passivhaus vorgestellt worden ist. Darüber haben wir leider

keinen Bericht bekommen. Wahrscheinlich hat derjenige, der das Haus entwickelt hat, ein gutes Geschäft gemacht, aber warum das ein Plus für die Umwelt in Hamburg sein soll, kann ich nicht feststellen.

Wenn Sie sich hier hinstellen, Herr Kerstan, und die SPD beschimpfen – ich bin nun wirklich weit davon entfernt, die SPD immer zu verteidigen – und sagen, sie hätte noch nicht kapiert, dass man für die Umwelt ein großes Interesse bewirken müsse, dann haben Sie offenkundig noch nicht gemerkt, dass die Menschen nicht nur in dieser Stadt, sondern eigentlich überall auf der Welt, große Sorgen um die Umwelt haben. Sie müssen den Menschen nicht mehr erzählen, dass man die Umwelt schützen muss, das wissen sie selber sehr gut. Sie müssen auch nicht so tun, als müssten von der Politik irgendwelche Umweltmaßnahmen gegen den Willen der Menschen durchgedrückt werden, das Gegenteil ist der Fall. Die Menschen warten schon lange darauf, dass Umweltmaßnahmen endlich durchgeführt werden, aber genau das Gegenteil passiert. Sie wollen 8,65 Millionen Euro ausgeben für Folgendes: Kosten für Infopavillon und Umwelttouren 1,4 Millionen Euro, "Zug der Ideen" – Frau Dr. Schaal hat es schon gesagt – durch 15 europäische Städte und dann steht er irgendwo auf einem Gleis oder in der Fußgängerzone 4 Millionen Euro, Kosten für Veranstaltungen 1,75 Millionen Euro und für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing noch einmal 1,5 Millionen Euro. Da ist kein einziger Cent für die Verbesserung der Umwelt drin und deswegen finden wir das hochproblematisch.

Der letzte Satz vor Ihrem Petitum ist typisch. Dort heißt es:

"Insgesamt zeigt sich schon jetzt, dass der Titel Umwelthauptstadt Europas deutlich zur Erhöhung der Attraktivität Hamburgs beitragen kann."

Dann nennen Sie das doch Tourismus-Programm, aber nennen Sie es bitte nicht Umwelthauptstadt,

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

denn mit diesen 8,65 Millionen Euro wird an keinem einzigen Punkt die Umwelt verbessert.

Ich möchte daran erinnern, was der Bürgermeister heute Morgen gesagt hat: nice to have. Es ist entschieden zu viel, was hier ausgegeben wird für eine Werbemaßnahme und deshalb werden auch wir dieser Drucksache nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Frau Senatorin Hajduk.

(Dr. Monika Schaal)

(Uwe Grund SPD: Das ist unglaublich, diese Geldverschwendung! Da reden Sie über Sparen und hauen so ein Ding raus!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat haben wir in der Drucksache die Grundzüge und Eckpunkte des Programms von Hamburg als Umwelthauptstadt 2011 dargestellt. Wir haben dieses Programm so präsentiert, wie wir es auch bei der EU-Kommission in Brüssel beworben haben. Die Zielsetzung der EU-Kommission ist es, Städte auszuzeichnen, die durchgängig hohe Umweltstandards erreichen, die Bereitschaft von Städten zu stärken, sich ehrgeizige Ziele zur Verbesserung zu setzen und auch eine Vorbildfunktion zu schaffen,

(Stephan Müller CDU: Sehr richtig!)

die sich natürlich auf den ganzen europäischen Kontext bezieht.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der CDU)

Wenn man weiß, dass Umweltprobleme globale Probleme sind – wir können Umweltprobleme nicht alleine in Hamburg lösen –, dann sollte man offen dafür sein, dass der Dialog über Umweltprobleme eine hohe Verantwortung gerade der europäischen Städte ist. Ich sage einmal in Richtung Opposition, dass ich schon ein bisschen erschüttert bin, wie Sie diesen Dialog zu einer PR-Kampagne herunterreden. Ich kann da wirklich nur einen gewissen Populismus-Verdacht hegen. Ich finde es erschütternd, wie Sie sich hier uneuropäisch und anti-umweltmäßig präsentieren.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Bei der Bewerbung – man hätte sich nicht bewerben müssen, ich vermute, dass eine SPD-geführte Regierung sich auch nicht beworben hätte – war ausdrücklich vorgesehen, neben den eigenen Leistungen im Umweltbereich ein über die Standarddarstellung hinausgehendes Kommunikationskonzept vorzustellen. Wenn wir jetzt darüber reden, was wir an dem Programm gut oder weniger gut finden, dann möchte ich Ihnen sagen, dass wir nicht gerade die Teile weglassen wollen, die die EU-Kommission sich für die Akzeptanzschaffung dieses Titels wünscht; das wäre nicht gut. Wir haben mit unseren Ideen, gerade mit dem "Zug der Ideen", großen Zuspruch gefunden. Ich bitte Sie deshalb, noch einmal in sich zu gehen, ob Sie diesen "Zug der Ideen" wirklich schlicht und einfach und mit so einer Schärfe, wie es Ihr haushaltspolitischer Sprecher gemacht hat, ablehnen wollen, oder ob Sie nicht noch einmal über die Notwendigkeit des europaweiten Austausches von wichtigen Vorbildprojekten nachdenken wollen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Genau darum geht es. Gehen Sie noch einmal in sich.

(Uwe Grund SPD: Mehr Bescheidenheit!)

Ich möchte noch etwas dazu sagen, wieso wir diesen Titel erhalten haben. Wir haben darstellen müssen, wie sich die Umweltdaten der Stadt Hamburg – Wasserqualität, Luftqualität, Flächen für den Naturschutz und Stadtgrün – entwickelt haben. Mit diesen Daten hat Hamburg es geschafft, sofort unter die letzten acht zu kommen. Das war schon ein Erfolg, wenn man bedenkt, dass unter den 35 Bewerberstädten Städte wie Wien, Helsinki, München, Bremen und Rotterdam waren, die auch wegen einer hohen Lebensqualität für sich werben können. In der letzten Ausscheidungsrunde ist es dann darum gegangen, welche Pläne und Programme wir für die Zukunft haben und wie wir ein Vorbild für andere europäische Städte sein können.

Frau Heyenn, Sie haben gefragt, womit wir uns präsentiert haben. Hamburg hat sich mit seinem Klimaschutzprogramm präsentiert, das über 300 Projekte beinhaltet und für das wir jedes Jahr 25 Millionen Euro bereitstellen. Wir haben das 2008 getan, im Doppelhaushalt 2009/2010 und werden trotz der schwierigen Haushaltslage auch im neuen Doppelhaushalt wieder ein Klimaschutzprogramm vorlegen; wir rasieren da nicht. Ich bin gespannt, ob Sie die Kraft finden, das zu unterstützen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Als wir uns in der Endrunde präsentiert haben, hatte ich Moorburg schon genehmigt und mein Staatsrat hatte auch die Größe, das bei unserer Bewerbung vorzutragen.

(Thomas Böwer SPD: Na toll!)

Das ist die Wahrheit, man muss ehrlich sein.

Wir haben aber auch davon gesprochen, dass wir mit HAMBURG ENERGIE ein öffentliches Unternehmen gründen wollen. Wir haben uns beworben mit der Einführung der Stadtbahn als einem wichtigen Zukunftsprojekt, das viel mit Klimaschutz und Verkehr zu tun hat. Wir haben uns beworben mit der Radverkehrsstrategie und – das kann Hamburg wirklich auf eine besondere Weise auch im europäischen Kontext darstellen – mit Stadtentwicklungsprojekten, die, wie die HafenCity, die Internationale Bauausstellung und die Internationale Gartenschau nicht nur wegen ihrer Größe eine internationale Bedeutung haben, sondern auch, weil sie konsequent eine Innenentwicklung bedeuten, eine Wiedergewinnung städtischen Raums und damit natürlich eine Schonung der weiteren Ausdifferenzierung in die Fläche. Das ist ein zutiefst ökologisches Thema. Und diese Themen haben die EU bewogen zu sagen, die haben ambitionierte Ziele, die bringen Infrastrukturentwicklung zusammen mit

(Vizepräsident Wolfgang Joithe-von Krosigk)

neuer Stadtentwicklungspolitik für Grünflächen und Wohnraum, das ist vorbildlich, das sind die Projekte, die wir an Hamburg überzeugend finden.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Olaf Ohlsen CDU: Bravo!)

Jetzt muss ich einmal mit einem ganz großen Missverständnis aufräumen. Wenn man den Titel Umwelthauptstadt hat und aufgefordert ist, in diesem Jahr zu zeigen, was man kann und zukünftig will, dann ist damit nicht die Aufforderung verbunden, zusätzliche 10 Millionen Euro in Umweltprojekte dieser Stadt zu stecken. Das Geld, das wir in dieser Stadt in die Umwelt investieren, liegt weit über dieser Summe. Sie wissen doch, wie teuer der A7-Deckel ist. Sie wissen, dass eine Stadtbahn Geld kosten wird, Sie wissen, dass diese Projekte, die ich gerade aufgezählt habe, große Investitionsprojekte sind, die auch Umweltqualität haben. Frau Schaal, ich muss Ihnen doch nicht erklären, dass dieses Geld in die Umwelt fließt und nicht dieser Betrag, den wir für die Darstellung der Stadt brauchen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

(unterbrechend) : Frau Senatorin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Tschentscher?

Selbstverständlich.

Frau Senatorin, wenn wir schon so engagiert über Ihre Werbekampagne sprechen, aus welchen Mitteln hätten Sie diese Kampagne finanziert, wenn die Wohnungsbaukreditanstalt dieses Jahr die Ihnen zugewiesenen Mittel gebraucht hätte?

(Jens Kerstan GAL: Das ist ja eine brillante Frage!)

Ich weiß nicht, Herr Tschentscher, ob eine Spekulation über alternative Finanzierungen weiterführt. Ich stehe zu der europäischen Umwelthauptstadt und dazu, dass wir diesen Titel gewonnen haben. Ich empfinde es auch als wichtig, uns damit entsprechend darzustellen und in einen europäischen Dialog einzutreten.

(Beifall bei der GAL und der CDU)